Servus in Stadt & Land 01/14

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01 /2014 &

in Stadt & Land

Rezepte von hoch oben

P. b. b., GZ10Z038662M, Verlagspostamt 1110 Wien

eiszapfen  & ritterstern & zaubernuss & wermut & grünkohl &  montafoner Tisch  &  Salzburger fleckerlteppiche

So gut schmeckt’s auf der Alm

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E i nfac h

.

Gut .

Leben

Die Erben der Wölfe

Schlittenhunde im Karwendel

2

Jänner

01/2014

EUR 4,50 chf 7,00

Schöne Aussichten Wenn die Sonne wieder lacht

Winterstilles Virgental

&

Der Goldschläger von Schwechat

&

Kräuterseifen aus dem Maltatal >


18

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28

Inhalt 2014 Jänner

Küche

Wohnen

12 Eisige Skulpturen

46 Gekräuselte Vitamine

18 Scheitl im Schnee

20 Es grünt so wintergrün

52 Einkehrschwung

76 In der Heimat der Hammerherren

Jeder Eiszapfen ist ein Kunstwerk für sich. Zumindest so lange, bis er sein Gewicht nicht mehr tragen kann.

Bei Familie Seidl im Schwarzatal gibt’s auch jetzt gartenfrische Salate.

28 Fähnchen im Schnee

Die bizarren Blüten der Zaubernuss entfalten erst bei Frost ihre Pracht.

40 Stern am Stiel

Im Jänner haben die Rittersterne ihren großen Auftritt.

132 Treffpunkt Vogelhäuschen

Im Winter scharen sich die hungrigen Vögel um die Futterstellen und geben uns Einblick in ihr flatterhaftes Leben.

4 Servus

Grünkohl ist ein Klassiker aus dem hohen Norden. Das Wintergemüse kommt jetzt auch bei uns zu Ehren.

Draußen klirrt die Kälte, drinnen prickelt die Haut von der Ofenwärme. Und hoch droben in den Hütten wird zünftig aufgekocht.

62 Steirischer Schmalzbrauch In Stainz werden Obst und Schmalz zu würzigen Aufstrichen vermischt.

66 Knusprig & cremig

So gelingen Brandteigkrapferln.

68 Zum Auslöffeln gut

Fünf Suppen, die das Herz und den Körper so richtig erwärmen.

Wie aus bunt gefärbtem Kaminholz und ein paar Seilringen ganz einfach ein Wurfspiel wird.

In der Eisenwurzen bewahrt Familie Zeitlinger das Erbe ihrer Ahnen.

84 Basteln mit Kindern Wir filzen ein Sitzkissen.

86 Fundstück

Eine schmückende Christbaumspitze wird zum Küchenquirl.

90 Winterweiße Schönheiten Kleine Kunstwerke, die das Fensterbrett jetzt erstrahlen lassen.

zusatzfotos cover: eisenhut & Mayer, Marco Rossi

Natur & Garten

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138

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fotos inhalt: katharina gossow, eisenhut & Mayer, marco rossi, stefan knittel, gap gardens, your photo todday, imago

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Standards 126

Land & Leute 96 Aus bunten Fleckerln

120 Ein Tisch mit Herz

100 Die Glücksbringer

126 Ein Hauch von Gold

Mitten in Salzburg webt Familie Weiß in siebenter Generation typisch alpenländische Fleckerlteppiche.

In der letzten Raunacht des Winters gehen im Ausseerland vermummte Gestalten um. Wer den Berigln die Tür öffnet, lässt auch das Glück rein.

110 Schwanzwedeln im Schnee

Sie sind die idealen Schlittenhunde und fühlen sich in der Kälte pudelwohl. Ein Besuch bei Erwin Hofer und seinen Huskys im Tiroler Scharnitz.

116 Duftende Seifenschäume

Die Kärntnerin Heidi Tisch stellt mit Blüten, Samen und Alpenkräutern kunstvolle Seifen her.

Markus Juen aus St. Gallenkirch ist einer der letzten Handwerker, die noch Montafoner Tische bauen.

In Erich Dungls Blattgoldschlägerei in Schwechat werden aus kleinen Barren zarte Blättchen.

