Handbuch - Sozialpräventive Fanarbeit in Europa

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Handbuch

Sozialpr채ventive Fanarbeit in Europa


pro supporters – Prävention durch Empowerment

Kick-Off

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as Projekt pro supporters ist der Anstoß zu einer europaweiten Vernetzung von Projekten, die sich dem Thema der professionellen Arbeit mit Fußballfans widmen. Wir haben das Ziel, erfahrene Projekte in der sozialpräventiven Fanarbeit mit Projekten, die sich im Aufbau befinden, zusammen zu bringen und diese voneinander lernen zu lassen. Das Fanprojekt in Liberec war der Ort des ersten Austauschtreffens aller beteiligten Fanarbeitsprojekte und der Koordinationsstellen Fanarbeit Österreich, Deutschland und Polen. Das Ergebnis war die Herausbildung zweier „Triangles“ von Fanarbeitsprojekten, die sich darauffolgend im Rahmen von „Study Visits“ kennenlernen konnten. Aus diesen und weiteren Erfahrungen entstand schließlich dieses Handbuch zur Etablierung sozialpräventiver Fanarbeit in Europa.

Das Handbuch wurde in vier Sprachen publiziert und gibt einen Überblick über das pro supporter-Projekt und die Study Visits, erläutert die Entstehungsgeschichte und den Status Quo von Fanarbeitsprojekten und beschreibt die Idee der sozialpräventiven Fanarbeit. Dabei ist zu erkennen, dass bei allen beteiligten Fanarbeitsprojekten lokale Besonderheiten eine große Rolle spielen und berücksichtigt werden müssen. Die beschriebenen Beispiele aus Deutschland und Polen stellen die Organisation von einem etablierten und einem neuen Fanarbeitsprojekt dar.

Schließlich erlauben wir uns Empfehlungen, wichtige Kriterien und Mindeststandards für den Bereich sozialpräventive Fanarbeit aufzustellen und hoffen damit all jene unterstützen zu können, die Faninitiativen und Fanarbeitsprojekte aufbauen wollen. Viel Vergnügen beim Kennenlernen des pro supporters - Projekts! Thomas Gaßler und David Hudelist (Koordination Fanarbeit Österreich)

Partner

Die Grundidee des pro supporters - Projekts ist, einen langfristigen Ansatz von sozialpräventiven Maßnahmen im Bereich Fußballfans zu entwickeln und zu unterstützen, der dem dominanten Zugang zu Fußballfankultur mit Repression, Verboten und Überwachungen entgegen gesetzt ist. Die Stimme der Fans, ihre Ideen und ihr Potential sollen in den Vordergrund gerückt und professionelle Ansätze in der Arbeit mit Fußballfans gefördert werden. Das Weißbuch Sport der EU-Kommission empfiehlt den Ansatz der Fanarbeit zur Unterstützung einer positiven und gewaltfreien Fankultur.

Gefördert von

Impressum: Herausgeber und Medieninhaber: Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC) | Möllwaldplatz 5/3 | A-1040 Wien | Tel. +43 1 71 33 5 94 | E-Mail: office@vidc.org | www.vidc.org, www.fairplay.or.at | Redaktion: David Hudelist, Thomas Gaßler, Tomas Carnogursky, Thomas Hafke, Dariusz Lapinski, Gabriele Rechberger, Jakub Kurowski, Matthias Stein, Armin Weber | Fotos: pro supporters, Holger Arnold/Fanprojekt Jena, Matthias Ebbinghaus, Kibice Razem Wroclaw, tivoli12, www.supras-unisono.info, Fanprojekt Bremen | Grafik: Puschel | Druck: Resch

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as Projekt pro supporters zur Förderung einer inklusiven und gewaltfreien Fan- und Fußballkultur, von FairPlay-VIDC koordiniert, startete im März 2012 mit einem Kick-Off-Meeting im Aviva Stadion in Dublin beim Irischen Fußballverband (FAI). Neben der FAI sind Football Supporters Europe (FSE), die internationale Spielergewerkschaft FIFPro, der Nordirische Fußballverband (IFA), das Fanprojekt Slovan Liberec aus Tschechien und die Universitäten Durham und Loughborough Projektpartner.

