Gefährliches Pflaster

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MARTIN MÜLLER

Schlüssel und Schloss im römischen Alltag – Ausgewählte Funde aus der Colonia Ulpia Traiana

Die Sicherung von Türen ergo placuit, ad hunc primum ferremus aditum, ut contempta pugna manus unicae nullo negotio cunctis opibus otiose potiremur. Nec mora, cum noctis initio foribus eius praestolamur, quas neque sublevare neque dimovere ac ne perfringere quidem nobis videbatur, ne valvarum sonus cunctam viciniam nostro suscitaret exitio. tunc itaque sublimis ille vexillarius noster Lamachus spectatae virtutis suae fiducia, qua clavi immittendae foramen patebat, sensim immissa manu claustrum evellere gestiebat. sed dudum scilicet omnium bipedum nequissimus Chryseros vigilans et singula rerum sentiens, lenem gradum et obnixum silentium tolerans paulatim adrepit grandique clavo manum ducis nostri repente nisu fortissimo ad ostii tabulam offigit et exitiabili nexu patibulatum relinquens gurgustioli sui tectum ascendit atque inde contentissima voce clamitans rogansque vicinos et unum quemque proprio nomine ciens et salutis communis admonens diffamat incendio repentino domum suam possideri. sic unus quisque proximi periculi confinio territus suppetiatum decurrunt anxii. Tunc nos in ancipiti periculo constituti vel opprimendi nostri vel deserendi socii remedium e re nata validum eo volente comminiscimus. antesignani nostri partem, qua manus umerum subit, ictu per articulum medium temperato prorsus abscidimus atque ibi brachio relicto, multis laciniis offulto vulnere, ne stillae sanguinis vestigium proderent, ceterum Lamachum raptim reportamus. „Also beschlossen wir, zu ihm zuerst unsere Schritte zu lenken, um uns mühelos der gesamten Schätze in aller Muße zu bemächtigen; denn wir achteten den Kampf mit einem einzelnen für gering. Unverzüglich stehen wir bei Beginn der Nacht an seiner Türe bereit; wir beschlossen, sie nicht in

die Höhe zu wuchten noch auseinanderzuschieben und auch nicht einzuschlagen, damit nicht das Krachen der Flügel die gesamte Nachbarschaft zu unserem Verderben aufscheuchte. Da bemühte sich also unser prächtiger Hauptmann Lamachus im Vertrauen auf seine bewährte Heldenkraft, dort, wo die Öffnung sich befand, um den Schlüssel hineinzustecken, sachte die Hand hineinzustecken und den Verschluß loszureißen. Aber Chryseros, dieses schändlichste von allen zweibeinigen Geschöpfen, war natürlich wach und merkte im einzelnen, was vorging; mit leisem Schritt und lautlosem Schweigen schleicht er allmählich heran, und mit einem großen Nagel schlägt er die Hand unseres Anführers mit kraftvollem Schwung an der Türfläche; er lässt ihn dann mit der tödlichen Fesselung am Marterholz und steigt auf das Dach seiner Hütte; und von dort schreit er mit angestrengter Stimme, bittet seine Nachbarn herbei und fordert jeden einzelnen mit seinem eigenen Namen auf, erinnert auch an das allgemeine Wohl; dabei streut er das Gerücht aus, sein Haus sei plötzlich von Brande ergriffen. So stürzt denn ein jeder, durch die Nähe der unmittelbaren Gefahr erschreckt, angstvoll daher, um zu helfen. Da befanden wir uns nach zwei Seiten in gefährlicher Lage, entweder selbst überrascht zu werden oder unsern Gefährten im Stich lassen zu müssen; und so erdenken wir mit seiner Bewilligung entsprechend der Lage ein sehr gewaltsames Mittel; wir hauen unserm Hauptmann den Teil, wo die Hand mit dem Oberarm verbunden ist, mit einem mitten durchs Gelenk geführten Hieb völlig ab, lassen den Arm dort, verstopfen die Wunde mit vielen Lappen, damit die Blutstropfen unsere Spur nicht verrieten, und schaffen, was übrig von Lamachus, eilends fort“1. Die drastische Erzählung des Apuleius zeigt deutlich, warum das Verschließen von Türen zu den


