Dänisch in Kiel

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h c s i n D채 l e i in K

Eine Einladung der d채nischen Minderheit nach S체dschleswig

Leben Bildung Geschichte

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m u t s k l o V n e h c s i n dä m u z s ei i r n f t t n s n i e r k Das Be nischen Kultu t bestritten ä h d c i r n u n z e g d we un s t m A on v f r . a n d e d d r e un w ft ü r p e g h c Bonn-Kopenhagener Erklärung oder na

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Dänisch in Kiel – eine Einladung nach Südschleswig


e b e i L innen r e s e L

Foto: Landeshauptstadt Kiel

Kiel ist – schon von Natur aus – eine offene Stadt. Die Kieler Förde und die Ostsee sind Wasserstraßen, die uns mit baltischen und skandinavischen Staaten verbinden. Auch die Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark ist für die Menschen kaum spürbar. Besonders eng sind daher die Verbindungen zu unseren dänischen Nachbarn  – und denen mit dänischen Wurzeln, die dauerhaft bei uns in der Landeshauptstadt leben. Vor allem in die Kieler Politik bringt sich die Dänische Minderheit selbstbewusst ein. Darüber hinaus macht der Südschleswig­sche Verein die vielen weiteren Aktivi­ täten sichtbar, mit denen die Dänische Minderheit in Kiel das kulturelle und gesell­ schaftliche Leben der Landeshauptstadt bereichert und mitgestaltet. Der Südschleswigsche Verein verdient

Dr. Ulf Kämpfer Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel

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Grußworte

volle Unterstützung, denn er setzt sich vorbildlich für das harmonische Miteinander ein. Dieses Magazin ist wichtig und es ist lange überfällig. Denn für viele Kielerinnen und Kieler ist die dänische Minderheit nicht präsent genug – so selbstverständlich sind dänische Schulen, dänische Büchereien und dänische Kindergärten in SchleswigHolstein; so selbstverständlich ist das gute Zusammenleben. Ich freue mich daher, dass Leserinnen und Leser jetzt die Möglichkeit bekommen, die Dänische Minderheit in Kiel noch besser kennen zu lernen. Viel Spaß bei der Lektüre! Ihr


Hej, Sollte man ein Erkennungszeichen für die Mitglieder der dänischen Minderheit in Deutschland schaffen wollen, dann wäre es wohl ein Schlüsselanhänger. Nicht nur, weil sich da so gut der Dannebrog, die dänische Flagge, unterbringen lässt, sondern schlicht, weil Mobilität ein ganz wichtiger Faktor für unser Leben ist. Unsere Kinder gehen in Dänischenhagen auf die Grundschule und ab der 7. Klasse fahren sie bereits täglich nach Eckernförde. Um das Abitur machen zu können müssen sie gar bis nach Schleswig. Was das an Zeitaufwand erfordert, kann man sich leicht vorstellen. Ganz zu schweigen davon, wenn die Kinder mit ihren Klassenkameraden spielen möchten, verteilen sich diese doch auf das ganze Umland. In Sachen Kultur sieht es nicht viel anders aus. Der SSF – unser Kulturverein – bemüht sich ein weit gefächertes Programm über den gesamten Landesteil anzubieten, daher sind die Kulturerlebnisse nicht nur in und

um Kiel zu finden. Wer nicht bereit ist nach Eckernförde, Rendsburg oder noch etwas weiter zu fahren, findet seltener Vergnügen. Wie sich nun unser Alltag, unser Vereinsund unser Familienleben gestalten und was es in und um Kiel „Dänisches“ zu ent­decken gibt, möchte Ihnen diese Broschüre einblicksweise vor Augen führen. In diesem Sinne lade ich Sie ein auf eine Entdeckungstour in die dänische Minderheit in Kiel. Entdecken Sie unser Leben und das, was uns verbindet – untereinander und auch mit Ihnen, die Sie vielleicht nicht zur Minderheit gehören. Seien Sie uns herzlich willkommen, hier in diesem Magazin wie auch im echten Leben, zu den zahlreichen Veranstaltungen, die uns im Jahreslauf begleiten. Entdecken Sie uns! Vi ses!

Hauke Paulsen Formand Sydslesvigsk Forening (SSF) OV Pris-Klaustorp e.V. und Kreis Rendsburg Eckerförde

Grußworte

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Willkommen Grußworte von Kiels Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer und Hauke Paulsen, Vorsitzender des SSF im Distrikt Pries-Klausdorf und im Amt Rendsburg-Eckernförde

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Inhalt

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„Vi elsker vort land“ Feste feiern, Gemeinschaft leben – das Jahr ist kurz bei den südschleswiger Dänen

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Lernen auf Dänisch Das dänische Schulsystem in Südschleswig

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Kirche ahoj! Kirche in Südschleswig braucht Räder

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Lær dansk! Plädoyer für die ganz besondere Sprache aus dem Norden

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Dänisch & digital 2 KulturSpuren zu Dänemark in und um Kiel herum

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Inhalt

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Foto: Stephan Lübke

Velkommen hos os

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Der Bücherbus: Südschleswigs Dritter Ort und kulturelle Lebensader

Foto: Wibke v. Grone-Lübke

t l a h In

Lernen auf Dänisch: Was das Besondere und was das Fordernde am dänischen Schulsystem ausmacht


Ein bisschen mehr von beidem: Kiel ist ganz schön dänisch, wie wir auf unserer kleinen Reise durch die Geschichte feststellen dürfen.

Foto: Julia Fendler

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Institutionen Hier finden Sie uns, hier freuen wir uns auf Sie!

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Der Dritte Ort Unterwegs mit einer südschleswigschen Institution: dem Bücherbus

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Jump for your life Ganz neue Kiel-Erlebnisse schafft der Jumpstyle von Palmshape

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Mitschnacken und Anpacken Das Forsamlingshus Holtenau

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Ein bisschen mehr von beidem Eine Reise durch die Geschichte Schleswig-Holsteins - vom Mittelalter bis heute

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Christianspris Deutschlands einzige Seefestung ist dänisch

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Navigation Was ist eigentlich ein „nisse“? Die Fremdwörter, Vokabeln und Begriffe erklären es

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Impressum und ein großes Dankeschön

Vort land: Kultur, die uns ums Jahr herum ausmacht

Kirche ahoi!

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Foto: Wibke v. Grone-Lübke

Foto: #31845618 © Kara - Fotolia.com

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Inhalt

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r ! e d k n s l a e l i t V vor Wir lieben unser Land! Bei uns Südschleswigern bedeutet das: Gemein­ schaft leben! Feste feiern!

von Isabel Schunck

Dicht an dicht stehen sie zusammen, teilweise mit dem Liedtext in der Hand, und singen voller Inbrunst das Mittsommerlied Dänemarks „Vi elsker vort land“. Um Frieden und Naturschönheit geht es da, aber das interessiert wohl mehr die Erwachsenenriege auf dem Schulgelände der Jernved-Schule in Dänischenhagen. Es ist der 23. Juni, Tag der Sommersonnenwende. Tamara, Iris, Thomas, Pia und all die anderen stehen um den großen Scheiterhaufen aus Ästen und Zweigen, die Allan, Pedell und die gute Seele der Schule, anlässlich des St. Hans Festes zusammengetragen hat. Die Schulkinder singen und summen mit, besonders die Erstklässler sind gespannt. Elena, Bo und Bjarne stehen zusammen und warten, was


samen Treffen – Kubb oder auch Wikinger-Spiel genannt. Zwei „verfeindete“ Gruppen kämpfen um ihren König. Holzklötze, kleine Spielerteams mit Kampfesgeist und zum Abschluss ein geselliger Ausklang, dafür steht Kubb bei den Dänen in Kiel. Regen ist angesagt für den Tag, und so beschließen der SSFVorsitzende Hauke und Vorstandsmitglied Michael kurzerhand statt wie zu St. Hans in Dänischenhagen bei der Jernved-Skole das Spiel auf dem Gelände des Dänischen Kindergartens, und damit am Vereinslokal, auszurichten. Schnell werden alle Angemeldeten benachrichtigt, zwei Spielfelder hergerichtet und los geht’s. Die Teams bestehen zumeist aus einem jungen und einem älteren Spielpartner; Tochter bzw. Sohnemann und Mutter bzw. Vater, so wie bei Mikkel (8) und Pia und Bjarne (7) und MichaFoto: Dieter Hoogestraat

kommt. Es ist ihr erstes St. Hans Fest in der Schule und sie durften mit den Klassenkameraden die Hexe für das große Feuer basteln. Gleich geht es los, das Lied ist verklungen, die Hexe auf dem Scheiterhaufen postiert. Wenn die Flammen die Figur umzüngeln, werden die bösen Geister abgehalten und die Hexe wird zum Blocksberg auf den Brocken gejagt. Nein, zum Glück geht es hier nicht um mittelalter­ liche Hexenverbrennung. Der Brauch soll Ende des 19. Jahrhunderts von Deutschland nach Dänemark geschwappt sein. Heute erstrahlt vor allem die Küste Dänemarks von diesen Feuern – und so darf das Fest zur Sommersonnenwende in der dänischen Gemeinschaft rund um Kiel nicht fehlen. Nur wenige Wochen später gibt ein vermutlich schwedisches Spiel Anlass zum nächsten gemein-

Foto: Isabel Schunk

Kubb kennt man in Deutschland auch unter anderen Namen, z.B. Wikingerschach oder Bauernkegeln. Obwohl in Schweden entsprungen, gibt es seit 2002 auch in Deutschland Kubbmeisterschaften. Links: Sankt Hans ist der altdänische Name für den Heiligen Johannes den Täufer. Die Kirche legte das Geburtsdatum des Heilgen Johannes auf den 24. Juni sechs Monate vor Jesus fest und verknüpfte so das heidnische Mittsommerfest mit seinem Namen. In nordischer Tradition werden Feiern immer in der Nacht vor dem Ereignis abgehalten, daher findet das Mittsommernachtsfest am 23. Juni statt.

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el, nehmen den Kampf auf. Eine muntere Schar an Spielern versucht die Vorjahressiegerin Pia herauszufordern. Wurfrundhölzer fliegen in Richtung der Holzklötze (Kubbs) – nicht immer mit Erfolg. Gesa, ohne die Unterstützung ihrer Zwillinge, kämpft gegen den vierjährigen Thure (und Mutter Isabel), eine lange und zähe Partie. Die fehlende kindliche Treffsicherheit wird hier mit der erwachsenen potenziert, ein langes Ringen, Anfeuerungsrufe der wartenden Spieler, und endlich ein Sieg für Thure und Isabel. Beim Finale gegen Pia fallen die ersten dicken Tropfen, die beiden haben keine Chance gegen das dänische Urgestein Pia. Diese ist Mitarbeiterin im Dansk Børnehave KielPries und kennt all die kleinen Mitspieler, denn die meisten gehen hier in den Kindergarten oder sind dorthin gegangen. Daher kennt sie natürlich auch die Erwachsenen, Elternteile, Verwandte, etc. Und sie ist diejenige, welche die Frauen im SSF regelmäßig Links: Kein Chemiekurs, dafür die Demonstration ursprünglicher Brotbacktechniken im Hof Akkerboom (www.hofakkerboom.de), organisiert vom und für den Kvindeklub.

alle Fotos dieser Doppelseite: Pia Renkwitz

Rechts: Das Spaßige mit dem Nützlichen verbinden macht bei der Nähveranstaltung des Kvindeklub durchaus Sinn, steht doch demnächst das Faschingsfest ins Haus. So lernt man nicht nur nähen, sondern hat auch gleich ein Kostüm.

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zusammenbringt, um ohne Familie oder Anhang einen anregenden, zum Teil lehrreichen oder einfach netten Nachmittag zu verbringen.

Reger Austausch untereinander Unter dem Stichwort Kvindeklub ruft Pia die Frauen wie Bettina, Gesa, Yvonne oder Isabel zum Fotografieren, Backen, Blumenbinden oder Nähen zusammen. In Zusammenarbeit mit dem harten Kern der Truppe wird ein Jahresplan mit Ideen erstellt. Unter dem Motto „Wer kann was?“ und „Ich kann Folgendes anbieten“ bastelt Pia ein interessantes Programm, das immer wieder verschiedene Frauen des SSF zusammenbringt. Häkeln? Nichts für Isabel, sie kommt lieber nicht zu der Veranstaltung. Dabei ist Häkeln seit dem Boshi-Style ja selbst für junge Männer ein hipper Zeitvertreib. Ganz im Gegensatz zu Anja, die seit dem gemütlichen Nachmittag unter Pias Leitung


der einst verstaubten Handarbeit verfallen ist. Die (zu Hause) fertiggestellten Mützen sind ebenso vorzeigbar wie die Röcke und Fastelavns-Kostüme des Nähnachmittags, die Blumenbuketts oder die Fotos. Und der Ausflug in das Backhaus von Hof Akkerboom hat neben dem Einblick in das historische Backen sogar kulinarische Köstlichkeiten hervorgebracht – einfach lecker. Wenn der Herbst kommt, verlagern sich die Aktivitäten von draußen nach drinnen, „man hygger sig“, macht es sich gemütlich bei diversen Veranstaltungen. Willkommen ist jeder, egal ob Mitglieder der dänischen Minderheit, Mitglied des SSF oder einfach Interessierter oder Interessierte. Während so mancher echte Däne (und der normale Deutsche) wohl die Nase rümpft über den Enthusiasmus beim Bingospielen, lassen sich die begeisterten SSFler nicht von ihrem Banko, wie es auf Dänisch heißt, abhalten. Für Gesa war es zuerst nur ein willkommener Anlass,

die Zahlen auf Dänisch zu üben, mittlerweile kämpft sie mit Bingo-Ingo um die meisten Gewinne. Und Ingo hat seinen Beinamen nicht umsonst: im vergangenen Herbst hat er wohl mehr als ein Drittel der Gewinne für sich verbuchen können. Banko! Banko! Und nochmal: Banko! Der Rest der Mitspieler schaute schon ganz bedröppelt von seinen Karten auf.