/ Ziele / • Förderung der Selbstregulierung, des Empowerement von Fans für Fans und des Dialogs zwischen Fußballfans und Fußballinstitutionen

• Weiterentwicklung von Ansätzen der sozialpräventiven

Fanarbeit in Europa und Förderung einer gewaltfreien, inklusiven und antidiskriminatorischen Fußballfankultur • Aufbau eines europäischen Netzwerks und Austausch von Good Practice zwischen Fans, Vereinen, Ligen, Verbänden, Spieler_innen und Migrant_innengruppen. • Entwicklung von innovativen und kreativen Methoden von Jugendlichen im Umgang mit Rassismus und Diskriminierung im Fußball 03


Triangles zu Fanarbeitsprojekten

Vernetzung von Fanarbeitsprojekten – Study Visits

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echs Fanarbeitsprojekte aus vier Ländern waren im Modul “Connecting Fan Projects across Europe” involviert. Kern dieses Moduls sind so genannte Study Visits. Die sechs Fanarbeitsprojekte wurden in zwei Gruppen eingeteilt und hatten die Möglichkeit, sich über ein Jahr lang gegenseitig auszutauschen, zu besuchen und voneinander zu lernen. Je ein etabliertes Fanarbeitsprojekt nahm die Rolle des Mentors ein, zwei Fanarbeitsprojekte im Aufbau schlossen sich diesem an und formten so ein Triangle.

Triangles

Fanprojekt Bremen (GER) Fanarbeit Innsbruck (AUT) Fanprojekt Slovan Liberec (CZE)

Fanprojekt Jena (GER) Kibice Razem Wroclaw (POL) Austria Salzburg (AUT)

Den Auftakt der Study Visits machte ein gemeinsames Austauschtreffen in Liberec, bei dem das Fanprojekt Liberec seine Arbeit präsentierte und die Konstellation der beteiligten Gruppen fixiert wurde. Unter anderem waren bei dem Treffen die Koordinationsstellen Fanarbeit Deutschland (KOS Fanarbeit), Polen (Kibice Razem) und Österreich (pro supporters) anwesend. Bei diesem Austauschtreffen wurden Inhalte des Handbuchs und die Organisation der Study Visits beschlossen. Von Herbst 2012 bis Mai 2013 fanden insgesamt sieben Study Visits statt, die von den Sportsoziologen Richard Giulianotti (University of Loughborough) und Peter Millward (University of Durham) evaluiert und begleitet wurden. Während der Study Visits haben die Mitarbeiter_innen der Fanarbeitsprojekte und anwesende Expert_innen Input und Ideen für das Handbuch zur Etablierung von Fanarbeitsprojekten in Europa sammeln können. 04

Die Study Visits sind ein empfehlenswertes Tool, um den Ansatz von sozialpräventiver Fanarbeit in Europa kennenzulernen und vergleichen zu können. pro supporters hat jeden Study Visit begleitet und sehr dynamische und intensive Arbeitsprozesse beobachten können. Beide Triangles bewerten die Study Visits als großen Erfolg und blicken mit Enthusiasmus auf weitere gemeinsame Projekte. Wichtige Erkenntnisse sind die regionalen Besonderheiten der Fanarbeitsprojekte. Bei jedem der involvierten Projekte spielen das Verhältnis zum jeweiligen Fußballverein, zur Stadt und zum Land eine große Rolle. Sehr relevant ist die lokale Jugend- bzw. Fankultur und die besonderen Anliegen der Fans. Festzuhalten ist, dass Fanprojekte auf Grundlage der Analyse lokaler Probleme und Lösungsmöglichkeiten arbeiten und dabei kulturelle Besonderheiten/Differenzen zwischen Fangruppen in verschiedenen Ländern und Regionen berücksichtigen. Fans in Deutschland haben, wie auch bei den Study Visits augenscheinlich wurde, andere Bedürfnisse als zum Beispiel Fans in Tschechien. Aber auch in einem Land kann der Unterschied von Verein zu Verein oder Stadt zu Stadt groß sein. Die Conclusio aus den Study Visits ist demnach, neben vielen gemeinsamen Anliegen und Vorstellungen der einzelnen Fanarbeitsprojekte, die doch recht unterschiedliche Auslegung von sozialpräventiver Fanarbeit und ihre Anpassung an regionale Gegebenheiten und Fankulturen. Ein nächster Schritt zur Nachhaltigkeit im Aufbau sozialpräventiver Fanarbeit ist, in den jeweiligen Ländern weitere Kriterien und Mindeststandards zu definieren.