138 Geschichten aus dem stillen Tal

Mitten in den Bergen mit der Natur leben – anders geht es gar nicht im hintersten Winkel des Osttiroler Virgentales.

160 Alte Zeiten

Die bunten „Freudenthaler Glasln“ aus dem Hausruck waren einst im ganzen Land begehrt.

3 Vorwort 6 Leserbriefe, Ortsnamen 8 Mundart 10 Servus im Jänner 26 Schönes für draußen 34 Der Garten-Philosoph 36 Unser Garten, Mondkalender 44 Natur-Apotheke: Wermut 60 Omas Kochbuch:

Schweinsripperl mit Ruim-Granl

74 Schönes für die Küche 88 Schönes Zuhause:

Deko-Tipps für den Jänner

94 Schönes für drinnen 106 Michael Köhlmeier:

Doktor Faustus in Salzburg

150 Ralph Wallner: Das verbotene Tor 154 ServusTV: Sehenswertes im Jänner 158 Feste, Märkte, Veranstaltungen 170 Impressum, Ausblick Titelfoto: Marco Rossi

Servus  5


regionale wortschätze

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Mundart Von Dr. Ingeborg Geyer

Einnicken

In der dunklen Jahreszeit kommt man nach der Arbeit besonders gern heim, zieht Schuhe und warmes Obergewand aus und setzt sich vielleicht ein wenig zum Aufwärmen auf die Ofenbank. Und wenn man genug gearbeitet hat, tut der Wechsel ins Warme seine Wirkung, gleich döst man ein wenig vor sich hin. – Wörter dafür stammen von vielen Wurzeln ab. Für jüngere Leser ist vielleicht interessant, dass unser napfetßn bzw. nåpfatßn lautgesetzlich dem englischen to nap entspricht. Es bedeutet nicht nur das Gleiche wie Powernapping, sondern hat auch dieselbe germanische Wurzel.

33 mao(n)ln

Wien

Gußwerk/Steiermark

dosaln Baumkirchen/Tirol näpfa

schtündln

Metnitztal/Kärnten

desln Wien

Götzis/Vorarlberg

duslen

Oberes Lavanttal / Kärnten

nau(n)getßn

nåpfatßn

tunkn, dunga verbreitet (außer in Vorarlberg)

tosme Außerfern/Tirol

Brixen/Tirol

Keschzn giaßn

dunkön

Ausseer Land/Steiermark

Fusch am Großglockner/Salzburg

8 Servus

nuka

Lustenau/Vorarlberg

verbreitet (außer in Vorarlberg)

Frastanz, Feldkirchen / Vorarlberg

knapön

dungetßn

gnao(n)gga Roggendorf, NÖ

Steirisches Lafnitztal

ainapfatßn

dosn

Weng, Liezen / Steiermark

Salzburg

an Tuslar måchn dusln

Graz-Umgebung/Steiermark

Wien und Umgebung

aintosme Tannheim/Tirol

Kerzn dunga Sulmtal/Steiermark, vereinzelt in Oberösterreich

desn

vereinzelt in Nieder- und Oberösterreich

naupm, nipfm

Mannersdorf/Burgenland

www.oeaw.ac.at; illustration: andreas posselt

an Büsla måchn


Die schönsten Seiten von daheim, ein ganzes Jahr lang e r h I

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Foto: Marco Rossi

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EINFACH. GUT. LEBEN.


gartenbesuch

Es grünt so wintergrün Knackiger Salat und frische Kräuter aus eigenem Anbau im Jänner und auf 740 Meter Seehöhe? Ein Besuch bei Charlotte und Johannes Seidl in ihrem Garten hoch über dem Schwarzatal. Text: Ruth Wegerer Fotos: Simone Andress


Wie eine Hüterin zur Bewahrung der winterlichen Natur steht die Frauenskulptur von Künstlerin Charlotte Seidl in der Landschaft. Hinter Teich und Schupfen leuchtet der gläserne Hausanbau in der tief stehenden Nachmittagssonne.

