Programm-Magazin Zarathustra

Page 1

Programm-Magazin Nr. 2 Saison 14/15

Zarathustra MITTWOCH, 12. NOVEMBER 2014 DONNERSTAG, 13. NOVEMBER 2014


Eine angenehme Vorstellung Die Seniorenresidenz Südpark bietet Ihnen komfortables Wohnen mit gepflegter Gastronomie und umfassenden Dienstleistungen. Die 1- bis 3-Zimmer-Wohnungen von Herzog & de Meuron lassen sich individuell einrichten. Bei Bedarf sind Betreuung und Pflege rund um die Uhr möglich. So geniessen Sie sowohl Unabhängigkeit als auch Sicherheit. Und besonders angenehm für Konzertbegeisterte: Mit dem Tram sind Sie in 5 Minuten am Theaterplatz. Besuchen Sie uns und machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Anmeldung: Telefon 061 366 55 55

Meret Oppenheim-Strasse 62, 4053 Basel, Telefon 061 366 55 55 www.residenz-suedpark.ch


1

Sinfoniekonzert ‹Zarathustra›

2 Programm Entdeckerkonzert 3 Programm Sinfoniekonzert 4 Interview mit Patricia Kopatchinskaja 8 Randbemerkungen zu Ligetis Violinkonzert 11 Richard Strauss’ Tondichtung Also sprach Zarathustra 16 Friedrich Nietzsche und die Musik 21 W. A. Mozart: Sinfonie Nr. 32 und Maurerische Trauermusik Intermezzo

24 Vorlaut – Eine Serie von Alain Claude Sulzer 26 Casino-Geschichte(n), Teil 2 28 Benedikt Schobel und Christian Sutter im Gespräch Vorschau

31/32 Education Projekt: Haydns Jahreszeiten Promenade: Metamorphosen Familienkonzert: Grille und Ameise Schwarz auf Weiss: Romanze mit einem Kontrabass 36 Agenda

M

anchmal holt die Vergangenheit die Zu­ kunft ein. So auch im Fall von Friedrich Nietzsche, der zehn Jahre als Professor an der Universität Basel wirkte und kürzlich in die Schlagzeilen der bz Basel kam. Seit zwanzig Jahren steht der wohl populärste Philosoph und moderne Denker auf einer Liste von potentiellen Anwärtern für ein Basler Strassenschild. Doch bis heute hat es sein Name nicht zu einer Bezeichnung für eine Stras­ se, einen Platz oder eine Brücke geschafft. Obwohl Nietzsche selbst von der «Last der Vergangenheit» spricht, möchten wir mit unserem Entdecker­ und Abonnementskonzert an das ‹Phänomen Nietzsche› erinnern und ihm in der zweiten Ausgabe unseres Programm­Magazins einen Themenschwerpunkt widmen. Wir freuen uns ganz besonders auf die Geigerin Patricia Kopatchinskaja. Sie wird nicht nur als Solis­ tin in György Ligetis epochalem Violinkonzert zu erleben sein. Mit Freunden und Musikern unseres Orchesters entwickelt sie unter dem Titel ‹Grille und Ameise› ein exklusives Kinder­ und Familienkonzert. Die Journalistin Jenny Berg hat sich mit ihr unter an­ derem darüber unterhalten. Dem Schriftsteller Alain Claude Sulzer danken wir, dass sich unser Magazin mit einer neuen Serie unter dem Titel ‹Vorlaut› schmücken darf. Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Vergnügen und freue mich auf Ihren Besuch.

Dr. Hans­Georg Hofmann Künstlerische Planung, Dramaturgie und Vermittlung


2

Entdeckerkonzert

Nietzsche und die Musik MITTWOCH, 12. NOVEMBER 2014

ab 16.00 Uhr, Stadtcasino Basel, Hans Huber­Saal Eintritt frei

16.00 Uhr

«Ein symphonischer Geburtstagsgruss» Richard Wagner (1813–1883) Siegfried-Idyll (1870)

17.30 Uhr

Nietzsche und Strauss Richard Strauss (1864–1949) Metamorphosen (1945), Fassung für Streichsextett und Kontrabass

Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel Nikita Cardinaux, Leitung

Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel

Nach Richard Wagners Siegfried-Idyll, das als «Tribschener Idyll» und «Symphonischer Geburtstagsgruss» Cosima Wagner gewidmet ist, folgen ein Referat von Prof. Dr. Rüdiger Safranski zum Thema ‹Nietzsche und Basel›, die Lieder des Komponisten Friedrich Nietzsche Nr. 1 (Aus der Jugendzeit) und Nr. 7 (Junge Fischerin), gesungen von Liridona Avdulahu aus der Klasse für Studienvorbereitung der Musik-Akademie Basel (Klavierbegleitung Karin Scharler) sowie eine Einführung von Prof. Dr. Arne Stollberg zum Thema ‹Nietzsche und Strauss›.

Nach der musikalischen Einführung diskutieren Dennis Russell Davies, Prof. Dr. Arne Stollberg, Patricia Kopatchinskaja und Prof. Dr. Rüdiger Safranski unter der Moderation von Dr. Hans-Georg Hofmann an einem Round Table zum Thema ‹Nietzsche und Strauss›. 18.45 Uhr

Konzerteinführung zum Sinfoniekonzert ‹Zarathustra› durch Dr. Heidy Zimmermann, Paul Sacher Stiftung

Das Entdeckerkonzert findet in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Basel und der Musik-Akademie Basel statt.

Vorverkauf und Preise Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus mit Musik Wyler, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, + 41 ( 0 )61 206 99 96, ticket@biderundtanner.ch

oder auf www.sinfonieorchesterbasel.ch

Preise Sinfoniekonzerte SOB : CHF 90/75/60/45/30 Ermässigungen : Studierende, Schüler und Lehrlinge : 50%, AHV/IV: CHF 5, Mit der Kundenkarte Bider & Tanner : CHF 5


3

Sinfoniekonzert SOB

Zarathustra MITTWOCH, 12. NOVEMBER 2014 DONNERSTAG, 13. NOVEMBER 2014 19.30 Uhr, Musiksaal des Stadtcasinos Basel 18.45 Uhr: Einführung durch Dr. Heidy Zimmermann

Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791) Sinfonie Nr. 32 G-Dur, KV 318 (1779) Allegro spiritoso – Andante – Primo tempo

György Ligeti (1923–2006)

Konzert für Violine und Orchester (1990/92) Vivace luminoso – Aria, Hoquetus, Choral. Andante – Intermezzo. Presto – Passacaglia. Lento intenso – Appassionato. Agitato molto

Pause

Wolfgang Amadé Mozart

Maurerische Trauermusik c-Moll, KV 477 (1785)

Richard Strauss (1864–1949)

Also sprach Zarathustra, op. 30 (1896) Einleitung, oder Sonnenaufgang – Von den Hinterweltlern – Von der grossen Sehnsucht – Von den Freuden- und Leidenschaften – Das Grablied – Von der Wissenschaft – Der Genesende – Das Tanzlied – Das Nachtwandlerlied

Konzertende ca. 21.45 Uhr

Sinfonieorchester Basel Patricia Kopatchinskaja, Violine Dennis Russell Davies, Leitung


4

Interview mit Patricia Kopatchinskaja

«Wir sind alle Akrobaten» Die Violinistin Patricia Kopatchinskaja über den Klang ihrer Heimat Moldawien, den Humor in György Ligetis Violinkonzert und über zeitgenössische Musik im Kinderkonzert von Jenny Berg

E

s ist August. Wir sitzen in Bern, im Garten bei Patricia Kopatchinskaja. Die Sonne scheint sommerlich warm, es gibt Kuchen und Kaffee. Familienfotos werden herumgereicht, Bilder längst vergangener Zeiten. Sie zeigen eine jun­ ge Musikerfamilie: Patricia mit einer Viertelgeige, Vater Viktor Kopatchinsky, der aufpasst, dass seine energische kleine Tochter sein Instrument, das Cym­ bal, nicht zu arg mit den Schlägeln traktiert, und Mut­ ter Emilia Kopatchinskaja, mit Geige und Bratsche auf der Bühne. Dreissig Jahre nachdem diese Fotos aufgenom­ men wurden, steht diese Familie immer noch ge­ meinsam auf der Bühne und musiziert. Nur ist es jetzt nicht mehr der Vater, einst der berühmteste Cymbal­ Virtuose Moldawiens, der die Menschen in den Kon­ zertsaal strömen lässt, sondern seine Tochter, Patricia Kopatchinskaja. Eine Weltklassegeigerin, und doch ganz anders als alle, die man gemeinhin auch so nennt. An diesem Augustnachmittag erzählt sie voller Begeisterung vom Land ihrer Kindheit: «Moldawien ist wunderschön, mit starken, ländlichen Gerüchen, mit einem unendlich offenen Himmel, mit warmer Sonne, mit tiefschwarzer Erde. Wenn es etwas zu fei­ ern gibt, dann biegen sich die Tische unter den Spei­ sen. Die Menschen sind lustig und herzlich, die Tänze schnell und ansteckend.» Und so, wie sie ihre Heimat beschreibt, so spielt sie auch: mit starken Gegensät­ zen, mit totaler Hingabe an den Moment, die keine Gedanken an ein Morgen verschwendet, mit einer sehr direkten Tongebung, die Gerüche, Geschmack, Gefühle evozieren will – und nicht nur angenehme. Schmutzig sei ihr Spiel, kritisieren manche, und sie stimmt zu: Schmutz gehöre schliesslich zum Le­

ben, also auch zur Musik. Vielleicht stammt diese kom­ promisslose Haltung aus Patricia Kopatchinskajas Kindheit, in der sie stets von Volksmusik umgeben war. Denn Volksmusik hat nichts Anheimelndes – sondern wurzelt tief im Menschsein, ist ein Weg, Urängste, Katastrophen, Unfassbares fassbar, ertrag­ bar zu machen, in Poesie zu verwandeln. Moldawien war und ist ein armes Land; Katastrophen, und sei es schlicht Hunger, gibt es jeden Tag. «Meine Mutter meinte einmal», erzählt Patricia Kopatchinskaja und betrachtet nachdenklich eine Fotografie jener Tage, «Gott hat sich die Weltkarte angeschaut und gesagt: Dieses kleine Volk ist so verzweifelt, ich muss ihnen Trost spenden: Ich schicke mal die schöne Volksmu­ sik dorthin.» Ihre Eltern waren in Moldawien professionelle Volksmusiker, reisten mit ihrem Ensemble bis in die letzten Winkel der grossen, weiten Sowjetunion. Fast jeden Tag hörte die kleine Patricia sie üben und spie­ len. Manche dieser Stücke davon spielt sie heute selbst. Aber es gab auch eine Zeit in ihrem Leben, da hat sie sich nur für neue Musik interessiert, auch selbst komponiert. Damals, als die Familie aus Moldawien geflohen ist, Anfang der 1990er­Jahre, nach Ende des Kalten Krieges. Sie sind in Wien gelandet, der Musik­ stadt, mit nichts in den Taschen als ihrem Talent, im Herzen die Musik. Die beiden Töchter kamen in die Schule, ohne die Sprache zu kennen. Manchmal durfte die Familie ein Konzert geben. «Wir waren sehr arm, hatten eine winzige Wohnung, in jeder Ecke hat jemand geübt – das war eine Polyphonie!» Die junge Geigerin schrieb sich an der Musikhoch­ schule ein, für Komposition. «Ich hatte keine Worte


Bild : Marco Borggreve

5

Patricia Kopatchinskaja

für meine Gefühle, aber irgendwie musste das alles raus. Ich habe komponiert wie eine Besessene.» Der Geige blieb sie stets treu, auch wenn sie nie so spielen wollte wie alle anderen. Sie ging ihren eige­ nen Weg, bekam ein Stipendium in Bern, erste Preise honorierten ihr unkonventionelles, stets überra­ schendes, aufrüttelndes Spiel. Dem Musikbusiness hat sie sich trotzdem lange verweigert. CD­Aufnahmen lehnte sie ab, sie wollte nichts fixieren, was morgen schon wieder ganz an­ ders sein konnte. Nur Zeitgenössisches hat sie an­ fangs eingespielt, damit es bekannter wird.