/ 1. Arbeitsgruppe (Triangle) /

/ 2. Arbeitsgruppe (Triangle) /

/ Fanprojekt Bremen (GER) /

/ Fanprojekt Jena (GER) / Das Fanprojekt Jena wurde 1991 gegründet. Das Hauptaugenmerk ist das Angebot von Jugendarbeit für die Fanszene des FC Carl Zeiss Jena. Seit 1993 gehört das Fanprojekt der bundesweiten Vereinigung von Fanprojekten (BAG) an. Das Fanprojekt ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Seit 2008 gibt es drei hauptamtliche Mitarbeiter, die von über zehn Ehrenamtlichen unterstützt werden. Die Finanzierung des Fanprojekts ist unabhängig von der Liga, in der der FC Carl Zeiss Jena spielt. Das ist ein sehr wichtiger Bestandteil der kontinuierlichen und erfolgreichen Arbeit des Fanprojekts Jena.

Als Pionier der Fanarbeit nahm das Fanprojekt Bremen seine Tätigkeit zur Jahreswende 1981/82 auf. 1984 wurde mit dem Fanprojekt Bremen e.V. ein eigenständiger Verein als Träger gegründet. Zweck des Vereins ist es, sozialpädagogische Maßnahmen mit Fußballfans durchzuführen, die geeignet sind, den kulturellen Lebensbedürfnissen von Jugendlichen in verschiedenen Lebensbereichen gerecht zu werden. Die Maßnahmen sollen zum Abbau von Konfliktsituationen unter jugendlichen Fußballfans beitragen und dadurch ihre Handlungskompetenz praktisch fördern. Herzstück des Projekts ist der „OstKurvenSaal“ in dem Veranstaltungen größerer Art stattfinden.

/ Fanarbeit Innsbruck – Sozialarbeit mit Fußballfans (AUT) /

/ Kibice Razem Wrocław (POL) /

Das Projekt Fanarbeit Innsbruck – „Sozialarbeit mit Fußballfans“ ist das erste unabhängige Sozialarbeitsprojekt in Österreich, welches ausschließlich und hauptamtlich mit Fußballfans des FC Wacker Innsbruck arbeitet. Einzigartig ist die Fanarbeit Innsbruck nicht nur aufgrund ihrer Pionierstellung, sondern vor allem wegen der basisnahen Trägerschaft durch den eingetragenen Verein Fan-Initiative Innsbruck. Durch die Einhaltung des sogenannten „Buttom-Up-Prinzips“ konnte sich Sozialarbeit mit Fußballfans in Innsbruck sehr schnell bei den Fans etablieren.

Das Fanprojekt Kibice Razem Wroclaw befindet sich im Stadtzentrum Breslaus. Es wurde 2010 gegründet und ist zusammen mit dem Projekt Kibice Razem Lechia Gdansk das älteste Fanprojekt in Polen. Während der UEFA Euro 2012 dienten die Räumlichkeiten als stationäre Fanbotschaft. Ziel des Kibice Razem Projekts ist die Unterstützung der Fans des WKS Slask Wroclaw unabhängig von deren Alter oder deren Erfahrungen im Stadion. Kibice Razem Wroclaw arbeitet mit lokalen, nationalen und internationalen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und Organisationen, die im Bereich Fußball und Fankultur tätig sind, zusammen.

