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TITELTHEMA | Osaka Marathon

bekannt als traditionelles Handelszentrum inklusive riesigem Güterhafen. So zeigt sich der Moloch mit viel Zement und Stahl, doch grüne Flecken lassen sich finden, beispielweise in dem herrlichen Park zu den Füßen der Burg von Osaka, wo das Startgelände für den Marathon lokalisiert ist. Zur Nacht erwacht ein weiterer Charakter der City, dann strahlen die überdimensionalen Leuchtreklamen der zahlreichen Amüsierviertel um die Wette. Der Beiname „Küche der Nation“ ist auf die ehemalige Vormachtstellung im Reishandel zurückzuführen, besitzt heute aber noch Gültigkeit. Die kulinarischen Verführungen der Stadt lauern auf den Besucher an jeder Ecke.

FOTOS: JOCHEN SCHMITZ

to run Osaka Marathon 2011

noch einen dritten Laufwettbewerb über 42,195 Kilometer, nämlich den für Roboter, doch darum soll es sich im Folgenden nicht handeln.

von Jochen Schmitz Japan, ein exotisches Land, ein laufbegeistertes Volk mit Kultur zwischen Tradition und Moderne. Leider sind es jedoch ganz andere Vokabeln gewesen, mit denen wir den Inselstaat in letzter Zeit assoziierten. Tsunami, Atomkatastrophe und Erdbeben stürzten das Land ins Unglück. Mittlerweile sind die Medienberichte dazu sehr viel seltener geworden. Trotzdem, aber auch verständlicherweise, sind die Besucherzahlen der Touristen in Japan dramatisch gesunken.

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Laut einer Meldung der Zeitung „Yomiuri Shimbun“ plant die japanische Tourismusbehörde, mit 10.000 Freiflügen wieder mehr Besucher ins Land zu bekommen. Wer interessiert ist, muss sich online bewerben und nach der Reise einen entsprechenden Bericht verfassen. Steigende Touristenzahlen könnten aber auch ganz anders generiert werden, beispielsweise durch die Teilnahme ausländischer Starter beim Osaka Marathon. Nun wird der hochleistungssportlich interessierte Leser an dieser Stelle entgegenhalten, dass das sehr optimistisch gedacht ist, da die Rennen dort nur für Elite-Athleten ausgelegt sind.

Für Spitze und Breite Doch das stimmt seit dem 30.10.2011 nicht mehr. Osaka hat nun ebenfalls seinen Breitensport-Marathon. Ganz dem Vorbild aus Tokio folgend, wo es zuerst auch nur Rennen für die Spitze gab und jetzt für die Breite gibt. Und ähnlich wie in der japanischen Hauptstadt ist das Interesse so groß, dass bei Weitem nicht jeder, der laufen wollte, eine Startnummer ergatterte. Sicherlich wird dieses Potenzial bald von den deutschen Laufreiseveranstaltern erkannt und der neue Markt bedient. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt: Es gibt in Osaka

RUNNING | Special 1/2012

Küche der Nation Osaka dürfte vielen noch als Austragungsort der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2007 in Erinnerung sein. Die Stadt gilt als drittgrößte Metropole im „Land der aufgehenden Sonne“ und ist

Umsäumt von Ginkgo-Bäumen Der Internetauftritt (auch in englischer Sprache) des Veranstalters und die mittlerweile weltweit übliche MarathonMesse zum Rennen stellen ausländische Besucher vor keine Herausforderung. Nur ist natürlich alles etwas bunter und lauter, aber ebenso japanisch bürokratisch perfekt. Bestimmt wird diese Szenerie durch die Sponsoren Eo-Hikari, Mizuno und Amino-Value. Das Startgeld für die Premiereausgabe betrug für Nicht-Japaner etwa 115,– Euro, das zur Verfügung

Jan Diekow war jahrelang in der deutschen Laufsportszene erfolgreich und errang zahlreiche Titel. Der gebürtige Berliner hat über die Marathon-Distanz eine persönliche Bestzeit von 2:21:57 Stunden stehen. Mittlerweile hat er sich aus dem Hochleistungssport zurückgezogen und betreibt das Sportfachgeschäft „Laufstil“ in Würzburg. Er folgte einer kurzfristigen Einladung zum Osaka Marathon und stand dort RUNNING – Das Laufmagazin für ein Gespräch zur Verfügung. Jochen Schmitz/RUNNING: Jan, wenn ich richtig informiert bin, hast Du schon mehrere Rennen in Japan bestritten. Jan Diekow: Ja, ich habe damals als Berliner von verschiedenen japanischen Partnerschaften profitiert und durfte in Tokio den Halbmarathon und in Kawaguchi den Marathon in Angriff nehmen. Das Land hat mich fasziniert, umso glücklicher war ich über diese erneute Einladung, auch wenn diesmal der sportliche Aspekt oder vielmehr meine Leistung nicht so im Vordergrund standen.

