Spielzeitschwerpunkt Wagner

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Gerade die Betätigung des Lebenstriebes unserer Gegenwart äußerst sich aber nicht anders, als in einer Vorausbestimmung der Zukunft, und zwar eben nicht als einer vom

nen – eine Fabel über einen erblindenden General (er könnte vielleicht mit dem einäugigen Wotan verwandt sein?), der das Böse der Menschheit sehen lernt. Das Stück steht seit etlichen Jahren in unserer Vorplanung, aber plötzlich ist dieses Werk hochaktuell. Ich wollte eigentlich mit Hans Werner Henze ein Interview führen: über »Wir erreichen den Fluss« mit Blick auf die heutigen Weltereignisse und über seine Gedanken zu Wagner. Aber am Telefon ist es schwierig, und Henze ist eher neugierig, was der Spielplan sonst noch bringt. Er fragt, wer die »Idomeneo«-Neuproduktion bei uns inszeniert. Es ist Michael Schulz, der in Gelsenkirchen 2010 die Internetoper gemacht hat, basierend auf »Boulevard Solitude« und »Manon Lescaut«. Auch wir werden Puccinis »Manon Lescaut« spielen, Hans allerdings mag lieber die Massenet-Version. Er ist voller Ideen und Gedanken, möchte über die Wiederaufnahme von »Gisela!« sprechen – es gibt noch Änderungen, die er unbedingt haben möchte, ein neues Lamento hat er schon komponiert … Das Musiktheater entwickelt sich halt stets weiter … Liebe Freunde, vielleicht haben Ihnen diese Gedanken etwas geholfen, den Spielplan der Saison 2012/13 zu verstehen. Jede einzelne Aufführung ist ein kostbarer Schatz, den wir für Sie auf die Bühne bringen! Die Opernsaison 2012/13 beginnt am 4. September 2012 mit Donizettis »Elisir d'amore« und endet am 7. Juli 2013 nach 302 Musiktheatervorstellungen mit dem »Fliegenden Holländer«. Und so hat auch hier Richard Wagner das letzte Wort: »Zum Rand sein Glas ein jeder fülle! Lieb' Nachbar liefert uns den Trank.«

Mechanismus der Vergangenheit abhängigen, sondern als einer frei und selbstständig in all ihren Momenten aus sich, d.h. dem Leben, heraus gestaltenden«, lässt Wagner seine Freunde wissen. In einen Spielplan, der im Licht des Wagner-Jahres steht, gehören also auch Gegenwart und Zukunft. Die italienische Komponistin Lucia Ronchetti wird ein Intermezzo für uns schreiben, ein lustiges Gespräch zwischen Metastasio und Wagner, ein Blick vom Barock bis in die Moderne. Einen solch weiten, umfassenden Blick hatte auch Ernst Křenek. Er verstand sich – wie Wagner – als Dichter, hat selbst Libretti geschrieben, seine Autobiografie hat mit 990 Seiten Wagnersche Dimensionen. Trotzdem ist er in der Lage, mit dem »Geheimen Königreich« eine fantastische Petitesse zu schreiben ... Ein Spielplan ist auch ein bisschen wie ein geheimes Königreich, wie er entsteht, wie es dazu kommt. Es drängt sich an dieser Stelle das Schlusszitat des Narren aus Křeneks »Geheimem Königreich« auf: »Verzeiht dies kleine Spiel und nehmt es nicht für mehr, als es ist: Ein Märchen in den Tag hinein. Ein wenig Musik, Tanz und Gesang, und so viel zum Nachdenken.« Nicht weniger zum Nachdenken sind Hans Werner Henzes Handlungen für Musik »Wir erreichen den Fluss«, die die Spielzeit eröff-

In diesem Sinne herzlich, Ihr Eytan Pessen

E y t a n Pe s s e n i s t O p e r n d i re k t o r a n d e r S e m p e ro p e r.

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