Heute betrachtet sie die CD­Einspielungen als loh­ nende Momentaufnahmen, auch wenn sie einmal in einem Interview sagte: «Es ist wie eine Gesichtsope­ ration. Es sieht aus wie ich, aber das bin nicht ich. Es hat nicht die Macken, die die Natur gemacht hat.» Auch das Violinkonzert von György Ligeti hat sie auf CD aufgenommen; 2012 ist es beim Label naïve erschienen und wurde mehrfach ausgezeichnet. Heute sagt sie darüber: «Nirgends lernt man ein Stück so gut wie bei einer Aufnahme. Weil man wirklich das Beste will.»


6

Sie haben einmal gesagt, das Ligeti-Konzert sei jenes Konzert, das Sie am allerliebsten spielen. Ist dem so? Ja. Vielleicht, weil es mich so viel Kraft gekostet hat, es zu lernen. Es ist eines der schwierigsten Konzerte überhaupt! Wie haben Sie sich dem Werk angenähert? Durch Üben. Und Anschauen. Es ist ein grosses Vergnügen, diese Partitur einfach nur anzuschau­ en. Zu sehen, was das für ein Uhrwerk ist! Ligeti ist für mich ein Techniker, ein Wissenschaftler. Sein Violinkonzert ist wie ein Puzzle aus unglaub­ lich vielen Teilchen. Man muss es zusammenset­ zen, dann beginnt es zu leben, zu strahlen und zu fliegen. György Ligeti ist in Siebenbürgen aufgewachsen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ihrer Heimat Moldawien. Fühlen Sie sich dadurch mit Ligeti besonders verbunden? Ja, Ligeti kommt aus dem gleichen Eckchen Welt, aus dem auch ich herkomme. Er ist sehr fest in der Volksmusik verwurzelt, aber er ist gleichzeitig ein Visionär. Er hat diesen grossen Melodienschatz in den Westen gebracht, aber er hat sich auch von anderen Völkern und Kulturen beeinflussen las­ sen. Seine Musik ist eigentlich universell. Liegt der Solopart des Violinkonzerts gut in der Geigenhand? Es ist wahnsinnig schwierig, aber es ist spielbar. Und: intelligent, intellektuell, geigerisch, klang­ voll! Ligeti verwendet in diesem Konzert alle Epo­ chen und Stile, es gibt viele Freiheiten, aber zu­ gleich auch eine unglaubliche Strenge.

der erste Geiger: Er spielt Skordatur, muss seine Geige umstimmen. Das ist absolut ungewöhnlich für einen Orchestermusiker: Normalerweise spielt er erstens nicht alleine, zweitens nie auf ei­ nem verstimmten Instrument! Er muss sich wirk­ lich mit diesem Werk befassen, er muss es wirk­ lich geübt haben vorher. Das gilt eigentlich für alle Orchestermusiker, denn Ligetis Violinkonzert verlangt nur eine sehr kleine Besetzung. Ja, das gefällt mir sehr: Dass es keinen riesen Or­ chesterapparat braucht. Es sitzen nur ausgewähl­ te Musiker auf der Bühne, alles ist solistisch be­ setzt. Es gibt zum Beispiel nur einen einzigen Kontrabassisten, und wenn der wirklich gut ist, dann klingt er wie ein Drache! Dann frage ich mich: Warum brauchen andere Komponisten sie­ ben Stück davon!? Braucht es auch einen starken Dirigenten? Ja. Es braucht einen sehr Erfahrenen, mit starken Nerven. Er muss den Takt schlagen wie ein Poli­ zist. Aber es darf nicht einfach Verlass sein auf den Dirigenten; jeder Musiker muss hier ganz wach sein. Und wenn wir es geschafft haben, dann ist das ein Erfolg von allen! Wir sind wie eine Mannschaft! Sie haben kürzlich die Seiten gewechselt und auf Einladung von Teodor Currentzis in seinem Orchester Musica Aeterna bei den ersten Violinen mitgespielt. Sehen Sie die Rolle des Orchesters seitdem anders? Ja, das war eine sehr eindrückliche Erfahrung. Wir haben Mahlers 3. Sinfonie gespielt. Ich habe wirk­ lich Respekt vor den Leuten bekommen, die im Orchester sitzen. Das ist nicht einfach!

Welche Rolle hat das Orchester in diesem Stück? Wir sind alle Akrobaten. Der eine hält hier, der an­ dere steht oben drauf, und der Solist ist ganz oben, wie ein Seiltänzer, der Pirouetten dreht. Aber man kann diese Figur nur gemeinsam halten – das ist wie im Zirkus. Und es wird von jedem verlangt, über seine Möglichkeiten hinauszugehen..

Was ist daran schwierig? Man muss sich der Masse hingeben und für ein gemeinsames Ziel kämpfen. Das eigene Ich ver­ schwinden lassen. Für einen Künstler ist das das Schwierigste überhaupt!

Weshalb? Weil Ligeti es so wollte. Er verlangt, dass alle Mu­ siker wirklich selbstständig sind. Zum Beispiel

Vor einigen Jahren haben Sie Ihr eigenes Streichquartett gegründet: quartet-lab. Wie ist das hier mit dem eigenen Ich? Muss man es auch aufgeben?


7

Nein, das Quartettspiel ist etwas ganz anderes. Es ist die schwierigste Schule überhaupt! Aber man muss da durch. Als Solist ist man ja eigentlich im­ mer nur so ein Vogel, der herumfliegt, seine Lie­ der zwitschert. Das Quartettspiel hilft sehr, Wur­ zeln zu bekommen. Auch musikalisch. Für das Streichquartett wurde die beste Musik kompo­ niert! Komponieren Sie auch heute noch selbst? Ja. Zuletzt habe ich für die Camerata Bern ein Stück geschrieben: Hortus animae (Garten der Seele). Das war eine intensive Begegnung mit mir selbst. – Auch die Kadenz zu Ligetis Konzert habe ich selbst komponiert. Wenn Sie diese Kadenz auf der Bühne spielen, wirkt sie wie frei improvisiert! Das ist gut, so muss es sein. Die Kadenz muss ganz frei wirken, Ligeti wollte genau das. Darin singen Sie auch ... Ja, ich habe versucht, die Okarina zu imitieren. Was ist das für ein Instrument? Okarinas sind mehrere Jahrtausende alte Instru­ mente, wie Flöten. Ligeti verlangt von den Holz­ bläsern, dass sie diese runden, plumpen Okarinas spielen. Ligeti schreibt: «Nicht die Intonation kor­ rigieren.» So entsteht die Mikrotonalität – aber es ist für so gute Musiker unheimlich schwer, ein­ fach schief zu spielen! Und es muss auch theatra­ lisch sein: Die Musiker sollen aufstehen, schaut her, hier sind die Okarinas! Das sieht sehr lustig aus! Es steckt unglaublich viel Humor in diesem Stück. Manche zeitgenössische Komponisten schreiben den Interpreten sehr genau vor, was sie wie zu spielen haben. Gibt es da für den Interpreten noch Freiraum zu gestalten? Ich habe noch nie ein Stück gesehen, das mich einengt. Ich kenne nur Stücke, die mich berei­ chern und befreien; ganz egal, welche Musik, wel­ che Epoche.

Gibt Ligetis Konzert mehr Freiheit als zum Beispiel Mozart? Nein, nicht mehr, aber eine andere Freiheit. Bei je­ dem Konzert entsteht eine neue Welt – in der aber auch alle anderen Welten Platz haben. Der Vergleich mit Mozart ist gut, denn sie sind sehr ähnlich. Beide haben Witz und Scharfsinnigkeit; ihre Musik hat etwas Helles und Kindliches. Und auch eine Klar­ heit. Ligeti ist nie wirklich abstrakt. Als meine Tochter klein war, hat sie nicht viele Konzerte aus­ halten können, sie war immer ungeduldig. Aber bei Ligetis Konzert hat sie von Anfang bis Ende zuge­ hört! Gute Musik funktioniert auch bei Kindern. Apropos gute Musik: Auf Ihre Anregung hin hat das Sinfonieorchester Basel einen Kompositionsauftrag für ein Familienkonzert vergeben ... ... ja, an Leo Dick – ein toller Komponist! Ich habe in Bern seine Oper Der Wunsch, Indianer zu werden gesehen – ein ganz verrücktes Theaterspektakel war das. Seine Musik ist bildhaft, tonal, atonal. Es war mein Wunsch, dass er eine Oper für Kinder komponiert, die auch für kleine Kinder verständ­ lich ist. Worum geht es beim Familienkonzert ‹Grille und Ameise›? Wir wollen es so einfach wie möglich machen, und die Musik soll von Kindern in allen Ländern verstanden werden. Die Musik ist die Sprache. Die Violine und die Klarinette unterhalten sich darü­ ber, was diese kleinen Krabbeltiere so alles an­ richten können. Brauchen Kinder einfache Musik? Nein, im Gegenteil: Die Musik von Leo Dick ist sehr anspruchsvoll und schwer zu spielen! All die­ se kleinen schnellen Töne, die Geräusche, das Sprechen und Singen, die verzahnten Stimmen von Violine und Klarinette ... Aber wir amüsieren uns sehr dabei, wir machen es zu unserem Ver­ gnügen. Diese Musik ist unheimlich witzig! Ist es wichtig, schon die Kleinsten an zeitgenössische Musik heranzuführen? Ja, ich glaube, es fehlt an guter moderner Musik für Kinder. Man muss den Kindern nicht immer die Kleine Nachtmusik vorspielen. ●


8

Randbemerkungen zu Ligetis Violinkonzert

«Für die Violine zu schreiben war für mich wie Japanisch sprechen» von Heidy Zimmermann, Paul Sacher Stiftung

J

enseits von Avantgarde und Postmoderne hat György Ligeti zwischen 1966 und 2003 insge­ samt fünf Solokonzerte geschaffen: für Violon­ cello, Flöte und Oboe, Klavier, Violine und schliesslich für Horn. Sein Violinkonzert ist einer­ seits ein höchst virtuoses Werk innerhalb einer gros­ sen Gattung, andererseits zeugt es vom souveränen Umgang des Komponisten mit verschiedensten mu­ sikalischen Traditionen und trägt Erinnerungsspu­ ren von lyrischer Eindringlichkeit. Die Anregung zu diesem Stück kam bald nach der erfolgreichen Zu­ sammenarbeit beim Horntrio (1981) vom Geiger Saschko Gawriloff, dem das Werk auch gewidmet ist. Ligeti ging die Komposition als ‹Work in progress› an und präsentierte im Jahr 1990 zunächst eine dreisätzi­ ge Fassung, ehe zwei Jahre später die nun endgültige fünfsätzige Fassung zur Aufführung kam. Die Statio­ nen dieses langen und verzweigten Kompositions­ prozesses sind in der Sammlung György Ligeti der Paul Sacher Stiftung mit umfangreichen Skizzen, Entwürfen und überarbeiteten Fassungen dokumen­ tiert (siehe Abb. S. 9 und S. 10). Den Ausgangspunkt für die Komposition bildete wie oft bei Ligeti eine technische Fragestellung in Verbindung mit einer spezifischen Klangvorstellung. Doch anders als zuvor beim Klavierkonzert und den Klavieretüden, die er im physischen Kontakt mit dem Instrument entwickelt hatte, fehlte ihm bei der Geige die «taktile Empfindung der Saiten» – eine Si­ tuation, die er im Vergleich mit dem «Japanisch Spre­ chen» artikulierte. Er habe für das Violinkonzert gezielt nach einer Alternative zum temperierten Sys­ tem gesucht, berichtete der Komponist später, sein Ziel sei gewesen, durch «unpräzise Intonation» einen «schmutzigen» Klang zu erzeugen. Dieser besondere

KONZERT FÜR VIOLINE UND ORCHESTER Besetzung: 2 Flöten, 4 Okarinas, 2 Klarinetten, Fagott, 2 Hörner, Trompete, Tenorposaune, Glockenspiel, Xylophon, Vibraphon, Marimbaphon, Gong, Crotales, 2 hängende Becken, Tamtam, Tambourin, kleine Trommel, grosse Trommel, Peitsche, 2 Woodblocks, Röhrenglocke, 2 Lotosflöten, Streicher Entstehung: 1990, revidiert 1992 Uraufführung: 3. November 1990, Köln (Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Violine: Saschko Gawriloff, Dirigent: Gary Bertini) Dauer: 28 Minuten CD-Tipp: Bartók, Eötvös, Ligeti. hr-Sinfonieorchester, Ensemble Modern, Patricia Kopatchinskaja, Péter Eötvös, naïve, 2013 (Doppel-CD) Literatur: György Ligeti. Eine Monographie in Essays. Ulrich Dibelius, 1992, Mainz: Schott Musik International Video-Tipp: http://www.youtube.com/ watch?v=dwUeZ_0KzwA