/ Fanprojekt Slovan Liberec (CZE) /

/ Austria Salzburg (AUT) /

Der Start des Fanprojekts in Liberec erfolgte 2004 unter dem Motto von „Fans für Fans“. Fans organisierten einen Raum, in dem sie sich auch außerhalb der Spieltage treffen konnten, um Aktivitäten vorzubereiten, Meetings mit Spieleren und Klubverantwortlichen abzuhalten oder den Raum als Freizeitangebot zu nutzen. 2007 wurde von organisierten Fans das „Fanprojekt Slovan Liberec“ als eigenständiger Verein ins Leben gerufen. Das Ziel ist die Qualität der Arbeit auszubauen, das Interesse der aktiven Fanszene zu wahren und auch weitere Aktivitäten gegen Rassismus und Diskrminierung durchzuführen.

Sozialpräventive Fanarbeit bei Austria Salzburg befindet sich noch in der Planungsphase. Das weit über das übliche Maß hinausgehende Mitspracherecht der Fans am Vereinsgeschehen schafft eine gute Basis, engagierte und zielgerichtete Fanarbeit aufzubauen. Eine breite Zustimmung der Fanclubs ist Voraussetzung dafür. Jetzt ist der beste Zeitpunkt, diese in Österreich einzigartige Fanbeteiligung für die Zukunft sicher in den Statuten des Vereins zu verankern. Erschwerende Faktoren für die zukünftige Fanarbeit sind zum einen die fehlende finanzielle Unterstützung und die knappen räumlichen Ressourcen.

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Sozialpräventive Fanarbeit / Was steckt hinter dem Begriff sozialpräventive Fanarbeit? /

Beispiele für sozialpräventive Fanarbeit in Europa

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eutschland verfügt über die professionellsten und längsten Strukturen sozialpräventiver Fanarbeit in Europa. Erste Fanprojekte wurden in den 80er Jahren gegründet und sind seitdem etabliert. Die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) wurde 1993 eingerichtet, um die sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekte inhaltlich zu begleiten, zu koordinieren und bei der Einrichtung weiterer Projekte mitzuwirken. Grundlage der Arbeit ist das Nationale Konzept Sport und Sicherheit (NKSS), das den inhaltlichen und organisatorischen Rahmen der Jugendsozialarbeit im Fußballbereich absteckt. Derzeit werden an 46 Standorten in Deutschland 51 Fanszenen betreut. Neben der Beratung und Begleitung der Fanprojekte in Deutschland steht die KOS den Fußballinstitutionen, der Politik, der Polizei und den Medien in Sachen professioneller pädagogischer Fanarbeit als beratende und informierende Instanz zur Verfügung. Die Geschichte der sozialpräventiven Fanarbeit in Polen geht auf die Vorbereitung der UEFA EURO 2012™ zurück. Im Zuge dieser entstanden die ersten polnischen Fanarbeitsprojekte in Gdansk, Wroclaw und Warschau. Das erste Fanprojekt außerhalb einer Austragungsstadt der UEFA EURO 2012™ wurde im April 2011 in Gdynia eröffnet. Die Entstehung der Fanprojekte in Polen wurde von der KOS und den etablierten Fanprojekten in Deutschland stark unterstützt. Die Fanarbeitsprojekte werden vom Polnischen Fußballverband PZPN koordiniert und verwaltet. Derzeit werden Pläne entwickelt, die es vor allem finanziell ermöglichen sollen, Fanprojekte in sechs bis acht weiteren polnischen Städten zu eröffnen.

