Die Wiederaufbauleistungen der Altösterreicher in der Zweiten Republik

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DIE WIEDERAUFBAULEISTUNGEN DER ALTÖSTERREICHER IN DER ZWEITEN REPUBLIK

Erträglichen bereits überschritten. Trotzdem sind die Wohnverhältnisse der Volksdeutschen außerhalb der Lager noch erschreckender und es werden die allgemeinen unzulänglichen Zustände noch dadurch wesentlich verschärft, dass diese Menschen von ihren Wohnungs- und Unterstandsgebern oftmals in recht unmissverständlicher Weise als unliebsame Untermieter behandelt werden. Heute, bald 5 Jahre nach dem letzten Kriege, ist die Lage dieser Flüchtlinge noch nicht geklärt. Sie sind in Ungewissheit über ihre künftige Heimat und auch die große internationale Flüchtlingsorganisation „IRO“ gewährt den Volksdeutschen im Allgemeinen keine Hilfe. Sie beschränkt ihre Tätigkeit auf die fremdsprachigen Ausländer, wodurch fast die ganze Last der Betreuung der volksdeutschen Flüchtlinge dem österreichischen Staat aufgelastet wird, der aus budgetären Gründen nicht in der Lage ist, im erforderlichen und wohl auch im gewollten Umfange die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Ob nun die Lage der Volksdeutschen von ihrer berufsgruppenmäßigen Arbeitsverwendung, von der Möglichkeit ihrer Eingliederung in den Arbeitsprozess, ihren Verdienstmöglichkeiten oder von was immer für einer Seite untersucht wird, überall begegnet man Armut, Elend, Ausweglosigkeit und Verzweiflung, denn die Volksdeutschen bilden große Familien und haben für ihre nicht mehr erwerbsfähigen alten Familienangehörigen meist noch die Sorge zu tragen. Sehr hart wurden von den Ereignissen der letzten 4 Jahre die volksdeutschen Bauern und Intellektuellen getroffen. Sie arbeiten, seit sie ihren eigenen Hof oder ihre Kanzleien, Lehrstühle, Büros, Ordinationen usw. verloren haben, als Knechte und Mägde um einen Lohn von monatliche oft nur 100 S, womit sie ihre Familie nicht ernähren können. Selbst wenn die Möglichkeit bestünde, in den verhätltnismäßig wenigen Industriebetrieben unseres Bundeslandes unterzukommen, wäre es ihnen wegen der allgemeinen Wohnungsnot meist nicht möglich, Unterkunft zu finden, wodurch sich die Lebenserhaltungskosten für sie wesentlich erhöhen, d. h., dass sie nicht in der Lage sind, diese Kosten aufzubringen. Es fallen daher die Familienangehörigen meist den nur im geringen Maße zur Verfügung stehenden öffentlichen Fürsorgemitteln zur Last. Es ist verständlich, wenn diese Menschen klagen, dass es ihnen unmöglich ist, die erforderliche Arbeitskleidung, geschweige denn bessere Feiertagskleidung, anzuschaffen. Fast unerträglich ist die Lage der Intellektuellen. Da sie in ihren erlernten Berufen mangels freier Arbeitsstellen keine Aussicht haben eine Beschäftigung zu finden, haben die meisten von ihnen in bewunderungswürdiger Entschlossenheit dort zugepackt, wo sich schlechthin Arbeit bot: als Hilfsarbeiter im Bauwesen und in der Landwirtschaft, in Bergwerks- und Industriebetrieben. Aber auch hier ist durch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkte ihre karge Lebensmöglichkeit umstritten und diese Menschen sehen einer düsteren ungewissen Zukunft entgegen. Wenn auch die Lage der handwerklichen Berufe der Volksdeutschen etwas freundlicher erscheint, so sind doch die bewährten Meister aus den Kreisen der


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