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lar und strahlend liegt der ­kleine Ort Prigglitz auf einer Sonnenterrasse über Nebelfeldern. Fährt man ein Stück aufwärts, weitet sich die Landschaft noch einmal. Bei guter Sicht hat man von hier aus das ganze schneegleißende Panorama vom Semmering bis zum Neusiedler See vor Augen. Eine Landschaft zum Aufatmen. Angeschmiegt an einen Hang erscheint ein Steinhaus mit einer zum Wohnhaus umgestalteten Scheune und einem verglasten Anbau an der Süd- und Westseite. Rund um Haus und Garten und in den weiten Wiesen ringsum ragen Figuren aus dem Schnee, die sich bei näherer Betrachtung als Skulpturen entpuppen. Sie machen diese unberührte Landschaft im südlichen Niederösterreich zu einem verzauberten Ort der außerordentlichen Begegnungen. Alle zwei Jahre laden die Seidls bildende Künstler aus aller Welt ein, ihre Werke in die Landschaft hineinzukomponieren. Das Ergebnis ist eine sehenswerte Symbiose aus Kunst und Natur. Auch Johannes und Charlotte Seidl sind freiberufliche Bildhauer. Schon beim Umbau des alten Gutshauses, das ab den 1920erJahren einem Wiener Rechtsanwalt als Domizil während der Sommerfrische diente, planten sie einen großen verglasten Anbau für das Gemüse. „Was uns bisher immer gefehlt hat“, erklärt Charlotte, „war ein Gemüsegarten im Innenbereich, damit ich meine Kräuter und Salate immer gleich bei der Hand hab.“ Kein Winterschlaf fürs Sommergemüse

Das ehemalige Wohnhaus ist heute Kunstzimmer, Lager und Galerie, die einstige Scheune wurde zum großzügigen Wohnhaus umgestaltet. Daran bauten die Seidls stufenförmig ihren Glashausgarten an den Hang, ohne die gute Erde an der Oberfläche abtragen zu müssen. Diese Erde wird laufend mit Kompost und Schafmist verbessert. Der Mist stammt von den eigenen Tieren – die Seidls sind nicht nur Künstler, sondern auch Biobauern. Durch die Terrassierung bekommt das südseitige Glashaus viel Sonne, braucht aber im Sommer keine Beschattung: Die ­liefert eine große Birke. Zusätzlich ist der 7,5 Meter hohe Glasanbau von oben be­ lüftet. Irgendetwas ist hier immer grün, selbst im Winter können die Hausbesitzer frische Salate ernten. Charlotte Seidl baut biologisches Saat­gut an, etwa die Salate Rossa di Verona ➻

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Eine Schiebetür trennt den Warmhausbereich vom kühleren Gemüsegarten. Im Warmen blühen Azaleen und andere Exoten, der kühlere Teil (Foto oben) liefert auch an klirrend kalten Wintertagen erntefrisches Gemüse.


Nicht nur Orchideen fühlen sich im Wintergarten wohl, an sonnigen Tagen sitzen hier auch die Hausleute gern. Im Sommer ­drehen sie im a ­ ngrenzenden Schwimmbecken ihre Runden.

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UNTER GLAS erscheint die KAPUZINERKRESSE HIER SCHON IM FRÜHjahr, EINE WAHRE FREUDE.

Für die Bildhauerin und ­Biobäuerin Charlotte Seidl ist das Leben in und mit der Natur eine stetige ­Quelle der Inspiration. Kohlpflanzen (links) und Asiasalat sind die Stars ihrer Winterküche.

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Die Schafe genießen den Auslauf im Schnee, während drin Zi­trusfrüchte am Baum hängen und der Mangold grünt (rechts) – der Wintergarten macht es möglich.

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Selbst gemacht

Knusprig & cremig

Besonders kundige Naschkatzen bezeichnen frische Brandteigkrapfen als ihre Lieblingsmehlspeise. Schon der Duft aus dem Ofen kann süchtig machen. redaktion: klaus kamolz & alexander rieder  Fotos: eisenhut & Mayer

S

o ein Glück, dass wir in diesem Fall nicht die Feuerwehr rufen müssen, wenn in der Küche etwas „abbrennt“. So sagt man bloß zum entscheidenden Vorgang bei der Herstellung von Brandteigkrapfen. Mehl, Butter und etwas Wasser (oder Milch) werden im Topf „abgebrannt“, bevor der Teig mit den Eiern fertig geknetet wird. Das macht ihn auch so besonders: außen knusprig, innen flaumig.

