Realistische Unfall- und Notfalldarstellung

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R. Stens M. Daniels

Rainer Stens

Malte Daniels sonderen Stellenwert besitzt die fundierte lernpsychologische Aufbereitung von praktischen Übungen. Daher werden dieses Thema und weitere moderne Ansätze der praktischen Ausbildung der BOS besonders intensiv thematisiert. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Kapitel Übungssicherheit. »Realistische Unfall- und Notfalldarstellung« vermittelt umfassend alle Schritte, die zur Planung, Durchführung und Auswertung verschiedener Übungen notwendig sind. Auf diese Weise ist dieses Buch ein wertvoller Begleiter für Helfer, Ausbilder und Führungskräfte.

RUND · Übungen planen – durchführen – auswerten

Die realistische Unfall- und Notfalldarstellung (RUND) ist heute als einer der effektivsten Bestandteile der Praxisausbildung von Einsatzkräften unterschiedlicher Organisationen gefragt wie nie zuvor. Sie versteht sich als Unterstützungskomponente für die Aus- und Fortbildung aller Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sowie das Militär. Dieses Buch soll es dem Leser ermöglichen, die vielfältigen Facetten der realistischen Unfall- und Notfalldarstellung kennenzulernen. Dabei beschreibt es den Stand der aktuellen Praxis, in der die Autoren tätig sind. Einen be-

Rainer Stens · Malte Daniels

Realistische Unfallund Notfalldarstellung

Realistische Unfallund Notfalldarstellung

Übungen planen – durchführen – auswerten

ISBN 978-3-943174-20-5

Übungen planen – durchführen – auswerten

www.skverlag.de



Realistische Unfallund Notfalldarstellung

Übungen planen – durchführen – auswerten Rainer Stens und Malte Daniels

Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2014


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© Copyright by Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2014 Satz: Bürger-Verlag GmbH, Edewecht Umschlagfoto: Malte Daniels Druck: M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn ISBN 978-3-943174-20-5


˘ Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Vorwort.....................................................................................................................9

1 Einleitung...............................................................................................................11 2 Grundlagen............................................................................................................13

2.1 Geschichte der realistischen Unfall- und Notfalldarstellung................................. 13 2.2 Ist-Stand der realistischen Unfall- und Notfalldarstellung..................................... 14 2.3 Facetten der realistischen Unfall- und Notfalldarstellung............................................................................................................. 15

2.4 Moderne lernzielorientierte Übungsweise................................................................. 16

3 Übungsgestaltung und Übungsplanung..........................................................27 3.1 Grundsätzliches................................................................................................................. 27

3.2 Zielgruppenspezifische Arbeit bei der Planung von Übungen.............................. 27

3.3 Übungsformen .................................................................................................................. 29

3.4 Der Übungsbefehl............................................................................................................. 34

3.5 Lernzielorientierte Übungsentwicklung – eine gute Übung ist realistisch und sicher.................................................................................................. 37

3.6 Übungssicherheit.............................................................................................................. 53

3.7 Qualität versus Quantität in der RUND – Grenzen der Machbarkeit . ................ 60

4 Infrastruktur der RUND........................................................................................61

4.1 Die Schminkarbeit............................................................................................................. 61 4.2 Räumlichkeiten zur Vorbereitung, Ver- und Entsorgung sowie sanitäre Anlagen................................................................................................................ 64

4.3 Das Übungsgelände – szenischer Aufbau................................................................... 67

4.4 Übungskünstlichkeiten.................................................................................................... 67 4.5 Maßnahmen zur Eigensicherung.................................................................................. 67

5 Übungsablauf........................................................................................................69 5.1 Darstellereinweisung....................................................................................................... 69

5.2 Schminken........................................................................................................................... 70

5.3 Auslegen der Darsteller.................................................................................................... 71

5.4 Eingliederung des Darstellers in die Startposition................................................... 73

5.5 Strukturierter Sicherheitscheck .................................................................................... 73 5.6 Übungssteuerung.............................................................................................................. 74

5.7 Zusammenfassung............................................................................................................ 76

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˘ Inhaltsverzeichnis

6 Übungsauswertung – die Übung als Lernsituation.........................................77 6.1 Übungsauswertung.......................................................................................................... 77

6.2 Lernmodelle........................................................................................................................ 78

6.3 Operantes Lernen als Kernelement der s­ zenarienbasierten Praxisübung.......... 82 6.4 Grundlagen des Feedbacks und der Reflexion........................................................... 82 6.5 Das Ziel vor Augen – Ziele erreichbar machen (SMART).......................................... 85

6.6 Dokumentation der Übungsleistungen....................................................................... 86 6.7 Reflexion.............................................................................................................................. 88

6.8 Übungsauswertung – ein Fazit...................................................................................... 88

7 Material..................................................................................................................91 7.1 Grundlagen......................................................................................................................... 91

7.2 Schminkmaterialien.......................................................................................................... 92

7.3 Werkzeuge und Instrumente........................................................................................ 100

7.4 Darstellerschutz............................................................................................................... 104

7.5 Sicherheitsausstattung.................................................................................................. 106 7.6 Hygiene.............................................................................................................................. 108

7.7 Requisiten.......................................................................................................................... 109

7.8 Hinweise zur Grundausstattung................................................................................. 109

8 Schminken von Verletzungen und Erkrankungen......................................... 111

8.1 Grundlagen des Schminkens........................................................................................ 111

8.2 Hautkolorit........................................................................................................................ 113 8.3 Wunden nach Entstehungsmechanismus................................................................ 126

8.4 Beispielhafte Komplexverletzungen und -erkrankungen......................................................................................................... 151

9 Papiergestützte Übungs- und Simulationssysteme..................................... 165 9.1 Grundlagen ...................................................................................................................... 165