Klangcharakter kommt zustande durch die Kombi­ nation von verschiedenen harmonischen Spektren, die Mischung von «total verstimmten» und «richtig gestimmten» Instrumenten. So spielen im vergleichs­ weise klein besetzten Orchester eine Solovioline und eine Soloviola, deren Saiten nach natürlichen Ober­ tönen umgestimmt sind; hinzu kommen zwei Lotos­ flöten und vier Okarinas, welche die temperierte


Bild : Sammlung György Ligeti, Paul Sacher Stiftung, Basel

György Ligeti, Skizze zum Konzert für Violine und Orchester (1990/92). Gesamtdisposition für die fünf Sätze der zweiten Fassung


Bild : Sammlung György Ligeti, Paul Sacher Stiftung, Basel

10

György Ligeti, Konzert für Violine und Orchester. Reinschrift des dritten Satzes in der ersten Fassung von 1990, S. 1

Stimmung ins Wanken bringen. Durch dieses vielfäl­ tige Instrumentarium und die daraus entstehenden Intonationsabweichungen konstituiert sich ein schillernder Klang, der die Ideen von Ligetis Mikro­ polyphonie der 1960er­Jahre weiterentwickelt. Im Gewebe dieser fluktuierenden Klänge spielt die Solovioline mit normaler temperierter Stim­ mung. Ihre ausladenden Melismen, besonders die an osteuropäische Volkslieder angelehnten Monodien im zweiten und dritten Satz, sind von betörender Schlichtheit und Ausdruckskraft. Gleichwohl sind auch sie bei Ligeti stets kunstvoll eingeflochten: Po­ lyphon kombiniert mit dem Hoquetus David von Guillaume de Machaut wird die Geigenmelodie in

Aria, Hoquetus, Choral; im Presto fluido, das in der end­ gültigen fünfsätzigen Fassung zum zentralen Intermezzo geworden ist, entfaltet sich ihre Kantilene zwischen chromatischen Streicherkaskaden, die sich wie eine Sintflut ergiessen und «plötzlich aufhören wie abgerissen» (siehe Abb. oben). Dass der Solist oder die Solistin im fünften und letzten Satz eine veritable Kadenz zu spielen hat, ist durchaus ungewöhnlich für ein zeitgenössisches Solokonzert. Sie kann frei erfunden werden und soll nach Ligetis Wunsch mit «aberwitziger Virtuosität» und «in grösster Ge­ schwindigkeit» ausgeführt werden, um dann ganz unerwartet zu enden. ●


11

Richard Strauss’ Tondichtung Also sprach Zarathustra

Mit Musik gegen das «Ewig Gestrige» Wie sich Richard Strauss am Werk des «armen Nachtvogels» Nietzsche orientiert, seinen Untertitel opfert und Musik schafft, die polarisiert von Stephan Kohler

A

ls Cosima Wagner 1901 von ihrem abtrünni­ gen Adepten Richard Strauss zur Urauffüh­ rung des Singgedichts Feuersnot nach Dres­ den eingeladen wird, stellt ihr der Komponist «ein ganz boshaftes Vergnügen» in Aussicht, um sich so­ gleich zu korrigieren: «Ach Pardon, ich vergass: La­ chende Bosheit ist nur bei uns schlimmen Nietzsche­ Brüdern eine Tugend!» Cosimas Antwort, bedeutend in ihrer aphoristischen Prägnanz, beendet zugleich eine knapp zehn Jahre währende Debatte über Wag­ ners einstigen Apologeten, in deren Verlauf der junge Dichterkomponist des Guntram und seine «geistige Erzieherin» in Wahnfried sich zunehmend entfrem­ det hatten: «Gott: Nietzsche! Wenn Sie ihn gekannt hätten! Er hat nie gelacht und war immer durch un­ sern Humor wie überrascht; dazu Kurzsichtigkeit bis zur Augenblödigkeit: Armer Nachtvogel, der an allen Ecken und Enden anstiess. Den als Prediger des La­ chens anzutreffen, berührt seltsam.» Wie war Strauss unter die «schlimmen Nietz­ sche­Brüder» geraten? Im Frühjahr 1892 hatte er sich eine lebensgefährliche Lungenerkrankung zugezo­ gen, die er im Winterhalbjahr 1892/93 auf einer Mit­ telmeer­Reise auszuheilen hoffte. Mit im Reisege­ päck, quasi als Rezeptur für nicht nur körperliche, sondern auch geistige Genesung, hatte er die damals aktuellsten Schriften Schopenhauers und Nietzsches.

Doch Schopenhauers Theorie von der «Erlösung des Willens in der Verneinung» erwies sich für Strauss als unzugänglich; in sein Reisetagebuch notierte er: «Ich bejahe bewusst, das ist mein Glück!» Im Früh­ jahr 1893 in Taormina angelangt, schrieb er schliess­ lich an Cosima über Nietzsches 1886 erschienene Schrift Jenseits von Gut und Böse, die im Untertitel als Vorspiel einer Philosophie der Zukunft bezeichnet ist: «Die Zweifel, die Schopenhauer mir erweckt, hat Nietzsche auch nicht ganz gelöst, wenn ich es auch gleich für möglich halte, dass auf dem Wege, auf dem dieser wahnsinnig geworden, doch vielleicht einmal ‹die Philosophie der Zukunft› heraufdämmern wird. Kennen Sie das Buch? Es ist ein tolles Gemisch von Verrücktheiten, Absurditäten und dann wieder Ge­ danken, die ich für das Bedeutendste mit halte, was ein Menschenkopf ersinnen kann.»

«Fingerzeige zu einem neuen Leben» Spätestens mit diesem Brief vom April 1893 beginnt sich – wie Max Steinitzer, sein erster Biograph, es formulierte – Strauss’ dezidierte Abwendung vom «Bayreuther Erlösungsrummel» abzuzeichnen. Schon im Februar desselben Jahres hatte Strauss an


12

ALSO SPRACH ZARATHUSTRA Literarische Vorlage: Also sprach Zarathustra, Ein Buch für Alle und Keinen, mehrteilige philosophische Dichtung von Friedrich Nietzsche (1844-1900) Besetzung: 3 Flöten, Piccoloflöte, 3 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, Kontrafagott, 6 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, 2 Tuben, Pauken, Schlagzeug inkl. Glocken, Orgel, 2 Harfen, Streicher Entstehung: Im Frühjahr 1894 erste Auseinandersetzung mit einer Tondichtung «frei nach Friedrich Nietzsche»; Kompositionsskizze im Juli 1895; Partiturreinschrift im Juli und August 1896 Uraufführung: 27. November 1896, Frankfurt am Main ( Frankfurter Museums-Orchester, Leitung: Richard Strauss ) Widmung: Keine Widmung, ursprünglicher Untertitel: Symphonischer Optimismus in Fin de siècle-Form, dem 20. Jahrhundert gewidmet

und Willen zur Macht, die man Religionsstifter nennt. Hier redet kein Fanatiker, hier wird nicht ‹ge­ predigt›, hier wird nicht Glauben verlangt.» Strauss («Ich bejahe bewusst !») musste sich von Nietzsches Zarathustra angezogen fühlen, dessen dichterischer Konzeption – laut Ecce Homo – «die höchste Formel der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann, das ‹Ja!› sagende Pathos par excellence» zugrunde liegt. Also sprach Zarathustra, dem in einer frühen Fassung der Untertitel Fingerzeige zu einem neuen Leben beigegeben war, verkörperte für Strauss – wie für die meisten seiner Leser – das «Dithyram­ bische» als Lebensform, den artistisch geträumten, gedichteten Daseinsrausch, in dem man ein Fanal der Befreiung von gründerzeitlichen Zwängen er­ blickte. Sein sensualistischer Subjektivismus liess sich zu einer Metaphysik der Diesseitigkeit überhö­ hen, der im Kampf gegen das «Ewig Gestrige» deutli­ che Überbau­Funktion zukam. Mochte für Nietzsche, den kränklichen Philologen, Also sprach Zarathustra kompensatorische Bedeutung gehabt haben – für Strauss war seine Lektüre zweifellos ein Mittel affir­ mativer Selbstbestätigung.

Dauer: ca. 30 Minuten CD-Tipp: Also sprach Zarathustra, Till Eulenspiegels lustige Streicher, Tod und Verklärung, Salome – Dance of the Seven Veils. Staatskapelle Dresden, Rudolf Kempe, EMI, 2003 Video: www.youtube.com/watch?v=Y9QxaJLt7EA

seinen Jugendfreund Ludwig Thuille geschrieben, die Zeit der «Moralpredigten» sei nun endgültig vor­ bei. Spielte er damit auf Nietzsches Selbstinterpreta­ tion in seiner späten, 1888 entstandenen Schrift Ecce Homo, Wie man wird, was man ist an, wo die Verweige­ rung jedwelchen Verkündens von «Moral» als beson­ dere Errungenschaft gerade von Also sprach Zarathustra gepriesen wird? Nietzsche sagt dort über sein berühmtes, «für Alle und Keinen» geschriebene Buch, das von 1883 bis 1885 zum Teil nur als Privat­ druck erscheinen durfte: «Hier redet kein ‹Prophet›, keiner jener schauerlichen Zwitter von Krankheit

«Symphonischer Optimismus in Fin de siècle-Form» So sehr sich Strauss für Nietzsches Herrenmoral be­ geistern konnte und den Autor des Zarathustra als Bannerträger institutionalisierter «Freigeistigkeit» feierte – das Programmatische, Bekenntnishafte sei­ ner Tondichtung «frei nach Friedrich Nietzsche» woll­ te er dennoch nicht überbewertet wissen. Die in der Tat sehr «freie» Handhabung der Vorlage durch den Komponisten macht es einem ohnehin nicht leicht, programmatische Entsprechungen zwischen Text und Musik eindeutig zu fixieren. Lediglich einige we­ nige Kapitelüberschriften Nietzsches fanden Eingang in die Partitur, wo ihre Reihenfolge von der der Buch­ ausgabe im Übrigen erheblich abweicht: Von den Hinterweltlern, Von der grossen Sehnsucht, Von den Freudenund Leidenschaften, Das Grablied, Von der Wissenschaft, Der Genesende, Das Tanzlied und schliesslich Das Nachtwandlerlied, dessen Titel Nietzsche in einer späteren Auflage in Das trunkene Lied abänderte. Strauss stellte


Bild : Wikimedia Commons

Der junge Richard Strauss


14

seiner Partitur das erste Kapitel von Zarathustras Vorrede gleichsam als Einführungstext voran und opferte dafür den ursprünglich vorgesehenen, ironisch ge­ färbten Untertitel Symphonischer Optimismus in Fin de siècle-Form, dem 20. Jahrhundert gewidmet. Dieser ‹Slogan› wurde vermutlich schon 1894 in Weimar zu Papier gebracht; soweit reichen jedenfalls die ersten Skizzen zu dem Werk zurück. Im Juli 1895 setzte Strauss die Arbeit während eines Sommerauf­ enthalts in Cortina d’Ampezzo fort, um noch im glei­ chen Jahr mit der Niederschrift des Particells, der letzten von ihm sogenannten «Bleistiftskizzen», zu beginnen. Er beendete sie am 17. Juli 1896 in der Som­ merresidenz seiner Schwiegereltern in Marquart­ stein im Chiemgau, hatte zu diesem Zeitpunkt aber auch schon längst – nämlich seit dem 4. Februar 1896 – mit der Partitur­Reinschrift begonnen, sodass Also sprach Zarathustra bereits am 24. August in München fertig vorlag. Der von Strauss gewählte Orchesterap­ parat entspricht im Wesentlichen demjenigen des Vorgänger­Werks Till Eulenspiegels lustige Streiche, op. 28 ; geringfügige Einsparungen bei Trompeten und Hörnern werden durch Hinzufügung einer Bass­ tuba wieder ausgeglichen. Zwei Harfen und die bei Strauss erstmals verwendete Orgel komplettieren das üppig besetzte Orchester. Hatte Strauss in seinen bisherigen Werken, z. B. in Don Juan, den Formverlauf zumeist noch an Rudi­ menten eines in Auflösung begriffenen Sonaten­ hauptsatzes orientiert, so wählte er für Zarathustra die Form einer gross angelegten sinfonischen Fanta­ sie: Nietzsches sprunghafter Zitier­ und Formulie­ rungskunst konnte und wollte er nicht mit altherge­ brachter sinfonischer Vernetzungstechnik begegnen, um auf solch traditionelle Weise übergreifende tek­ tonische Zusammenhänge zu stiften. Wenn Nietz­ sche modernste, quasi ‹filmische› Techniken wie Montage, Überblendung oder Schnitt vorwegnahm, so folgen auch bei Strauss auf die Themen­Exposi­ tion eher lose verbundene, durchführungsartige Epi­ soden, die sich auf einzelne ‹Bilder› oder fragmenta­ rische Einsprengsel konzentrieren und in denen jeweils unterschiedliche Variationsprinzipien gelten. Alle zielen sie jedoch auf Intensivierung, Steigerung und keineswegs auf blosse Rekapitulation der an­ fangs eingeführten Themen ab. Erkennbare Satz­

elemente wie Fugato, Scherzo, Adagio, Finale und Coda sind nie Folge abstrakt­formaler Planung, son­ dern bleiben stets rückbeziehbar auf ihre inhaltliche bzw. literarische Funktion; Strauss erweist sich hier als unbeirrbarer Anhänger der ‹neudeutschen› Musik­ ästhetik Friedrich von Hauseggers und dessen Haupt­ werks Die Musik als Ausdruck.