Keiner muss Sprachängste haben Während Pia und Bettina als eingespieltes Team für die Gewinne sorgen, ist Vereinsvorsitzender Hauke Glücksfee und Zahlenvorleser in einem. Erst auf Dänisch und dann noch einmal auf Deutsch, damit auch ganz sicher ist, dass alle es richtig verstanden haben und mitmachen können, falls die Sprachkenntnisse noch nicht so gut sind. Zur Julefrokost spielen diese weniger eine Rolle. Julefrokost – das ist einer der Höhepunkte des SSF-

Fastelavn ist die dänische Form des Karnevals. Dazu gehören Boller (Weichbrötchen), Verkleidung und Fastelavnsris, geschmückte Birkenzweige, mit denen die Kinder Fastnachtssonntag ihre Eltern aus den Betten werfen.

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Jahres und es kann schon mal passieren, dass die Veranstaltung aufgrund der begrenzten Plätze ausgebucht ist. Isabel und Lisa verabreden sich im Børnehave, fragen herum, wen sie mit anmelden sollen. Julefrokost ist die stimmungsvolle Weihnachtsfeier, in dänischer Tradition des Essens – und Trinkens: Skål! Das will und sollte man nicht verpassen. Wieder sind es Pia und Bettina, die das Vereinslokal weihnachtlich herausputzen, für die sieben Gänge zeichnen sich verschiedene „Familienköche“ verantwortlich. Und eines ist sicher: in diesem Fall sorgen viele Köche für eine große Auswahl an festlichen Gerichten und verderben nichts. Maike und Markus sorgen für „Leverpostej”, Michael für „Flæskesteg”, Ingo für „Brasset-kartofler“, dazu zahlreiche andere Leckereien, die bei einem dänischen Weihnachtsfest nicht fehlen dürfen. Ein wenig sollte man des Dänischen dann doch mächtig sein, denn der Abend besteht neben Essen und Trinken auch aus Singen – dänischer Weihnachtslieder natürlich. Je später der Abend, desto verwaschener klingen die Lieder, denn nach jedem Gang mit leckerem Essen bietet Hauke Aquavit feil und „skål“ ist ein oft wiederholtes Wort. Endlich in gemütlicher Atmosphäre in Ruhe schnacken, essen, trinken. Es wird spät und so mancher geht beschwingt durch den Dezemberabend nach Hause.

Jahresbeginn Weihnachten und Neujahr ziehen ins Land, da ruft Hauke am ersten Sonntagvormittag im Januar zur „Nytårsmøde“, dem Neujahrstreffen. Dies ist das familiäre Pendant zur Julefrokost. Lara, Marie und Paul kommen mit Mutter Anna und Vater Rainer, viele andere mit ihnen. Nach kurzem Essen zieht es die

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Kinder auf den Spielplatz des Kindergartens, zusammen mit Melisa und Tayfun, Bjarne und Thure. Die Erwachsenen bleiben in der gemütlichen Wärme des Vereinslokales, bedienen sich ein weiteres Mal am selbstgemachten Büfett und tauschen Erlebnisse der Weihnachtszeit aus. Und gehen vielleicht schon einmal in die Planungen zum nächsten „Fastelavnfest“, dem Faschingsfest am Sonnabend vor Rosenmontag. Michael hat schon eine ungefähre Vorstellung, wie das Kostüm aussehen soll. Als Fliege will er gehen. Zwei Siebe als Augen, selbstgebastelte Flügel aus Draht und Zellophan. Pia gibt noch ein paar Tipps, für sich selbst hat sie noch keine Idee, aber das wird sich finden. Sie hat schließlich auch noch den Kinderfasching und den Kindergartenfasching zu bestehen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, jedesmal in einem anderen Kostüm aufzutauchen. Und: sie schafft es immer. Ist das Faschingswochenende erst einmal da, kommen Klein und Groß, die ersteren nachmittags, die anderen abends, zur fröhlich, feucht-fröhlichen Party zusammen. Auch wenn der durchschnittliche Norddeutsche vor dem Gedanken an Fasching zum Teil zurückschreckt – hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Am Kindernachmittag dominieren noch Prinzessinnen, Indianer und Batman, während Hexenlady Bettina und Schlumpf Pia dirigieren. Am Abend sind es dann Michael als Puck die Stubenfliege, die Indianersquaw Tamara, Mönch Thomas und Cheerleader Hauke, die schwungvoll die Katze aus der Tonne hauen und bis spät in die Nacht feiern. Kleinere Termine während des Frühjahrs kommen und gehen, aber es ist eine große Veranstaltung, die ihre Schatten vorauswirft und Hauke mit seinen fleißigen Helfern im SSF-Vorstand Pris-Klaustorp emsig vorbereiten lässt: das Årsmøde. Seit 1920 gibt es dieses


alljährliche Treffen. Ende Mai, Anfang Juni kommen die Südschleswiger zusammen, laden hochrangige Vertreter aus Dänemark und Schleswig-Holstein ein mitzufeiern. In über vierzig Veranstaltungen kommen heutzutage bis zu 20.000 Menschen zusammen. So zeigt man am besten, was es heißt, einerseits hier, andererseits dort hinzugehören.

Unsere wichtigste Veranstaltung: Årsmøde Diesmal werden wieder die Schule und das Schulgelände in Dänischenhagen herausgeputzt, denn es werden über zweihundert Leute hier erwartet. Allan kümmert sich um das Grundsätzliche vor Ort, die Pädagogen aus Schule und Kindergarten für einen Teil des Programms, der SSF-Vorstand mit einigen Helfern sorgen für Zelte, Unterhaltung sowie Speis und Trank. Freitagnachmittag, die letzten Regen­wolken

haben sich verzogen, ist es dann endlich soweit. „Vi er et orkester, der spiller til fester“ klingt es über den Schulhof. Die Aufregung unter den Kindergartenkindern ist groß, aber mit Bravour eröffnen sie die Veranstaltung und ernten noch größeren Applaus. Die Chöre von Lehrerin Nicole folgen, danach Ansprachen, gemeinsames Singen, Musikunterhaltung. Und währenddessen natürlich gemütliches Zusammensein bei Bier oder Cola, Grillwurst mit Brot. Während Mikkel, Bjarne und Tom wie immer das Runde ins Eckige bugsieren, schnacken Anja, Tamara und Paul über das, was war, und das, was kommt. Fastelavn, Julefrokost und demnächst dann wieder Sankt Hans mit dem großen Feuer. Und wenn es nicht die großen Veranstaltungen sind, die die Südschleswiger zusammenbringt, dann gibt es einen anderen netten Grund sich zu treffen – gern auch mit Interessierten, die dazustoßen möchten!

Foto: Dieter Hoogestraat

Foto: Wibke v. Grone-Lübke

Rechts: Das Christianshus in der Prieser Fritz-Reuter-Straße 28 ist Vereinslokal und Kindergarten in einem. Das hat Vorteile. Während sich die Erwachsenen mit „Gerede“ beschäftigen, zieht es die Kleinen auf die neue Spielplatzbereicherung hinterm Haus (Bild links).

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f u a n e n r h e c s i L Dän Direkt vor Kiels Haustür wird Geschichte alltäglich gelebt – auf der Schulbank

Foto: Stephan Lübke

von Gesa Emmrich

Die Schulglocke: In Dänischenhagen gibt es sie noch. Wer Aufsicht hat, läutet mit ihr auf dem Schulhof zum Unterrichtsbeginn.

Morgens, zehn vor acht in Dänischenhagen. Pünktlich fährt der Schulbus der Autokraft („der große Bus“, wie ihn die Kinder nennen) vor der Jernved Danske Skole in Dänischenhagen vor. „Tschüss, Björn“, verabschieden sich zirka zwanzig Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren fröhlich vom Busfahrer – auf Deutsch. Kaum zehn Meter weiter in der Schule heißt es dann „God morgen (sprich: go‘ morn), Theis“ oder „God morgen, Finja“. Hier begrüßen alle Kinder ihre Lehrer auf Dänisch. Und wie in Dänemark üblich wird sich geduzt. Da wird auch bei den Lehrern keine Ausnahme gemacht – nicht mal vor dem Schulleiter. Respekt verdienen sich die Lehrer hier auf andere Weise – als Vorbilder.


Acht Uhr. Finja Böhme, Klassenlehrerin der 4. Klasse, schnappt sich die mittelgroße Messingglocke mit dem Holzgriff, läuft auf den Schulhof und läutet zum Unterrichtsbeginn. Marie hat noch mit ein paar anderen Kindern auf dem Schulhof gespielt. Sie und die anderen ziehen sich schnell Jacken und Schuhe aus, schlüpfen in die Hausschuhe und ab in die Klasse. Marie ist elf Jahre und geht in die 6. Klasse. Sie und ihr kleinerer Bruder Magnus (7) haben wohl den weitesten Schulweg. Sie wohnen seit zwei Jahren in Kiel-Russee, und da der Schulbus erst ab Kiel-Holtenau fährt, bringt Mama Ines die beiden jeden Morgen mit dem Auto zur Schule, bevor sie die beiden jüngeren Geschwister in den Kindergarten bringt. Früher wohnte die Familie in Kiel-Friedrichsort, wie viele der Kinder, die die dänische Schule besuchen. Dort gingen auch Marie und Magnus in den dänischen Kindergarten. Nun gehen noch die beiden jüngeren Brüder Mads und Finn dorthin. „Das ist ziemlich aufwändig jeden Morgen. Aber wir fühlen uns in dieser Gemeinschaft so wohl, und ich kann mir auch gar keine andere Schule für meine Kinder vorstellen“, erklärt Mama Ines.

len sind Gemeinschaftsschulen. Der Klassenverband bleibt so lange wie möglich erhalten. In der Grundschule von der 1. bis zur 4. Klasse findet noch keine Niveau-Einteilung der Klassen statt. Erst ab der 5. und dann bis zur 10. Klasse der Gemeinschaftsschule werden einige Fächer gemeinsam und andere auf unterschiedlichen Niveaus unterrichtet. Bereits ab der 5. Klasse fahren die Schüler der Jernved Danske Skole einmal wöchentlich mit dem gesamten Klassenverband in die Jes Kruse Skole nach Eckernförde. Das bietet neben dem Werkunterricht, der in Dänischenhagen nicht angeboten werden kann, gleich noch die Möglichkeit, sich schon mal mit den Begebenheiten der weiterführenden Schule vertraut zu machen. Für Marie hat es noch einen erfreulichen Nebeneffekt: „Ich freue mich mittwochs immer besonders darauf, meine Freundin wiederzusehen. Die geht nach ihrem Umzug nach Gettorf nämlich in Eckernförde auf die

Zwei Sprachen, zwei Kulturen, eine Gemeinschaft

Foto: Stephan Lübke

Im dänischen Schulsystem gibt es keine freie Schulwahl. So ist für Kieler Kinder der dänischen Minderheit in der 1. bis 6. Klasse die Jernved Danske Skole in Dänischenhagen und von der 7. bis zur 10. Klasse die Jes Kruse Skole in Eckenförde ihr Ort des Lernens. Für das Abitur geht es dann auf die A. P. Møller Skole nach Schleswig, die bis vor kurzem noch die mo­dernste Schule Europas war. Die dänischen Schu-

Montagmorgen in der Jernved Danske Skole: Der Unterricht beginnt mit dem Rundkreis für alle. Der neue Schulleiter Theis gibt hier die wichtigsten Themen der Woche bekannt. Wie für alle Dänen selbstverständlich wird anschließend das eine oder andere Lied gesungen.

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Lehrer viel intensiver auf jeden einzelnen Schüler eingehen können. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass den Kindern hier mehr Raum gelassen wird, so zu sein, wie sie sind. Das schätze ich sehr“, so Nicole Steffen über die dänische Pädagogik und die Jernved Dankse Skole. Fünf Lehrkräfte und ein Schulleiter sind dort für rund 65 Schüler da.

