Semper Magazin No.3

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Stefan Ulrich, Autor

Hans Werner Henzes neue Oper erlebt in einer revidierten Fassung für Dresden an der Semperoper ihre Premiere.

»Ich fühle, dass etwas Schönes in der Nähe ist, aber ich kann es nicht sehen, nicht deuten. Eine Empfindung so zart wie der mysteriöse Odem der Liebe.« Wer Gisela, Titel-Heldin der neusten Oper von Hans Werner Henze, so singen hört, wird sich im Verlauf des Werkes rasch überzeugen lassen, dass diese Ahnung mehr Nachhaltigkeit haben wird, als ein kurzer emo­ tionaler Sturm im Wasserglas haben könnte: Dieses »Etwas«, welches die junge Frau noch nicht zu deuten vermag, wird eine Kette von Handlungen auslösen, die sie einerseits weit weg führt von ihrem bis dahin gelebten Leben, sie andererseits aber näher führt – näher zu sich selbst. Der Weg ist das Zi el Gisela, Kunststudentin aus Oberhausen, verreist mit ihrem Verlobten Hanspeter, einem Vulkanologen, nach Neapel. Kaum angekommen, verliebt sich die junge Frau in den Reiseführer und Schauspieler, einen italienischen Existenzialisten namens Gennaro. Mit diesem beginnt Gisela hinter dem Rücken ihres Verlobten eine Affäre, und sie verlassen fluchtartig Italien gen Deutschland; dort, anders als erwartet, werden sie nicht bei Giselas Eltern aufgenommen, und so drängt es sie weiter, nicht wissend, wohin die Reise gehen soll. Immer düsterer werdende Traum-Szenen von Gewalt, Verletzung und Tod pflastern ihren gemeinsam beschrittenen Weg, der sie immer weiter weg führt von der Wirklichkeit, um schließlich eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Der Schöpfer der Fr agen Er vermag immer noch zu verblüffen, der mittlerweile 84jährige Hans Werner Henze, der der Musikwelt mit »Gisela!« eine weitere Oper geschenkt hat, musikalisch wie in ihrer Handlung hochemotional und überraschend in Verlauf und Wen­dungen. Das Werk, im September 2010 in Gladbeck im Rah­men von Ruhr.2010 uraufgeführt, wird nun als eigene Pro­duktion in einer weiterentwickelten Fassung an der Semperoper heraus­kommen – an einem Ort, an dem Henzes Œuvre über die Jahre gepflegt wurde: Bedeutende Werke wie das Ballett »Undine« im Jahre 1989 und die Erfolgsoper »Die Bassariden« im Jahre 1997 standen auf dem Spielplan; vorletzte Spielzeit hatte »L’Upupa und der Triumph der Sohnesliebe« Premiere, be­nannt als ›Ein deutsches Lustspiel. Elf Tableaux aus dem Arabisch­en‹. Verbanden sich hier Motive aus dem Morgen- und Abendland zu einem märchenhaften Reigen, so treffen in Henzes »Gisela!« Kulturen aufeinander, die unter­ schiedlicher und klischeebeladener nicht sein könnten: Wenn also die Deutsche dem Italiener begegnet, so sind Fragen und Konflikte programmiert. Nord trifft Süd, sucht, aber findet weder hier noch dort das Glück und verortet sich neu in einem fragilen Irgendwo, dessen solide Untermauerung noch Zukunftsmusik zu sein scheint. Mi t etwas mehr al s nur e i ner Geschichte im Gepäck Von einer Entwicklung im besten Sinn lässt sich sprechen, wenn man den Weg der Regisseurin Elisabeth Stöppler rückverfolgt, die sich im Jahre 2003 mit ihrer allerersten Arbeit »Das Kind und die Zauberdinge» in semper kleine szene empfahl und sich


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