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normalen Bedürfnissen und Erfordernissen des römischen Alltags gehörte. Türschlösser dienten dem Schutz der eigenen Person und des Besitzes. Zwar taucht die Verwendung von Schlössern in unterschiedlichen Zusammenhängen des täglichen Lebens auf, beispielsweise bei Vorhängeschlössern, die zu unterschiedlichen Zwecken verwendet werden konnten, oder bei Truhen und Kästchen, die meisten heute bekannten römischen Schlüssel und Schlossteile sind aber den Türen und Toren von Gebäuden zuzuweisen. Die Grundlage und den Ausgangspunkt dieses Überblickes bildet das im Gebiet der Colonia Ulpia Traiana zutage gekommene Fundmaterial, das Schlössern bzw. Schlossteilen zuzuweisen ist. Dieses Material wurde vollständig gesichtet, hier jedoch lediglich in einer Auswahl vorgelegt. Es ist daher nicht angestrebt, einen auf Vollständigkeit angelegten Beitrag zu römischen Schließvorrichtungen zu geben, sondern vielmehr den Querschnitt des in Xanten archäologisch nachgewiesenen Materials zuzüglich der in der Ausstellung gezeigten Objekte zu präsentieren. Die Römer verwendeten ganz unterschiedliche Schlossmechanismen 2. Für das Areal der Colonia Ulpia Traiana sind einige dieser Typen nachgewiesen.

Hakenschlüssel Zu den technisch einfacheren Schlössern zählen jene, die mit Hakenschlüsseln geöffnet bzw. verschlossen wurden (Abb. 1,1–2). Die Schlösser dürften aus Holz bestanden haben. Der Hakenschlüssel wurde senkrecht in das Schlüsselloch gesteckt, dann gedreht. Beim Zurückziehen griff der Schlüssel in die beiden Stifte, die den Riegel blockierten. Der Schließmechanismus konnte so entsperrt und der Riegel geöffnet werden. Eine Variante dieser Schlossform ist mit den zur Seite gebogenen Hakenschlüsseln (Abb. 1,3) belegt, wo der Schlüssel von unten in das Schloss eingesteckt wird 3.

Schiebeschlösser Das gebräuchlichste Schloss war das so genannte Schiebeschloss. Die Eisenschlüssel mit langen Bartzinken (Abb. 2) entsprechen dem Prinzip des Schiebeschlosses, wo-

bei der Riegel hier aus Holz war4. Ebenso werden die gut gearbeiteten Buntmetallschlüssel mit weit auseinander liegenden einzelnen Bartzinken zu dem selben Schlossmechanismus gehört haben, auch wenn die sehr viel kürzeren Schlüssel auf schmaler gebaute Schlösser zurückzuführen sein dürften. Die Stifte des Verschlussmechanismus waren sicher einzeln eingehängt. Der Riegel wurde mit dem Schlüssel beiseite geschoben. Einen archäologisch gut belegten Typus zeigen jene Schlösser mit einem Schiebeschlossriegel aus Metall. Das eigentliche Schließelement des Schiebeschlosses bildet der Riegel, der in zahlreichen Varianten und fast ausschließlich aus Buntmetall bekannt ist. In der Mitte des Riegels sind mehrere durchgehende Löcher (rechteckig, quadratisch, dreieckig, rund oder halbrund) vorhanden. Die Anordnung und Form dieser Löcher bestimmt die Einzigartigkeit des jeweiligen Schlosses. Von oben wird ein Verschlusselement auf den Riegel gedrückt, dessen Zähne in die Löcher im Riegel greifen. Dieses Verschlusselement muss sich in einer Führung befunden haben und wurde durch eine Feder, die vermutlich aus Metall bestand, nach unten gedrückt (Abb. 3). Drückten die Zähne des Verschlusses in die Löcher des Riegels, so war das Schloss gesichert. Vermutlich entsprach das Verschlusselement gar nicht dem Schlüssel, sondern sicherte den Bolzen lediglich durch ein oder mehrere Stifte, was erklären würde, dass diese möglicherweise mehrteiligen Konstruktionen im Fundgut gar nicht erkennbar sind. Um das Schiebeschloss vor Manipulationen zu schützen, muss es stets in einem Kasten, der aus Holz und Metall bestanden haben dürfte, eingehaust gewesen sein 5. Die Schlossbleche von Schiebeschlössern sind in zahllosen Varianten überliefert und bestanden aus Buntmetall oder Eisen. Das Schlüsselloch ist stets rechtwinklig ausgespart6 . Um das Schloss zu öffnen, musste der Schiebeschlüssel, dessen Bart immer rechtwinklig zum Griff zu liegen kommt, so eingeführt werden, dass der Bart von unten in die Löcher des Riegels gedrückt wurde und somit das Verschlusselement aus dem Riegel herausdrückte. Dieser Vorgang erforderte etwas Geschicklichkeit, da der Schlüssel keinerlei Führung hatte. War das Verschlusselement aus dem Riegel herausgedrückt, so konnte der Riegel nun mit dem Schlüssel zur Seite geschoben und das Schloss geöffnet werden.