9.2 Die dynamische Patientensimulation – DPS............................................................. 166 9.3 Fazit..................................................................................................................................... 168

10 Nachwort und Ausblick..................................................................................... 169

Literatur............................................................................................................... 171

Hersteller- und Händlerverzeichnis Schminkmaterial................................. 174

Index.................................................................................................................... 175

Abbildungsnachweis......................................................................................... 180

Die Autoren......................................................................................................... 181

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2 ˘ Grundlagen

2.3 Facetten der realistischen Unfall- und Notfalldarstellung Unter dem Dach der RUND finden sich heute alle Möglichkeiten zur Umsetzung praktischer Übungen. Als Basis stehen das fundierte Fachwissen und die Fähigkeit zur Übungsgestaltung und -planung des Anbieters zur Verfügung. Unterstützende Faktoren wie szenische Ausgestaltung durch Requisiten, Übungseffekte wie der Einsatz von Nebelmaschinen oder pyrotechnische Effekte gehören aber genauso zum Tätigkeitsbereich der RUND wie die Eigensicherung der übenden Einheiten sowie die Versorgung der Darsteller und Einsatzkräfte mit Getränken und Nahrungsmitteln. Weitere technische Aspekte wie die Bereitstellung von Infrastruktur, Licht, Strom und Wasser müssen zumindest in die Planung mit einbezogen werden.

Abb. 2.2 ˘ Regelkreis der Übungsdurchführung nach Stens

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2 ˘ Grundlagen

Letzter und wichtigster Punkt im Prozess der Übungsdarstellung ist – neben einer gründlichen Vorbereitung – auch die Nachbereitung. Daraus ergibt sich für den Anbieter der RUND von Anfang an das Ziel, den Lernerfolg für alle Beteiligten zu planen und umzusetzen. Das bedeutet wiederum, dass die Übungsteilnehmer durch geeignete Fremd- und vor allem auch Selbstreflexion eine mehrperspektivische Sicht auf ihre Arbeit bekommen. Die Fehler, die im Rahmen einer Übung oder Simulation auftreten, müssen als Chance toleriert und als Lerneffekt und Erkenntnis nutzbar gemacht werden.

2.4 Moderne lernzielorientierte Übungsweise Nur wenn der einzelne Übungsteilnehmer für sich selbst einen Nutzen aus der Übungssituation ziehen kann, ist eine anhaltende Motivation der in erster Linie ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer möglich. Dabei ist ganz gleich, ob es sich um ein Kleingruppentraining oder um eine groß angelegte Katastrophenschutz-Übung mit mehreren hundert Darstellern und Einsatzkräften handelt. Jeder Beteiligte muss als »Einbringer« von Zeit und Engagement wahrgenommen und respektiert werden und »etwas mit nach Hause nehmen« können. Die Basis hierfür bietet die Theorie der lernzielorientierten Übungsentwicklung (siehe­Kap. 6).

2.4.1 Motivation als Trigger für erfolgreiches Lernen Nur auf der Basis der Motivation jedes Einzelnen kann eine dynamische und flexible Gruppenatmosphäre entstehen, die das reine Üben zum Lernen werden lässt.

Abb. 2.3 ˘ Eine Übung muss für alle Teilnehmer eine motivierende und bestätigende Herausforderung darstellen

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2 ˘ Grundlagen

Den Wert der Motivation der zumeist freiwilligen Helfer kann man nicht hoch genug schätzen. Der Bevölkerungsschutz in Deutschland steht auf einem festen Fundament von über 1.000.000 Freiwilligen, die ihre Arbeitsleistung für die Gesellschaft in Ausnahmesituationen einbringen. Dafür müssen jedoch die Rahmenbedingungen stimmen. Dies stellt den Anbieter vor die Herausforderung, dem Lernstand der Übungsteilnehmer entsprechend gemeinsam mit den einheitsbezogenen Auftraggebern die Übung so umzusetzen, dass sie für alle eine Herausforderung darstellt und als Lernsituation akzeptiert wird.

2.4.2 Rolle von Lernzielen Als wichtigste Aufgabe zur Übungsgestaltung wird die Vorbereitung von Lernzielen angesehen, die gemeinsam mit dem Auftraggeber oder Besteller der Übung erfolgt. Die Gruppe der Übenden muss im Vorfeld in einer Übungseinweisung auf die Lernsituation vorbereitet werden. Das bedeutet, jeder einzelne Teilnehmer muss das Lernziel kennen, das er erfüllen soll. Wer die Parameter kennt, an denen er gemessen werden soll, kann sein Verhalten und Handeln entsprechend ausrichten und sich einer Selbstreflexion unterziehen. Um dies zu gewährleisten, muss der Anbieter seinen Teilnehmerkreis kennen und bewerten. Dazu sind Instrumente wie ein Interview oder ein offenes Gespräch mit dem Auftraggeber bes­ tens geeignet. Dazu ein Beispiel: Sehen Sie sich die beiden Abbildungen auf der Folgeseite an und beschreiben Sie für sich selbst, was Sie sehen. Schauen Sie sich nun die Abbildung 2.4b an und halten Sie sich dabei das Lernziel »Der Helfer trägt die volle persönliche Schutzausrüstung« vor Augen. ˘ Ist es Ihnen leichter gefallen, eine gezielte Beobachtung zu machen? ˘ Ist das beobachtete Kriterium wichtig für die Aufgaben, die der Helfer erfüllt? ˘ Brauchten Sie zum Beobachten eine spezielle Ausbildung? Im Verlauf der Übung muss der Anbieter der RUND dafür Sorge tragen, dass die vorher festgelegten Lern- und Übungsziele erreichbar bleiben und im Anschluss an die Übung geeignete Formen der Ergebnissicherung gewählt werden, um die oben beschriebene Reflexion zu ermöglichen. Die Beobachtung ist hier ohne große Vorkenntnisse und Vorerfahrungen möglich, weil der zu beobachtende Parameter entsprechend einfach zu beurteilen ist.