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Am besten schmecken Brandteigkrapfen frisch aus dem Ofen, ein wenig abgekühlt und mit einer süßen Creme gefüllt. Lässt man sie länger stehen, werden sie zäh. Aber die Gefahr besteht, wenn einmal ein Teller mit dieser Köstlichkeit aufgetragen wird, ohnehin kaum. Brandteigkrapfen gibt es in vielen Küchen der Welt: als Windbeutel, Strauben, Profiteroles oder Eclairs (übrigens die Nachspeise

am letzten Abend der „Titanic“). Letztere werden mit der Spritztülle länglich auf das Blech aufgetragen, oft mit Kaffeecreme gefüllt und mit Schokolade überzogen. Im deutschen Sprachraum heißen sie Liebesknochen oder Hasenpfoten. 3 Servus-Tipp: 184 weitere Rezepte finden Sie im „Großen Servus-Kochbuch“. Bestellung auf www.servusmarktplatz.at


Brandteigkrapfen Zutaten für ca. 25 Stück Zeitaufwand: 1 Stunde 250 ml Wasser 100 g Butter 1 Prise Salz 250 g glattes Mehl 5 Eier (Größe L)

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zubereitung 1. Wasser, Butter und Salz in einer Stielkasserolle einmal kurz aufkochen lassen. 2. Das Mehl in einem Schwung in die Kasserolle stürzen und sofort mit dem Kochlöffel kräftig verrühren. 3. Bei mittlerer Hitze den Teig mit dem Kochlöffel so lange rühren und kneten, bis ein geschmeidiger, glatter Klumpen entsteht und dieser sich vom Topfboden löst.

4. Den Teig in eine Rührschüssel geben und etwas abkühlen lassen. Nun ein Ei vollständig in den Teig einarbeiten. 5. Mit den restlichen Eiern so weiterverfahren, bis eine glänzende, weiche Masse entsteht. 6. Das Backrohr auf 220 °C Ober-/Unterhitze vorheizen und ein Backblech mit Backpapier belegen. Den Brandteig in einen Spritzbeutel mit Sterntülle (Nr. 11 oder 12) füllen und Rosetten

auf das Papier drücken. 5 cm Abstand lassen, damit sie nicht aneinanderkleben. Krapfen auf der mittleren Schiene 12 bis 15 Minuten backen. Die warmen Brandteigkrapfen quer durchschneiden und abkühlen lassen. Mit Erdbeerobers, Vanilleobers, Vanillepudding oder einer Schokocreme füllen, zusammensetzen und ganz frisch genießen.

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eiszeit

Winterweisse schönheit

Hat der Winter sein glitzerndes Kleid über die Landschaft gelegt, holen wir seine strahlende Unschuld mit kleinen Kunstwerken fürs Fensterbrett ins Haus. Redaktion: alice fernau Fotos: katharina gossow mitarbeit: sophie Palme

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Klarer Blick Fotos links und oben: Alte Marmeladengläser sind die Basis für die hübschen Schneekugeln, die unser Fensterbrett im Jänner zieren. Wir haben einfach Flechten, Moos, kleine Bäumchen (aus dem Modelleisenbahn-Fachgeschäft) und Miniaturtiere in die Deckel geklebt, dann das Glas innen mit etwas Kunstschnee besprüht und die beiden Teile miteinander verschraubt. Auf den Kopf gestellt, sind die schmucken Gesellen nämlich schon fast fertig. Als Sockel haben wir alte Keksausstecher und ein kleines Tortenförmchen verwendet. Weiß besprühte Kletten und Asterl sowie eine Keramikschale mit Silberkörbchen befüllt komplettieren das winterliche Arrangement.