Schlüssel und Schloss im römischen Alltag

Abb. 1

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Eiserne Hakenschlüssel aus der Colonia Ulpia Traiana (Xanten).

M. von Groller hat sich mit der Frage beschäftigt, ob das antike Schiebeschloss nur von einer Seite oder aber von innen und von außen zu öffnen war7. Ihm war aufgefallen, dass die meisten Schlüssel aufgrund ihrer unsymmetrischen Bartform nur von einer Seite genutzt werden konnten. Ebenso

gibt es aber eine beachtliche Zahl an Schlüsseln, deren symmetrische Bartform sehr wohl dazu geeignet wäre, den Riegel von beiden Seiten zu verschieben. Bei dieser durchaus plausibel erscheinenden Schlussfolgerung hatte von Groller allerdings die Form des Schiebeschlossriegels und


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Abb. 2

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Colonia Ulpia Traiana (Xanten). Beispiele von eisernen Schiebeschl端sseln.


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das Verhältnis von Bart zu Griff außer Acht gelassen. Der Riegel setzt sich neben dem breiteren Abschnitt mit den Löchern nur recht schmal fort, so dass der neben dem Bart abschließende Griff (selbst wenn der Bart in der Seitenansicht nicht viel höher ragt als der Griff) nicht an den Riegel stößt und somit das Schloss geöffnet werden kann. Nur bei den sehr langen Stiften eines Bartes ist es denkbar, dass der Schlüssel das Verschlusselement herausdrücken konnte, obwohl der Griff des Schlüssels – von der anderen Seite verwendet – beim Hochdrücken gegen den Riegel stoßen musste. Aufgrund der eindeutigen Konstruktion der Schiebeschlossriegel muss jedoch davon ausgegangen werden, dass diese Schlösser stets nur von einer Seite zu öffnen waren. Bestandteile von Schiebeschlössern sind aus römischen Fundzusammenhängen in großer Anzahl belegt. Zumeist haben sich nur die Schlüssel erhalten. Ebenfalls recht häufig sind die in aller Regel8 aus Buntmetall bestehenden Riegel und Schlossbleche mit Schlüsselloch überliefert. Teile des Verschlusselementes sind hingegen kaum bekannt, obwohl hier ebenfalls mit der Verwendung von Eisen und/ oder Buntmetall zu rechnen ist. Ein vollständiges Schiebeschloss mit Überfall, das zu einem Kästchen oder einer Truhe gehörte, wurde jüngst von A. Koster bearbeitet9. Die Verwendung von Schiebeschlössern in ihrer Funktion als Türschlösser ist wie gesagt allgegenwärtig. Frühe sicher datierte Schiebeschlösser stammen in Nordrhein-Westfalen aus militärischem Kontext. So sind in den römischen Lippelagern Oberaden und Haltern mehrere Schlüssel und Schlossteile gefunden worden10. Durch das Halbfabrikat eines Schiebeschlüssels aus dem Legionslager Haltern ist sogar deren Herstellung im Lager nachgewiesen. Welche Räume und Gebäude innerhalb eines Lagers durch derartige Schlösser gesichert waren, entzieht sich unserer Kenntnis. Schwerlich vorstellbar ist jedoch, dass die Unterkünfte der einzelnen Contubernien von außen abschließbar gewesen sein könnten. Mehrere Schlüssel für ein Türschloss wären vermutlich auf diese Weise notwendig gewesen. Nachgemachte Schlüssel – wenn auch in anderem Zusammenhang – sind allerdings in antiken Quellen genannt11, so dass sehr wohl vermutet werden darf, dass zum Teil mehrere Personen über Schlüssel ein und desselben Schlosses verfügt haben könnten.