Dänisch: die besondere Herausforderung Maries Bruder Magnus geht mit 15 weiteren Schülern in die zweite Klasse. Vielfach spielerisch werden die Erst- und Zweitklässler an das 1x1 und das ABC herangeführt. Wobei „tysk“ (also Deutsch) und „dansk“ (also Dänisch) einen großen Teil des Stundenplans einneh-

Schule und mehr: Der Schulhof bietet Möglichkeiten für viele Arten des Zeitvertreibs. Klettergerüst, Schaukel, Rutsche, Sandkasten, Wippe, Fußballtore, Balancier- und Kletterstange, Basketballkorb, Felder für Hüpfspiele, Tische, Bänke, eine Wiese, einen Kräutergarten, einen umlaufenden Knick, in dem man herrlich Verstecken spielen oder auf Fantasiereise gehen kann.

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Lernen auf Dänisch

Foto: Stephan Lübke

Foto: Stephan Lübke

dänische Schule.“ Aber heute hat Marie ganz normal Unterricht in Dänischenhagen. Das heißt in der ersten Doppelstunde „mate“ bei Nicole. „God morgen, alle sammen (go morn älle samm)“, startet Nicole Steffen (Klassenlehrerin der 2. Klasse) die Stunde. Heute sind Textaufgaben dran. Dabei werden genauso knifflige Aufgaben gelöst, wie auf den deutschen Schulen – nur sind hier die Texte eben auf Dänisch, und wie in allen Fächern ist auch die Unterrichtssprache Dänisch. Da die wenigsten Kinder zu Hause mit Muttersprachlern aufwachsen und sie Dänisch im Kindergarten sowie in der Schule lernen, sind Textaufgaben eine besondere Herausforderung. Die Schüler müssen sich nicht nur mit der Sprache, sondern gleichzeitig auch mit den rechnerischen Problemen befassen. Eine Heraus­forderung, die die Kinder allerdings mit Bravour meistern. Das liegt sicher auch daran, dass bei einer Schülerzahl von maximal 15 Schülern pro Klasse die

Lehrerin Nicole Steffen schätzt die enge Zusammenarbeit im Kollegium sowie die Möglichkeit, sich einmal ganz auf die Schüler einlassen zu können. An Projekttagen werden mitunter die Eltern eingeladen, selbst zu unterrichten.


men. Dabei müssen die Abc-Schützen gleich zweimal das Alphabet lernen. Denn das Ä, Ö und Ü gibt es im Dänischen nicht. Dafür müssen hier das Æ, Ø und das Å gelernt werden. Außerdem ist die Aussprache der Buchstaben vielfach unterschiedlich. Der koordinierte Unterricht der Deutsch- und Dänisch-Lehrer macht es den Jungen und Mädchen etwas einfacher. Dänisch ist wohl eine der schwersten Sprachen überhaupt. Kaum ein Wort wird so ausgesprochen, wie es geschrieben wird. Viele Buchstaben werden gar nicht mitgesprochen. Die richtige Aussprache ist so schwierig, dass die Aussage „Du klingst ja fast wie ein Däne!“ aus dem Munde eines solchen nach jahrelangem Training ein absolutes Kompliment ist. Aber keine Angst! Die Dänen gehen sehr offen und hilfsbereit auf jeden zu, der sich ihrer Sprache zuwendet. Perfektion wird gar nicht erwartet. Die Dänen wissen sehr wohl, welche Schwierigkeiten das Lernen der Sprache mit sich bringt. So führen auch Worte, die für Deutsche vertraut aussehen, gern mal in die Irre. „Bløde kinder“ zum Beispiel bedeutet mitnichten „blöde Kinder“, sondern „zarte Wangen“. Vielleicht hat genau das einen Journalisten der Kieler Nachrichten einst in einem Artikel auf den Gedanken gebracht, dass dänische Kinder wohl deshalb am spätesten anfangen zu sprechen, weil sie bis zum Schluss hoffen, dass ihre Eltern noch auswandern und sie eine leichtere Sprache lernen können. Eine Hoffnung, die Eltern, die ihre Kinder auf die dänische Schule schicken, nicht teilen können. Wollen sie ihren Nachwuchs unterstützen, müssen sie, sofern sie die Sprache nicht von Haus aus können, ebenfalls die Schulbank drücken. Nicht selten werden sie dann trotz allen Fleißes von Filia oder Filius verbessert – was die Kinder sicher nicht ganz ohne Stolz

tun. Und so wählen viele Kieler Eltern diesen Weg für ihre Kinder. Sie schätzen unter anderem den offenen Umgang und den engen Kontakt zu den Lehrkräften und Betreuern. Außerdem sind sie von dem Schulsystem überzeugt, das im Rahmen der dänischen Pädagogik eher das Lernziel eines jeden einzelnen Schülers fokussiert als ein Klassenziel. Viele Eltern sehen es als Geschenk, ihren Kindern quasi vor der Haustür diese Internationalität ermöglichen zu können. Denn neben der Zweisprachigkeit wird auch die dänische Kultur vermittelt und gelebt. Dennoch kommen auch deutsche Feiertage nicht zu kurz. Meist ist die Liebe zu Dänemark bei den Eltern durch Verwandtschaft oder Freunde oder auch durch viele Urlaube im Nachbarstaat tief verankert. Und wo hat man schon die Möglichkeit Geschichte zu leben.

Einmaliges demokratisches Vorbild Das heutige dänische Schulsystem in Südschleswig hat seinen Ursprung in der Grenzziehung von 1920. Die Lage der neuen Grenze war das Ergebnis einer demokratischen Volksabstimmung. Damals wurde das alte Herzogtum Schleswig zwischen Dänemark und Deutschland aufgeteilt. Dadurch entstand eine dänische Minderheit in Südschleswig und eine deutsche Minderheit in Nordschleswig. Als eine der ersten Reaktionen auf die neue politische und rechtliche Situation in Südschleswig gründete eine Gruppe dänisch gesinnter Eltern am 5. Mai 1920 einen dänischen Schulverein in Flensburg. Und entgegen der landläufigen Meinung vieler Deutscher sind die dänischen Schulen frei zugänglich. Wer sich der dänischen Minderheit zugehörig fühlt, kann Mitglied im

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r e l e i Die K ärung Erkl

nur selten. Aber toben bitte nur leise, denn die höheren Klassen haben ja noch Unterricht und sollen sich konzentrieren können. Da lernen die Kleinen gleich, Rücksicht zu nehmen. Eine Erfahrung, die sich dann auch bei den älteren Schülerinnen und Schülern beobachten lässt. Ganz selbstverständlich kümmern sie sich auch um die jüngeren Schülerinnen und Schüler. Eine Verantwortung, die sie gern übernehmen und die sicherlich zu ihrem Selbstbewusstsein beiträgt.

Gemeinschaft auch nach Schulschluss Marie hat um Viertel nach eins Schluss. Auch sie geht dann einen Raum weiter in den SFO. Hier werden die Kinder betreut bis der Schulbus fährt oder sie von ihren Foto: Wibke v. Grone-Lübke

dänischen Schulverein werden und sein Kind in einer dänischen Schule anmelden. An die Mitgliedschaft sind Erwartungen geknüpft, die man auf der Homepage des Schulvereins erfahren kann. Der dänische Schulverein betreibt ein staatlich anerkanntes Schulsystem in freier Trägerschaft und nimmt eine öffentliche Aufgabe wahr. Der Schulverein wird zum größten Teil aus dänischen aber auch aus deutschen öffentlichen Mit­ teln finanziert. Die Schulabschlüsse werden sowohl in Dänemark als auch in Deutschland voll anerkannt. Das alles interessiert MagSchon sechs Jahre vor der → Bonn-Kopenhagener nus jedoch nicht. Sein UnterErklärung nahm der Landtag von Schleswig-Holstein am richt endet heute bereits 29. September 1949 die Kieler Erklärung an. In ihr wird bestimmt, dass den dänischen und friesischen Minderum zwanzig vor zwölf. Jetzt heiten im Land sämtliche demokratische Bürgerrechte heißt es spielen und toben im ohne Diskriminierung gewährt sind. Dazu gehört für die SFO – der Freizeitbetreuung dänische Minderheit von Anfang an auch der Aufbau der Schule. Schularbeiten eines eigenen Schulsystems. gibt es in der 1. und 2. Klasse

Foto: Wibke v. Grone-Lübke

Foto: Wibke v. Grone-Lübke

SFO: Für die Skolefritidsordning, die Kinderbetreuung nach der Schule, bleiben die Kinder einfach gleich im Haus. Ein eigener Raum, die Aula und der Schulhof stehen für Beschäftigung und Betreuung zur Verfügung.

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Eltern abgeholt werden – spätestens um 16:40 Uhr. Fünf Pädagogen beziehungsweise Assistenten sorgen dafür, dass die Schüler an spannenden Projekten teilnehmen, spielen, basteln oder Hausaufgaben machen können. Wer möchte kann sich auch zurückziehen und lesen oder ruhen. Dort fühlen sich die Kinder so wohl, dass Eltern, die ihre Kinder abholen, nicht selten mit „Oh, manno! Ich will noch nicht los!“ oder Ähnlichem (die Autorin spricht aus Erfahrung) begrüßt werden.

Der SFO ist auch in den Ferien geöffnet. Bis auf eine Woche über Weihnachten und dreieinhalb Wochen in den Sommerferien können die Kinder von 8 bis 16 Uhr

auch in der schulfreien Zeit „zur Schule“ gehen. Ein Angebot, das nicht nur berufstätige Eltern sehr gern und mit großer Erleichterung wahrnehmen, sondern auch die Kinder. Da es nur die eine dänische Schule nahe Kiel gibt, ist der Einzugsbereich groß und die Kinder wohnen zum großen Teil weit voneinander entfernt. Im SFO können sie dennoch täglich ihre Freunde treffen. Diese Freundschaften und die Gemeinschaft werden auch durch einen Schulwechsel nicht gefährdet, weil die Schüler im Verbund die Schule wechseln. Hier sind Kinder nicht selten vom Kindergarten bis zum Abitur in derselben Klasse. Und so freuen sich Marie und Magnus, wie fast alle Kinder hier, zwar auf zu Hause, aber eben auch schon wieder auf die Danske Skole.

Zentraler Teil unser Kultur ist die dänische Sprache. Die Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig unterstützt die Sprachentwicklung mit reichhaltigem Material. Dazu zählen unter anderem auch pädagogische Medienverbundsysteme wie der Sprachkoffer.

Mit eigenen Bussen ergänzt der Dansk Skoleforening den öffentlichen Schulbusverkehr der oft weiten Wege wegen. Um Kiel herum fährt meist Allan: Däne und der einzige Fahrer, bei dem gleich morgens im Bus Dänisch gesprochen wird.

Schule als Treffpunkt und Spielplatz

Trau ner Dei er Neugi Alle Infos rund um die dänischen Schulen im Land gibt es unter:

http://www.skoleforeningen. org/deutsch (klar, auch auf Dänisch!)

Foto: Stephan Lübke

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! i o h a e h irc

K

Als Pastor so oft unterwegs wie ein Kapitän zur See von Wibke v. Grone-Lübke

alle Fotos in diesem Beitrag: Wibke v. Grone-Lübke

Den Danske Kirke in der Ostlandstraße 21–23 in Eckernförde

Wo immer auf dieser Welt ein dänischer Seemann unterwegs ist – ein Hafen heißt ihn stets willkommen: Die dänische Seemanns- und Auslands­kirche „de Danske Sømands- og Udlandskirker“, kurz „DSUK“. Mit 53 Kirchen bietet sie rund um den Globus eine Heimat für Dänen. Auch die dänische Kirche in Südschleswig steht in enger Verbindung zur DSUK. Zugegeben: Seemann muss man nicht sein, um auf dem Wohld und rund um Projensdorf über die Lande zu kommen. Nicht einmal ein Boot muss man zur Hand haben: Für kurze Strecken reicht sogar das Rad. Doch am Ende sind wir alle nur Matrosen auf den stürmischen Meeren des Lebens. Und nur zu oft ist dabei der Glaube im Herzen das beste Rettungsboot! Auch Pastor Mads Mønsted ist viel im Wohld unterwegs. Sein weitläufiges Pastorat erstreckt sich von den beiden Gemeinden in Eckernförde und Holtenau bis nach Rendsburg. Dazu gehören auch mehrere Kindergärten und vier dänische Schulen. Freimütig bekennt er: „Ich wollte gerne Pastor für die Dänen in Südschleswig werden. Es ist einfach schön hier.“ Die Eckernförder Gemeinde feiert ihre Gottesdienste