Wechselspiel entferntester Tonarten Eine besondere Rolle spielt im Zarathustra die Kon­ trastivität der Tonarten, deren Symbolwert Strauss in einer Tagebuch­Eintragung rückblickend kommen­ tierte: «Zarathustra ist musikalisch genommen als Wechselspiel zwischen den zwei entferntesten Ton­ arten (die Secunde!) angelegt.» In der Tat bilden die beiden Haupttonarten H­Dur und C­Dur das harmoni­ sche Grundgerüst der Komposition: Mensch (H­Dur) und Natur (C­Dur) werden miteinander konfrontiert, ohne dass Aussicht auf Aufhebung ihrer Gegen­ sätzlichkeit bestünde; im Gegenteil: ihre Gegen­ sätzlichkeit wird festgeschrieben und musikalisch gleichsam ‹zementiert›. In einem seiner Zarathustra­ Skizzenbücher hat Strauss die Mensch­Natur­Pola­ rität zusätzlich durch ein Zitat aus Goethes Faust glossiert: «Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!» So wird der «Übermensch» Faust – als solcher bereits von Goethe tituliert! – von der Natur­ gottheit des unerbittlichen «Erdgeists» in die engen Schranken seiner menschlich­bedingten Existenz gewiesen. Ein anderes Skizzenbuch nennt das fanfarenarti­ ge Trompetenthema des Beginns (c­g­c) die Formel für das «Universum» («immer unbeweglich, starr, unverändert bis zum Schluss») und gibt Einblick in die von Strauss virtuos gehandhabte Technik des symbolischen, fast schon sprachähnlichen Spiels mit Tonarten: «Grosses Diminuendo und Erlöschen bis zum Beginn der Fuge; grosser Aufbau, bis alle Le­ bensthemen zusammenkommen! Ihre Combination endet mit Verzweiflung (Dmoll), aus der die Sehn­ sucht (Hmoll) endlich sanft ihre Flügel über den vom Kampfe mit den Gespenstern des ‹Lebens› Ermatte­ ten ausbreitet (Hdur) und ihn zur ‹Freiheit› führt


15

(Cdur 3/4). Lebenstrieb, niedrige Leidenschaften, Schütteln vor Lachen (gestopfte Trompeten, hi ­ hi ­ hi ­ hi). Leidenschaftsthema in Asdur (Blech, dunkel­ blau). Englisch­Horn­Solo tanzend. Die erfüllte Sehnsucht als Schlusshymnus (Hdur, dann Cdur). Chromatisches Ausklingen!»

«Dem 20. Jahrhundert gewidmet» Kaum eine sinfonische Dichtung von Richard Strauss musste sich schon vor ihrer Uraufführung so viele Anfeindungen und Gehässigkeiten gefallen las­ sen wie Also sprach Zarathustra. Cosima Wagner, im­ merhin, rang sich zu einer versöhnlich­toleranten Haltung durch: «Ich hatte den Titel Ihrer symphoni­ schen Dichtung So sprach Zarathustra für einen Zei­ tungsscherz gehalten. Aber ich kenne Nietzsches Buch nicht und nehme jetzt an, dass in seinem Inhalt etwas sein muss, was Sie musikalisch angeregt hat!» Noch im November 1899, fast auf den Tag genau drei Jahre nach der Frankfurter Uraufführung, wägt man in Wahnfried das Für und Wider ab: «Zarathustra ist gar nicht berüchtigt, vielmehr höre ich ihn von allen Seiten rühmen. Ich protestiere nur gegen den armen Nietzsche als Programmdichter, weil er ja schon seit

über 20 Jahren traurig erkrankt ist.» Dieselbe (Geis­ tes­) Krankheit unterstellte mancher Kritiker auch Richard Strauss, so in verschlüsselter Form sein Wie­ ner Gegenspieler Eduard Hanslick: «Oh, Zarathustra! Klatsch’ doch nicht so fürchterlich mit deiner Peit­ sche! Du weisst ja: Lärm mordet die Gedanken!» Auf andere wieder, so auf den jungen Béla Bartók, wirkte Also sprach Zarathustra wie ein «Blitzschlag», der urplötzlich eigene, bisher nicht gekannte musi­ kalische Energien freisetzte. Claude Debussy schliesslich glaubte während eines Pariser Konzerts, bei dem Strauss seinen Zarathustra dirigierte, eine seltsame Übereinstimmung zwischen Dirigent, Komponist und Werk zu entdecken, die auch schon Romain Rolland, dem hellsichtigen Kritiker und künstlerischen Weggefährten von Strauss, aufgefal­ len war: «Seine Stirn ist die eines Musikers, aber die Augen und das Mienenspiel sind die eines ‹Über­ menschen›, von dem der sprach, der auch sein Lehr­ meister in der Energie war: Nietzsche. Von ihm hat er die erfreuliche Verachtung des Albern­Sentimenta­ len übernommen; von ihm hat er gelernt, dass Musik nicht nur unsere Nächte erhellen soll, sondern dass sie wie die Sonne selbst sei. Ich kann Ihnen versi­ chern, dass in Richard Strauss’ Musik Sonne ist! Es ist unmöglich, der gewinnenden Macht dieses Man­ nes zu widerstehen.» ●

Impressum Sinfonieorchester Basel, Steinenberg 14, 4051 Basel, +41 ( 0 )61 205 00 95, info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch, www.facebook.com/sinfonieorchesterbasel, twitter.com/symphonybasel Geschäftsleitung : Franziskus Theurillat Künstlerische Planung, Dramaturgie und Vermittlung : Dr. Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin : Simon Niederhauser, Simone Staehelin Gestaltung : Neeser & Müller, Basel Druck : Schwabe AG, Basel/Muttenz Auflage : 5000 Exemplare


16

Friedrich Nietzsche und die Musik

Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum Von dem besonderen Gewicht der Freundschaft Friedrich Nietzsches mit Richard Wagner und wie diese zur Feindschaft wurde von Christoph Landerer

I

n der Distanz von mehr als hundert Jahren sind Friedrich Nietzsches Auffassungen über Musik in stärkerem Mass verblasst als andere Teile seines Werks. Nietzsche selbst scheint diese Ent­ wicklung vorausgeahnt zu haben. «Wir stehen der Musik zu nahe, wir deuten nur hin, spätere Zeiten werden unsere Schriften über Musik gar nicht verste­ hen», notiert der mit Wagner Hadernde im Sommer 1878. Vieles ist heutigen Lesern tatsächlich unver­ ständlich geworden. Im zweiten Jahrhundert nach Nietzsches Tod, in der Zeit der Musikindustrie und einer bis zur Perfektion gesteigerten technischen Re­ produzierbarkeit, ist Musik zu einer ständig verfüg­ baren Ware des täglichen Bedarfs geworden. Musik rieselt aus den Lautsprechern der Supermärkte, sie ist zur selbstverständlichen akustischen Hinter­ grundstrahlung unserer Welt geworden. Man konsu­ miert sie, unterhält sich verständig über aktuelle in­ terpretatorische Raffinements, schätzt sie vielleicht wie einen guten Wein. Das Problem Musik aber, das Nietzsche bis in die Zeit seiner geistigen Umnach­ tung hinein ruhelos gehalten hatte, wird heute nicht mehr empfunden.

Vom Handwerk zur Kunst Für Nietzsche dagegen, den «nicht zustande gekom­ menen Komponisten» (Gustav Mahler), war Musik ein wesentliches, vielleicht das wesentliche Thema seines Lebens, ein Leben ohne sie «ein Irrtum, eine Strapatze, ein Exil». Curt Paul Janz sieht in ihr «die

Gegebenheit in Nietzsches geistiger Existenz, die sein ganzes Leben umgreift». Das Problem Musik, die leidenschaftlich empfundene Frage nach dem richti­ gen Verhältnis zu ihr, war ihm so eine Frage von exis­ tenzieller Bedeutung. Als Musik empfand Nietzsche seinen Zarathustra, und «als Musiker», nicht als Phi­ losoph, spricht er zum Leser seiner Antiwagneriana. An der Schwelle zum Zusammenbruch, und noch weit darüber hinaus, ist es Musik, die ihn bewegt. «Ich kenne nichts mehr, ich höre nichts mehr, ich lese nichts mehr: und trotzalledem giebt es nichts, was mich mehr anginge als das Schicksal der Musik», schreibt Nietzsche in seinem letzten wachen Jahr an Heinrich Köselitz. Auch die Krankenberichte der Jenaer Klinik bemerken, der berühmte Patient habe fast ausschliesslich über Musik gesprochen. Ein derart enges Verhältnis zur Musik muss heute verwundern. Die Kultur des späten 19. Jahrhunderts aber hatte die Musik in besonderer Weise privilegiert, und Nietzsche, hier ganz Kind seiner Zeit, hat diese Entwicklung mitvollzogen. In der zweiten Jahrhun­ derthälfte, als die Kontroverse um Wagner die Musik­ welt in unversöhnliche Lager spaltete, war die europä­ ische Musikkultur bereits seit etwa hundert Jahren in einer entscheidenden Umbruchphase, die von der Kunst der Höfe in die entwickelte bürgerliche Gesell­ schaft führt. Die Kunst löst sich endgültig aus der Tra­ dition der mittelalterlich­antiken ‹artes›, das Selbst­ verständnis des Künstlers bricht mit der noch im 18. Jahrhundert vorherrschenden Handwerksgesin­ nung, und die junge bürgerliche Gesellschaft fördert eine Kultur des Individualismus, des ‹Geniehaften›.


Bild : Wikimedia Commons

Friedrich Nietzsche (Fotografie von Gustav Schultze, 1882)


18

Bild : Wikimedia Commons

Die Kunst steigt in ungeahnte Sphären, die davor dem Bereich des Sakralen vorbehalten waren. Es ist die Zeit der ‹Kunstreligion›, der musikalischen ‹An­ dacht› und einer dem Hochamt nachempfundenen Konzertkultur. Auch die moderne Musikkritik wird aus der Taufe gehoben. Musik wird kritisch hinter­ fragt, nach eigenen ästhetischen Kategorien beurteilt, die reine Instrumentalmusik beginnt sich ästhetisch zu emanzipieren. Hatte Wagner den Ausdruck ‹abso­ lute Musik› noch pejorativ gebraucht, so finden wir ihn bei seinen Zeitgenossen schon ins Positive ge­ wendet. Eine zutiefst romantische Musikauffassung, der die von den Beschränkungen der Sprache befrei­ te reine Instrumentalmusik als Medium der Offen­ barung universeller Weltgesetze gilt, hat eine tiefe und weitreichende Wirkung auch auf kritischere Geister. Die Musik ist auf dem Höhepunkt ihrer histo­ rischen Wertschätzung angelangt.

