Die Wiederaufbauleistungen der Altösterreicher in der Zweiten Republik

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222 DIE WIEDERAUFBAULEISTUNGEN DER ALTÖSTERREICHER IN DER ZWEITEN REPUBLIK der Senfherstellung verbracht und nun beschlossen wir, mit einer eigenen Senf­ produktion zu beginnen. Während der Saison hatten wir einschließlich der Büro­ kraft, der Chauffeure und des Vertreters bis zu 25 Mitarbeiter. Wir nahmen auch den Export unserer Produkte in die Schweiz und nach Deutschland auf, wo be­ sonders hohe Qualitätsansprüche erfüllt werden mussten. Unser Betrieb war jetzt maschinell genauso gut ausgestattet, wie die Firmen Felix oder Efko, nur ar­ beiteten wir mit zwei Linien, während bei der Konkurrenz jeweils sechs zum Einsatz kamen. In punkto Maschinen waren wir so gut, dass die Firma Bock – ein Maschinenher­ steller für Konservenbetriebe – jedes Jahr mit Vertretern in­ und ausländischer Firmen zu uns kam, um diesen die Maschinen im Alltagsbetrieb vorzuführen, was uns mit Stolz erfüllte. Die Folge war, da ich auch in der Kammer sehr aktiv mitarbeitete, dass man mir anlässlich meines 50. Geburtstages den Berufstitel Kommerzialrat verlieh. Ich erinnerte mich wieder daran, dass mein Vater seinen drei Söhnen anlässlich seines 60. Geburtstages jedem ein Auto geschenkt hatte und hatte nun Ähnliches vor. Ich wollte beiden Kindern einen 320er BMW schenken. Beim vorsichtigen Aushorchen hatte sich herausgestellt, dass Erhard, der damals einen uralten Mazda fuhr, schon lange von einem solchen Auto schwärmte, Elisabeth hinge­ gen kein eigenes Auto wollte. Erhard schaute dann nicht schlecht, als an jenem Abend bei der Feier ein nagelneuer BMW vor dem Schloss Eckertsau, wo die Fei­ er stattfand, stand. Elisabeth erhielt den gleichen Betrag in Goldbarren. Das letzte große Bauwerk, das wir in der Leopoldau fertigstellten, war die Halle in der Grissemanngasse. Sie wurde als eine Art Pensionsvorsorge für meine El­ tern errichtet, hat ein Ausmaß von 780 m2 und bietet jedem Mieter eine gute Zu­ fahrt. Die Mieteinnahmen kamen meinen Eltern zugute, später wurde dann ich der Nutznießer. Es gab in den 90er Jahren auch einige Tiefschläge für die Firma: Unter anderem machte der Konsum Pleite, was für unsere Produktion einen Rückschlag bedeu­ tete. Aber noch schwerwiegender war das Aus der Firma Julius Meinl. Der Wer­ beschlager der Firma versprach zwar stets „Wo Meinl drauf steht, ist auch Meinl drin!“, was aber nicht immer stimmte, da wir viele Produkte mit Meinl­Etikette für diese Firma produzierten. Den größten Schlag versetzten aber Löwa, Magnet und Zielpunkt meiner Firma. Wir waren ein Lieferant seit Bestehen des Unter­ nehmens gewesen, sozusagen ein Hauslieferant. Löwa bekam einen neuen Ein­ käufer aus Deutschland, der „das Gras wachsen“ hören konnte. Er lud mich zu einem Gespräch ein, stellte sich dabei als der neue Einkäufer vor und forderte


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