seit 1985 in ihrem eigenen, behaglichen Kirchenge- sich monatlich zum Seniorenkaffee – entweder in bäude. Bis dahin hatte der wöchentliche Gottes- der Kirche oder in der dänischen Seniorenwohnanladienst in einem Kirchenraum der örtlichen dänischen ge in Eckernförde. Hier würde ohne ehrenamtliches Engagement nichts laufen! Renate Petersen erklärt Schule stattgefunden. Die Dänische Kirche in Südschleswig ist als einge- bescheiden: „Wenn wir das nicht machen, dann tragener Verein Deutschen Rechts eine Freikirche. macht es keiner. Es gibt immer Menschen, die sich in Konfessionelle Grundlage ist der evangelisch- der Gesellschaft engagieren. Und das ist gut so!“ Die lutherische Glaube. „Wir haben eine gute Gemeinde Rentnerin wurde für ihr herausragendes ehrenamthier. Die Menschen kommen und nehmen teil“, stellt liches Engagement in Kirchenrat, Hausfrauen­verein Pastor Mønsted zufrieden fest. Kein Wunder, denn und Politik mit dem Südschleswig-Preis und der die Kirche in Eckernförde bietet Jung und Alt ein Ehrenamtsnadel der Stadt Eckernförde ausgezeichbuntes Programm. net. Mitstreiter werden gesucht! Alle zwei Monate treffen sich die „Mini-Konfirman- In Südschleswig kommt die Kirche zum Kunden. den“ zum kindgerechten Gottesdienst. Hier sammeln Einmal im Monat steuert Pastor Mønsted die Gesie erste Eindrücke und erfahren die Grundpfeiler des meinde in Holtenau an. Im Wandschrank des Ver­christlichen Glaubens. Jugendliche nehmen ab der sammlungshauses wartet ein aufklappbarer Altar 8. Klasse ein Jahr lang freiwillig am Konfirmanden­ auf seinen Einsatz. Diese dialektische Raumunterricht teil – einmal in der Woche im Anschluss an nutzung ist typisch für die Danske Kirke i Syd­slesvig. Symbolisch offenbart es eine den Schulunterricht. Erwachsene GemeindeglieFacette der südschleswigschen Iden­tität: Das „und“ wird der treffen sich gerne zum im dänisch-deutschen Kontext Literatur- und zum abendlichen Singkreis. Hier, wie auch immer mitgedacht. im Gottesdienst, werden die Zum jährlichen Kirke-Frokost, Lieder traditionell mit allen einem fest­ lichen dänischen Buffet mit Fischvariationen, Strophen gesungen. Organist Christoph Rumer weiß: „Das Fleischbällchen und Käse, trifft gehört sich so. Ein Text entsich die gesamte Gemeinde wickelt sich von Strophe zu in Eckernförde. Falls sich bei dieser Gelegenheit dann doch Strophe. Aber es liegt wohl auch daran, dass Dänen gerne einmal ein echter Seemann singen.“ Bei einer Nation, für einfinden sollte, wird auch er die das tägliche Lied (dagens auf seine Kosten kommen. sang) fest zum FernsehproDenn auch im Kirchenschiff gibt es zum Frokost ein maritigramm gehört, stimmt das. Kirke-Frokost in Eckernförde Die ältere Generation trifft mes Glas Aquavit – Kirke ohøj!

Kirke ahoj!

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alle Fotos in diesem Beitrag: Wibke v. Grone-Lübke; Skulptur: „You & Me“ von Zhang Zhaohui, www.nordart.de

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! k s n a d r

æ L

Ein Plädoyer für die wahrscheinlich egalitärste Sprache der Welt

von Dieter Hoogestraat

Ich gestehe: Ich lerne Dänisch! Ich weiß: Manche Menschen halten mich daher für „sindsyg“ [ßind­ ßüh‘] – geisteskrank. Und schon dieses kleine Wörtchen verrät, warum durchaus nicht wenige Zeit­ genossen Dänisch für die wahrscheinlich schwierigste Sprache der Welt halten. Kaum etwas klingt, wie es aussieht, und alles klingt fürchterlich gleich. Es ist schon eine Herausforderung, als Anfänger zu behaupten, man sei krank (syg), ohne für eine „7“ (syv) oder das personifizierte Nähen (sy) gehalten zu werden.

Butterbrote für Philosophen

Die dänischen Umlaute stehen hinter X, Y und Z.

Doch wer sich auch nur einmal getraut hat, so zu tun, als wolle er mit einer mäßig heißen Kartoffel im Mund chinesisch nuscheln, der weiß: Dänisch macht süchtig. Fängt man an, die akustischen Klippen zu bestürmen, ohne auf eine Buchstaben-Laut-Zuordnung zu bestehen, beginnt der Spaß. Dann entdeckt man eine Sprache, die klar und offen das hervorbringt, was


es zu sagen gilt. Nicht einmal hinter einer Vernied­ lichungsform kann man sich verstecken. Zugegeben, vorstellen hätte ich mir das nicht können, als ich die erste Unterrichtsstunde bei Pia in Pries antrat. Schwedisch und Norwegisch, ja, das sitzt einem mit Hamsun und Lindgren beinahe im Blut. Aber Dänisch? Das war doch irgendwie wie… Kirkegaard oder das traurige Märchen vom Mädchen mit den Zündhölzern, das H. C. Andersen an der Flensburger Förde geschrieben hat. Nein, Dänisch, das war einst auch für mich nichts als „Smørrebrød, smørrebrød“ mit viel „ræmm tæm tæm tæm“. Heute weiß ich natürlich, dass der durchgeknallte Koch in der Muppetshow im Original kein Däne, sondern ein Schwede ist [sic!]. Und an den Krimithriller „Broen“ (Dramadeutsch: Die Brücke – Transit in den Tod) wage ich mich auch schon mal im Original und ohne Untertitel ran. Aber genug habe ich noch lange nicht. Eher fange ich an, mich für meine frühere Zurückhaltung zu schämen. Denn kaum eine andere Kultur ist gesellschaftlich und künstlerisch so kreativ und experimentierfreudig wie die der Nahbereichswikinger zwischen Frederiksstad und Frederikshavn, deren rot-weißer Schild mir, dem Einwanderer aus dem niederländisch geprägten Emden, zum eigenen geworden ist. Warum war ich so ignorant?

Mit Ø, Æ und Å durch die Welt

Südschleswig oder unter den Dachschrägen des Christianshus‘ über dem Kindergarten. Und wenn alles klappt, dann schaffe ich bald einen Literaturkurs im Holtenau­er Forsamlingshus – www.dcbib.dk/laer-dansk unterm Dannebrog, in Balbierskis Obhut, bei www.foerde-vhs.de/kursuebersicht/ www.jernved.org/deutsch/abendschule/ Mette und des Sommers im Gartenhaus. Dejligt! www.voksenundervisning.de Wem so viel sprachlicher und lokaler Genuss nicht reicht, dem sei gesagt, dass er mit DäSSF Pris-Klaustorp und SSF Holtenau, Adressen Seite 27 nisch viel weiter kommt als zu SuperBrugsen in Padborg. Sogar deutlich weiter, denn Dänen, Schweden und Norweger verstehen sich unter­ ein­ander zwar nicht problemfrei, dafür aber sehr gut. Wer das weiß, der schreibt das schnell in seinen Lebenslauf. Immerhin verteilt der Steimke-Außenhandelssprachenindex für die drei Sprachen ebenso viele Punkte wie fürs Russische oder Spanische. Die Wege zu dieser Flexibilität sind kurz: Nirgends lernt sich Dänisch leichter als in Schleswig-Holstein nördlich der Eider, wo eines der umfangreichsten Angebote an Sprachkursen Lerner auf allen Stufen dort abholt, wo sie sind. Na ja, nirgends, außer vielleicht in Dänemark selbst. Mitbringen muss man dazu nichts, nicht einmal die heiße Kartoffel. Erwarten darf man vieles: wenigstens eine neue Sprache und wahrscheinlich sogar die Freude daran, dass man in Dänemark nichts so gerne kultiviert wie die Gemeinschaft. Der Rest wird Ihr eigenes Geständnis: Vi ses, wir sehen uns!

Hiegreht ‘s los:

Meine Begeisterung entflammt schon an den Lern­ orten, die ich aufsuchen darf. Nie habe ich mir so gerne den Rücken beim Lesen verbogen wie bei Nicole auf den Erstklässlerplätzen der dänischen Schule in Dänischenhagen. Nirgendwo habe ich je so hyggeligt über „hyggelig“ gesnakt, wie bei Pia zwischen all ihren Erinnerungen aus zwei Jahrzehnten

Lær dansk!

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Die Kieler KulturSpur von Julia Fendler Dänemark

Die gemeinsame Geschichte Schleswig-Holsteins und Dänemarks hat im gesamten Bundesland zahlreiche Spuren hinterlassen. Von großen Publikumsmagneten wie Schloss Gottorf oder Haithabu bis hin zu kaum sichtbaren Gedenktafeln – die Verknüpfung ist an vielen Orten sichtbar. Kiel als eine der ersten Städte, die in Schleswig und Holstein im Mittelalter gegründet wurde, als Sitz der schleswig-holsteinischen Herzöge und als Landeshauptstadt nach 1945 trägt besonders viele dieser Spuren. Einige sind auf den ersten Blick zu erken­nen, viele jedoch nur durch aufmerksames Beobachten zu finden.

Foto: Julia Fendler

Foto: Dieter Hoogestraat

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h c s i Dän

: l a t i g i d &

Der Warleberger Hof, der das Stadtmuseum beherbergt.

Ein Gedenkstein erinnert daran, dass die Forstbaumschule eine dänische Gründung ist.


zu finden. Die elf Stationen der ersten und die neun Stationen der zweiten Tour werden durch

Informationstexte und Bilder vorgestellt. Abgerundet wird das Angebot durch Kartenmaterial und Wegbeschreibungen zum Ausdrucken. Sämtliche Materialien sind kostenfrei zugänglich und bieten den Besuchern der KulturSpuren die Möglichkeit, die Stationen in ihrem eigenen Tempo und mit Schwerpunkten nach ihren eigenen Interessen zu besuchen. Die Tour durch die Kieler Innenstadt führt unter anderem zum Kieler Schloss, zur Kunsthalle und zum Nord- und Südfriedhof sowie zum Warleberger Hof, dem einzigen erhaltenen Adelspalais der Stadt. Teil der Route im Kieler Norden sind die Festung Friedrichsort, die Güter Knoop und Bülk und die Versammlungshäuser der Sydslesvigsk Forening in Holtenau und Friedrichsort. Neben den dänischen KulturSpuren gibt es auf der Internetseite auch Touren zur kulturellen Geschichte des Stadtteils Düsternbrook sowie zum Kieler Matrosenaufstand 1918.

Das Grabmal Henning Lass wurde 1927 von Edvard Eriksen aus Marmor geschaffen und ist das einzige Original des dänischen Bildhauers in Deutschland.

Der Pommern Gobelin in der Nikolai Kirche zeigt Christian III., der mit dem Eiderkanal den Vorgänger des heutigen Nord-OstseeKanals bauen ließ.

Um auch die weniger offensichtlichen Spuren dänischer-schleswig-holsteinsicher Geschichte in und um Kiel möglichst zugänglich zu machen, stehen auf der Internetseite der Landeshauptstadt Kiel zwei Touren bereit, auf denen alle Interessierten auf eigene Faust eben jene Spuren entdecken können. Die erste Tour führt durch die Innenstadt und kann zu Fuß, mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln erkundet werden, während die zweite sich mit dem Kieler Norden und den angrenzenden Ort­ schaften Schilksee und Dänischenhagen beschäftigt. Die zwei­te Tour bietet sich vor allem für Radfahrer an, kann aber ebenfalls mit dem Auto zurück­ge­legt werden. Beide Touren sind unter der Internetadresse

Foto: Dieter Hoogestraat

Foto: Dieter Hoogestraat

www.kiel.de/kulturspuren

http://www.kiel.de/ kulturspuren

Dänisch & digital – die Kieler KulturSpur Dänemark

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n e n o i t u t i st

In

Dansk Skoleforening for Sydslesvig

Nirgendwo wird für die meisten Menschen der Unterschied zwischen dänischer Minderheits- und deutscher Mehrheitsbevölkerung so offensichtlich wie in den dänischen Schulen, die der Dänische Schulverein „Dansk Skoleforening“ zwischen Niebüll und Kiel-Pries unterhält. Im Rahmen der deutschen Landes-Gesetzgebung bietet er an zwei Gymnasien, sechs weiterführenden Schulen und zahlreichen Folkeskolen (Klassen 1 bis 10) einen dänischsprachigen und eng am dänischen Schulsystem orientierten Unterricht, dessen Abschlüsse beidseits der Grenze anerkannt sind. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist der Zugang zur dänischen Schule frei. Verbunden mit der Einschulung ist ein Bekenntnis zur dänischen Minderheit und die Verpflichtung, Dänisch zu lernen. Viele NeuSüdschleswiger kommen über diesen Weg zur Minderheit - oft schon, wenn sie ihr Kind in einem der 56 Kindergärten und Krippen der Dansk Skoleforening anmelden. Die Einschulungsuntersuchung unternimmt der Dansk Sund­ hedstjeneste for Sydslesvig, der Dänische Gesundheitsdienst in Südschleswig.  www.skoleforeningen.org   www.sksund.de

SSW Der Südschleswigsche Wäh­ lerverband (SSW) wurde bereits 1948 aus dem SSF heraus als Vertretung der dänischen Minderheit gegründet. Im Landtag ist der SSW seit 1947 – noch als SSF – vertreten, seit 2012 mit drei Abgeordneten für die Wahlperiode bis 2017. Besonders stark ist der Wählerverband in den Kommunen nördlich der Eider, wo er bis zu 20 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Mit 3.600 Mitgliedern ist der SSW die drittgrößte Partei in Schleswig-Holstein.