Nietzsche und Wagner In diesen historisch­kulturellen Kontext ist auch Nietzsches Denken über Musik gestellt. Von der Schulzeit bis in die letzten wachen Tage spannt sich ein breiter Bogen musiktheoretischer Erörterungen, die allerdings – wie für Nietzsche typisch – nicht wirklich systematisiert sind. Das genialische Erst­ lingswerk des gerade 27­jährigen Basler Professors, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, führt die Musik nicht nur im Titel, sondern besiegelt durch seine Parteinahme für Wagner und die histo­ risch­philologischen Freiheiten, die sich sein Autor dafür zu nehmen bereit war, auch dessen wissen­ schaftliche Karriere – als Philologe ist Nietzsche fortan ruiniert. Das Problem Musik aber lässt ihn nicht mehr los. Wie ein roter Faden durchzieht es seine philosophisch­literarische Produktion bis in die späte Zeit. Nietzsche contra Wagner ist (neben den Dionysos-Dithyramben) die letzte Schrift, an der er in den Tagen vor dem Zusammenbruch im Januar 1889 noch arbeitet. Wagner, der «alte Zauberer» und grosse Verführer, war Nietzsche buchstäblich zum Schicksal geworden. Sich kritisch gegen die Macht seiner Musik zu stem­ men, gelingt schon dem Studenten, der anfangs

Friedrich Nietzsche als Professor der klassischen Philologie an der Universität Basel (1872)

noch stark unter dem Einfluss der konservativen Musikkritik steht, nur mehr mit Mühen. Im Herbst 1868 schliesslich war der Damm gebrochen. Ein Kon­ zertbesuch am 27. Oktober – Tristan­Vorspiel und Meistersinger­Ouvertüre stehen auf dem Programm – zieht Nietzsche gänzlich ins wagnerianische Lager. «Ich bringe es nicht übers Herz», schreibt er noch am selben Tag dem Freund Erwin Rohde, «mich dieser Musik gegenüber kritisch kühl zu verhalten; jede Fa­ ser, jeder Nerv zuckt an mir, und ich habe lange nicht ein solches andauerndes Gefühl der Entrücktheit gehabt als bei letztgenannter Ouvertüre.» Der musikalischen Begeisterung schliesst sich bald auch die menschliche an. Nietzsche lernt Wag­ ner persönlich kennen, und es folgen Jahre einer en­ gen Freundschaft, die äusserlich bis etwa 1878 be­ steht. Innerlich war Nietzsche schon viel früher auf Distanz gegangen. Aber auch über den Bruch hinaus


19

bleibt die Freundschaft mit Wagner die entscheiden­ de menschliche Begegnung, seine Musik die «grosse Liebesleidenschaft von Nietzsches Leben» (Thomas Mann). Nicht zufällig ist wohl auch Nietzsches Hymnus an die Freundschaft, wie der Nietzsche­Biograph und Musiker Curt Paul Janz hervorhebt, «die letzte Komposition, die erste und einzige nach der zu­ nächst geographischen Trennung von Wagner». Dem Menschen Wagner war Nietzsche ebenso ver­ fallen wie seiner Musik. Im Frühjahr 1885, zwei Jahre nach Wagners Tod, formuliert er ein Bekenntnis zu Wagner, das über die von ihm empfundene emotio­ nale Qualität der Beziehung keinen Zweifel lässt: «Ich habe ihn geliebt und niemanden sonst.» Über Nietzsches Beziehung zu Wagner, die Ursa­ chen der Entfremdung und die Chronologie jener Ereignisse, die schliesslich zum Bruch führen, ist ausgiebig gemutmasst worden, vieles ist nach wie vor im Dunkeln. Unbestritten ist aber heute, dass sich das Verhältnis trotz klaren äusseren Markierun­ gen auf keinen einheitlichen Nenner bringen lässt. Nietzsche war ebenso wenig zum unbedingten Wag­ nerianer bekehrt worden, wie er sich nach dem äusseren Bruch zum konsequenten Antiwagnerianer gewandelt hatte. Die hymnischen Töne, die die Geburt der Tragödie anstimmt, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass private Aufzeichnungen der­ selben Zeit schon zentrale Punkte späterer Kritik vorwegnehmen. Und auf die glänzende Polemik, mit welcher Der Fall Wagner auch heute noch jeden Mu­ sikfreund unterhält, folgen jene sehr persönlichen, beinahe huldigenden Worte, die sich in Ecce Homo, Nietzsches Lebensbilanz, finden: «Hier, wo ich von den Erholungen meines Lebens rede, habe ich ein Wort nöthig, um meine Dankbarkeit für das auszudrü­ cken, was mich in ihm bei weitem am Tiefsten und Herzlichsten erholt hat. Dies ist ohne allen Zweifel der intimere Verkehr mit Richard Wagner gewesen.» Sich mit dem «grossen Wohlthäter» seines Lebens zuletzt noch zu versöhnen, bleibt Nietzsche trotz al­ len Attacken ein wichtiges menschliches Anliegen. Der Blick zurück ist ohne Zorn. «Alles erwogen, hätte ich meine Jugend nicht ausgehalten ohne Wagner­ sche Musik.» Diese so versöhnlichen Töne sollten Nietzsches abschliessende Stellungnahme sein; die schon zum Druck vorbereiteten Aktenstücke eines Psy-

chologen. Nietzsche contra Wagner zieht er noch am Tag vor seinem geistigen Zusammenbruch zurück.

Theorie und Praxis Auch dem Komponisten Nietzsche wurde Wagner zum Verhängnis, und auch hier spiegelt sich das ei­ gentümliche Verhältnis wider, das Wagner und Nietzsche miteinander verband. Nietzsche war ein talentierter Pianist, als Komponist aber blieb er bes­ tenfalls gebildeter Autodidakt. Die ansprechenden, durchaus konventionellen Liedkompositionen sei­ ner Jugendzeit markieren eine Grenze, die er nicht ungestraft überschreiten sollte. Seine Manfred-Meditationen, unter dem Eindruck Wagnerscher Musik entstanden und wohl auch zur Aufführung vor Wag­ ner bestimmt, werden zum Fiasko. Der «verunglück­ te Musikus» dürstet nach musikalischer Bestätigung, und er verfällt auf die unglückselige Idee, Hans von Bülow, den Komponisten und angesehenen Wagner­ Dirigenten, um ein fachliches Urteil zu bitten. Bülows Expertise fällt vernichtend aus. «Bedauerliche Kla­ vierkrämpfe» seien in den Meditationen zu verneh­ men, «vom musikalischen Standpunkt aus» habe das Werk «nur den Wert eines Verbrechens in der mora­ lischen Welt». Bülow warnt Nietzsche eindringlich, Wagner nachzueifern: «Eine in Erinnerungsschwel­ gerei an Wagnersche Klänge taumelnde Phantasie ist keine Produktionsbasis». Die Manfred-Meditationen bleiben die Ausnahme. «Meine andere Musik ist, was Sie mir glauben müs­ sen», so Nietzsche im Begleitbrief an Bülow, das un­ freundliche Urteil vorausahnend, «menschlicher, sanfter und auch reinlicher». Tatsächlich zeigen die übrigen Kompositionen nichts von jener leiden­ schaftlichen Hingabe an die ‹Zukunftsmusik›, die der junge Nietzsche wortreich beschwört. Janz resü­ miert: «Er war eben nicht Wagnerianer, damals nicht und als Musiker auch später nicht. Er wurde es in einer speziellen Weise auch aus einem solchen mo­ mentanen Begeisterungstaumel erst durch den Zau­ ber der Persönlichkeit Wagners und des wagner­ schen Hauses in Tribschen. Seine rein musikalischen Instinkte blieben dem Überkommenen treu.» – Als Musiker bleibt Nietzsche «dem Überkommenen


20

treu». Und der Ästhetiker Nietzsche? Zieht man die durchweg persönlich motivierte Wagner­Begeiste­ rung ab, dann ist ein betont konservatives Urteils­ fundament unübersehbar. Man muss es als Ironie der Geschichte empfinden, dass Nietzsche – wie heute immer mehr Kommentatoren betonen – die entschei­ dende musikästhetische Prämisse ausgerechnet mit Wagners Erzfeind Eduard Hanslick, dem ebenso an­ gesehenen wie gefürchteten Wiener Kritikerpapst, teilt. Hanslick vertrat eine Ästhetik der absoluten Musik, die sich dezidiert gegen Wagners Idee des ‹Gesamtkunstwerks› und die ‹Zukunftsmusik› rich­ tete. Nietzsche war mit Hanslicks Ideen wohlver­ traut. 1865, möglicherweise aber bereits einige Jahre früher, studierte er dessen Traktat Vom MusikalischSchönen, und die bis etwa 1868 überlieferten Urteile lassen einen weitreichenden Konsens erkennen. Die Situation ändert sich, als er in den Bannkreis Richard Wagners und seiner faszinierenden Persön­ lichkeit gerät. Nach aussen hin agiert Nietzsche nun als Propagandist Wagners, und er übernimmt auch so manche klar gegen Hanslick gerichtete Spitze. Die persönlichen Ansichten dieser Zeit, sofern sich diese aus unveröffentlichten Entwürfen rekonstruieren lassen, sind weit weniger homogen. Hanslicks – von Wagner geschmähte – Leitidee der ‹absoluten Musik› bleibt auch Nietzsches geheimes Ideal. Dieter Borch­ meyer, der beste Kenner der Beziehung Nietzsche – Wagner, resümiert: «Als Wagnerianer wie als antiwag­ nerisches ist Nietzsche der unbedingte Verfechter der absoluten Musik.» Die menschliche ‹Erholung›, die Nietzsche Wag­ ner verdankt, wird von ihm nicht wirklich in Zweifel gezogen, die musikalische gerät nach und nach – vollends aber im Fall Wagner – unter Kritik: «Wenn ein Musiker nicht mehr bis drei zählen kann, wird er ‹dramatisch›, wird er ‹Wagnerisch›.» Der späte Nietz­ sche schafft sich sein eigenes antiwagnerisches Ideal. Als Gegenmodell dienen die klaren Linien und die massvolle Formgestaltung der klassischen Operntra­ dition, die Musik der Italiener, Mozarts und vor allem Bizets. In einem Brief an Köselitz äussert sich Nietzsche begeistert über eine Kritik Hanslicks der Oper Il matrimonio segreto von Cimarosa. Hanslick wisse wohl, «was allen diesen grossen Musikgewaltigen von

Schumann an fehlt – einmal der ‹volle Sonnen­ schein› und sodann der veritable ‹Buffo›». In Köselitz, der unter dem Pseudonym Peter Gast komponiert, glaubt Nietzsche diese Ideale verwirklicht: «Ich wür­ de Rossini nicht zu missen wissen, noch weniger meinen Süden in der Musik, die Musik meines Vene­ diger maestro Pietro Gasti.»

Ein Philosoph als Musiker Den heute völlig vergessenen Köselitz als ‹Gegen­ papst› zu Wagner aufzustellen, war eine Urteilsverir­ rung mit tragikomischer Note. Angesichts solcher Fehleinschätzungen verwundert es nicht, dass Nietz­ sche, der sich in Briefen rühmte, es habe noch nie einen Philosophen gegeben, der «in dem Grade und bis zu dem Grunde Musiker war» wie er, durch seine musikalischen Überzeugungen kaum gewirkt hat. Nietzsches Kampfansage an das Christentum, sein Elitarismus, seine Kultur­ und Wissenschaftskritik waren Donnerschläge in der europäischen Geistes­ welt. Nietzsches Auffassungen über Musik dagegen haben sehr viel weniger Beachtung gefunden – Janz spricht nicht zu Unrecht von einer in der Beschäfti­ gung mit dem vielschichtigen Phänomen Nietzsche «bis jetzt arg vernachlässigten Schicht». Die Kultur unserer Zeit hat ihr eigenes Problemspektrum, Kunst und Musik nehmen keine Sonderrolle mehr darin ein. Heute, über hundert Jahre nach seinem Tod, ist der Philosoph Nietzsche eine europäische Geistes­ grösse von unbestreitbarer Geltung, der «verunglückte Musikus» Nietzsche eine historische Episode. ● Aus der Neuen Zürcher Zeitung, Samstag/Sonntag, 25./26. Februar 2006, Nr. 47, S. 71


21

W. A. Mozart: Sinfonie Nr. 32 und Maurerische Trauermusik

Freiheit, Narrheit, Brüderlichkeit Mozart wagt den Schritt vom verhassten Salzburger Hofdienst in die unsichere Existenz des selbstständigen Künstlers. von Jürgen Ostmann

A

nfang 1779, nach einer langen, aber wenig erfolgreichen Reise nach Mannheim und Paris, beging Wolfgang Amadé Mozart «die gröste Narrheit von der Welt», wie er es selbst in ei­ nem Brief formulierte: Er trat erneut in die Dienste des Salzburger Fürsterzbischofs. Obwohl er nun zu­ sätzlich zur Position des Konzertmeisters die des Hof­ organisten annahm und mit 450 Gulden das Drei­ fache seines früheren Jahreseinkommens bezog, fühlte er sich so unwohl wie eh und je. Dem jungen Musiker, der bereits als Kind die grosse Welt kennen­ gelernt hatte, erschien seine Heimatstadt eng und provinziell, denn weder gab es hier eine Oper noch ein öffentliches Musikleben oder eine grosszügige Adels­Patronage. Heutige Historiker beurteilen Erz­ bischof Hieronymus Graf Colloredo zwar als fort­ schrittlichen, aufklärerischen Geist: Agrar­ und Ge­ sundheitsreformen sowie moderne Auffassungen von Rechtsprechung und Religionsfreiheit sprechen für ihn. Doch die Mozart­Familie hatte unter Collo­ redos eiserner Sparsamkeit zu leiden – er setzte bei­ spielsweise der Ausdehnung der Liturgie (samt musi­ kalischer Ausschmückung) enge Grenzen, ebenso den Reiseplänen und Nebenjobs seiner Angestellten. Mangels Alternativen blieb Mozart vorerst keine an­ dere Wahl, als durch gute Arbeit die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen.