RUNNING: Wie war das für Dich, eine Veranstaltung mal aus der breitensportlichen Perspektive zu sehen? Hat Dir das Rennen hier gefallen? Diekow: Wenn man sich nicht so sehr auf ein gutes sportliches Ergebnis konzentriert, bleiben viel mehr Sinne für die wunderschönen Dinge in diesem beeindruckenden Land frei. Vor allem die Begeisterung von Jung und Alt an der Strecke und die vielen Kostüme haben das Laufen in der großen Masse zu einem Erlebnis gemacht. RUNNING: Wem würdest Du eine Teilnahme am Osaka Marathon empfehlen? Diekow: Sicher reist man nach Japan nicht der Bestzeit wegen. Schon der lange Flug und die Zeitumstellung sind nicht leistungsförderlich. Am Renntag selbst helfen eine perfekte Organisation, die Stimmung an der Strecke und die Freundlichkeit der Helfer schnell über die aufkommenden Schmerzen der letzten Kilometer des Marathons hinweg, sodass man auch noch genügend Kraft und Energie behält, das Leben und die Kultur dieses faszinierenden Landes anschließend zu erkunden.

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◗ Im Hintergrund die bekannte Leuchtreklame „Siegesläufer“ – davor Sportler aus Fleisch und Blut

gestellte Kontingent von 28.000 Startplätzen war innerhalb von Tagen ausgebucht. Für alle, denen die 42,195 Kilometer zu lang sind, wird die sogenannte Challenge über acht Kilometer angeboten (2.000 Startnummern, circa 60,– Euro). Gestartet wird zusammen wie bereits erwähnt im Osaka Castle Park auf einer Allee gesäumt von unzähligen Ginkgo-Bäumen.

Stolz in Richtung Ziel Hier im Park erwartet den europäischen Teilnehmer bereits der erste große Unterschied zu den Marathons hierzulande. Die Schlange vor den mobilen Klohäuschen ist unendlich lang, hier steht jeder an: Der Weg in die Büsche und Hecken

TIPP

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Reiseführer zu Japan gibt es viele, beispielsweise aus dem Hause Marco Polo oder aus der bekannten LonelyPlanet-Serie. Seit letztem Jahr hat auch der Trescher Verlag aus Berlin ein Werk dazu im Portfolio (ISBN 978-3-89794-161-8, Preis: 19,95 Euro). Über 500 Seiten bieten tolle Fotos, Hinweise und Geschichten. Besonders auffällig sind die gut recherchierten Hintergrundinformationen. Für den Läufer ist es schade, dass sich die Städtekarten nicht herausnehmen lassen.

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ist tabu. Vor den blauen Kästen wartet ein transportables Handwaschbecken, das von nahezu jedem Toilettengänger genutzt wird. Dieses Verhalten findet sich auf der Strecke wieder, kein Wasserlassen links und rechts des Kurses im Freien. Außerdem drängelt der Japaner kaum, gehende Teilnehmer sind zahlreich. Solange man sich in Richtung Ziel bewegt, mit welcher Geschwindigkeit auch immer, herrscht große Toleranz und Akzeptanz. Wer dann einem Mitstreiter aufmunternd auf die Schulter klopft, wird Unverständnis ernten. Dies ist freilich einer der Gründe, warum das Ziel erst nach 6:30 Stunden geschlossen wird. Ganz gleich den Sätzen des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami aus seinem Werk „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“: „Mit anderen Worten, das Wichtigste für einen Langstreckenläufer ist es, nach dem Lauf stolz auf sich zu sein.“ oder „Der einzige Gegner, den es beim Langstreckenlauf zu überrunden gilt, ist die eigene frühere Person.“

Die Fressmeile Und damit sind wir schon bei einer weiteren Eigenheit. In regelmäßigen Abständen finden sich auf dem Marathon-Parcours Cut-Off-Points mit definierten Durchgangszeiten und den Splits für den nächsten „Kontrollpunkt“.