Abb. 3

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Funktionsmodell eines Schiebeschlosses.

Blicken wir auf den zivilen Siedlungsbereich der Colonia Ulpia Traiana, so zeigt sich hier, wie auch an anderen Orten, dass die Schiebeschlüssel unter allen Funden, die mit Schlössern in Verbindung zu bringen sind, die größte Gruppe bilden. Die Kartierung der Schiebeschlüssel bzw. zu Schiebeschlössern gehörenden Teile zeigt ihr Auftreten überwiegend im Kontext ziviler Wohnbebauung (Abb. 4)12. Welche Räume hier durch Schlösser gesichert waren, entzieht sich zwar unserer Kenntnis, das Fundaufkommen lässt aber die Vermutung zu, dass ein großer Teil der Türen eines Wohnhauses durch Schlösser gesichert war. Die relative Häufung von Schlüsseln aus den Grabungsbereichen im Forum könnte mit den zahlreichen, zweifellos


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Abb. 4

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Kartierung von Schl端sseln und Schlossteilen im Bereich der Colonia Ulpia Traiana (Xanten).


Schlüssel und Schloss im römischen Alltag

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gut gesicherten tabernae zusammenhängen. Aus Gründen der Praktikabilität ist davon auszugehen, dass die Schiebeschlösser zumeist von außen an die Tür angebracht waren, da sich von der Innenseite auch einfachere Sicherungsmaßnahmen anboten. In den Metamorphosen des Apuleius findet sich eine Szene, wo der unerwartet früh heimkehrende Herr jedoch vor – von innen – verschlossener Türe steht und sein Diener ihn nicht sofort in das Haus hinein lässt13. Das Verschließen von der Innenseite dürfte in der Regel nicht durch Schlösser, sondern durch Riegel erfolgt sein. Ein Beispiel für die Sicherung eines Schlafgemaches mit innen angebrachtem Riegel findet sich ebenfalls in den Metamorphosen:

Abb. 5 Umzeichnung einer durch einen Riegel verschlossenen Tür aus Pompeji. Der Riegel wurde durch einen weiteren, fest im Boden abgestützten Balken abgesichert.

ego vero adducta fore pessulisque firmatis grabattulo etiam pone cardines supposito et probe adgesto super eum me recipio. „Ich aber ziehe die Tür heran, mache die Riegel fest, stelle mein Bett auch noch hinter die Angeln, schiebe es ordentlich heran und lege mich dann darauf nieder“14. Ein Befund aus Pompeji zeigt, wie man sich eine innere Türverriegelung ohne Schloss vorstellen muss (Abb. 5)15. Tür und Verriegelung sind in Gips ausgegossen worden und somit die Konstruktion im Detail überliefert. Die Tür nimmt die gesamte Breite des Korridors ein. Der innere Querriegel ist direkt in die Seitenwände des Korridors eingelassen. Um den Eingang zusätzlich vor einem gewaltsamen Eindringen zu schützen, wurde ein langer Balken mit gegabeltem Ende gegen diesen Riegel gestützt. Von den Schiebeschlössern sind in Xanten in aller Regel nur die Schlüssel erhalten (Abb. 6). Die Xantener Schlüssel sind entweder aus Buntmetall oder Eisen oder in einer Kombination von beiden Materialien hergestellt. Die Buntmetallschlüssel sind in der Regel als die höherwertigen Produkte anzusehen. Die Abstimmung des fein gearbeiteten Bartes und der Löcher im Riegel erforderte sehr präzise Handwerksarbeit (Abb. 7). Von den Schiebeschlossriegeln aus dem Bereich der Colonia Ulpia Traiana sei besonders auf ein stark beschädigtes Stück hingewiesen, dessen Zerstörung möglicherweise auf die Manipulation des Schlosses zurückzuführen ist. Das gewaltsame Öffnen von