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Institutionen

Die Partei orientiert sich an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Skandinavien. Sie steht für dezentrales Denken und möchte Bürger und Bürgerinnen in Entscheidungen einbeziehen. Ein weitere Schwerpunkt liegt auf der Bildungs­politik.   Die beiden Kieler Distrikte Holtenau und Pries-Klausdorf:    http://www.ssw.de/de/ssw-vor-ort/kiel.html

SSF Der Südschleswigsche Verein „Sydslesvigsk Forening“, kurz SSF, ist die große kulturelle Dachorganisation der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Sydslesvisk Forening Insgesamt 24  Einzelverbände ver­ eint sie zu einem Verbund, der in sämtlichen Bereichen von der Geschichtsforschung bis hin zur Theater­ karte stützend unterwegs ist. Getragen wird der SSF von derzeit 15.000 Mitgliedern, die in 80 Distrikten (Ortsverbänden) und 8 Ämter (Kreisen) organisiert sind. Das „achte Amt“ in dieser Reihe ist die „Friisk Foriining“ – der Kulturverband der Friesischen Minderheit im Land. An 40 Orten im Land unterhält der SSF Versammlungshäuser, die als Arbeits- und Begegnungsstätten für alle Mitglieder der dänischen Minderheit und ihre Organisationen dienen. An einigen Orten sind ihnen Altenwohnanlagen und/oder Jugendfreizeitstätten angeschlossen. Außerdem unterhält der SSF Schullandheime bei Gråsten, in Tönning sowie Hvide Sande. Die Jüngsten fahren nach Hjerpsted in die Ferienkolonie. Die Efterskole des SSF steht in Ladelund. Und wer zu weit von weiterführenden Schulen entfernt wohnt, hat die Möglichkeit, sich um einen Platz im Internat in Flensburg zu bewerben. Die Mitgliederzeitung KONTAKT des SSF erscheint wöchentlich und wird mit der Donnerstagsausgabe des Flensborg Avis, der einzigen zweispra-


chigen Zeitung Schleswig-Holsteins, in einer Auflage von 10.000 Exemplaren vertrieben. Für die Nachrichten sorgt ein eigener Pressedienst mit eigenem Außenreferat am Folketing, dem dänischen Parlament und Sitz der Regierung in Kopenhagen. Öffentlich auffälliger ist nur das Danevirkemuseum, das ebenfalls vom SSF unterhalten wird.   Die beiden Kieler Distrikte Holtenau und Pries-Klausdorf:    syfo.de/amter-distrikter/rendsborgegernfoerde-amt/distrikter

Kiel-Pris Børnehave Fritz-Reuter-Straße 28 24159 Kiel 0431/39 23 41

Jernved Danske Skole Schulstraße 50 24229 Dänischenhagen  www.jernved.org

SdU Sydslesvigs Danske Ungdomsforeninger (SdU) ist, wie der SSF, eine Dachorganisation. Sie fasst die dänischen Sport- und vor allem Jugendvereine in Südschleswig zusammen. Derzeit sind in 65 Vereinen rund 12.000 Mitglieder organisiert. Neben der Organisation des Breitensports gehört es zu den wichtigsten Aufgaben des SdU, die geleiteten Jugendtreffs (fritidshjemmer) zu unterhalten sowie die Betreuung von Schülern der unteren Klassenstufen nach dem Unterricht (skoleritids­ordning) zu organisieren.  www.sdu.de

Grænseforeningen Der Grenzverein (Grænseforeningen) wurde 1920 gegründet, um das Dänische an der Grenze, insbesondere südlich der Grenze zu fördern. Die 18.000 Mitgliede in 83 Lokalgruppen organisieren unter anderem Schülerreisen für Schüler aus Südschleswig und unterhalten mit www.grænsen.dk eine der besten Seiten zur Geschichte der dänisch-deutschen Grenze, dem Leben heute und Debatten um zukünftige Vorhaben.   www.grænsen.dk   (alternativ: www.gränsen.dk)

Dänische Zentralbibliothek für Südschleswig siehe Beitrag: Der Dritte Ort, S. 32 ff.  www.dcbib.dk

Dänische Kirche in Südschleswig siehe Beitrag: Kirche ahoi!, S. 36 f.   www.dks-folkekirken.dk

Flensborg Avis  www.fla.de

Institutionen

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t r O e t t i Dr

Der

alle Fotos in diesem Beitrag: Wibke v. Grone-Lübke

In Südschleswig kommt die Bibliothek fast bis vor die Haustür. von Wibke v. Grone-Lübke

Die Bücherbusse der Dansk Centralbibliotek sind Sonderan­fertigungen und passen daher maßgenau in die Tiefgarage.

Abfahrt in 15 Minuten! Sven eilt durch die hinteren Gänge der Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig – ein historisch gewachsenes Labyrinth aus Treppen, Türen und Kammern. „Irgendwo liegt auch ein Skelett herum“, scherzt der Bibliothekar. Doch zum Bergen des fossilen Kameraden bleibt keine Zeit. Vor ihm und seinem realen Kollegen Hans-Peter liegt die „Tour 28“, eine von rund dreißig minutiös durchgeplanten, monatlichen Fahrten mit dem Bücherbus durch Südschleswig. Im Busdepot warten drei Rollwagen Bücherstapel auf ihre Verladung. Literarische Kost für Kiel und Umgebung. Der Bus schluckt mit gutem Appetit. Rund eine Tonne Bücher finden Platz in seinem Inneren. Die zwei Busse der Bibliothek sind Sonderanfertigungen, durchdacht bis ins kleinste Detail. Schließlich müssen sie nicht nur je 2000 Medien transportieren. Auch in der verwinkelten Parkgarage der Flensburger Bibliothek müssen sie rangieren können. Von dort geht es los Richtung Süden. Schon bei der Abfahrt zeigt man sich dem Kunden zugewandt: Baustellenbedingt geht es gegen die Einbahnstraße! Ein Symbol für das Prinzip der Fahrbibliothek? Hans-Peter bezeugt: „Der Kontakt von Mensch zu Mensch bereitet mir Freude. Zu Menschen, die Bücher genauso schätzen wie wir!“


Kundin Mette schwärmt beim ersten Haltepunkt in Altenholz: „Rigtig fin service! Die Themenkisten sind immer schön zusammengestellt.“ Die Dänischlehrerin versorgt sich regelmäßig über den Bus mit Unterrichtsmaterialien. In den kommenden Wochen wird sie das Thema „Wikinger“ behandeln. Davon ahnt ihr Schüler Harald am übernächsten Haltepunkt in der Kieler Wik noch nichts. Für Sprachinteressierte wie ihn hält die Bibliothek eine breite Auswahl an Lern­medien, Wortbilderbüchern und Leicht-Lesebüchern mit AudioCD bereit. Doch Harald ist bereits fort­geschritten, leiht sich eine dänische Biografie aus. „Wenn man sich etwas Mühe gibt, kann man das gut schaffen“, beschreibt er seine Erfahrung mit der ehemals fremden Sprache Dänisch. So transportiert der Bus auch ein Lob an die vielen engagierten Dänischlehrer, die sich für den Erhalt von Sprache und Kultur in Süd­ schleswig einsetzen.

Treffpunkt Holtenau Treffpunkt für Harald und seine Lehrerin Mette ist das Versammlungshaus in Holtenau. Auch hier hält der Bus – doch leider erst auf „Tour 27“ in einer Woche. Zu spät zum Pflaumenklauen! Denn im Garten des Hauses in der Westhofenstraße stehen prächtige Obstbäume zur Ernte bereit: Äpfel, Pflaumen, Renekloden. „Das sind alte Sorten“, schwärmt Hausmeister Holger. „Morgen gibt es Pflaumenmus.“ Wie bei so vielen Gebäuden der dänischen Minderheit ist die Haus­ meisterwohnung in das Versammlungshaus integriert. Gebaut wurde es 1957. Seitdem geben sich die Kulturorganisation SSF, der SSW als politische Vertretung der Dänen, die Gewerkschaft SAF, der Hausfrauen­verein (Husmoderforening), Dänischlehrer und -schüler so­wie die dänische Kirche die Klinke in die Hand. Neben

einem großen Versammlungssaal steht für kleine Runden ein gemüt­liches Gartenhaus bereit. Von dort ist der Weg zur Obstplantage gar nicht weit… Doch für den Ernteeinsatz fehlt Sven und Hans-Peter auf den Bücherbustouren die Zeit: Kunden beraten, Die Skandinavier verste­ hen ihre Bibliotheken Bestellungen hervorholen, Werke recherchieren, Büneben Arbeitsplatz und cherstapel einsortieren, Vorgemerktes weiterleiten, Privatbereich/Zuhause als Bestände auffüllen – ruhig und beschaulich ist die eine Art Dritten Ort, an dem Tätigkeit eines Bibliothekars ganz sicher nicht. „Die man sich treffen, etwas Arbeit ist sehr abwechslungsreich und vielseitig. Und erleben oder einfach ein wenig abschalten kann. du bekommst spontane Reaktionen mit. Das ist sehr bereichernd“, beschreibt Sven. Nach einer kurzen Mittagspause ohne Pflaumen geht es weiter zum dänischen Kindergarten, dem KielPries Børnehave im Christianshus in der Fritz-Reuter-Straße. Hier freuen sich rund 40 Kinder und fünf pädagogische Fachkräfte auf den Besuch. Auf seinen regelmäßigen Touren versorgt der Bus die Einrichtung alle zwei bis drei Monate mit einem Extraset frischer Bücher, individuellen Themenkisten und Sprachkoffern. Und zu besonderen Anlässen wird gleich der ganze Bus gebucht: Dann setzen sich die Bibliothekare Schirmmützen auf, knipsen „Fahrkarten“ ab und werden zu Reiseleitern in die Abenteuerwelt der dänischen Kinderliteratur. Hier ist ein Bibliothekar mehr als nur Bibliothekar, der Bus mehr als Flensburg, im Zentrum von Gesamtschleswig gelegen, nur fahrendes Bücherregal. Hinter ist die Heimat der Centralbibliotek, Von hier starten die dieser Ausweitung des Klassisch- Bücherbusse ihre Touren.

Die Orte Drei

Der Dritte Ort

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Möglichen steht das neue Konzept der dänischen Zentralbibliothek. Das stilisierte &-Zeichen des neuen Logos offenbart: „Wir bieten mehr als nur Bücher und Ruhe!“ So warten in Flensburg viele Angebote auf Jung und Alt, etwa Spielecken, Jahreszeiten­ feste und Lesekreise. Service wird groß geschrieben: Bücher werden deutschlandweit verschickt, Bibliothekare lassen sich „ausleihen“, Gruppenveranstaltungen werden individuell gestaltet.

Tor nach Skandinavien Die Bibliothek versteht sich als Ort, der im Gegensatz zu Arbeitsplatz und Privatsphäre keine Forderungen stellt, dafür aber Möglichkeiten eröffnet. Sie ist der sogenannte „dritte Ort“. Eine Idee, die punktet: In ganz Skandinavien werden Bibliotheken mittlerweile als Treffpunkt, Erlebniswelt und Rückzugsort genutzt. Am dänischen Kindergarten werden derweil

Die dänische Zentralbibliothek versteht sich ganz skandinavisch als Treffpunkt, Erlebniswelt und Rückzugsort, wie auch das stilisierte „&“ im Logo andeutet.