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Filigrane Freude Fotos oben und rechts: Für unsere kleinen ­Wetterwölkchen brauchen wir weißen Filz, ­Karton, Watte, Glasperlen, Garn, Zwirn, ­Nähnadel und eine Schere. Zuerst haben wir aus dem Pappendeckel unsere Schablone und ­anschließend sechs Wolken ausgeschnitten. Nachdem wir diese an ihren Rändern zusammengenäht hatten, konnten wir sie mit Watte ausstopfen. Dann haben wir Glasperlen auf ­einen Zwirn gefädelt und die Wölkchen mit ­diesen ­bestückt. Für die Knopfgirlande haben wir Omas Perlmuttknopf-Sammlung geplündert, bevor wir die schillernden Plättchen auf ein­ fachen Küchenspagat geknüpft haben. Wölkchen am Fenster fixieren, Girlande um einen weiß ­getünchten Ast schlingen, Kerzen dazugruppieren – fertig! Foto rechts unten: Die sternförmigen Unter­ setzer haben wir aus einfachen Holzkluppen ­gebastelt: Zuerst die metallenen Klammern ­entfernen – so erhält man die hölzernen Ein­ zelteile. Die haben wir weiß getüncht, ihnen ­etwas Zeit zum Trocknen gegeben und sie ­nachher an den unteren, schrägen Enden zu­ sammengepickt. Auf den Tisch gelegt sind sie nicht nur hübsch anzuschauen, sondern ­dienen auch als ideale Hitzeschilde.

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Helle Momente Diese Seite: Für die papierenen Schneeflocken braucht man weißes Papier, eine spitze kleine Schere (am besten eine Nagelschere), Fantasie und ein bisschen Geduld. Zuerst haben wir das Papier mehrmals gefaltet und unterschied­liche Figuren hineingeschnitten. Danach haben wir die zarten Gebilde an Zwirnsfäden an der äu­ ßeren Scheibe eines Kastenfensters montiert. Die innere Scheibe haben wir einfach mit Schnee­flocken bemalt. Dazu eignet sich ein ­Stückerl Kernseife besonders gut. Die weiße Porzellanleuchte und ein Krug mit Wachsblumen passen perfekt zu unserem ­vielschichtigen Schneegestöber. Die Schale mit Wiener Mandeln und Lakritzkreide ver­süßt uns den Blick in die wunderbar weiße ­Winterwelt. 3


Handwerk

Duftende

Seifenschäume

Sie sind verziert mit Blüten und Samen und verströmen das Aroma von Alpenkräutern. Die Kärntnerin Heidi Tisch stellt kunstvolle Seifen her, die reinigen, pflegen und die Haut heilen. Text: christine radmayr Fotos: arnold pöschl

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urch die Werkstatt von Heidi Tisch am Molzingerhof im Maltatal kann man sich sozusagen hindurchriechen, -schauen und -tasten. Nur eines ist verboten, ins ­Fettnäpfchen zu treten, Pardon, zu greifen. Sofort fallen einem nämlich die Töpfe mit ­Fetten und Ölen auf den Tischen auf. Es sind Zutaten für die Seifenproduktion. Es riecht nach Lavendel, Rosen, Kräutern. Getrocknete Pflanzen hängen von der Decke. Die vielen braunen Fläschchen mit allerlei Tinkturen, Näpfe mit Palm- und Oliven­öl ziehen den Blick genauso auf sich wie farbintensives Blau, Rot, Rosa und Grün in den kleinen Papiersäcken. „Ich färbe meine Seifen mit Pflanzen­ farben aus Spinat, Brennnesseln, Roten Rüben, Karotten, aber auch mit Tonerden und Mineralien“, erzählt die Kärntnerin, die biozertifizierte Naturkosmetik herstellt. Im hinteren Bereich des Raums kommt der Tastsinn auf seine Kosten: Im Block, in Stücke geschnitten, in Schaf- oder Engerlform, verziert mit Blüten, Früchten und ­Samen liegen verschiedene Seifen zum Andie-Nase-Halten und als Handschmeichler bereit. Zwei Tische weiter dürfen wir in kleine Probetiegelchen greifen. Darin sind Lippenbalsam, Rosenbutter, Cellulitecreme, Meisterwurz- und Ringelblumenbalsam. Heidi Tisch vereint die Liebe zur Natur und zum Handwerk, altes Wissen über Heilpflanzen und die Lust am Experimentieren in der Herstellung ihrer Produkte. Die Maltatalerin scheint selbst Beispiel dafür zu sein, dass ihre Produkte gesund sind und wirken. Sie ist 68 Jahre jung, Falten um Mund und Augen – bis auf ein paar sanfte Lachfältchen – sucht man vergeblich. „Meine Mutter, eine Bergbäuerin, hat immer etwas auf das Vieh und das Aus­sehen

