Die Wiederaufbauleistungen der Altösterreicher in der Zweiten Republik

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DIE WIEDERAUFBAULEISTUNGEN DER ALTÖSTERREICHER IN DER ZWEITEN REPUBLIK

außerordentlichen Arbeitslosigkeit erlassen worden.46 Die Bundeskammer gab weiters zu bedenken, dass – falls den Ausländern die Existenzmöglichkeit entzo­ gen würde – eine konstante Gefahr für die Sicherheit des Landes entstünde und der Wirtschaft schwerer Schaden zugefügt würde. „Die guten Fachkräfte wür­ den abwandern, während die minder geeigneten in Österreich verbleiben und der Öffentlichkeit zur Last fallen würden.“47 Als drittes Beispiel sei hier noch die Stellungnahme des österreichischen Landes­ verbandes der Liga für Menschenrechte angeführt, der die Ankündigung des In­ landarbeiterschutzgesetzes zum Anlass nahm, um sich mit der Flüchtlingsfrage in Österreich auseinanderzusetzen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ein entsprechendes Memorandum wurde den Alliierten und sämtlichen zuständi­ gen Regierungsstellen übermittelt.48 In einem neuerlichen Schreiben an den So­ zialminister stellte die Liga für Menschenrechte konkret zum Inlandarbeiterschutzgesetz fest, dass es mit Artikel 23 der Allgemeinen Erklä­ rung der Menschenrechte nicht im Einklang stehe. Denn gemäß diesem Artikel hat jeder Mensch u. a. das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemesse­ ne und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosig­ keit.49 Wegen des allgemeinen Widerstandes sah sich das Sozialministerium zunächst gezwungen, den Entwurf des Gesetzes noch einmal zu überarbeiten.50 Da die Wahlen zum Nationalrat bevorstanden, wurde seine Beschlussfassung dann auf die nächste Legislaturperiode verschoben, obwohl kaum noch zu erwarten war, dass das Gesetz jemals in Kraft tritt. Auch stieg seit Februar 1949 die Zahl der Beschäftigten wieder kontinuierlich an, während sich die der Arbeitslosen bis Ende des Jahres halbierte.51 Dennoch geisterte es noch längere Zeit in den Köp­ fen mancher Politiker und der Betroffenen herum. Da die Arbeitsämter dazu übergingen, die Bestimmungen der Ausländerbeschäftigungsverordnung rigo­ ros anzuwenden und dadurch einen ähnlichen Effekt erzielten, wie man ihn sich vom Inlandarbeiterschutzgesetz erwartet hätte, bekamen die betroffenen Volks­ deutschen durchaus den Eindruck, dass neue Bestimmungen angewendet wür­ den. Die ganze Diskussion über dieses Gesetz und die damit im Zusammenhang ste­ hende verschärfte Anwendung der Bestimmungen der Ausländerbeschäfti­ gungsverordnung schufen eine tiefe Kluft zwischen den Volksdeutschen und der SPÖ, obwohl gerade diese Partei prädestiniert gewesen wäre, diese durch Flucht und Vertreibung deklassierten Menschen zu vertreten. Aber wie bisher entschied sich die SPÖ in dieser Frage nicht für den von ihr propagierten Inter­ nationalismus und die Arbeitersolidarität, sondern für eine kleinliche Klientelpo­


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