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Der Dritte Ort

die Bücher­kisten hin- und hergetragen. „Der Bus ist unser Tor nach Dänemark“, erklärt Pädagoge Jörg. „Kultur und Tradition sind Teil unseres Lehrplans – ebenso wie der Erwerb der dänischen Sprache.“ Denn auch in einem dänischen Kindergarten kommen – jedenfalls in der Landeshauptstadt und damit an der Grenze Südschleswigs – die meisten Kinder aus deutschsprachigen Familien. Vorkenntnisse in Sprache und Kultur sind keine Voraussetzung für den Einstieg in das dänische Bildungssystem. Wohl aber Engagement und die Bereitschaft, die Sprache zu erlernen. Auf die individuellen Vorkenntnisse und Möglichkeiten gehen die pädagogischen Fachkräfte dabei ein. „Menschen verschieden behandeln, um sie gleich zu behandeln“, heißt das in Kiel-Pries. Auch im Christians­hus fährt man also wenn nötig gegen die Einbahnstraße und passt die Pädagogik dem Menschen an. Diese Idee setzt sich an der Jernved Danske Skole in Dänischenhagen fort. Die kleine Grund- und


Gemeinschaftsschule beherbergt rund 60 Schüler der Stufen 1 bis 6. Offenheit wird groß geschrieben: Einmal im Monat dürfen Eltern den Unterricht besuchen, an Projekttagen können sie selbst Themen anbieten und die Klassenlehrer kommen zur Kontaktpflege auch zu den Familien nach Hause. Bei den jahreszeitlichen Festen wie dem Årsmøde, dem Mittsommerfest Sankt Hans und dem Julefest (Weihnachten) geht es fami­ liär zu. Man duzt sich, wie in Skandinavien üblich. Der Schule steht ein Wechsel bevor: Die langjährige Leiterin Bente geht in den Ruhestand. Ihr Nachfolger Theis freut sich auf die neuen Herausforderungen. Dass hierbei auch der Bücherbus seine Rolle spielen wird, ist selbstverständlich. Allerdings auf „Tour 27“. Richtungsweisend wird dann im Anschluss an die Schule noch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angefahren. Am Spätnachmittag hält der Bus vor der Stadtbibliothek in Kiel – letzte Station der „Tour 28“. Das bunte Gefährt erregt Aufsehen bei Jung und Alt. Gestaltet vom Kinderbuchillustrator Bo Odgård Iversen, stellen die Busfronten Kulturgeschichtliches und dänisches Liedgut dar. Ein Hinweis auf die umfangreiche Musik-

Dank genialer Planung: auch im Bücherbus gibt es Leseecken.

abteilung der Bibliothek? Auf jeden Fall verlässt SSWRatsfrau Antje Danker den Bus an diesem Tag glücklich mit Saxophonnoten und einem dänischen Film. Ihr Resümee: „Für Kiel ist der Bus besonders wichtig. Denn er stützt nicht nur die dänische Minderheit der Landeshauptstadt. Er erschließt uns auch ein wichtiges Stück Skandinavien. Das ist aktive Standortförderung!“

Brücke nach Norden auf mehreren Ebenen Die Ratsfrau setzt sich für die finanzielle Unterstützung des Bücherbusses ein, denn bisher bleibt die Förderung noch weit hinter der deutschsprachiger Büchereien zurück; die in der Verfassung garantierte Gleichstellung ist längst nicht durchgesetzt. Doch immerhin stärkt die Landeshauptstadt die Bande ihrer Bürger nach Norden mit einer fünf­stelligen Summe. Wenn der Bücherbus auf der Rücktour nach Flensburg an seinen jährlichen 16.000 Kilometern arbeitet, hat er wieder einmal Brücken gebaut. Er hat Menschen und Kulturen verbunden. Auch in Zukunft ist er an 265 Orten in Südschleswig der „Dritte Ort“.

Kunst auf Rädern: innen gibt es sie zum Ausleihen, außen prangt sie in Form einer Arbeit des dänischen Illustrators Bo Odgård Iversen auf dem Bücherbus.

Einer alle fü Die Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig steht jedem offen. Hier darf man kostenlos ausleihen - Bücher, Spiele, Filme und mehr. Also - auf zum Bücherbus und einen Mitgliederausweis beantragen! Aber wo hält der Bücherbus? Darüber gibt die Homepage der Bibliothek Auskunft. Dort lassen sich auch Werke vorbestellen. Probier es doch einfach mal aus!

Service inklusive: Den Pädagogen bringt Sven die Bücher persönlich in Schule und Kindergarten.

Der Dritte Ort

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o f p Jum

e f i l r u o ry

Springend, tanzend und mit 160 Beats pro Minute von Dieter Hoogestraat durch Kiel Man muss sich in Kiel nicht unbedingt wundern, wenn man mitten in der Stadt oder am Falckensteiner Strand plötzlich angetanzt wird. Wenn es neben einem ruckelt und plötzlich aus dem eben noch so ruhigen jungen Menschen links ein rhythmisch springender Streetact wird. „Jumpstyle“ heißt die dahinter stehende Musikrichtung, die mit um die 150 Taktschlägen pro Minute zum Mitmachen auffordert. Und weil Jumpstyle am liebsten in der Gruppe getanzt werden will, gesellen sich zum ersten Tänzer auch in der City gerne andere hinzu. Ben Paulsen ist einer dieser jungen Menschen, die sich vom Jump haben anstecken lassen. Seit zwei Jahren tanzt der Friedrichsorter im Rhythmus elektronischer Beats wo immer sich die Gelegenheit bietet. Kennengelernt hat Ben „seinen“ Stil an der Jes Kruse Skole in Eckernförde. Im Rahmen eines Projekts haben sich er und ein paar Kollegen von dem lebendigen Gruppentanz anstecken lassen und jumpen seitdem häufiger gemeinsam. Zu den Besonderheiten des Jumpstyle gehört ein ein festes Grundrepertoire an Schritten, oft eine


bestimmte Schrittabfolge. Tänzer können sich so leichter einer Gruppe anschließen. Ist dann der gemeinsame Move gefunden, können schwierigere Elemente eingebaut werden. Das ist nicht nur cool anzusehen. Jeder Sportler schaut mit Spaß auf das Konditionstraining das quasi nebenbei mitläuft - vom Training der Koordination und des Körpergefühls mal abgesehen. Einen kleinen Coup haben Ben und seine Freunde vor einem Jahr gelandet. Als „Palmshape“ jumpten sich Ben, Per Mogensen, Erik Düring, Jeschua Stroh­ -meier und Leon durch die Kieler Innenstadt und ließen dabei die Kamera laufen. Heraus kam ein Youtube-Video, das seitdem viele Runden in der dänischen Gemeinschaft in Kiel gedreht hat. Auf „Jump for your life“ schauen selbst die mit Respekt, die sonst eher Zweifel an der „Jugend von heute“ haben. Die Fünf tanzen ab und an immer noch zusammen. „Am liebsten einfach dort, wo wir gerade sind und

gerne unter Leuten“, so Ben. Für ihn jedoch ist inzwischen etwas mehr aus dem Jumpstyle geworden, als er sich zu Anfang dachte. Erst vor Kurzem hat er zusammen mit dem SSF einen ersten Jumpstyle-Tag an der Schule in Dänischenhagen getanzt, der mit 19 Teilnehmern richtig guten Zuspruch fand. „Das will ich ausbauen“, sagt Ben, „und vielleicht wird ja sogar eine feste Gruppe daraus“. Bis es soweit ist, hat er noch genug andere Dinge um die Ohren. Nicht nur, dass das Abitur im nächsten Jahr ansteht. Ganz aktuell arbeitet Ben, ausnahmsweise mal als Solokünstler, daran, die KulturSpur Dänemark der Stadt Kiel, die zusammen mit diesem Magazin erstellt wurde, tänzerisch aufzuarbeiten. Wundern Sie sich also nicht, wenn vor Kunsthalle, Forstbaumschule oder am Warleberger Hof plötzlich neben Ihnen getanzt wird. Es könnte ein Däne sein!

Das Video gibt’s bei Youtube am schnellsten mit Suchbegriffen: „palmshape jump for your life“

Foto: Standbild „Jump for your life“, Kamera: Jeschua S. & Peer M.

oder über den shortened Link http://youtu.be/aRMuKGdnpUQ Einsteigervideos findet man auf Youtube beispielsweise unter „Patrick Jumpen“, einem der Pioniere des Tanzes.

Jump for your life

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d n u n e h ac

m t i M

n e d e r t i m

Foto: Dieter Hoogestraat

Neben dem Christianshus in Pries ist das Forsamlings­ hus Holtenau ein Zentrum südschleswigschen Lebens in Kiel von Dieter Hoogestraat

Markiert die Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal (dän.: Kielerkanalen): der Leuchtturm von Holtenau aus dem Jahre 1895.

„Schnee bis über das Fenster, nasse Wände, keine Steckdosen und ein leerer Heizöltank“, kalt und ungemütlich war es, als Holger Balbierski mit seiner Familie ins Holtenauer Forsamlingshus einzog – mitten im Schneekatastrophen-Jahr 1978. Bis aus dem Haus ein echtes Gemeinschaftshaus werden konnte, war mehr nötig als ein Anruf beim lokalen Ölhandel. Balbierskis packten an! Der Einsatz hat sich gelohnt. Heute nutzt der Südschleswigsche Wählerverbund (SSW) das Haus für seine Sitzungen. Die Gewerkschaft SAF organisiert von Holtenau aus Fahrten nach Dänemark, wo Kommunen und Unternehmen besucht werden, um den wirtschaftlichen Kontakt zu fördern. Auch die Dänischkurse im Forsamlingshus sind sehr gut besucht. Angeboten werden einwöchige Bildungs­urlaube und wöchentliche Veranstaltungen.


Foto: Dieter Hoogestraat

Holger Balbierski engagiert sich seit 36 Jahren für die dänische Minder­ heit in Kiel. Langeweile kennen er und seine Frau nicht.

Foto: Wibke v. Grone-Lübke

Foto: Wibke v. Grone-Lübke

Foto: Dieter Hoogestraat

Am Holtenauer Tiessenkai zwischen Jachthafen und Leuchtturm machen besonders häufig historische Segler fest..

SSF-Distrikt. Sohn Bernd spielte jahrelang die Kirchenorgel in Eckernförde. Wenigstens einmal im Jahr kommt er nach Holtenau, um einen vorweihnachtlichen Abend am Klavier zu gestalten. Die Abende sind legendär und finden ebenso viel Zuspruch wie Filmabende und Vorträge des SSF über nordische Themen oder Bildungsreisen nach Dänemark. Am Ende ist für alle jedoch nur eines wirklich wichtig. „Wir sind eine gute Gemeinschaft“, stellt Holger zufrieden fest, „und dafür muss man arbeiten“. Wer die Geschichte der Balbierskis hört, weiß warum das Motto der Minderheit so wichtig ist und warum es die Minderheit so stark macht. Der weiß, warum es heißt: „Mitmachen und mitreden!“

Foto: Dieter Hoogestraat

Der Hausfrauenverein „Husmoderforening“ nutzt den Raum für kreative Aktivitäten. Und natür­lich werden auch die südschleswiger Festtage im Holtenauer Haus gefeiert. So finden beim Jahrestreffen, der Årsmøde, rund 70 Menschen in Haus und Garten Platz. Eine dänische Band rockt dann zu Kartoffel­salat und Würstchen; ab 13:30 Uhr wird in Eckernförde weitergefeiert. Zu Sankt Hans wird zwar keine Hexe verbrannt, aber eine Feuerschale im Garten aufgestellt. Und zu Weihnachten wird es im Gemeinschaftshaus hyggelig: Nach dänischer Tradition tanzt man um den Weihnachtsbaum. Dass das alles reibungslos über die Bühnen gehen kann, dafür sorgen immer noch Helga und Holger. Allerdings macht das Forsamlingshus für die beiden nur ein Teil der gut 50 Stunden ehrenamtlicher Arbeit aus, die die beiden monatlich leisten. Holger ist für den SSW Kassenwart und im Bauausschuss der Stadt Kiel tätig. Helga ist ebenfalls im SSW aktiv und kümmert sich als Vorsitzende um den ört­lichen

in Dänemark gibt es über 1.000 Forsamlingshuse. Wie das in Holtenau sind sie eine Art Gemeindehaus ohne kirchlichen Bezug, Kulturhäuser eben.

Mitmachen und mitreden

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n e h c s s i b m n e i d E von bei r h e m Die gemeinsame Geschichte Schleswig-Holsteins und Dänemarks reicht zurück bis ins frühe Mittelalter. von Julia Fendler

Auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes lebten damals Volksstämme verschiedener Herkunft: Jüten und Dänen aus dem Norden, Friesen und Sachsen aus dem Westen. Sie alle kamen im Zuge der Völkerwanderung und lebten seit dem 7. Jahrhundert nebeneinander. Mit Haithabu errichteten die dänischen Siedler einen bis heute bekannten überregionalen Handelsort. Um Haithabu vor den Sachsen zu schützen, errichteten sie das Danewerk, das bis heute erhalten ist. Nach diversen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Dänen und Sachsen schlossen 811 der fränkische Kaiser Karl der Große, zu dessen Reich das sächsische Gebiet gehörte, und der dänische Wikingerkönig Hemming einen Frieden, in dem die Eider als Grenze zwischen den beiden Reichen festgelegt wurde. Bis heute markiert die Eider Herausgegeben vom Sydslesvigsk Forening Gefördert durch die Landeshauptstadt Kiel


die Grenze der Landesteile Schleswig und Holstein. Schleswig etablierte sich im Laufe der Zeit zu einem eigenständigen Herzogtum innerhalb Dänemarks, in dem für gewöhnlich ein jüngerer Sohn des Königs als Statthalter eingesetzt war. Holstein dagegen wurde als Teil des fränkisch-deutschen Reiches ab dem frühen 12. Jahrhundert von den Schauenburger Grafen regiert. Immer wieder kam es von beiden Seiten zu Versuchen, den eigenen Herrschaftsbereich nach Süden beziehungsweise Norden auszudehnen. Erst 1386 wurden diese territorialen Streitigkeiten vorübergehend beendet: Graf Gerhard VI. von Schauenburg wurde von der dänischen Königin Margarethe I. als Herzog von Schleswig eingesetzt. Beide Landesteile waren nun unter einem Landesherrn verbunden, jedoch gehörte Schleswig weiterhin zu Dänemark, Holstein zum römisch-deutschen Kaiserreich.

