Stadtstreicher 02/13

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TIPP Ulrike Kölgen (Dramaturgin am Figurentheater): Ein berühmtes Stück klassischer Abenteuerliteratur steht im Puppentheater Zwickau auf dem Spielplan: „Moby Dick“ von Hermann Melville. Der junge Matrose Ismael will die Welt kennenlernen, doch dass er ausgerechnet bei Kapitän Ahab anheuert… Der düstere Seemann hat

Pedro Halffter und Kirill Troussov im 5. Sinfoniekonzert

Der Konzertmeister

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eute ist selten geworden, was einmal selbstverständlich war, dass ein Dirigent sein Orchester nicht nur leitet, sondern ihm auch selber Stoff zum Spielen bietet. Der Dirigent als – fähiger – Komponist: Pedro Halffter ist eine solche Seltenheit. Nach Chemnitz kam er jetzt zum dritten Mal für einen Auftritt mit der Robert-Schumann-Philharmonie. Seinen ersten gab er 2004, und wenn ich recht unterrichtet bin, dann ist er oder ist zumindest das Zusammenspiel von Mal zu Mal besser geworden. Diesmal jedenfalls, beim JanuarSinfoniekonzert, wurde es zu einem Triumph. Und dieses Mal begann er tatsächlich mit einer eigenen Komposition. Bei dem Sohn und Neffen dreier spanischer KomponistenDirigenten, die dank deutscher Wurzeln ihren unspanischen Nachnamen tragen: Cristóbal, Ernesto und Rodolfo Halffter, mag die Gabe nicht überraschen, gleichviel, er hat sie in hohem Maße. Seine „Paráfrasis“, also erweiternde Umschreibung, gilt einer Arie aus dem englischen Barock, der Arie der todtraurigen Dido. Halffter bettet ihr Lied in einen zunächst wie noch ungeformten Klang, der in zarter Wandlung erst zu bestimmteren Formen findet und aus dem sie sich dann mit einmal erhebt und öffnet wie eine dunkle Blüte. In ihn

sinkt sie auch wieder zurück, und wieder ist der Übergang zwischen der verhangen-barocken Arie und dem aufgelösten, sich auflösenden puren Klang unmerklich, er ergibt sich in völliger Natürlichkeit, eben als Auflösung – wunderbar. Spanisch ging es weiter, und zwar mit dem Spanien, wie es die Franzosen sich und uns zurecht komponiert haben: Die französische „Carmen“ etwa ist für uns mehr Spanien als alles getreulich Spanische. Hier war es die „Symphonie espagnole“ für Violine und Orchester von Edouard Lalo. Der Solist heißt Kirill Troussov, ein junger Mann, dessen fotografisches Starportrait mit seinem kantigen Kinn zunächst eine Mischung aus Dolf Lundgren und Jean-Claude van Damme befürchten lässt: Welche Geige soll das überleben? Doch dann sieht man erleichtert neben dem zierlichen Pedro Halffter eine geradezu jünglingshafte Gestalt von nur wenig furchteinflößender Scheitelhöhe auftreten. Allerdings, wie sich alsbald zeigt, der Geige hilft das wenig: Ihr wird trotzdem alles abverlangt. Sofort, vom ersten Einsatz an, wird es unter Troussovs Händen virtuos – aber ohne virtuoses Auftrumpfen, ohne jemals dick zu tun. Er spielt diese Symphonie auswendig, fünf große Sätze lang, und wir erleben, weshalb: Bei ihm weiß jeder Ton, wohin er will,

Bei dem Sohn und Neffen dreier spanischer Komponisten-Dirigenten mag die Gabe nicht überraschen, gleichviel, er hat sie in hohem Maße.

Eske Bockelmann ist der Klassik-Kenner beim Stadtstreicher

beim Kampf mit Moby Dick, dem gefährlichsten aller Pottwale, sein Bein verloren und verfolgt ihn seither mit unbändigem Hass. Die phantasievolle Inszenierung ist eine gelungene Mischung aus Menschen- und Puppentheater mit stimmungsreicher Livemusik.

wohin er führen wird, wie er sich steigern muss, wo drängen, wo sich verzögernd ziehen lassen, jeder Bogen ist erfüllt von dem, woher er kommt, und geht erfüllend ein in das, was kommt. Die spanischen Melodien, der Habanera-Rhythmus, alles geschmeidig und voller Kraft, nie künstlich beschwert, aber auch nirgends zu leicht – eine unglaubliche Gabe, immer ganz in dieser Musik zu sein. Und nur damit wir wissen, wie weit es mit der Virtuosität gehen kann, spielt er als Zugabe einen Paganini-Wahnwitz an Schwierigkeit, Variationen über ein Liedchen, das bei uns den Hut mit seinen drei Ecken besingt. Pedro Halffter führt die Philharmonie mit gleicher Gabe: durch alle Nuancen zwischen sanft singendem Ton, tänzerisch-rhythmischer Begleitung und fordernder Härte. Zuletzt kann man nur staunen, wie ihm Entsprechendes noch mit den ausladenden Dimensionen von Rachmaninows Zweiter gelingt. Eine enorme Kraftanstrengung, gerade bei Halffters formender Geschmeidigkeit. Wie er da einen Riesenapparat von Orchester die Spannung aufbauen lässt, immer wieder, bis zu den großen Momenten, in denen sie sich jeweils löst, ist begeisternd. Den größten Moment aber danken wir einer Solistin: Als im Adagio nach ein paar – sagen wir es offen – eher trivialen Streichertakten die Klarinette einsetzt, nur halb so laut, wie man erwarten würde, aber darin so innig, dass – Da bricht man seinen Satz am besten ab. Aber nicht vergessen: Eben diese Regine Müller und außerdem Thomas Bruder sind am 20. und 21. die Solisten im Februar-Konzert.


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