2.4.3 Umgang mit Sicherheitsrisiken Bei allem Facettenreichtum stehen sich die realistische Umsetzung der Übungssituation und die gebotene Sicherheit für alle Beteiligten immer gegenüber. So kann die RUND heute etwa spektakuläre Effekte mit Pyrotechnik o.Ä. erzeugen. Ein Beispiel dafür ist die Möglichkeit, Kleidung am Patientendarsteller durch geeignete Brandpasten oder gelartige

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2 ˘ Grundlagen

Abb. 2.4a ˘ Korrekte Persönliche Schutzausrüstung (PSA)

Abb. 2.4b ˘ Mangelhafte PSA

Substanzen in Brand zu setzen, ohne dass der Darsteller Schaden davonträgt. Inwieweit dies für eine realistische und lernzielorientierte Übung notwendig ist, muss abgewogen werden. So etwa beim Üben von Patientenrettungen aus verunfallten Kraftfahrzeugen neuerer Bauart: Wird bei den Arbeiten am Fahrzeug ein Airbag ausgelöst, so gefährdet dieser alle Insassen. Die Wucht des durch eine Sprengladung aktivierten Airbags, der in den Fahrzeuginnenraum schlägt, ist weder für betreuende Helfer noch für Verletztendarsteller einschätzbar. Sicher ist jedoch, dass schon von schweren Verletzungen berichtet wurde, die sowohl die Unfallbeteiligten als auch die Rettungskräfte betrafen. Diese Risiken muss der Anbieter der RUND kennen und einschätzen können. Eine Übungssituation für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ist immer mit Gefahren und nicht planbaren Situationen verbunden. Niemand profitiert davon, wenn eine Übung so gefahrenträchtig ist, das ein Eigenunfall bei einem der Teilnehmer oder Darsteller droht oder – schlimmer noch – als bekanntes Risiko billigend in Kauf genommen wird. Vielmehr besteht die eigentliche Kunst darin, die realistische Übungssituation so zu gestalten, dass sie für alle Beteiligten eine sichere und hochwertige Lernsituation darstellt.

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2 ˘ Grundlagen

2.4.4 Grundhaltung der Übenden

Das Setting, also die Grundeinstellungen der Lernsituation für die Übungsteilnehmer, besteht zu einem großen Maß aus einer positiven Grundhaltung der Teilnehmer zur Lernsituation. Sobald ein Übungsteilnehmer mit der Einstellung, »ohnehin nur die Zeit ablaufen zu lassen«, in eine Lernsituation kommt, wird diese ihn nur schwerlich am gewünschten Lernziel teilhaben lassen. Folglich muss die Grundeinstellung der Teilnehmer vor Beginn der Veranstaltung beeinflusst und gesichert werden. Dies kann durch Moderation oder zielgerichtete Information erfolgen, sollte aber in jedem Fall persönlich durch die Übungsleitung oder einen Vertreter/Moderator geschehen. Die Einstellung zur folgenden Lernsituation kann davon beeinflusst werden, wie positiv verstärkende Wortwahl und Gestik, aber auch passende Ansprache gegenüber den Übungsteilnehmern ein kongruent auftretendes Verhalten erzeugen. Zum einen muss das Prinzip des lernzielbasierten bzw. lernzielorientierten Übens klar sein, zum anderen darf der Redeanteil vor der Übung nicht zu umfangreich sein, da die Mehrzahl der Einsatzkräfte ihre Aufmerksamkeit schon auf den Ablauf der Übung gerichtet hat.

Beispiel: Ansprache und Motivation zum lernzielorientierten Üben

(Versammlung aller Übungsteilnehmer, Vorstellung, Begrüßung)… Ich darf Sie alle ganz herzlich begrüßen und freue mich besonders, den heutigen Tag mit Ihnen gemeinsam im Rahmen dieses Übungsvorhabens verbringen zu dürfen. Die Übungsleitung als Veranstalter und wir als Dienstleister haben uns vielfältige Aufgaben überlegt, um Sie als Teilnehmer in den von Ihnen wahrzunehmenden Rollen und Stellungen zu fordern und diesen Tag zu einem gemeinsamen Lernerfolg werden zu lassen. In den kommenden 10 Minuten werde ich Ihnen das Übungsvorhaben und den Tagesablauf in kurzen Zügen erläutern, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt, und Sie sich entsprechend vorbereiten können. Besonders am Herzen liegt uns, dass Sie heute alle die mitgebrachte Motivation behalten und am Nachmittag mit einer Fülle von Eindrücken und ein paar selbst gesteckten, vielleicht alten/vielleicht neuen Zielen nach Hause gehen können. Zu diesem Zweck haben wir uns einige Feedbacksituationen überlegt, die über den Tag auf Sie zukommen und in denen Ihre Erlebnisse bei der Bewältigung der Aufgaben wichtig sind. Um jedoch im Anschluss besprechen zu können, was besonders gut gelaufen ist und wo möglicherweise Verbesserungspotenziale bestehen, muss ich Sie zunächst einmal mit den anstehenden Aufgaben vertraut machen: ˘ Übungstitel ˘ Lage beim Eintreffen ˘ geplante Umsetzung oder erwartete Entscheidungen ˘ Räume und Flächen ˘ Ansprechpartner Funkverkehr und andere Kommunikationsmittel ˘ geplantes Ende und anschließendes Verfahren (z.B. Getränkepause, einpacken, dann Nachbesprechung in der großen Runde) ˘ Sicherheit. 19