Ouvertüre oder Konzertstück? Seine Sinfonie KV 318 vollendete er am 26. April 1779. Ihrer Form nach erscheint sie ganz untypisch für ihn: Sie besteht nicht aus drei oder vier selbstständi­

gen Sätzen, sondern aus einem einzigen von etwa acht Minuten Dauer, dessen drei Teile (schnell – langsam – schnell) unmittelbar ineinander überge­ hen. Diese Form entspricht der einer Opern­Ouver­ türe – die ja zu Mozarts Zeit auch ‹Sinfonia› genannt wurde. Wenn das Stück ursprünglich für ein Büh­ nenwerk bestimmt war, dann wären das unvollen­ dete Türken­Singspiel Zaide KV 344 oder die Schau­ spielmusik zu Thamos, König in Ägypten KV 345 mögliche Kandidaten. Denkbar ist auch, dass eine Komödie der Böhmschen Truppe den Anlass zur Komposition gab. Das fünfzigköpfige Schauspielen­ semble von Johann Heinrich Böhm gastierte zwi­ schen Ende April und Anfang Juni 1779 in Salzburg, und die Mozarts besuchten viele ihrer Vorstellungen. Nichts von alldem lässt sich allerdings beweisen, und so könnte es auch sein, dass Mozart die Sinfonie doch für ein Konzert schrieb und die knappe Form nur aus Rücksicht auf die begrenzte Geduld seines Dienstherrn wählte. Das eröffnende Allegro spiritoso beginnt mit kraft­ vollen Tutti­Akkorden und Unisono­Figuren, denen jeweils eine sanfte Antwort der Streicher folgt. Ein

SINFONIE NR. 32 G-DUR, KV 318 Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Pauken und Streicher Entstehung: 26. April 1779, Salzburg Dauer: ca. 8 Minuten


Bild : Wikimedia Commons

22

Wolfgang Amadé Mozart (Porträt um 1777)

verspieltes zweites Thema der Streicher schliesst sich an, dann eine Art Durchführung, die durch ver­ schiedene Tonarten moduliert. Anstelle einer Repri­ se des Beginns setzt danach allerdings ein kontras­ tierendes Andante im Dreiachteltakt ein; Holzbläser und Hörner geben ihm eine aparte Färbung. Das Fi­ nale entschädigt für die vorenthaltene Reprise, ist aber mehr als ein blosses Dacapo. So erscheint nun zum Beispiel das ‹verspielte› Thema zuerst und erst danach die Figur der Eröffnung, mit der das Werk in kraftvollem Fanfarenstil schliesst.

Freimaurer aus Eigennutz oder Überzeugung? Mitte 1781 provozierte Mozart seine Entlassung aus dem ungeliebten Salzburger Hofdienst – sie wurde ihm von Graf Arco, dem fürsterzbischöflichen Abge­ sandten, mit einen Fusstritt gewährt. Man fragt sich, ob nicht dieser Schritt, der Wechsel von der sicheren Stellung eines Bediensteten in die stets gefährdete Existenz des freischaffenden Künstlers, in Wahrheit «die gröste Narrheit von der Welt» war. Zwar konnte


23

sich Mozart anfangs vor allem dank hoher Einkünfte als Konzertpianist und Klavierlehrer gut behaupten, doch gegen Ende der 1780er­Jahre nahm ihn das Wie­ ner Publikum kaum mehr wahr. Seine zunehmenden finanziellen Probleme sind durch verzweifelte Bet­ telbriefe an seinen Freimaurer­Logenbruder Michael Puchberg dokumentiert. Bis heute streiten sich die Gelehrten darüber, welche Rolle die Freimaurerei in Mozarts Leben und Werk spielte. Einig ist man sich, dass die Logen­Mit­ gliedschaft ihn in Kontakt mit hochgestellten und vermögenden Persönlichkeiten brachte, mit denen er ansonsten wegen der Klassenschranken nicht hätte verkehren können. Berufliche Vorteile ergaben sich, auch direkte Kompositionsaufträge – nicht weniger als zehn Werke hat Mozart eigens für verschiedene Wiener Freimaurerlogen geschrieben. Doch vermut­ lich bedeuteten ihm diese Bruderschaften noch mehr: Ihn mussten die menschenfreundlichen Be­ strebungen und hohen moralischen Ideale der Frei­ maurer ansprechen, ihr Kampf gegen Aberglauben und religiöse Intoleranz, ihre Grundsätze gegenseiti­ ger Förderung und brüderlicher Gleichberechtigung. Diesen Zielen hat Mozart nicht zuletzt in der Zauberflöte ein Denkmal gesetzt. Für eine wirkliche Identi­ fikation mit dem Orden spricht auch, dass er seinen Vater Leopold und seinen väterlichen Freund Joseph Haydn zum Eintritt in die Loge ‹Zur wahren Ein­ tracht› bewog. Mozart selbst wurde am 13. Dezember 1784 als ‹Lehrling› in die Loge ‹Zur Wohltätigkeit› aufgenom­ men und als rühriger Freimaurer rasch zum ‹Gesel­ len› und ‹Meister› befördert. Seine Maurerische Trauermusik wurde im November 1785 im Rahmen einer Gedenkfeier für zwei verstorbene Logenbrüder ge­ spielt: Herzog Georg August von Mecklenburg­Stre­ litz († 6. November 1785) und Graf Franz Esterházy von Galantha († 7. November 1785). Dem ernsten An­ lass entspricht der reiche, dunkel­samtige Klang der Besetzung, die in Mozarts Schaffen einzigartig ist. Sie besteht aus zwei Oboen, Klarinette, drei Bassett­ hörnern (Klarinetten in Tenorlage), dazu Kontra­ fagott, zwei Hörner und Streicher. Der hohe Anteil der Klarinetteninstrumente ist sicher kein Zufall – sie spielten bei Freimaurer­Zeremonien oft eine wichtige Rolle und wurden ‹Säulen der Harmonie› genannt.

MAURERISCHE TRAUERMUSIK, KV 477 Besetzung: 2 Oboen, Klarinette, 3 Bassetthörner, Kontrafagott, 2 Hörner und Streicher Entstehung: 1785, Wien Uraufführung: 17. November 1785, Wien, Loge ‹Zur gekrönten Hoffnung› Widmung: Herzog Georg August von MecklenburgStrelitz und Graf Franz Esterházy von Galantha Dauer: ca. 6 Minuten CD-Tipp: Klarinettenkonzert KV 622, La Clemenza di Tito KV 621, Adagio KV 411, Maurerische Trauermusik: Orchestra of the Eighteenth Century, Frans Brüggen, Glossa, 2001 Literatur: Mozart: Genius und Eros. Eva Gesine Baur, 2014, C. H. Beck

Mit Bedacht entschied sich Mozart wohl auch für die Tonart des Stücks: Viele seiner Freimaurer­Kom­ positionen stehen in Es­Dur oder (wie die Maurerische Trauermusik) im parallelen c­Moll. Beide Tonarten haben drei b­Vorzeichen – die Zahl Drei war von be­ sonderer mystischer Bedeutung für die Freimaurer. C­Moll wurde im Übrigen mit Dunkelheit assoziiert, und so kann man den C­Dur­Klang am Ende des Stücks als Übergang von der Dunkelheit zum Licht, vom Tod zur Auferstehung begreifen. Passend ist auch die Wahl des Cantus firmus, den etwa nach ei­ nem Drittel des Stücks die Oboen und die Klarinette anstimmen. Die in langen Notenwerten vorgetrage­ ne Melodie basiert auf einem gregorianischen Choral, der mit den Klageliedern des Propheten Jeremias ver­ knüpft ist und somit auf noch ältere Traditionen des jüdischen Tempelgesangs zurückgeht. Die Einheit und Gleichwertigkeit der Religionen zählt zu den grundlegenden Überzeugungen der Freimaurer. ●


24

Vorlaut – Eine Serie

Virtuos in die Zukunft von Alain Claude Sulzer

P

aris, 1830: Während einer musikalischen Soi­ rée im Haus des Musikverlegers Eugène Troupenas, bei der Gioacchino Rossini und vermutlich auch Franz Liszt anwesend waren, bat die Sängerin Maria Malibran den Geiger Niccolò Pagani­ ni, über die Arien, die sie eben zum besten gegeben hatte, zu improvisieren. Paganini, der zunächst we­ der mit Marias Schönheit (wie auch?) noch mit ihrer «unvergleichlichen» Stimme konkurrieren wollte, liess sich schliesslich überreden, und laut der Diva ging er als Sieger aus dem musikalischen Wettstreit hervor. Wo anders als in Nietzsches «weltlichem Je­ rusalem der Moderne» hätte sich ein solches Gipfel­ treffen zutragen können? Niccolò Paganini war sein künstlerisches Leben lang darum bemüht, mit der menschlichen Stimme zu wetteifern. Er strebte danach, jeden nur denk­ baren Ausdruck, jede Facette, jede Stimmung, Trauer und Freude, Wohllaut und Zerrissenheit in Tönen auszudrücken, die man bis dahin auf keinem Instru­ ment gehört hatte. Auf seiner mit ungewohnt dün­ nen Saiten bespannten Guarneri erklangen unerhör­ te Töne, die den Zuhörern das Gefühl gaben, «eine lustige Bocksnatur» greife zuweilen «hülfreich in die Saiten der Violine», wie Heinrich Heine meinte. Weit war der Weg nicht «zu der Vermuthung, dass er seine Seele dem Bösen verschrieben und jene vierte Saite, der er so bezaubernde Weisen zu entlocken wusste, der Darm der Gattin sei, die er eigenhändig erwürgt habe», wie Franz Liszt in seinem Nachruf schrieb. Er selbst glaubte nicht an solchen Humbug. Inzwischen sind unsere Ohren andere «melodi­ sche Qualnisse» (Heine) gewöhnt und zeitgenössi­ sche Komponisten unterhalten sich über die Zeit hinweg wohl eher mit Beethoven und Brahms als mit Paganini, wenn sie ein Violinkonzert schreiben, in dem nicht allein die orchestrale Seite mehr Gewicht und Gehalt hat als bei Paganini. Und doch: Wie sähe die Violinliteratur – auch jene Ligetis – ohne Pagani­

nis Experimente aus, die in den Ohren seiner Zeitge­ nossen nicht nur virtuos, sondern auch virtuell ge­ klungen haben müssen, nicht nur artifiziell, sondern auch unwirklich, von jener anderen Welt, in die das «obligate Bockslachen hineinmeckerte», wie Heine schrieb, der ihn in Hamburg spielen sah und hörte. «Aus der Violine drangen alsdann Angstlaute und ein entsetzliches Seufzen und ein Schluchzen, wie man es noch nie gehört auf Erden und wie man es viel­ leicht nie wieder auf Erden hören wird.» Als Friedrich Nietzsche geboren wurde, war Pa­ ganini bereits vier Jahre tot. Von seiner Art zu spie­ len gab es lediglich schriftliche und mündliche Über­ lieferungen. Dennoch hatte Nietzsche von dem Musiker eine ebenso klare Vorstellung wie von Paris (das er ebenfalls nie gesehen hatte). Für ihn war er weit mehr als nur ein Virtuose gewesen, auch wenn er ihn nicht «in die Reihe der Eigentlichen und Äch­ ten höchsten Ranges» stellen mochte. Für ihn gehör­ te er zu den «Schauspieler­Genies der Kunst wie Wagner»; ein «neu verkleideter Cagliostro, Verführer einer vornehmen und ermüdeten Cultur». Ein Alche­ mist also, dem es gelang, aus minderwertigem Metall Gold zu machen. Als zu Ende des 19. Jahrhunderts nicht wenige Komponisten den ausgetretenen Pfad der ebenfalls «ermüdeten» klassischen Sinfonie verliessen, um entweder die Natur nachzuahmen oder literarische Werke zu vertonen, warf man ihnen vor, die ober­ flächliche Illusion der reinen Musik vorzuziehen. Es dauerte lang, bis man halbherzig zu akzeptieren be­ gann, dass sie die Fesseln der zu eng gewordenen viersätzigen Raumaufteilung sprengen mussten, wenn sie frische Luft ins Haus der Töne lassen woll­ ten. Niemand hätte ihren Aufbruch treffender in Worte fassen können als Nietzsches Zarathustra: «Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie die Biene, die des Honigs zu viel gesammelt hat, ich bedarf der Hände, die sich ausstrecken.» ●