Schlössern wird sicher keine Seltenheit gewesen sein. Dies zeigt auch ein entsprechendes Stück aus Bietigheim-Bissingen, in dem noch ein Nagel einsteckt, mit dem das Verschlusselement nach oben geschoben werden sollte16. Ein Schiebeschlossriegel aus dem Bereich des Legionslagers Vetera I auf dem Fürstenberg in Xanten ist stark verbogen. Möglicherweise wurde diese Beschädigung ebenfalls durch ein gewaltsames Öffnen des Schlosses bzw. der Tür verursacht (Abb. 8)17. Von den Schlüsseln aus der Colonia Ulpia Traiana sind zwei Schiebeschlüssel mit Griffen in Form eines Pferdekopfes besonders erwähnenswert (Abb. 9). Schlüssel in Tierform sind nicht ungewöhnlich. Das Motiv des Pferdekopfes als Schlüsselgriff ist in den Nordwest-Provinzen recht häufig belegt18.

Drehschlüssel Zu komplizierteren Schlössern gehörten die verschiedenen Drehschlüssel, die aus der Colonia Ulpia Traiana stammen. In der Regel dürften diese Schlüssel zu Vorhängeschlössern gehört haben. Sie können jedoch auch Schlüssel von Türschlössern gewesen sein. Beispielhaft ist das Schlossblech des Prunkportals aus Ladenburg genannt, dessen Schlüsselloch die Nutzung eines Drehschlüssels beweist19. Hier wurde offensichtlich für ein außergewöhnlich prachtvolles Tor auch ein hochwertiges


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Abb. 6

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Colonia Ulpia Traiana (Xanten). Ausgew채hlte Schiebeschl체ssel aus Buntmetall.


SchlĂźssel und Schloss im rĂśmischen Alltag

Abb. 7

Beispiele von Schiebeschlossriegeln aus der Colonia Ulpia Traiana (Xanten).

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Abb. 8 Vermutlich durch Gewalteinwirkung beschädigte Schiebeschlossriegel aus der Colonia Ulpia Traiana (Xanten) (1), dem Legionslager Vetera I auf dem Fürstenberg (Xanten) (2) und aus der villa rustica von Bietigheim-Bissingen (3).

und gegenüber den Schiebeschlössern sichereres Schloss verwendet. Von der beachtlichen Anzahl an Drehschlüsseln aus der Colonia Ulpia Traiana ist auf eine 13 Exemplare große Gruppe mit einem Buntmetallgriff in Form einer durchbrochenen Palmette hingewiesen (Abb. 10). Die Schlüssel wurden überwiegend im Bereich privater Wohnbebauung gefunden (Abb. 4). Ihre Funktionszuweisung ist unbestimmt. Aufgrund der sehr kleinen Abmessungen der Schlüssel und der hochwertigen Gestaltung des Griffes könnte man sie sich gut in Zusammenhang mit römischen Kästchen vorstellen 20.

Das Bedürfnis nach Sicherheit Die Kartierung der Schlüssel und Schlossteile aus dem Areal der Colonia Ulpia Traiana belegt derartige Funde aus fast allen Grabungsarealen der antiken Stadt. Aufgrund des relativ großen Fundaufkommens darf ein hohes Sicherheits- und Schutzbedürfnis bei den Bewohnern der Stadt vorausgesetzt werden. Einbrüche und Diebstahl werden im Alltagsleben einer solchen Großstadt auf der Tagesordnung gestanden haben. Die Notwendigkeit des Schutzes war aber keineswegs auf den großstädtischen Bereich beschränkt,


Schlüssel und Schloss im römischen Alltag

Abb. 9

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Schiebeschlüssel mit Griffen in Form von Pferdeköpfen aus der Colonia Ulpia Traiana (Xanten).

wie das Beispiel der großen villa rustica von Bondorf zeigt. Im Bereich der zweiperiodigen Anlage sind zahlreiche Schlüssel und Schlossteile zutage gekommen, die auch hier die intensive Sicherung von Räumen belegen 21.