2 ˘ Grundlagen

Uns ist wichtig, dass Sie diese Informationen beherzigen und in Ihre Arbeit einfließen lassen. Im Anschluss an die Übung und ggf. zwischendurch werden wir in kurzen Runden die Geschehnisse aufarbeiten und anhand von Fragen erläutern, wie Sie die Aufgaben bewältigt haben. Eine Übungsunterbrechung, die wir ggf. zwischendurch mittels Tonsignalen dieser Gasfanfare (zeigen) deutlich machen, hat für Sie den Vorteil, die bisher gezeigten Leistungen als eine Art Zwischenergebnis zu betrachten und daraus Schlüsse für den Fortgang der Übung zu ziehen. Sie dient ausschließlich als Lernchance, die Sie im Realeinsatz nicht haben, wenn es möglicherweise um Menschenleben geht. Tonsignale: 2 x kurz

Start und Ende der Übung

1 x lang

Unterbrechung

3 x lang

sofortiger Abbruch der gesamten Übung und Sammlung an den markierten und bekannt gegebenen Sammelpunkten

Ich bedanke mich, dass Sie diesem Verfahren so offen begegnen und sich motiviert darauf einlassen, den heutigen Tag als Chance zum Lernen zu nutzen, um sich selbst und Ihr Team weiterzuentwickeln. Ich garantiere Ihnen, dass für jeden von Ihnen­ neue Aspekte dabei sein werden, die Sie auch durch die Wahrnehmung ihrer Kameraden und Kollegen auf eine neue Art und Weise erfahren werden, damit Sie sich selbst und Ihr Team im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses weiterentwickeln können. Damit Sie dieses hohe Ziel im Laufe des Tages erreichen können, haben wir versucht, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen: ˘ Getränke ˘ Snacks ˘ Toiletten ˘ Ansprechpartner ˘ Pausen. Neben Ihnen, die Sie heute im Rahmen Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Ihre Zeit hier einbringen, möchte ich vorab auch schon einmal den Patientendarstellern und Übungsbeobachtern danken, die zur Sicherheit das Übungsgeschehen überwachen und in brenzligen Situationen eingreifen können. Auch sie sind ehrenamtlich hier und motiviert, Ihnen eine möglichst angenehme Lernatmosphäre vor, während und nach der Übung zu bereiten. Für den Notfall sind alle Darsteller mit sog. ASS-Geräten ausgestattet, die diesen (Demonstration des Gerätes) hochfrequenten auf- und abschwellenden Ton aussenden und so auf Gefahren oder Eigennotfälle hinweisen. Zusätzlich sprechen die Darsteller im Ernstfall das Code-Wort »NO PLAY« aus. Bitte nehmen Sie die Anliegen der Darsteller ernst, denn alles, was über das gesunde Maß an Leidensfähigkeit hinausgeht, das ein Patientendarsteller im Normalfall mitbringt, ist eine Gefährdung für dessen Gesundheit. Bitte melden Sie den Gebrauch des ASSGerätes oder den Ausspruch »NO PLAY« an einen der für die Sicherheit der Darsteller bereitstehenden Beobachter, die Sie an der XXX-farbigen Kennzeichnungsweste erkennen. 20


5 ˘ Übungsablauf

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Übungsablauf

In diesem kurzen Kapitel wird ein idealisierter Ablauf einer Übung dargestellt. Dieser mag für eine Übung mit einem einzelnen Darsteller übertrieben erscheinen, gewinnt aber mit zunehmender Übungsgröße an Bedeutung. Anhand des Ablaufs kann die Übungsvorbereitung sehr gut geplant werden. Die Planung entlang des idealisierten Ablaufs stellt zudem sicher, dass das Risiko, etwas zu vergessen, sinkt. Damit steigt auch die Sicherheit in der Übungsvorbereitung. Auch die Aufstellung eines realistischen Zeitplans wird durch die genaue Kenntnis des Übungsablaufs vereinfacht.

5.1 Darstellereinweisung Die Registrierung und Einweisung ist für die Darsteller der Einstieg in eine Übung. Hier erhalten sie die für sie wichtigen Informationen und erste Spielanweisungen für das spätere Übungsgeschehen. Zu Beginn einer Übung ist es notwendig, die Darsteller zu registrieren – dies nicht zuletzt, um im Falle eines Eigenunfalls einen ausreichenden Versicherungsschutz zu gewährleisten. Dies trifft in besonderem Maße auf Großübungen zu, bei denen die Gefahr von Eigen­unfällen schon durch die Teilnehmerzahl ansteigt. Grundsätzlich sollten der vollständige Name und die Adresse zusammen mit dem Geburtsdatum und ggf. der Zugehörigkeit zu einer Hilfsorganisation erfasst werden. Optional kann es sinnvoll erscheinen, auch die Mobilfunknummer zu erfassen, um nicht auffindbare Darsteller zu erreichen. Die Erfassung der E-Mail-Adresse kann beim geplanten Einsatz von onlinebasierten Feedbacksystemen notwendig sein. Auch Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten können hier erfasst werden. Nach der Registrierung werden die Darsteller gesammelt und in den zeitlichen Ablauf und die angenommene Lage eingewiesen. Dies dient den Darstellern als Orientierungshilfe in der eigentlichen Übung. Sie wissen, welches Unfall- oder Notfallgeschehen der Übungssituation zugrunde liegt, und können auf Nachfragen der Übenden hierzu angemessen reagieren. Zudem kann die Einweisung als Steuerungstool eingesetzt werden, mit dem die Übungsleitung benötigte Verhaltensweisen der Darsteller, die zum Erreichen der Übungsziele und zur Umsetzung des geplanten Übungsverlaufs notwendig sind, hinterlegen. Je nach Lage und Größe der Übung kann es sinnvoll sein, die reine mündliche Einweisung durch eine multimediale Präsentation zu ergänzen, um die einzelnen Punkte der Einweisung zu visualisieren. Zudem ist es möglich, einzelne Gruppen zusätzlich auf Besonderheiten hinzuweisen und gesondert zu schulen. Dies könnte zum Beispiel nach Sichtungskategorie getrennt geschehen. Ein gemeinsamer Kenntnisstand ist aber für alle unerlässlich, daher sollte stets eine einheitliche Grundeinweisung erfolgen. Ziel der Darstellereinweisung ist es, diesem Personenkreis einen Überblick über den Übungsablauf und wichtige Informationen zu geben. Der Übungsablauf beinhaltet vor allem eine grobe zeitliche Übersicht inklusive einer Deadline, zu der die Darsteller aus der Übung entlassen werden. Dazu kommen Schmink- und eventuelle Verpflegungs- und Transportzeiten. Ebenfalls muss erwähnt werden, wie die Übung gesteuert wird, also z.B. mit Megafon und Gasfanfare oder Lautsprechersystemen.