Seit Juli 2012 gibt es mit „pro supporters – Koordination Fanarbeit Österreich bei FairPlay-VIDC“ eine Koordinationsstelle für sozialpräventive Fanarbeit in Österreich. Mit Fanarbeit Innsbruck – 08

Sozialarbeit für Fußballfans und Fußball.Kult.ur Lustenau bestehen in Österreich zwei professionell geführte sozialpräventive Fanarbeitsprojeke. Streetworker_innen vom oberösterreichischen Verein ISI – Initiative zur sozialen Integration arbeiten u.a. mit Fans von der SV Ried und dem LASK. In Salzburg gibt es Bestrebungen von engagierten Fans ein sozialpräventives Fanarbeitsprojekt bei Austria Salzburg zu starten. Für den FK Austria Wien hat pro supporters - Koordination Fanarbeit Österreich ein Konzept zum Thema Diskriminierung und Gewalt erstellt in dem sozialpräventive Fanarbeit als langfristiger Lösungsansatz eingearbeitet wurde. Der FK Austria Wien war auch der erste Verein, der professionelle Sozialarbeit für seine Fans anbot. Das Projekt wurde aber 2010 eingestellt. Ziel von pro supporters ist eine flächendeckende Etablierung von sozialpräventiver Fanarbeit in Österreich bei Vereinen mit relevanten Fanszenen. In der Schweiz fallen unter den Begriff Fanarbeit die klubbezogene, wie auch die sozioprofessionelle Fanarbeit. In den vergangenen Jahren wurde einerseits die klubbezogene Fanarbeit im Fußball und Eishockey (Fanverantwortliche, Fandelegierte) reglementiert und andererseits die sozioprofessionelle Fanarbeit (am Vorbild der deutschen Fanprojekte) vorangetrieben. Zielsetzung ist es, im Umgang mit Fußballfans ein präventives Standbein aufzubauen. Derzeit gibt es in der Schweiz Fanarbeitsprojekte in Basel, Bern, Luzern, Zürich und Winterthur, die von FaCH – Fanarbeit Schweiz koordiniert werden. Sechs weitere Standorte sind in Planung.

Sozialpräventive Fanarbeit ist der Versuch einen übergeordneten Begriff im Bereich der Arbeit mit Fußballfans auf europäischer Ebene zu definieren. Dieser soll Ansätze der Fanarbeit in Europa vereinen, die als Fanprojektarbeit, Sozialarbeit mit Fußballfans, Fanarbeit oder sozioprofessionelle Fanarbeit benannt werden und von Land zu Land oder auch Stadt zu Stadt variieren können. Gemeinsam ist allen die Arbeit in der Lebenswelt der Fußballfans. Fanszenen als subkulturelle Jugendgruppen orientieren sich an örtlichen Gegebenheiten und den Traditionen des jeweiligen Vereins und der Stadt.

/ Grundsätze / Grundsätze sind Freiwilligkeit, kritische Parteilichkeit und Anonymität basierend auf von Vertrauen und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Fans. Voraussetzung für eine Arbeit mit Fußballfans ist ein offener Zugang zu diesen. Begriffe wie offene Gesellschaft, Selbständigkeit oder Kommunikation spielen eine große Rolle. Es geht um die Partizipation Jugendlicher und den Dialog mit diesen. Sozialpräventive Fanarbeit ist Kommunikations- und Vermittlungsarbeit. Sozialpräventive Fanarbeit basiert auf der Erkenntnis, dass gewalttätigem Verhalten jugendlicher Fußballfans nicht allein mit repressiven Maßnahmen begegnet werden kann. Eine Pauschalisierung sozialpräventiver Fanarbeit ist jedoch nicht möglich und es ist klar festzuhalten: Die Arbeit mit Fußballfans muss an regionale Besonderheiten angepasst sein. Fanarbeit ist eng an die Nähe zur Klientel gebunden. Die Fans werden an ihren Orten, zu ihren Bedingungen aufgesucht und die einzelne Person wird in ihren gesamten Lebenszusammenhängen gesehen.