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gehalten. Beides ist mir in Fleisch und Blut übergegangen“, sagt die Kärntnerin und ­erinnert sich: „Ich hatte als Mäderl lange, schöne Haare mit Krause. ‚Auf die müssen wir schauen‘, sagte die Mama immer. Jede Haarwäsche wurde mit einer Essig-undBrennnessel-Spülung beendet.“ Den Sommer verbrachte Heidi mit der Mutter auf der Alm. Tagwache war um drei Uhr früh, Kühe und Ziegen mussten gemolken, Kälber und Schweine gefüttert werden. „Jeden Tag ging die Mama frühmorgens zum Gletscherbach. Mit eiskaltem Wasser wusch sie Gesicht und Oberkörper. Ich weiß noch, wie sie geprustet hat, als sie zurück in die Hütte kam. Ein grobes Handtuch ersetzte das Peeling“, sagt Heidi Tisch lachend. „Meine Mutter wurde 90 Jahre alt und strahlte diese Frische bis zuletzt aus.“ Ohne Reinigung ist alles nichts

Auch über Pflanzen lernte das Naturmädel viel. „Beim Beobachten meiner geliebten Goaß habe ich gesehen, dass die Meisterwurz zu ihrem Lieblingsfutter gehörte. Ich dachte, das muss was Gutes sein, hockte mich zu den Ziegen und aß die Pflanzen mit ihnen.“ Viel später lernte Heidi Tisch, dass die Meisterwurz in der Volksheilkunde für ­Ausdauer und Selbstbewusstsein steht und zur Steigerung der Abwehrkraft eingesetzt wird. „Für mich ist die Meisterwurz die ­Königin der Bergkräuter. Und so habe ich auch eine Meisterwurzseife kreiert.“ „Pflanzen, die man essen kann, die entgiften und den Stoffwechsel anregen, sind meist auch für die äußerliche Pflege richtig“, erklärt die Kräuterexpertin. „Ohne Reinigung ist alles nichts. Dafür sollte man sich wirklich zweimal täglich Zeit nehmen. ➻


Rosenblüten, Orangen, Lavendel und Kaffeebohnen für das Auge: Nicht nur der Duft, sondern auch die Verzierung lässt auf die Inhaltsstoffe der Seifen schließen.


Feste Fette und Pflanzenöle sind die Basis und werden im Emailtopf geschmolzen. Hat Heidi Tisch dann die Lauge eingerührt, kommen noch ätherische Öle für den Duft dazu (Bild unten).

Seifen-Lösungen für (fast) alle Fälle >  4-Kräuter-Seife aus Salbei, Petersilie, Gundermann und Vogelmiere für unreine und Aknehaut. >  Fichtenseife mit Schlämmkreide duftet nach Wald, rubbelt die Haut sanft und bringt freien Atem. >  Kaffeeseife beseitigt schlechte Küchengerüche (Zwiebel, Knoblauch, Fisch) auf den Händen und peelt zugleich. >  Rosenseife mit Sheabutter ist eine cremige, feuchtigkeitsspendende Luxusseife. >  Schafmilchseife mit Avocadobutter ist eine Milchseife und daher besonders pflegeintensiv, wirkt gegen Falten und ist gut für empfindliche Haut. >  Shampooseife mit Pflanzen für ­Kopf­haut und gesunde Haare (enthält einen ­starken Tee aus Brennnesselwurzel und -blatt, Birkenblättern, Buchsbaum, Klettenwurzel). Das enthaltene Rizinusöl bringt viel Schaum.