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5 ˘ Übungsablauf

Im Anschluss daran sollte die angenommene Lage dargestellt werden. Das beinhaltet den Unfallhergang oder die Erkrankungs- bzw. Vergiftungswege und die daraus folgenden Verletzungsmuster. Damit einhergehend sollte auf die Übenden und die Übungsziele eingegangen werden, sodass die Darsteller wissen, wer übt und wie lange sie spielen müssen. Ist das Übungsziel eine reine Erstsichtung bei einem Massenanfall von Verletzten, ist die Übung nach der Sichtung beendet. Soll aber noch der Aufbau und Betrieb einer strukturierten Patientenablage geübt werden, muss der Darsteller entsprechend länger tätig und auch über den Verlauf seines Verletzungsmusters informiert sein sowie seine Kräfte einteilen. Ebenso sollten der Endpunkt eines eventuellen Transports und der weitere Ablauf am Transportziel bekanntgegeben werden. So soll verhindert werden, dass der Dienstleis­ ter mehrere Krankenhäuser abtelefonieren muss, um seine Darsteller wieder­zufinden. Sind die Darsteller mit der Übungslage vertraut, sollte auf die Übungsziele eingegangen werden. Es ist für die Darsteller wichtig zu wissen, wo der Fokus der Übung liegt und wie hoch der Anforderungsgrad ausgeprägt ist. Daraus lassen sich bei ausgebildeten Darstellern die Verhaltensweisen ableiten, die zur Umsetzung und Erreichung der Übungsziele notwendig sind. Weniger erfahrenen Darstellern sollten diese Verhaltensweisen vorgegeben und Grenzen aufgezeigt werden. Den Abschluss der Darstellereinweisung bilden infrastrukturelle Informationen wie die Erreichbarkeit von Umkleiden, Toiletten, Waschgelegenheiten und der Verpflegungsausgabe. Ebenso werden eventuell genutzte Signale zur Übungssteuerung vorgestellt. Dazu­ kommen – einleitend zum Schminken – die Verteilung der Verletzungsmuster und Informationen zum Schminkablauf. Der Modus der Verletzungsmusterverteilung ist prinzipiell frei wählbar. Es bietet sich jedoch im Sinne der Zufriedenheit und des Könnens der Darsteller an, regelnd einzugreifen. So ist es beispielsweise vorteilhaft, weiblichen Darstellern keine Verletzungsmuster zuzuteilen, bei denen Kleidung von Oberschenkeln und Oberkörper geschnitten werden soll. Zudem haben viele Darsteller Präferenzen in dem, was sie darstellen möchten. Zuletzt muss das Codewort für Eigennotfälle, z.B. »NO PLAY« eingeübt und der Meldeweg in Richtung der Übungsleitung bei Zwischenfällen oder Eigennotfällen thematisiert werden.

5.2 Schminken Sind die Darsteller eingewiesen und mit Verletzungsmustern ausgestattet, werden sie für die Übung geschminkt. Die verschiedenen Möglichkeiten des Aufbaus einer Schminkstraße werden in Kapitel 4 und 7 beschrieben. Mit geübten Schminkern können ca. 30 bis 50 Darsteller pro Stunde geschminkt werden. Wichtig ist das »Auffangen« der Darsteller während der Wartezeiten. Dabei haben sich detaillierte Einzeleinweisungen durch qualifiziertes Rettungsdienstpersonal und Ärzte bewährt. Die Darsteller erhalten so ein genaues Bild ihres Verletzungsmusters, können ihre Fragen stellen und setzen entsprechendes Verhalten adäquater um. Nach dem Schminken und Sammeln der Darsteller werden diese zum Übungsgelände transportiert. Mit ihnen fährt oder geht ein Schminkteam, das die Verletzungen nach dem Auslegen der Darsteller beispielsweise mit Kunstblut komplettiert.

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5 ˘ Übungsablauf

5.3 Auslegen der Darsteller Am Übungsgelände angekommen werden die Darsteller wieder gesammelt und dann ausgelegt. Das Auslegen sollte nach einem im Vorfeld der Übung erarbeiteten Auslegeplan erfolgen. Bei größeren Übungen kann es zeitlich günstiger sein, die Darsteller in Gruppen aufzuteilen. Diese Darstellergruppen werden beispielsweise bei einer Explosion ringförmig um die Explosionsquelle nach Schweregrad von schwerstverletzt nach leichtverletzt bzw. unverletzt/betroffen verteilt (siehe Abb. 5.2). Vor dem eigentlichen Auslegen besteht die Möglichkeit, Decken und andere Mittel zum Wärmeerhalt der Darsteller auszugeben. Die Sicherheit und die körperliche Unversehrtheit der Darsteller haben bei Übungen oberste Priorität, daher ist ein adäquater Wärmeerhalt bei Übungen im Freien obligat. Zusätzlich können Requisiten wie zum Beispiel Nitrolingual-Placebosprays, Fahrradhelme, Asthmaspray-Placebos oder dergleichen an dieser Stelle ausgegeben werden, sofern diese für die Patientenvorgeschichte notwendig sind. Im Sinne einer realistischen Übung ist es wichtig, den Unfallmechanismus so realistisch wie möglich wiederzugeben. Dies muss sich in einem strukturierten Auslegeplan widerspiegeln. Die Auffindeposition gibt den Übungsteilnehmern wichtige Informationen über den Unfallmechanismus und die zu erwartenden Verletzungen. Sie sollte daher detailliert im Auslegeplan beschrieben sein und umgesetzt werden.