Bemerkenswert ist auch das hohe Aufkommen von Schlüsseln in militärischen Anlagen 22. Die harten Strafen für Diebstahl, wie beispielsweise die Todesstrafe bei Kameradendiebstahl, hatten vermutlich nur eine geringe abschreckende Wirkung.


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Abb. 10 Drehschlüssel mit Palmettengriff aus der Colonia Ulpia Traiana (Xanten).

Schlüssel und Schlossteile zur Sicherung von Türen bzw. Gebäuden und Räumen sind nur ein Beleg für das große Bedürfnis, Lebens- und Arbeitsraum zu schützen und Diebstähle zu verhindern. Das hohe Sicherheitsbedürfnis drückt sich zudem in weiteren Sicherungsmaßnahmen aus, wie der Vergitterung von Fenstern oder der nach außen abgeschotteten Anlage von Häusern und Höfen durch Begrenzungs- oder Parzellenmauern. Welche Personen Zutritt in ein Gebäude hatten, wenn es beispielsweise als Werkstatt, Verkaufsort und Wohnhaus genutzt wurde – wie dies für die private Bebauung in der Colonia Ulpia Traiana die Regel gewesen sein wird – entzieht sich unserer Kenntnis. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Kunden in Einzelfällen auch freien Zugang bis in den Hofbereich eines Wohnhauses hatten. Die Möglichkeit, Diebstähle aufzuklären und sein Eigentum zurück zu erhalten, war zweifelsfrei sehr begrenzt. Dies belegen auch die zahlreichen Diebe verfluchenden Täfelchen (siehe M. Scholz – Kleinkriminalität in diesem Band), die somit die einzige Hoffnung des

Geschädigten waren, zumindest Rache oder Genugtuung für den ihm zugefügten Schaden zu erhalten. Im Kontext der Sicherung des Gebäudes und seiner Bewohner sind auch die Glück bringenden bzw. apotropäischen Fußbodenmosaike im Schwellenbereich römischer Wohnhäuser zu interpretieren. Verwiesen sei an dieser Stelle auf wenige Beispiele. Aus Salzburg ist die Mosaik-Inschrift Hic habit [felicitas] Nihil intret mali – „Hier wohnt das Glück. Nichts Böses möge eintreten“ vom Eingangsbereich eines mosaikgeschmückten Raumes erhalten 23. Aus Themetra in Tunesien ist das Mosaik mit dem Motiv eines auf ein Auge gerichteten Phallus überliefert. Die bildliche Darstellung wird von der Inschrift Invidiosibus quod videtis B(onis)B(ene) M(alis) M(ale) – „Euch Neiderfüllten, was ihr seht – Gutes den Guten. Schlechtes den Schlechten“ begleitet 24. Schließlich sei noch ein Mosaik aus Antiochia erwähnt, das ein Auge (den bösen Blick) durch eine Vielzahl von verschiedenen Tieren, Dreizack, Schwert u. m. attackiert zeigt. Hinzugefügt ist die griechische Inschrift ΚΑΙ CΥ – „Auch Du“25. Alle diese Mosaiken sollten Schlechtes vom Inneren des Hauses fern halten. Die Bodenmosaike mit Wachhunden sind in demselben Zusammenhang zu sehen 26. Ebenso natürlich die real als Wachhunde eingesetzten Tiere. Dass mit dem Verschließen von Türen jedoch nicht immer nur Einbrecher und Diebe abgehalten werden sollten, beweist ein Ausschnitt aus den Liebeselegien des Tibullus: nam posita est nostrae custodia saeua puellae, clauditur et dura ianua firma sera. ianua difficilis domini te uerberet imber, te Iouis imperio fulmina missa petant. ianua, iam pateas uni mihi uicta querellis, neu furtim uerso cardine aperta sones. et mala si qua tibi dixit dementia nostra, ignoscas: capiti sint precor illa meo. te meminisse decet quae plurima uoce peregi supplice cum posti fl orida serta darem. tu quoque ne timide custodes, Delia, falle. audendum est: fortes adiuuat ipsa Venus. illa fauet seu quis iuuenis noua limina temptat seu reserat fi xo dente puella fores: „Denn unser Mädchen, das steht unter Wächterschaft ohne Erbarmen, fest ist verschlossen die Tür, hart ist der Riegel davor.


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