TEAM.F Magazin März 2013

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„Manchmal nehme ich mich selbst auf den Arm, wenn ich mich dem Zeitdiktat unterwerfe und die Armbanduhr wie Handschellen trage. Ich versuche mittlerweile die Aussage zu vermeiden, keine Zeit zu haben. Denn wer das behauptet, lügt oder ist tot.“ weise nie eine Beeinträchtigung meines Verkündigungsdienstes darstellte, ist für mich das größere Wunder. Wie unbeirrbar Gott mit uns handelt, zeigt sich für mich auch besonders, wenn ich an meine Fehler und Schwächen denke. Es ist unglaublich erstaunlich, dass Gottes Absichten von unserem Versagen nicht beeinträchtigt werden. Wie David möchte ich gerne ein Mensch nach dem Herzen Gottes sein. Sein Leben zeigt mir, dass es nicht unsere Schuld ist, die uns davon abhält, sondern allenfalls unsere Zweifel an der Barmherzigkeit Gottes. 4. Die große Liebe

Vor mehr als 30 Jahren lernte ich meine Frau kennen. Wir haben nicht lange überlegt, bis wir uns zur Heirat entschlossen. Jemand sagte mir neulich in der Ehe­ beratung, es wäre doch normal, wenn die Liebe im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer mehr abnimmt. Dieser Norm entsprechen wir ganz und gar nicht. Wir finden es von Jahr(zehnt) zu Jahr(zehnt) schöner. Meines Erachtens ist meine Frau der wunderbarste Mensch, der mir je über den Weg gelaufen ist. Dass sie nicht alle Vorzüge auf sich vereint, ist mir gerade recht. Wie unzulänglich würde ich mich sonst fühlen! Woran liegt es, dass wir miteinander immer glücklicher sind? Wir sind in der gegenseitigen Wertschätzung gewachsen, die wir nicht nur empfinden sondern auch ausdrücken. Die geben wir auch dann nicht auf, wenn wir uns streiten. Mittlerweile habe ich für meine unzähligen Begegnun-

„Die Lebenskunst besteht darin, sich mit dem Vorgegebenen zu versöhnen, um dann das Beste daraus zu machen.“ gen vor allem den einen Wunsch: den unermesslichen Wert des anderen zu erkennen. Wenn das gelingt, lässt sich gar nicht vermeiden, den anderen zu ermutigen. Auch wenn ich mich sonst noch so ungeschickt anstelle. Nichts ist in unseren Beziehungen wichtiger als die Wertschätzung.

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Team.F Ausgabe 1 | 2013

5. Krisen und Grenzerfahrungen schätzen

Prägender als die Erfolge, so habe ich erkannt, sind die Krisen. Ja, sie sind sogar fruchtbarer. Zu dieser Einsicht bin ich vor allem durch zwei prägnante Krisenerfahrungen gekommen. Zum einen sah ich nach 13 Jahren Pastorentätigkeit durch eine Burnout-Erfahrung keine andere Möglichkeit, als den geliebten Beruf aufzugeben. Zum anderen brach vor ein paar Jahren die Balkonbrüstung, auf der ich entspannt saß, unter mir zusammen. Diesem Sturz folgte eine weitere Lebensbedrohliche Situation im Krankenhaus. Dass ich nicht nur überlebt habe, sondern mein schwer verletzter rechter Arm voll wieder hergestellt ist, gehört zu den Wundern meines Lebensweges. Beide Grenzerfahrungen haben meine so belastenden inneren Antreiber ausgebremst. Dies empfinde ich als ein besonders großes Geschenk. Ich erlebe nach wie vor Grenzerfahrungen und arbeite immer noch viel. Aber – und das macht den entscheidenden Unterschied – mit viel weniger Leistungsdruck. Ich muss der Welt nicht mehr beweisen, was alles in mir steckt. Die mich jemals gedemütigt haben, müssen sich nicht mehr über mich wundern und erkennen, wie sehr sie sich geirrt haben. Mittlerweile weiß ich um meine Einschränkungen und es fühlt sich nur noch sehr selten bedrohlich an. So habe ich viele Eitelkeiten und Anfälligkeiten für narzisstische Kränkungen hinter mich gelassen. Das ist für mich ein besonders wichtiger Befreiungsschritt. 6. Kinder, Kinder

Die Lebenskunst besteht darin, sich mit dem Vorgegebenen zu versöhnen, um dann das Beste daraus zu machen. Als ich mich in unserem 9. Ehejahr dafür entschied, mal probeweise Gott für unsere sehr belast­ ende Kinderlosigkeit zu danken, legte uns Gott in der gleichen Woche drei verwaiste Kinder vor die Füße. Nach einer Phase des Zurückschreckens (alias „So war das aber nicht gemeint, Gott“) haben wir uns dann aber für die Kinder entschieden und drei Jahre später für zwei weitere. Neben vielen sehr schönen Erlebnissen war es in den 17 Jahren Familienleben aufgrund der Verletzungen, die die Kinder schon mitbrachten, oft nicht einfach. Doch wahrscheinlich gibt es keine Herausforderung, an der ich so nachhaltig wachsen und auch mich selbst mit meinen Möglichkeiten und Grenzen gut kennenlernen konnte.


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