Abb. 5.1 ˘ Das Auslegen der geschminkten Darsteller ermöglicht eine letzte Kontrolle hinsichtlich von Gefahrenpunkten und eine Einweisung in rollenspezifische Verhaltensweisen

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5 ˘ Übungsablauf

Schadens­ gebiet

SI

rot

schwere Verletzungen mit akuter vitaler Bedrohung

S II

gelb

schwere Verletzungen ohne akute vitale Bedrohung

S III

grün

leichte oder keine Verletzungen ohne akute vitale Bedrohung

S IV

blau

schwere Verletzungen mit akuter vitaler Bedrohung und geringer Überlebenswahrscheinlichkeit angesichts einer Mangelversorgung aufgrund fehlender Ressourcen in der Frühphase eines MANV. Abwartende und schmerzlindernde Behandlung

EX

schwarz

Tod

Abb. 5.2 ˘ Verletzte Personen verteilen sich entsprechend der Schwere ihrer Verletzungen in der Regel kreisförmig vom Ort der Schadensursache weg

Fahrzeug Nr.

Patient

Position des Patienten

F1

V4

Fahrer

F2

V5

Fahrer

F3

V 48

Fahrer

F4

V 23

Fahrer

F5

V 11

Fahrer

F6

V 1 und V2

Fahrer und Beifahrer eingeklemmt

Fahrzeug überschlagen, liegt auf dem Dach, Scheiben entfernen!

F7

V 17

Fahrer

stark verformte Front, Austritt von Batterie­ säure und Rauch

F8

V 16

Fahrer

kaputter Rückspiegel

F9

leer

Fahrzeug brennt

F 10

leer

Windschutzscheibe entfernen!

F 11

leer

F 12

V3

Rücksitz hinter Fahrer, eingeklemmt

Sonstiges/Zustand

Windschutzscheibe entfernen! Fahrzeug brennt

Rücksitz entsprechend positioniert

Abb. 5.3 ˘ Ein detaillierter Auslegeplan ermöglicht einen sicheren Übungsaufbau durch eine drehbuchgemäße Übungsdurchführung. Hier zum Vergleich links oben der Plan, unten die Umsetzung 72


8 ˘ Schminken von Verletzungen und Erkrankungen

8 Schminken von Verletzungen und Erkrankungen In diesem Kapitel erläutern wir die Abläufe des Schminkens einzelner Wunden und Notfallbilder. Die Schminkanleitungen und Informationen verstehen sich, wie bereits einleitend erwähnt, als mögliche Handlungsanleitung. Ein richtiges oder falsches Vorgehen gibt es nicht, da die Wege, eine Verletzung zu präparieren, unterschiedlich sein können. Es zählt, ein realistisches Ergebnis zu erzielen.

8.1 Grundlagen des Schminkens Neben der mimischen Leistung ist das Make-up des Darstellers ein Hauptbestandteil der RUND. In diesem Kapitel werden die Grundtechniken des Schminkens von Darstellern erläutert und Schminkanleitungen vorgestellt. Wie in Kapitel 7 »Material« bereits beschrieben, werden viele Schminker im Laufe der Zeit eigene Techniken entwickeln, die das Arbeiten vereinfachen oder realistischere Ergebnisse hervorbringen. Die Techniken sind nach Ansicht der Autoren einfach zu erlernen und ermöglichen realistische Ergebnisse. Verbesserungen sind jedoch immer möglich. Neben den eigentlichen Schminkanleitungen werden die grundlegenden Techniken zum Umgang mit den einzelnen Materialien vorgestellt.

8.1.1 Ablauf Vor dem eigentlichen Schminken sollte der Arbeitsplatz des Schminkers eingerichtet werden. Dieser muss nicht unbedingt die vorgestellte Schminkstraße sein, sollte aber alle Materialien, die der Schminker benötigt, in Griffweite bereithalten. Zusätzlich muss es Möglichkeiten geben, den Darsteller passend und bequem zu lagern. Normalerweise reicht dazu eine Bank oder ein Stuhl aus, bei langen Schminkvorgängen kann es allerdings sinnvoll sein, den Darsteller erhöht und liegend zu lagern. Wenn alles aufgebaut und der Darsteller passend positioniert ist, kann der Schminker mit seiner Arbeit beginnen. Zunächst sollten, falls erforderlich, die Anpassungen des Hautkolorits erfolgen. Diese bilden eine Basis für die weitere Schminkarbeit. So orientiert sich der Schminker beim Einfärben von plastischer Masse an dem Hautfarbton im Wundgebiet. Ist dieses beim Einfärben noch nicht geschminkt, so wird das Ergebnis verfälscht. Nach dem Hautkolorit sollten alle weiteren Wunden so geschminkt werden, dass der Darsteller bis zum Schluss die Hände nutzen kann, da zwischen Schminken und Übungsstart oft eine gefühlt lange Zeitspanne liegt. Reine Blutungen, wie etwa Nasenbluten oder Blutungen aus dem Ohr nach Schädelbasis-Fraktur, werden unmittelbar vor Übungsbeginn in der Szene geschminkt. Sie sind in den hier aufgeführten Schminkanleitungen nicht enthalten. Ist der Patient fertig geschminkt und ausgelegt, werden letzte Korrekturen in der Szene selbst vorgenommen. Dazu gehören vor allem das Auftragen von Kunstblut und Glycerin als Schweißersatz. Auch verwischte und auf andere Weise verunstaltete Wunden können nachgeschminkt werden, so sehen diese zu Übungsbeginn immer »frisch« aus.