Wer das Limit überschreitet, muss in den Besenwagen. Wie sieht es mit den Versorgungsstationen aus? Für die Flüssigkeitsaufnahme ist von der Organisation reichlich gesorgt. Mit der festen Nahrung verhält es sich etwas anders. Erst ab der zweiten Streckenhälfte gibt es diese regelmäßig. Nun ist der Japaner aber auch die Verpflegung von „außen“ gewohnt. Kurze Stopps am Straßenrand bei Freunden zum Auftanken von Motivation und Energie sind üblich. Bei Kilometer 32 des Osaka Marathon ist eine „Fressmeile“ aufgebaut. Über gut 50 Meter finden sich auf den Tischen Sushi, in Essig eingelegte Möhren, Teigtaschen und … ja, was eigentlich? Man sollte nicht alles verzehren, was dort im Angebot ist, ebenso verhält es sich mit den „Kleinigkeiten“, die das Publikum gerade kurz vor dem Ziel ins Feld reicht.

Durch die Stadt in den Hafen Der Kurs hat seine Stärken ganz klar auf den ersten zwei Dritteln. Diese führen durch die Innenstadt Osakas und lassen

Der Sportartikelhersteller Mizuno gehört im asiatischen Raum neben Asics und LiNing zu den Bedeutendsten. Besonders in Japan ist die Marke bei Läufern beliebt, kein Wunder also, dass das Unternehmen Hauptsponsor des ersten Osaka Marathon ist. Der Executive Vice President von Mizuno Jotaro Ueji nahm sich trotz allen Trubels um die Veranstaltung Zeit für ein kurzes Interview mit RUNNING – Das Laufmagazin.

den Teilnehmer ein Gespür für Land und Leute entwickeln. Somit wird der ganz leicht profilierte Kurs als solcher weniger wahrgenommen. Die einzig wirklich harte Steigung – eine Rampe – ist auf den allerletzten Kilometern zu verzeichnen. Diese führen dann durch den Industriehafen, bevor das Ziel auf dem Messegelände wartet. Entlang der ganzen 42.195 Meter stehen enthusiastische Zuschauer und üben sich in Geduld, um selbst das Ende des Läuferlindwurms zu bejubeln.

Die aktuelle Situation Kommen wir noch einmal auf die schrecklichen Geschehnisse dieses Jahres in Japan zu sprechen. Vielmehr auf die Frage: „Wie gehen die Einheimischen damit derzeit um?“ Auch dazu soll ein Zitat aus dem oben genannten Buch (erschienen übrigens im btb Verlag, ISBN 978-3-442-73945-5) von Murakami herhalten. „Kein Zweifel: Das Leben ist grundsätzlich ungerecht. Aber auch in einer ungerechten Situation besteht die Möglichkeit, ein gewisses Maß an Gerechtigkeit anzustreben. Das erfordert natürlich Zeit und Mühe, und am Ende lohnt es sich vielleicht nicht einmal. Jeder muss selbst entscheiden, ob es sich für ihn lohnt.“ Diese Sätze spiegeln die Situation im Inselstaat recht gut wider. Die Japaner sind noch immer betroffen, sehr gut über die aktuellen Geschehnisse informiert, aber auch mit einer gesunden Portion Optimismus versehen. Was könnte es Schöneres geben als diesen Menschen zu helfen, zum Beispiel durch einen Besuch beim nächsten Osaka Marathon Ende Oktober 2012.

es so, dass das Mizuno-Headquarter hier in Osaka ist. Und Osaka auch immer mit der Hauptstadt Tokio konkurriert, wo es seit einiger Zeit auch einen großen Marathon gibt. RUNNING: Werden Sie morgen ebenfalls an der Startlinie des Marathon stehen? Ueji: Natürlich interessiere ich mich sehr für den Lauf morgen, wie für alle Sportarten. Somit bin ich morgen an der Strecke. Als auszuübenden Sport bevorzuge ich Golf mit einem derzeitigen Handicap von 16.

Jochen Schmitz/RUNNING: Welchen Stellenwert hat das Segment Laufsport bei Mizuno? Jotaro Ueji: Neben vielen weiteren Segmenten wie beispielsweise Baseball und Golf ist uns natürlich auch der Laufsport sehr wichtig. So verkaufen wir jährlich circa 7,7 Millionen Laufschuhe weltweit. RUNNING: Ein Teil davon wird beim ersten Osaka Marathon getragen werden. Wieso ist es wichtig für Sie, dabei Hauptsponsor zu sein? Ueji: Na ja, Sponsoring auch von Athleten ist uns allgemein sehr wichtig. In diesem Fall ist

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