Up ewich ungedeelt Als 1460 der letzte Schauenburger Graf ohne direkten Erben starb, stand die Union der beiden Landesteile wegen unterschiedlicher Erbrechte in Dänemark und dem deutschen Reich vor ihrem Ende. Durch eine Initiative des schleswig-holsteinischen Adels wurde jedoch König Christian I. von Oldenburg, ein Neffe des verstorbenen Grafen, zum Landesherrn ernannt. Im so genannten Vertrag von Ripen räumte er den Adligen weitreichende Rechte ein und versprach, Schleswig und Holstein sollten von nun an „ewich tosamende ungedelt“ bleiben – heute noch als „up ewig ungedeelt“ der Wahlspruch des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Für die nächsten 400 Jahre blieben Schleswig und Holstein unter dänischer Führung vereint. Der dänische König war gleichzeitig Herzog von Schleswig und Holstein, Holstein blieb jedoch Teil

des römisch-deutschen Reiches. Somit war der dänische König gleichzeitig Vasall des jeweiligen deutschen Kaisers. In der Praxis waren die Landesteile auch alles andere als ‚ungeteilt‘, verschiedene Kleinterritorien wurden durch den Landesherrn verschiedenen Familienmitgliedern überlassen. Konflikte untereinander blieben nicht aus.

? l e i K d med t Kiel ?

a mi v t s h i s g a O Und w Hochmittelalter - eingeklemmt zwischen den Dänen und den slawischen Teilen Holsteins ragt die Spitze eines Keils ins Festland hinein – der Ausläufer eines ehemaligen eiszeitlichen Gletschers. Er bildet die einzige, winzige Anbindung des Heiligen Römischen Reiches ans baltische Meer. An diesem bevorzugten Ort gründet der Niedersachse Adolf IV. von Schauenburg im Jahr 1235 die Stadt Kiel. Als „Holstenstadt tom Kyle“ trägt sie den erwähnten Keil im Namen. Schon 1242 erhält Kiel, der Keil, das Stadtrecht, im Jahr 1283 tritt man der Hanse bei. Doch im Gegensatz zu anderen Hansestädten liegt der Schwerpunkt nicht auf dem Seehandel. Stattdessen errichtet die Stadt mit dem „Kieler Umschlag“ den bedeutendsten Freimarkt des Landes. Er wird zur zentralen Gelegenheit für die Abwicklung von großen Geldgeschäften. In diesem fruchtbaren Klima gründet Herzog Christian Albrecht die nach ihm benannte Universität. Bedeutende dänische und deutsche Professoren lassen die Hochschule zu einer

renommierten Bildungseinrichtung gedeihen. Schon um 1700 herum zählt die Stadt 300 Studenten - bei nur 4.000 Einwohnern insgesamt. Regiert wird Kiel - wie auch Holstein – die längste Zeit seiner Geschichte von Dänemark. Staatsrechtlich ist es als Teil Holsteins jedoch gleichzeitig mit dem Heiligen Römischen Reich verbunden. Mit dessen Ende 1806 wird die Stadt 9 Jahre lang voll und ganz Teil Dänemarks. Dies ändert sich schrittweise im Zuge der nach-napoleonischen Restauration. Zunächst werden Kiel und Holstein formal Teil des deutschen Bundes, bleiben aber von Kopenhagen regiert. Erst nach der Niederlage Dänemarks an den Düppeler Schanzen 1864 wird Kiel zunächst preußisch und schließlich Teil des Deutschen Reiches. In der Folge wird die Stadt zum kaiserlichen Kriegshafen ausgebaut. Bis heute hat sich Kiel neben der militärischen Bedeutung seinen Ruf als intellektuelle und wirtschaftliche Drehscheibe für den Austausch mit Skandinavien bewahren können.

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Erst 1773 wurde vertraglich festgelegt, dass die Herzogtümer dem dänischen König als Lan­des­herrn unterstanden. Dies war der Anfang des so genannten ‚Dänischen Gesamtstaates‘, der neben Dänemark und Schleswig-Holstein auch Norwegen, Island, Grönland und die Färöer beinhaltete. Der Gesamtstaat sollte jedoch nicht einmal 100 Jahre überstehen. Grund dafür waren vor allem die Niederlage Dänemarks in den Napoleonischen Kriegen, in denen es auf Seiten Frankreichs gekämpft hatte, und die sich entwickelnde Idee der Nationalstaaten. Im Kieler Frieden von 1814 musste Dänemark als Kriegsverlierer Norwegen an Schweden abtreten, erhielt dafür jedoch einen Teil von Pommern. Finanziell war das Land so gut wie ruiniert.

Durch den Verlust Norwegens verschoben sich die Bevölkerungs- und Sprachverhältnisse in Dänemark: Plötzlich sprach ein viel größerer Teil der Gesamtbevölkerung Deutsch. Ganz Europa war zu Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt von der Suche nach nationaler Identität, es gab eine allgemeine Entwicklung von Vielvölker- zu Nationalstaaten. In diesem Kontext verschärften sich besonders im Schleswiger Landesteil die Auseinandersetzungen zwischen ‚deutschen‘ und ‚dänischen‘ Bevölkerungsgruppen, die die Eingliederung Schleswig-Holstein in ihr jeweiliges Heimatland forderten. Dies führte zum Schleswig-Holsteinischen Krieg (1848-1851): In Kiel wurde eine provisorische schleswig-holsteinische Regierung ausgerufen, die die Aufnahme des Landes in den 1815 gegründeten deutschen Bund forderte, während der dänische König Friedrich VII. plante, Schleswig und Holstein voneinander zu trennen und Schleswig ein für alle Mal an Dänemark zu binden. Zunächst von Preußen unterstützt unterlag die schleswig-holsteinische Armee schließlich und der dänische König blieb Landesherr von Schleswig-Holstein. Er einigte sich jedoch mit Preußen darauf, die Herzogtümer weiterhin als selbständige Einheiten innerhalb Dänemarks zu behandeln.

Foto: Wibke v. Grone-Lübke

Krieg durch Verfassung

Der Zweite Schleswigsche Krieg (Deutsch-Dänischer Krieg) 1864: hierzu gibt es in einem speziellen Teil der Danske Centralbibliotek for Sydslesvig in Flensburg, genannt „Den Slesvigske Samling“, eine gesonderte Zusammenstellung von Informationsmaterial. Da sich 2014 das Ereignis fünfzigfach jährt, rückt „Den Slesvigske Samling“ in diesem Jahre besonders in den Mittelpunkt. Der Besuch ist selbstverständlich für jedermann kostenlos.

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Der Konflikt flammte 1863/64 wieder auf, als eine Änderung der dänischen Verfassung Holstein aus dem dänischen Staat ausgliederte und Schleswig dafür rechtlich stärker an Dänemark band. Dies nutzten die Staaten des Deutschen Bundes, vor allem Preußen und Österreich, für einen Versuch, die Herzogtümer endgültig an den Deutschen Bund anzuschließen. Im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 unterlag Dänemark


Ripen Hadersleben

Apenrade Düppel

Sonderburg

Flensburg Sankelmark Idstedt Husum

Missunde

virke

Danne

Friedrichstadt Ei d

er

Kiel

Lübeck

Zugehörigkeit der Länder und Grenzverschiebung vor und nach dem Zweiten Schleswigschen Krieg Gesamtstaat Dänemark bis 1864 Nordgrenze des Deutschen Bundes bis 1864 Deutscher Bund ab 1864

Illustration: Stephan Lübke

Altona

Grenze 1864–1918 Grenze heute (nach 1920)

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te s r e „ r e D chleswig r“ S olsteine H

bei der entscheidenden Schlacht bei den Düppeler Schanzen und musste die Herzogtümer abtreten. Somit verlor Dänemark etwa 40% seiner Staatsfläche. Nach einer weiteren kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Preußen und Österreich im Jahr 1866 wurde Schleswig-Holstein schließlich eine Provinz des Königreichs Preußen. Es war zwar vorgesehen, im Landesteil Schleswig eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zu Dänemark durchzuführen, dies wurde jedoch trotz dänischer Proteste zunächst nicht umgesetzt.

Foto: Julia Fendler

Völkerrecht gegen Unterdrückung: die Volksabstimmung 1920

Vom 12. bis zum 15. Jahrhundert wurde Holstein von Schauenburger Grafen regiert. Das oben abgebildete Denkmal im Klostergarten ist Graf Adolf IV. von Schauen­burg gewidmet, dem Gründer Kiels. Er war vermutlich der erste Regent Holsteins aus dem Hause der Schauen­burger. Sein Nachfahre Graf Gerhard VI. von Schauenburg wurde 1386 von der dänischen Königin als Herzog von Schleswig eingesetzt. Schleswig gehörte zwar immer noch zu Dänemark, erstmals standen diese beiden Länder jedoch unter der Verwaltung eines einzigen Herzogs – man könnte Graf Gerhard VI. von Schauen­ burg daher als den „ersten Schleswig-Holsteiner“ bezeichnen.

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Erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kam die Volksabstimmung tatsächlich zustande. Im Juli 1920 wurde Schleswig als Ergebnis der Abstimmung in ein nördliches (dänisches) und ein südliches (deutsches) Gebiet aufgeteilt. Die so entstandene nördliche Grenze zwischen Deutschland und Dänemark besteht bis heute. Die Querelen um die Staatszugehörigkeit Schleswigs und Holsteins sind damit seit beinahe 100 Jahren beigelegt. Die Grenzregion ist, genau wie zu Beginn der Geschichte, immer noch geprägt durch Mitglieder verschiedener Volksgruppen, die heute friedlich neben- und miteinander leben. Die dänische Minderheit in Deutschland und die deutsche Minderheit in Dänemark haben dieselben Rechte und Pflichten wie ihre deutschen beziehungsweise dänischen Mitbürger, welche ihnen auch politisch durch die BonnKopenhagener Erklärungen von 1955 garantiert werden. In einem Europa, das zunehmend zusammenwächst, geht die kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Dä­ne­mark als gutes Beispiel voran.


r e n e g a h n e p e g o i n D Bonn -K u r ä Erkl Die Bonn-Kopenhagener Erklärung bezeichnet nicht eine einzelne, sondern gleich zwei im Wesentlichen übereinstimmende Erklärungen. Abgegeben von den Regierungen in Kopenhagen und Bonn, sichern sie wechselseitig den Minderheiten des jeweils anderen Landes die volle Gleichberechtigung zu. Kern der von Deutschland abgegebenen Erklärung ist die Festschreibung der demokratischen Rechte für die Dänen in Südschleswig, verbunden mit der Garantie, dass „das Bekenntnis zum dänischen Volkstum und zur dänischen Kultur […] frei (ist) und […] Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden (darf)“. Seitdem darf die dänische Minderheit mit ihren Institutionen, die vielfach schon nach der Volksabstimmung 1920 gegründet wurden, gegenüber deutschen Einrichtungen nicht mehr benachteiligt werden. Sie sollen die gleichen Etatmittel erhalten wie die Mehrheit. Auch sichern die Erklärungen den 50.000 Dänen hüben und den 20.000 Deutschen drüben das Recht zu, ein eigenes Schulsystem zu unterhalten, das dem jeweiligen öffentlichen gleichgestellt ist. Von besonderer Wichtigkeit ist für Deutschland außerdem der Wegfall der 5-Prozent-Klausel bei Wahlen, der in den „Deutsch-Dänischen-Papieren“, den Verhandlungsnotizen zur Erklärung, festgehalten wurde. Den Bonn-Kopenhagener Erklärungen vorangegangen war 1949 die sogenannte Kieler Erklärung. Schon darin sicherte die Schleswig-Holsteinische Landesregierung den

Minderheiten der Friesen und Dänen die volle Gleichstellung zu. Im Verlauf der darauffolgenden Jahre war es jedoch zu Konflikten gekommen, als die Landesregierung die Unterstützung für die dänischen Schulen infrage stellte und die Sperrklausel für den immer stärker werdenden Südschleswigschen Wählerverband (SSW) auf schließlich 7,5 Prozent heraufsetzte. Um eine außenpolitische Krise abzuwenden, musste eine bilaterale Lösung her. Dennoch entschied man sich gegen einen Vertrag und für zwei einzelne Erklärungen. In der nach dem Zweiten Weltkrieg neuerlich angespannten Lage wollte man unter allen Umständen den Eindruck der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen Landes vermeiden. Beide Erklärungen wurden am 29. März 1955 in Bonn von den damaligen Regierungschefs Hans Christian Hansen und Konrad Adenauer unterschrieben. Was 1955 allein die Gestaltung einer schwierigen Situation gewesen sein mochte, gilt heute als ein Musterbeispiel für die Anerkennung von Minderheiten und deren Rechte. Ganz zeitgemäß sind die Erklärungen in Art und Umfang dennoch nicht mehr: Die europäische Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten geht in ihren Bestimmungen weiter. Ein Problem bleibt außerdem, dass die Gleichstellung der Minderheiten zwar allgemein garantiert ist, die Umsetzung dieser Bestimmung in faktische Rechte jedoch oft erst erstritten werden musste und muss. Ein Beispiel dafür ist der Zuschuss des Landes für die dänischen Schulen.