Bild : Trusteesof the British Museum

Nicol贸 Paganini (Druck von John Kendrick, 1831)


26

Casino-Geschichte(n), Teil 2

Sommercasino und ‹Wintercasino› von Sigfried Schibli

D

ie Jungen haben das Sommercasino, den Älteren gehört das Stadtcasino – an diese harmonische Arbeitsteilung in der Basler Kultur haben wir uns längst gewöhnt. Aber ‹Jugend­ kultur› als offiziell anerkannte, staatlich geförderte Sparte ist ein vergleichsweise neues Phänomen. Im 19. Jahrhundert sah man es nicht als notwendig an, den kulturellen Aktivitäten junger Leute Raum zu geben. Die etablierten Familien und die traditionel­ len Kulturformen beherrschten das Feld. Zum Basler Establishment zählte der Kaufmann Johann Jakob Burckhardt­Frey. Er besass ein stattli­ ches Grundstück zwischen der St. Jakobs­Strasse und der Münchensteinerstrasse – damals vor den Toren der Stadt gelegen. Dort trafen sich in der war­ men Jahreszeit Basler Bürgerinnen und Bürger, die sich zu einer alternativen Casino­Gesellschaft zu­ sammenschlossen und 1822 das Grundstück kauften. Gleichzeitig mit dem ‹grossen› Stadtcasino planten sie den Bau des Sommercasinos, das 1824 erbaut wur­ de und ebenfalls als Vergnügungsstätte diente. Es gab eine Kegelbahn, Kartentische und Roulette. Jetzt hatte Basel also drei Casino­Gesellschaften, die unterschiedliche Ziele verfolgten, sich aber per­ sonell aus denselben Kreisen rekrutierten: die Casi­ no­Gesellschaft der Allgemeinen Lesegesellschaft, die Casino­Gesellschaft, die das Stadtcasino am Stei­ nenberg baute, und die Casino­Gesellschaft, die das ‹Sommercasino› genannte Gesellschaftshaus betrieb. Nach kurzer Zeit zählte die Casino­Gesellschaft im St. Jakobs­Garten dreihundert Mitglieder, die von Lukas Iselin­Forcart präsidiert wurden. Eine gewisse Exklusivität war gewahrt, denn Mitglied konnte nur werden, wer schon Mitglied der Gesellschaft für das

Gute und Gemeinnützige oder der Allgemeinen Le­ segesellschaft war. Das Basler Bürgertum blieb gerne unter sich. Aber die friedlichen Feierabendunterhaltungen im Sommercasino fanden bald ein Ende. Als im Jahr 1830 im Königreich Frankreich die Julirevolution tob­ te, hatte dies Auswirkungen auf die Eidgenossen­ schaft, ganz besonders auf die Region Basel. Die poli­ tischen Unruhen im Baselbiet, das sich gegenüber der Stadt benachteiligt fühlte, machten den Betrei­ bern des Sommercasinos Angst – schliesslich lag dieses Gesellschaftshaus ausserhalb der engeren Stadt und war für Aufständische vom Land leicht er­ reichbar. So mieden zahlreiche Mitglieder das Som­ mercasino. Nach der Kantonstrennung 1833 kamen finanzielle Probleme hinzu, die man durch die Um­ wandlung der Casino­Gesellschaft im St. Jakobs­Gar­ ten in eine Aktiengesellschaft zu lösen versuchte. Vieles aus der damaligen Zeit ist heute unver­ ständlich geworden. Von kriegerischen Auseinan­ dersetzungen zwischen Stadt und Land, wie sie An­ fang der 1830er­Jahre stattfanden, sind wir trotz aller Mentalitätsunterschiede weit entfernt. Doch bei al­ lem gesellschaftlichen Wandel ist die hohe Konstanz der damaligen Basler Institutionen bemerkenswert. Die Martinskirche, in welcher schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts öffentliche Konzerte stattfanden, erfreut sich bis heute grosser Beliebtheit als Kon­ zertort. Die Lesegesellschaft gibt es heute noch, ebenso wie – in veränderter Form – das Stadtcasino und das Sommercasino. Es wird heute von der Ju­ gendarbeit Basel (JuAr) betrieben und dient ganz der Pop­ und Rockmusik. Das Baselbieter Publikum ist willkommen! ●


Bild : Staats­Archiv Basel (NEG_10233_b)

27

Bild : Neeser & Müller

Das Sommercasino (Westseite) damals …

… und das Sommercasino (Ostseite) heute


28

Benedikt Schobel und Christian Sutter im Gespräch

«Wir brauchen kein Bungee-Jumping» Der Solo-Fagottist Benedikt Schobel und der Solo-Kontrabassist Christian Sutter unterhalten sich über die Liebe zu ihrem Instrument und die Angst vor dem nächsten Einsatz. aufgezeichnet von Simone Staehelin und Simon Niederhauser

Benedikt Schobel: Ich habe vor kurzem darüber nachgedacht, warum ich eigentlich Musik mache. Ich glaube, wenn ich nur aus Freude an der Musik Musik machen würde, könnte ich auch Komponist sein. Ich mache Musik, weil ich Freude am Handwerk habe. Ich finde dieses Zusammenwirken von Lippendruck, Zunge, Luftstütze, Bauchdruck und wie man die Klappen bedient faszinierend. Das ist ein Mikrokosmos, der unglaublich präzise geschaltet ist. Selbst wenn mir die Musik mal nicht besonders gefällt, spiele ich gern, weil ich einfach gern Fagott spiele. Christian Sutter: Das geht mir auch so mit dem Kon­ trabass. Ich sage immer, bei mir war es Liebe auf den ersten Strich. Es ist so ein tolles Instrument! Aber weisst du, wir müssen auch zugeben, dass wir es auch einfach geniessen, auf der Bühne zu stehen. Man ist schon ein bisschen eine Rampensau. Das Publikum spielt eine grosse Rolle. Ich geniesse es, wenn uns auf­ merksame Zuhörer tragen und man so über sich selbst hinauswachsen kann. Es gibt aber auch Abende, an welchen ich mich ins Theater schleppe und denke,

Benedikt Schobel stammt aus Vorarlberg und ist seit März 2011 Solo-Fagottist beim Sinfonieorchester Basel. Seine Ausbildung führte ihn nach Hannover und München sowie als Akademist an die Bayerische Staatsoper München.

jetzt würde ich mir viel lieber zu Hause einen gemüt­ lichen Abend machen. Aber sobald der Vorhang hoch­ geht und die Ouvertüre beginnt, bin ich voll da. Das ist bestimmt auch ein Grund, weshalb immer noch Live-Mitschnitte verkauft werden. Das Live-Erlebnis ist etwas Besonderes. Von der Stimmung her, aber auch, weil man als Musiker weiss, dass man nur eine Chance hat. Man lebt absolut im Moment. Jede Sekunde ist auf einmal wahnsinnig ausgedehnt, und alles fühlt sich langsamer und präziser an. Ein super Gefühl! Aber es hat auch eine Kehrseite. Im Gegensatz zum Jazz etwa, sieht und spürt man bei uns klassischen Musikern oft Angst. Die Angst vor dem nächsten Einsatz? Ja. Und erklär mal jemandem, dass die Situation ver­ gleichbar ist mit der eines Chirurgen, bevor er einen Schnitt macht. Natürlich stirbt bei uns niemand. Aber du selbst stirbst tausend Tode. Diese Vorstellung ist eigentlich genau mein Rezept. Ich habe das Glück, dass ich auch bei anspruchsvollen Soli oft nicht besonders nervös werde. Und wenn ich es dann doch einmal bin, dann sag ich mir immer: Wenn ein Arzt an deinem Herz rumschnippelt und was schiefgeht, dann hat er ein massives Problem. Aber wenn ich einen Ton falsch spiele, dann spiele ich halt einen Ton falsch.


Bild : Jean­FrançoisTaillard

29

Benedikt Schobel und Christian Sutter

Du hast eigentlich gar kein Lampenfieber? Ganz selten, den Boléro finde ich immer heikel und den Sacre auch. Aber wenn du mal drin bist, dann läuft es. Als ich im letzten Februar ein Solokonzert gespielt habe, war ich mit den Technikern Backstage, und wir haben uns einen Witz nach dem anderen erzählt. Wir haben gelacht, und auf einmal war ich dran.

Der Basler Christian Sutter ist seit vierzig Jahren Orchestermusiker und seit 1979 Solo-Kontrabassist beim Sinfonieorchester Basel. Er wird im November dieses Jahres in Pension gehen. Nebst seiner Orchestertätigkeit gestaltet Christian Sutter auch die literarischen Kammerkonzerte ‹Schwarz auf Weiss› in der Basler Papiermühle.

Wahrscheinlich ist das relativ selten. Vielleicht ist es auch nur meine Art, mit der Nervosität umzugehen. Es gibt Musiker, die wollen in Ruhe gelassen werden, und ich rede dann immer viel, wenn ich nervös werde. Und wenn es schlecht kommt, dann trifft jemand, der in Ruhe gelassen werden will, auf einen, der gerne redet. Ich finde Lampenfieber an sich auch nicht schlimm. Ich finde es spannend zu lernen, damit umzugehen. Und dieses Prickelnde ist auch toll. Ich habe das oft,

auch noch vor Sinfoniekonzerten. Aber es gibt halt doch die Momente, in denen ich mich frage, wieso ich das überhaupt mache. Ich freue mich darauf, nach der Pensionierung diesen Druck nicht mehr zu haben. Diesen Perfektionsanspruch. Vielleicht geht es auch mehr um Selbstzweifel und Unsicherheit. Kurz vor einem Konzert, in dem ich ein Solo spielen musste, sagte ich mal zu einer Kollegin: Scheisse, bin


30

ich nervös. Sie sagte: was, du? Da habe ich gemerkt: Es ist ein Tabu, darüber zu sprechen. Dabei täte es so gut. Es geht uns ja allen gleich. Ausser dir! (lacht) Ach nein, ich kenn das ja schon auch. Aber ich erlebe es eher positiv; es ist etwas, das mich wach hält. Es stimmt schon, wir haben jeweils nur eine Chance, um etwas richtig zu machen. Aber das Schöne ist: Wir erhalten doch immer wieder eine neue Chance. Bei jedem Konzert haben wir wieder die Möglichkeit, es richtig zu machen. Wenn es schlecht läuft, kannst du in der darauffolgenden Woche trotzdem wieder ein Konzert aufführen oder eine Oper. Genau! Es ist die Kombination: Ich weiss nicht, in wie vielen Berufen man dieses enorme Wechselbad der Gefühle erlebt. Dieses zu Tode betrübt und him­ melhoch jauchzend. Ich sage immer, dass wir darum keine Abenteuerferien brauchen. Wir brauchen kein Bungee­Jumping, wir haben das jeden Abend auf der Bühne. In diesem Zusammenhang bin ich kürzlich auf etwas gestossen. Der italienische Adlige Castiglione aus dem 16. Jahrhundert hat den Begriff ‹Sprezzatura› geprägt. Es geht dabei um eine Nachlässigkeit, die etwas leicht aussehen lässt, obwohl es sehr schwierig ist. Ich glaube, das ist das Geheimnis eines jeden Musikers. Und ich glaube, es geht genau um dieses Bewusstsein: Es ist harte Arbeit, muss aber trotzdem leicht ausschauen. Und wie machst du das? Üben! So spiessig es klingt: Ja, es hilft schon, wenn man übt. Man wird souverän, den Ansprüchen überlegen, dann kommt die Leichtigkeit von allein. Das denke ich auch: Gute Vorbereitung ist wichtig. Ich bin auch gerne immer ein bisschen früher im Konzertsaal oder im Orchestergraben, um mich auf allen Ebenen auf den Abend einzustimmen. Mir fällt oft auf, dass die Leute wenig Ahnung davon haben, was wir als Orchestermusiker eigentlich tun. Wenn ich erzähle, ich sei klassischer Musiker, heisst es oft, man habe gar nicht gewusst, dass dies ein richtiger Beruf sei. Oder ich werde gefragt, wie viele Instrumente ich spiele. Oder die