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8 ˘ Schminken von Verletzungen und Erkrankungen

8.1.2 Hautlinien Hautlinien sind sichtbare rinnenförmige Vertiefungen in der Haut. Die bekanntesten unter ihnen ergeben Fingerabdrücke. Hautlinien verlaufen über den ganzen Körper und spielen beim Schminken von Verletzungen und Erkrankungen eine herausragende Rolle. Oft verlaufen oberflächliche Wunden mit den Hautlinien, klaffende, tiefe Wunden quer zu ihnen. Auch sollte bei flächigem Farbauftrag immer entlang der Hautlinien geschminkt werden, um ein gleichmäßiges Ergebnis zu erreichen.

8.1.3 Wasserbasisschminke Wasserbasisschminke kann mit einer Vielzahl an Werkzeugen aufgebracht werden. Genutzt werden können Pinsel, Schwämme und auch Tücher. In der Praxis haben sich vor allem Schwämme mit verschiedenen Porengrößen bewährt. Zum Lösen der festen Schminke benutzt man Wasser, das mit einer Sprühflasche auf den Schwamm oder die Schminke gesprüht wird. Hier ist darauf zu achten, dass zwar ausreichend Wasser verwendet wird, niemals aber zu viel, da sonst eine erhebliche Menge an Schminke gelöst wird und das Schminkergebnis zu satt gerät. Einige Make-ups werden auch ohne oder nur mit einigen Tropfen Wasser geschminkt, wie zum Beispiel Hämatome. Oft ist keine intensive Färbung der Haut gewünscht, daher sollte zunächst mit wenig Schminke gearbeitet und bei Bedarf nachgeschminkt werden. So werden optimale Ergebnisse erzielt. Beim Schminken großer Flächen sollte an den Hautlinien entlang geschminkt werden. Schminkt man senkrecht zu den Hautlinien, gelangt Schminke nicht in deren Vertiefungen, das Ergebnis ist eher fleckig und nicht gleichmäßig.

8.1.4 Fettbasierte Schminke Fettbasierte Schminke kann ohne Lösungsmittel aufgetragen werden. Meist verwendet man Spatel, Schwämme oder Zahnbürsten, je nach gewünschtem Effekt. Mit einem Spatel erreicht man eine hohe Dichte der Schminke an einzelnen Punkten, sodass man diese zum Füllen von Wunden benutzen kann. Schwämme und Zahnbürsten ergeben Schürf­ effekte, aber auch gleichmäßige Flächen. Wichtig für gute Ergebnisse ist die Temperatur der Schminke. Sie sollte ungefähr Zimmertemperatur haben. Ist sie zu warm, verläuft sie sehr stark, ist sie zu kalt, kann man sie nur sehr schlecht verarbeiten.

8.1.5 Plastische Masse Die Verarbeitung von plastischer Masse erfordert Übung. Generell wird ein für die Wunde ausreichend großes Stück mit wenig Kunstblut und Sojasauce beträufelt und dann geknetet. Dadurch wird der zum Darsteller passende Hautton hergestellt. Oft werden bessere Ergebnisse erzielt, wenn das Färben und Kneten mehrmals mit sehr wenig Blut und Sojasauce durchgeführt wird. Das schnelle Einfärben wirkt meist streifig wie Zahnpasta, daher sollte ausreichend Zeit zum Einfärben der plastischen Masse eingeplant werden.

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8 ˘ Schminken von Verletzungen und Erkrankungen

Zum Modellieren der hier vorgestellten Wunden ist jeweils nur sehr wenig plastische Masse vonnöten. Je dünner die aufgetragene Schicht ist, desto realistischer wirkt das Ergebnis. Die Masse wird zunächst mit etwas Vaseline und den Fingern auf dem Wund­areal verstrichen. Ist eine dünne, haftende Schicht entstanden, wird der Übergang zwischen Haut und Masse mit einem Spatel ausgestrichen, sodass dieser nicht mehr sichtbar ist. Danach kann die eigentliche Wunde in die Masse einmodelliert werden.

8.2 Hautkolorit Die Färbung der Haut ist ein sehr auffälliges Merkmal der verschiedenen Erkrankungen und Verletzungen. Sie stellt, aufgrund der guten Sicht- und Beurteilbarkeit, oft einen Hauptteil des ersten Eindrucks dar, mit dem die ersteintreffenden Einsatzkräfte den Patientendarsteller in seiner Rolle beurteilen. Die Anpassungen der Hautfärbung sind also ein wichtiger Teil der Schminkarbeit. Grundsätzlich kann der Schminker das Hautkolorit der Physiologie des darzustellenden Patienten anpassen, beispielsweise mit dem Schminken einer Hautrötung. Aber auch pathologische Hautfärbungen sind durch den Schminker umzusetzen, wie z.B. eine blasse Hautfärbung bei einem Schock. Die verschiedenen Techniken zum Schminken der Hautfärbungen werden in den einzelnen Anleitungen erläutert. Ebenso werden die Besonderheiten und Ausprägungen der Färbungen kurz geschildert. Für das Schminken der verschiedenen Hautkolorite werden Wasserbasisschminken verwendet. Mit ihnen ist ein großflächiges und unscharf begrenztes Schminken möglich, das beim Schminken von Hautfärbungen erforderlich ist. Da diese Schminke bei Kontakt mit Wasser verläuft oder sich auflöst, müssen die geschminkten Areale vor Übungen, die ein Risiko von Wasserkontakt beinhalten, mit Haarspray fixiert werden.