Gesicht, Hals und Dekolleté reinige ich nur mehr mit meinen nachfettenden Seifen und mit Quellwasser. Mein ganz persön­ licher Favorit dafür ist die Glyzerinseife auf Ziegenmilchbasis.“ rückfettende bio-seifen wie früher

Viele Jahre war Heidi Tisch im Gastgewerbe tätig, war weg vom gesunden und naturver­ bundenen Leben ihrer Kindheit. Dass sie vor mehr als zehn Jahren damit anfing, Natur­ kosmetik herzustellen, das hat sie ­ihrer ­Problemhaut zu verdanken. „Von teurer Pflegecreme wurde meine Haut nicht schöner, im Gegenteil. Dann habe ich mich auf Mutters Weisheiten be­ sonnen, suchte alte Rezepte zusammen und probierte sie aus. Ich hab geglänzt wie ein Speckschwartl, aber schon die erste selbst fabrizierte Creme tat mir gut. So bin ich auf den Geschmack gekommen und hab mich weitergebildet.“ Ihre Tochter und die zwei Enkerl sind willige und meist auch begeisterte „Ver­ suchskaninchen“. Und sie inspirieren Heidi auch immer wieder zu neuen, originellen Kreationen. Vor acht Jahren begann die Maltatalerin schließlich das Seifensieden mit Alpen­ pflanzen. Dass Naturseifen eine Renais­ sance erleben, wundert sie nicht. Immer wieder erzählen Kunden, dass sie herkömm­ liche Seifen nicht mehr nutzen wollen, weil diese die Haut austrocknen, die Poren ver­ stopfen und kaum pflegen. Heidi Tischs handgemachten, kalt gerührten Bioseifen


Zuletzt werden Pflanzenfarben dazugemischt, und die Masse wird in die Kastenform gegossen (ganz oben). Abgedeckt ruht die Seife einen Tag, bevor sie mit einem geriffelten Seifenmesser geschnitten wird.

aus natürlichen Rohstoffen – die Methode der Kaltverseifung kennt man erst seit dem 19. Jahrhundert – sind hingegen rück­ fettend, richtige Hautschmeichler also. „Man kann mit meinen Seifen Hände, Gesicht, Körper und Haare waschen und sie zur Rasur nutzen. Mehr als hundert Re­ zepturen habe ich bis jetzt, und es kommen immer neue hinzu“, erzählt Heidi Tisch. „Je nach Pflanzentee, den ich beimische, wirken die Seifen entzündungshemmend, hautberuhigend oder wundheilend. Und ich experimentiere gerne mit Düften und Pflanzen.“ Die Pflanzen dafür sammelt Walheide Tisch im Sommer selbst. Jene, die nicht

rund ums Haus wachsen, findet sie auf den Almen in den Nockbergen und im hinteren Maltatal. Sonntags werden die Kräuter verseift

Dazu zieht sie mit dem Rucksack los und hat gleich mehrere Baumwollsäckchen um­ gebunden, in die sie Meisterwurz, Arnika, Frauenmantel, Schafgarbe, Melisse, Jo­han­ niskraut sowie allerlei andere wertvolle Kräuter hineinsammelt. Jetzt, im Winter, wenn alles getrocknet ist, werden die Schätze dann weiterver­ arbeitet. „Meistens am Sonntag, wenn ich Ruhe habe, starte ich zwei oder drei ­Seifenrunden. Wenn man geübt ist, hat

man in ­einer Dreiviertelstunde die Seife im ­wahrsten Sinn im Kasten, sprich: in der Kastenform.“ Nach fünf Wochen Reifezeit ist die Seife bereit zur Verwendung. Und schließlich, wenn auch Form und An­mutung stimmen, sind Heidis kleine ­Seifenkunstwerke nicht nur der Gesundheit zuträglich, sondern schmücken auch das Badezimmer. 3

Servus-Tipp: Walheide Tisch ist Buchautorin („Alpenkosmetik: Naturschönheit – Rezepte“, Freya Verlag) und bietet auch Seifensiede­ kurse an. Tel.: +43/676/965 79 00, www.naturschoenheit.at

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