Leute sehen, dass wir viel freie Zeit haben, aber dass man in dieser Zeit auch üben muss, wissen sie nicht. Es ist auch eine politische Frage. Wir werden subventioniert, und daher wäre es wichtig, dass die Leute wissen, dass wir zum Beispiel auch deshalb unseren Lohn bekommen, weil wir das längste Studium auf der Welt haben. Ich arbeite seit zwanzig Jahren daran, das Niveau zu erreichen, das ich jetzt habe. Es gibt wohl kaum einen Beruf, für den man so lange studiert, und es ist das einzige Hochschulstudium, bei dem du immer Einzelunterricht hast. Ich habe das Gefühl, dass es irgendwie immer noch so ein falsches Bild in vielen Köpfen gibt. Ja, das kenne ich gut. Früher hatte ich auch das Be­ dürfnis, allen zu erklären, wie es ist, Orchestermu­ siker zu sein. Aber dann habe ich mir gesagt: Jeder Beruf hat seine Eigenheiten. Und so wichtig müssen wir uns ja auch nicht nehmen. Es ist dann halt ein­ fach unser Geheimnis. Wichtig ist vor allem, dass wir sowohl vonseiten der Gewerkschaft als auch von un­ serem Arbeitgeber anerkannt sind. Und schön wäre natürlich auch eine gewisse Anerkennung in den Medien. Aber ich bin einfach dankbar dafür, dass ich Freude habe an dem, was ich mache. Und darüber hi­ naus, ist es diese Präsenz. Dass du bei einem Konzert einfach da bist. Voll da. Und dich einfach mit der Mu­ sik verbindest. Dann kannst du auch sperrige Sachen spielen. Genau! Es gibt nämlich schon Komponisten, da muss man sich zwingen, ihnen Liebe entgegenzubringen. Aber ich freu mich dann immer über so kleine Sachen: Zum Beispiel in der Oper, da sitzen achtzig Leute im Orchestergraben, und wir spielen ein Staccato, und es macht «Blopp!», und es ist super exakt, und ich freue mich wie kleines Kind. Es ist einfach beeindruckend, dass das alle achtzig im Verbund so hinkriegen. Und da frag ich mich manchmal schon, was in den achtzig Köpfen gleichzeitig abgeht. Allein der mechanische Effekt ist so faszinierend. Da habe ich auch so eine Freude dran. Und weisst du, manchmal schaue ich mich in einem solchen Moment im Orchester um und sehe dann da ein Lächeln oder hier ein Zwinkern. Das ist schön und beglückend. ●


31

Vorschau Promenade: Metamorphosen

Mit Haydn durch die Jahreszeiten

Gare du Nord

Mit den Jahreszeiten schuf Haydn für die Gattung Ora­ torium einen Höhepunkt der Wiener Klassik. Anders als in den barocken Oratorien stehen hier keine an­ tiken Helden oder biblischen Persönlichkeiten im Mittelpunkt, sondern die ländliche Bevölkerung und die Ereignisse im Jahreskreis. Monumentales steht hier neben Volkstümlichen: Das Weichen des Win­ ters vor dem Frühling, die Arbeit des Ackermanns, die brütende Sommerhitze mit anschliessendem Ge­ witter, die Jagd mit schmetterndem Hörnerschall, der Morgennebel, die klirrende Kälte. Haydn stellt dies alles in einer lautmalerischen und unmittelbar ver­ ständlichen Musik dar, ganz im Sinne von Rousseaus Forderung «Zurück zur Natur!». Der Dirigent und Kenner der historischen Auf­ führungspraxis Paul Goodwin studiert zusammen mit dem Sinfonieorchester Basel, namhaften Solis­ ten und den Chören der Gymnasien Liestal und Mut­ tenz Haydns Meisterwerk ein.

Im ersten Konzert der neuen Kammermusikreihe spielen Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel die Studie für Streicher Metamorphosen von Richard Strauss. Geschrieben wurde das Stück im Frühling 1945 – nach aussen hin für den Schweizer Dirigen­ ten Paul Sacher, der das Werk in Auftrag gegeben hatte. Innerer Anlass jedoch war in erster Linie sein Entsetzen über das Ausmass der Zerstörungen in Deutschland. Das zweite Werk des Matineekonzerts, die viersätzige Bläserserenade, komponierte Antonín Dvořák Anfang 1878 innerhalb von nur vierzehn Ta­ gen. Dabei liess er sich von den traditionellen Har­ moniemusiken des 18. Jahrhunderts inspirieren. Die Sonntagsmatinee bildet eine thematische Verbin­ dung zum Sinfoniekonzert ‹Zarathustra› vom 12. und 13. November 2014. Für die kostenlose Kinderbetreu­ ung während des Konzerts sowie für den anschlies­ senden Brunch wird um Anmeldung gebeten. (061 683 13 13, Gare du Nord)

MITTWOCH, 29. OKTOBER 2014 19.30 Uhr, Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei, Kollekte zugunsten der Vermittlungsprojekte

SONNTAG, 9. NOVEMBER 2014 11.00 Uhr, Gare du Nord

Bild : Ute Schendel

Education Projekt: Haydns Jahreszeiten


32

Schwarz auf Weiss: Romanze mit einem Kontrabass

Musik machen oder Vorräte anlegen?

Christian Sutter

Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja, der Klarinet­ tist Reto Bieri und der Komponisten Leo Dick laden zusammen mit Mitgliedern des Sinfonieorchesters Basel ein zu einer musikalisch­szenischen Fabel­ stunde. Im Zentrum steht eine Geschichte des gro­ ssen französischen Dichters Jean de La Fontaine: Während die Ameise im Sommer fleissig Vorräte sammelt und ihr Haus bestellt, verbringt die Grille die warme Jahreszeit mit Singen und Tanzen auf dem freien Feld. Im Winter friert und hungert die Grille, findet aber bei der Ameise mit ihrer Bitte um Obdach und Almosen kein Gehör … Ein Erlebnis­Konzert für die ganze Familie.

Im Sommer 1970, nach einem überfallartigen Besuch von fünf Basler Jugendlichen, schreibt Max Frisch in sein Tagebuch: «Der Ältere, der soviel Haar hat wie die andern zusammen, kein fallendes oder lockiges Haar, sondern das schwarze Kruselhaar eines Abes­ siniers, Brillenträger, lernt Kontrabass am Konserva­ torium. In einem Sinfonie­Orchester unterzugehen auf Lebenszeit hat er nicht vor.» Das Haar des besag­ ten Musikers, es ist Christian Sutter, hat sich in der Zwischenzeit gelichtet, und entgegen den damaligen Absichten hat dieser dann doch 35 Jahre in einem Sinfonieorchester gedient. Dass er aber darin unter­ gegangen wäre – nein, das lässt sich nicht behaup­ ten. Ende November 2014 wird der langjährige Solo­ kontrabassist in Pension gehen. Seine musikalisch­ literarische Collage ist somit auch ein augenzwin­ kernder Rückblick auf seine Musikerlaufbahn und seine Liaison mit dem gewichtigen Instrument. Christian Sutter spielt Musik von u.a. György Kurtág, Franz Schubert und Camille Saint­Saëns. Umrahmt werden die Stücke von Ausschnitten aus Texten von Max Frisch, Anton Tschechow und Chris­ topher Zimmer.

Bild : Kim Hoss

Bild : Benno Hunziker

Familienkonzert: Grille und Ameise

FREITAG, 14. NOVEMBER 2014 16.00 Uhr, Stadtcasino, Grosser Festsaal

SONNTAG, 16. NOVEMBER 2014 17.00 Uhr, Basler Papiermühle


Desigen Peter J. Lassen

Boutique Danoise AG Aeschenvorstadt 36 CH-4010 Basel Tel. +41 61 271 20 20 info@boutiquedanoise.ch www.boutiquedanoise.ch

Montana, Design von Peter J. Lassen, das sind 42 Grundelemente, 4 Tiefen und eine Farbpalette mit 49 Farben und Oberflächen. Lassen Sie der Kreativität freien Lauf und schaffen Sie Ihr eigenes, persönliches Montana.


Bild : Benno Hunziker

Dennis Russell Davies


Nach der gefeierten Einspielung von Philip Glass’ 1. Sinfonie Low präsentieren das Sinfonieorchester Basel und sein Chefdirigent Dennis Russell Davies eine Aufnahme der 4. Sinfonie des amerikanischen Komponisten. Die Sinfonie trägt den Beinamen Heroes und basiert, wie schon die Low Symphony, auf Melodien von David Bowie und Brian Eno. Die CD erscheint bei Orange Mountain Music, erhältlich ist sie im Fachhandel oder auf www.sinfonieorchesterbasel.ch.


36

Agenda MI 29.10. 19.30

Education Projekt: Haydns Jahreszeiten Joseph Haydn: Die Jahreszeiten SOB / Chöre der Gymnasien Liestal und Muttenz / Paul Goodwin

Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei, Kollekte

MI 05.11. DO 06.11. 19.30

Zweites Coop-/Volkssinfoniekonzert Werke von Antonín Dvořák und Wolfgang Amadé Mozart SOB / Benjamin Beilman / Michal Nesterowicz

Stadtcasino, Musiksaal VV: Billettkasse Stadtcasino

SO 09.11. 11.00

Promenade: Metamorphosen Richard Strauss: Metamorphosen (Sextettfassung) Antonín Dvořák: Bläserserenade d-Moll Mitglieder des SOB

Gare du Nord

DI 11.11. 12.00–12.30

Punkt 12: Offene Orchesterprobe SOB / Dennis Russell Davies

Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei

MI 12.11. ab 16.00

Entdeckerkonzert: Nietzsche und die Musik Werke von Richard Strauss und Richard Wagner, Gesprächsrunde u.a. mit Rüdiger Safranski und Patricia Kopatchinskaja Mitglieder des SOB / Dennis Russell Davies

Stadtcasino, Hans Huber­Saal Eintritt frei

MI 12.11. DO 13.11. 19.30

Sinfoniekonzert SOB: Zarathustra Wolfgang Amadé Mozart: Sinfonie Nr. 32 G-Dur György Ligeti: Konzert für Violine und Orchester Wolfgang Amadé Mozart: Maurerische Trauermusik Richard Strauss: Also sprach Zarathustra SOB / Patricia Kopatchinskaja / Dennis Russell Davies

Stadtcasino, Musiksaal

FR 14.11. 16.00

Familienkonzert: Grille und Ameise SOB / Patricia Kopatchinskaja / Reto Bieri u.a.

Stadtcasino, Grosser Festsaal

SO 16.11. 17.00

Kammerkonzert: Romanze mit einem Kontrabass Christian Sutter / Christopher Zimmer

Basler Papiermühle

DO 27.11. 21.00

Cube Session #9: Digging for Schubert Franz Schubert: Der Tod und das Mädchen Mitglieder des SOB feat. Amped & Wired

Kuppel Basel VV: starticket.ch

DI 02.12. 12.00–12.30

Punkt 12: Offene Orchesterprobe SOB / Alexander Liebreich

Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei

MI 03.12. 19.30

Sinfoniekonzert SOB: Hoch auf dem Berg Beat Furrer: strane costellazioni Witold Lutosławski: Konzert für Violoncello und Orchester Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 c-Moll, op. 68 SOB / Miklós Perényi / Alexander Liebreich

Stadtcasino, Musiksaal

Vorverkauf ( falls nicht anders angegeben ) : Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus mit Musik Wyler, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online­Verkauf : www.sinfonieorchesterbasel.ch


Pr o ha

t ei ne n


Es geht um Verl채sslichkeit.

Trafina Privatbank AG, Rennweg 50, CH-4020 Basel, Telefon +41 61 317 17 17, www.trafina.ch


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.