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i r h C

s i r p s n a i t s Deutschlands einzige Seefestung ist dänisch von Dieter Hoogestraat

Eine Festung ist ein teures Unterfangen. Und so musste Christian IV. von Dänemark selbst mitten im Dreißigjährigen Krieg erst ganz Jütland von katholischen Streitkräften besetzt sehen, bevor er – alles andere als unschuldig an dem Zustand – genügend Geld in die Hand nahm, um seine Südgrenze zu sichern. Zunächst kaufte er die Güter Bülck, Knoop und Seekamp und errichtete dann am Dorf Pries die Festung „Christianspries“ – zuerst in alter, dann in neuer holländischer Manier: mit fünf Bastionen, vorgelagerten Schanzen und umgebendem Graben. Wäre Kiel Königstein, wäre Friedrichsort heute ein Faszinosum. So einzigartig ist die Anlage als Seefestung für Deutschland, dass sich daraus wohl ein touristischer und historischer Leuchtturm ent­ wickelt hätte. Doch die Zeit meinte es anders mit Christianspries. Erst verändern sich die militärischen Strategien, dann auch noch die politische Großwetterlage. Die


Festung verlor ihre Bedeutung und schließlich mehr und mehr auch ihr Gesicht. Wenn 1966 nicht der Denkmalschutz seine Hand über die Anlage gelegt hätte, wäre sie vielleicht ganz aus dem Bild Friedrichsorts verschwunden. Die Zeit war für die Festung ein schlimmerer Gegner als die Schweden, die sie 1645 und 1813 einnahmen.

Königstein am Meer

Verein der Freunde der Festung Friedrichsort e. V. c/o Uwe Rades Koloniestraße 6 24159 Kiel info@festung-friedrichsort.org

Foto: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek

Mit dem Denkmalschutz aber sind trotz militärischer und industrieller Nutzung Teile der Festung erhalten geblieben. Einige Kasematten (vor Artilleriebeschuss sicheres Gewölbe einer Festung) können von Zeit zu Zeit besichtigt werden; am Falckensteiner Strand entdeckt man noch Überreste der früheren Schanzen. Und seitdem sich die Stadt Kiel sowie der Verein der Freunde der Festung Friedrichsort des Spezialbauwerks angenommen haben, dringt sie langsam aber sicher wieder ins öffentliche Bewusstsein vor. Dabei ist die Bedeutung der Festung für die Region längst anerkannt. „Die Festung Friedrichsort ist das flächenmäßig größte, vielleicht auch bedeutendste Kulturdenkmal der Landeshauptstadt“, heißt es in einem Projektantrag, den die Stadt an den Bund gestellt hat. Parallel dazu ist auch das Land bereit, einen zweistelligen Millionenbetrag in die Restaurierung der Festung zu investieren. Die einzige Seefestung in der Bundesrepublik, erbaut von Dänemark, verspricht einzigartige historische Einsichten. Bis es soweit ist, muss jedoch einiges gesche-

hen. Auch eine „Unscharfe Rekonstruktion“, die die Festungsanlagen eher nachzeichnet, denn wieder aufzubauen, und eine Nutzung restaurierter Gebäude und Gewölbe wird einige Jahre in Anspruch nehmen. Zu überzeugen sind dabei auch die privaten Eigentümer, die die Festung 2003 übernommen haben, um sie zu retten. Am Ende könnte dafür ein „Impulsgeber für die internationale Wahrnehmung im touristischen und kulturellen Umfeld der Landeshauptstadt Kiel“ stehen, wie die Stadt es in ihrem Projektantrag ausdrückt, bevor sie festhält: „Gestärkt wird die traditionelle Beziehung Kiels und Schleswig-Holsteins zum dänischen Nachbarn“. Richtig, fehlt nur noch die Ergänzung: „und zu den Dänen in Südschleswig“.

Christianspris

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n o i t a g i v Na

Es ist wenigstens eine Aufgabe für Entdecker, sich in der dänischen Kultur Südschleswigs und seiner Bewohner zurechtzufinden. Manches heißt eben… ganz anders. Die wichtigsten Begriffe haben wir für Sie gesammelt und mit einer Erklärung sowie einer Aussprachehilfe in eckigen Klammern versehen. God fornøjelse! [go forneujelse] Viel Vergnügen!

1. banko [banko] Bingo auf Dänisch 2. blød [blöll] weich (blöd D : dum DK) 3. boller [boller] weiches Brötchen ähnlich Milchbrötchen 4. børnehave [börnehäwe] Kindergarten 5. bøsse [bösse] homosexuell (umgs.), (böse D : ond/sur DK) 6. Christianspris [christianspries] Dänischer Name des Kieler Stadtteils Friedrichsort/ Pries

11. flæskesteg [flesskestai‘] Traditionelles Festtagsgericht, gerne zu Weihnachten; Schweinekamm oder -nacken mit knuspriger Schwarte, serviert mit Salzkartoffeln und unbedingt auch karamelisierten Kartoffeln sowie Rotkohl und brauner Soße. 12. frokost [frohkost] Ursprünglich der Begriff für die erste kräftige Mahlzeit des Tages; heute Synonym für das meist kalte Mittagessen. Die warme Mahlzeit fällt auf den Abend und heißt dennoch „middag“ [middä‘]. 13. god morgen Guten Morgen

[go‘morn]

14. hej [hai] „Der“ Standard zur Begrüßung

7. dronning [dronning] Königin

15. hej-hej [hai-hai] Wird verwendet wie „tschüss“

8. farvel [farwäll] Auf Wiedersehen

16. hyggelig [hüggelieh] Das Dänische gilt neben dem Deutschen als einzige Sprache Europas, die den Begriff „gemütlich“ kennt. Allerdings steht dabei weniger die „technische Seite“, der Komfort, im Vordergrund als die behagliche Situation. Auch ein Besuch mit Freunden im Restaurant oder der Tee mit Mutter überm Fotoalbum sind „rigtig hyggelig“.

9. fastelavn [fässtelaun] Dänische Form des Karnevals ohne Prunksitzung und Umzug, aber mit Verkleidung 10. fastelavnsris [fässtelaunsrieß] Birkenreisig mit selbst ausgeschnittenen Figuren; benutzen Kinder, um am Fastnachtssonntag ihre Eltern zu wecken.

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17. Jernved [Jern‘väll] Dänische Bezeichnung des Dänischen Wohlds


18. julefrokost [juhlefrohkost] Traditionelles Weihnachtsmenü aus warmen und kalten Speisen mit der Familie, Freunden, der Firma, Vereinen oder ähnlichen Gruppen. 19. juletræ [juhleträä‘h] Der Weihnachtsbaum; für Dänen ebenso wichtig wie für Deutsche, nur dass nicht sein Glanz (allein) zählt, sondern die Tatsache, dass man um ihn herumtanzen kann. 20. kind [kinn] Wange (Kind D : barn DK) 21. kong [kong] König 22. Kubb [kubb] „Wikingerschach“ (Spiel) 23. nisse [nisse] Die heidnischen Nissen wohnten früher auf Bauernhöfen und waren die mehr oder weniger guten Geister des Hauses. Heute sind sie die wichtigsten Gehilfen des Weihnachtsmanns. Unter anderem sorgen sie dafür, dass die Kinder im Dezember jeden Morgen ein kleines Geschenkchen bekommen. Voraussetzung dafür allerdings ist, dass sie gut mit Milchereis versorgt werden. Seit dem Entstehen der Kernfamilie im 18. Jahrhundert treten Nissen oft als Elternpaar mit zwei Kindern auf. 24. risengrød [rießengröll] Weihnachtsgericht; in Milch zu Brei gekochter Reis. Werden anschließend Sahne, Zucker, Vanille und Mandeln untergemischt, wird daraus „risalamande“ - das traditionelle Weihnachtsessen.

25. slå katten af tønden (sloa kätten ä tönn‘n) Zur Zeit der großen Pestepedemien glaubte man in weiten Teilen Europas, durch das Töten einer schwarzen Katze dem Schwarzen Tod entgehen zu können. Während man in Deutschland die Katze auf dem Osterfeuer opferte, sperrte man in Dänemark die Katze in eine Tonne und erschlug sie später. Die Tonne als Begräbniselement soll verhindern, dass der Verstorbene zum Wiedergänger wird. Vermutet wird unter anderem, dass der Brauch mit den von Christian II. im Öresund auf der Insel Amager angesiedelten niederländischen Bauern nach Dänemark kam. Auf der Insel liegt der Flughafen Kastrup. 26. spejderkorps [ßpeiderkorp‘] Pfadfinder 27. St. Hans [ßankt hans] Dänische Bezeichnung des Mittsommerfestes 28. sød [ßöll] nett, süß 29. Valdemarsdag [waldemarsdä‘] Der 15. Juni: An diesem Tag im Jahre 1219 soll in einer Schlacht der Dannebro vom Himmel gefallen sein. Gleichzeitig Gedenktag für die Wiedervereinigung Nordschleswigs mit dem Königreich nach der Volksabstimmung 1920. 30. vi ses herzliches „Auf Wiedersehen“

[wie ßehß]

31. årsmøde [aarsmö(l)e] Jahrestreffen der Südschleswiger an vielen Orten im gesamten Landesteil Schleswig – manchmal traditioneller mit Fahnenaufzug, manchmal wie eine riesengroße Familienfeier im Freien.

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m u s s e r p Im

Dänisch in Kiel - eine Einladung nach Südschleswig ist das Magazin der dänischen Minderheit in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins. Herausgeber Sydslesvigsk Forening (SSF) Pris-Klaustorp, Hauke Paulsen (Vorsitz) Verantwortlicher Redakteur, Konzeption und Organisation: Dieter Hoogestraat Mitarbeiter dieser Ausgabe: Gesa Emmrich, Isabel Schunck, Julia Fendler, Wibke von Grone-Lübke Adresse: Pamirstraße 30, 24159 Kiel, info@daenisch-in-kiel.de Layout und Satz: Stephan Lübke Mediengestaltung, Grasweg 8, 24161 Altenholz, www.planetmotion.de Druck: viaprinto, CEWE Stiftung & Co. KGaA, Münster Trotz sorgfältiger Prüfung kann keine Haftung für die Richtigkeit der Veröffentlichungen übernommen werden. Eine Haftung für die Inhalte von als Links erwähnten (Web-)Seiten wird nicht übernommen. Das Heft sowie sämtliche Inhalte unterliegen dem Urheberrecht. Soweit nicht anders gekennzeichnet, liegt dieses bei den Bearbeitern der jeweiligen Rubrik. Die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Elemente des Magazins bedarf der vorherigen schrift­lichen Genehmigung des Rechteinhabers. Im Falle der nicht-kommerziellen Nutzung wird diese bei Quellenangabe und Namensnennung kostenfrei erteilt, soweit die Nutzung nicht den Interessen der dänischen Minderheit in Südschleswig oder des Rechteinhabers widerspricht. Bis auf den Druck ist dieses Magazin vom SSF Distrikt Pris-Klaustorp produziert worden. 3. Auflage, 2014, Gesamtauflage: 3000, Preis: kostenfrei, Bezug: E-Mail an info@daenisch-in-kiel.de

Tak skal I have! An der Produktion dieses Magazins haben viel mehr Menschen mitgewirkt, als das fertige Produkt erahnen lässt. Wenigstens ein paar von diesen fleißigen Händen müssen hier erwähnt werden. Da ist zunächst Mette Salomo, die mit ihrem unerschöpflichen Wissen zur dänischen Geschichte Schleswigs und Kiels im Besonderen unbezahlbar wertvolle Anregungen zu den Beiträgen im Heft und der KulturSpur geleistet hat. Dann danken wir Annie Lander Laszig, Vorsitzende der Deutsch Dänischen Gesellschaft in Kiel, weil die DDG nicht nur die Beziehungen nach Dänemark pflegt, sondern ganz besonders auch dänische Spuren in Kiel, zum Beispiel das Grabmal Lass. Isabel Schunck, Gesa Emmrich und Pia Renkwitz danken wir für ihre wunderbare redaktionelle Unterstützung in allen größeren und kleineren Fragen. Nina von Lachmann Steensen, Karl Fischer und Birgit Preil möchten wir nennen, denn sie öffneten uns die Türen und Tore der Dansk Centralbibliotek in Flensburg. Ihre Kollegen im Bücherbus konnten wir glücklicherweise im Beitrag „Der Dritte Ort“ erwähnen. Julia Fendler danken wir, weil sie als Skandinavistin immer dort eine Quelle wusste, wo wir nicht mehr weiterwussten. Die KulturSpur hat sie außerdem ganz besonders umfangreich gestaltet. Nicht genug kann man der Landesbibliothek Schleswig-Holstein danken, ohne die viele historische Recherchen gar nicht möglich wären und die es uns ermöglicht hat, historisches Bildmaterial zu verwenden. Schließlich noch das Amt für Kultur und Weiterbildung der Stadt Kiel: Hilfestellung, Rat und den richtigen Hinweis gibt es auf dem Amt auch dann, wenn‘s mal kniffelig wird. So konnte aus einer Idee dieses Stück Realität wachsen. Ganz zum Schluss gilt unser Dank der Stadt Kiel, die die dänische Minderheit konsequent unterstützt.

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Impressum und ein großes Dankeschön


„We are red – we are white – we are Danish dynamite!“ Fußballweisheit


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gefรถrdert durch die Stadt Kiel

herausgegeben vom SSF Distrikt Pris-Klaustorp

Sydslesvisk Forening


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