8.2.1 Physiologische Hautfärbungen Es gibt viele physiologische Gründe, die dafür sorgen, dass sich die Hautfarbe ändert. Im Verlauf der Jahreszeiten wird über eine gesteigerte Melanozytenzahl und andere Faktoren eine braune Hautfarbe im Sommer, über deren Reduktion die blassere Haut im Winter erreicht. Aufregung und Stress erzeugen eine Rötung durch verstärkte Durchblutung der Haut. Verschiedene andere Umwelteinflüsse wie z.B. Hitze erzeugen ebenfalls typische Hautfärbungen, zumeist Hautrötung oder Blässe. In manchen Übungen werden Umwelteinflüsse und Wetterlagen als Übungskünstlichkeiten nur durch vorhergehende Kommunikation simuliert. Um einen realistischen Eindruck zu erzeugen, sollten daher die physiologischen Vorgänge und die angenommenen Umweltbedingungen sich nicht nur in der Darstellungsleistung auswirken, sondern auch im Schminkvorgang mit umgesetzt werden.

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8 ˘ Schminken von Verletzungen und Erkrankungen

˘ Hautrötung Physiologisch stellen sich Hautrötungen oftmals sehr dezent dar und sind auch so zu schminken, um den Übenden nicht auf falsche Fährten zu lenken. Sie sollen beispielsweise nicht mit Verbrennungen verwechselt werden. In der hier abgebildeten Schminkanleitung wurden typische Rötungen rund um die Augen geschminkt, wie sie bei einem Kontakt mit Pfefferspray oder CS-Gas entstehen. Material ˘ hellrote Wasserbasisschminke ˘ Schwämmchen (feinporig) ˘ Sprühflasche mit Wasser Schminken ˘ Mit der Sprühflasche ein wenig Wasser auf die Schminke aufbringen. Farbe mit dem Schwämmchen aufnehmen (siehe Abb. 8.3). ˘ Farbe mit leichten Wischbewegungen auf die zu färbende Stelle aufbringen, dabei auf eine ausreichende, nicht zu intensive Färbung achten (siehe Abb. 8.4, 8.5). ˘ Die eventuell vorhandenen Ränder mit einer ungefärbten Stelle des Schwämmchens verwischen (siehe Abb. 8.6). ˘ Den Patienten das Schminkergebnis im Spiegel begutachten lassen (siehe Abb. 8.7).

Abb. 8.1 ˘ Hautrötung nach Pfefferspray-/CS-Gas-Reizung

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8 ˘ Schminken von Verletzungen und Erkrankungen

Abb. 8.2 ˘ Material »Hautrötung«

Abb. 8.3 ˘ Schminken – Hautrötung, Ausgangssituation

Abb. 8.4 ˘ Schminken – Hautrötung, Farbauftrag mit Schwämmchen

Abb. 8.5 ˘ Schminken – Hautrötung, Farbauftrag zweite Seite

Abb. 8.6 ˘ Schminken – Hautrötung verwischen

Abb. 8.7 ˘ Begutachtung im Spiegel

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8 ˘ Schminken von Verletzungen und Erkrankungen

Schminken ˘ Einige Tropfen Sojasauce und Kunstblut in die plastische Masse tropfen und diese­verkneten, bis eine gleichmäßige Farbe entstanden ist. Welche Sorten verwendet werden, hängt vom Hauttyp ab (siehe Abb. 8.47 und 8.48). ˘ Bei Bedarf wiederholen, bis die Hautfarbe des Darstellers erreicht ist (siehe Abb. 8.49). ˘ Mit etwas Vaseline die Masse im gewünschten Areal verstreichen. Die Ränder mit einem Spatel und Vaseline ausstreichen, sodass kein Übergang zur Haut des Darstellers mehr zu sehen ist (siehe Abb. 8.50). ˘ Die Masse mit einem spitzen Spatel einschneiden und mit leichten Pendelbewegungen spreizen (siehe Abb. 8.51). ˘ Die entstandene Wunde mit dunkelroter Fettschminke auffüllen (siehe Abb. 8.53). ˘ Die Ränder leicht mit schwarzer Fettschminke bestreichen, um einen Tiefeneindruck zu erzeugen.

Abb. 8.50 ˘ Schminken – ansatzloses Ausstreichen mit Daumen oder Spatel

Abb. 8.51 ˘ Schminken – Einschneiden/Aufspreizen der plastischen Masse

Abb. 8.52 ˘ Schminken – Füllen des Einschnitts mit hellroter Fettschminke

Abb. 8.53 ˘ Schminken – optische Tiefe durch dunkelrote Fettschminke

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8 ˘ Schminken von Verletzungen und Erkrankungen

Abb. 8.54 ˘ Ergebnis »Platzwunde« ˘ Den Darsteller das Ergebnis (im Spiegel) ansehen lassen (siehe Abb. 8.54). ˘ Nach dem Auslegen Aufbringen von Blut auf die Wundflächen.

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R. Stens M. Daniels

Rainer Stens

Malte Daniels sonderen Stellenwert besitzt die fundierte lernpsychologische Aufbereitung von praktischen Übungen. Daher werden dieses Thema und weitere moderne Ansätze der praktischen Ausbildung der BOS besonders intensiv thematisiert. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Kapitel Übungssicherheit. »Realistische Unfall- und Notfalldarstellung« vermittelt umfassend alle Schritte, die zur Planung, Durchführung und Auswertung verschiedener Übungen notwendig sind. Auf diese Weise ist dieses Buch ein wertvoller Begleiter für Helfer, Ausbilder und Führungskräfte.

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