/ Methoden / Methoden sozialpräventiver Fanarbeit sind auf die jeweiligen Bedürfnisse der Fankultur und deren Besonderheiten abzustimmen. • Gezielte jugendspezifische Angebote und freizeitpädagogische Angebote für Fans • Veranstaltungen wie Workshops, Diskussionsrunden und Aktivitäten rund um nationale und internationale Fankultur • Öffentlichkeits-, Vermittlungs- und Lobbyarbeit • Einzelfallhilfe und Unterstützung in Rechtsfragen und/sowie in schwierigen Lebenssituationen (Stadionverbote, Anzeigen,…) • Spielbegleitung zu den Heim- und Auswärtsspielen inkl. Vermittlungsarbeit zwischen den verschiedenen Akteur_innen (Fans, Verein, Polizei, Ordner_innendienste) • Thematisierung von Problemen wie Gewalt und Diskriminierung zu thematisieren und Alternativmodelle erfahrbar zu machen

/ Ziele / • Stärkung von Fanrechten und Förderung einer aktiven, vielfältigen und positiven Fankultur

• Förderung von Selbstbestimmung und Mitsprache • Förderung demokratischer Partizipation und • • • •

Dialog auf Augenhöhe zwischen relevanten Akteur_innen (Fans, Verein, Exekutive, Bundesliga) Vernetzung und Aufbau von Partnerschaften mit relevanten Akteur_innen Förderung von Mädchen und Frauenarbeit, um weibliche Fans in der Fanszene zu stärken Hinführung zu gewaltfreien Konfliktlösungen und Abbau von Feindbildern Prävention von selbst- und fremdschädigenden Verhalten

Wie unterscheidet sich sozialpräventive Fanarbeit von Fanbeauftragten? Sozialpräventive Fanarbeit Sozialpräventive Fanarbeit orientiert sich an den Interessen der Fans. Durch ihre Unabhängigkeit und kritische Parteilichkeit ist es ihr möglich, das Vertrauen der Fans zu gewinnen und als neutraler Vermittler zwischen Fans, Verein, Behörden und Polizei aufzutreten. Zielgruppe sind organisierte & unorganisierte Fans, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Sozialpräventive Fanarbeit wird von der öffentlichen Hand ko-finanziert.

Fanbeauftrage / Supporter Liason Officer (SLO) Fanbeauftragte sind Angestellte des Vereins und handeln grundsätzlich auch im Interesse des Vereins. Sie werden vom Verein finanziert und haben alle Besucher_innen als Zielgruppe. Die Benennung von SLOs ist seit 2012 Lizenzierungsauflage der UEFA. 09


Good Practice

Good Practice

Kibice Razem Wroclaw / Beschreibung /

• Bilder der Fankultur

/ Beschreibung /

Im Rahmen der UEFA EURO 2012™ in Polen und der Ukraine, an dem die lokalen Fußballfans in den acht Austragungsorten das offizielle UEFA Fanservice der Fanbotschaften leiteten, entstanden in Polen die ersten Fanprojekte auf Klubebene. Eines davon ist das Fanprojekt Kibice Razem Wroclaw. Dies wurde in der UEFA EURO 2012™ - Host City Breslau am 1. Juni 2010 ins Leben gerufen. Seitdem kümmern sich zwei Fanarbeiter_innen um die Anliegen der Fans und Ultras des Vereins WKS Slask Wroclaw.

Im Mai 2013 gab es die erste Ausgabe dieses Contests. Schüler_innen zwischen 8 und 14 Jahren geben ihre Sicht der Fankultur in selbst gezeichneten Bildern wieder. Die Bilder wurden in der Saison 2012/2013 bei den letzten beiden Spielen in einer Ausstellung im Stadion von Slask Wroclaw gezeigt. • Kooperation mit Fanorganistaionen Kibice Razem Wroclaw kooperiert mit der Fanorganisation Wielki Slask, welche die größte Fanvereinigung des Klubs ist und mit der größten Fanvereinigung für Menschen mit Beeinträchtigung in Polen, Klub Kibicow.

Das Fanprojekt Bremen ist das erste Fanprojekt in ganz Europa und besteht seit über 30 Jahren. 1981 startete die sozialpädagogische Fanarbeit mit Fußballfans durch hauptamtliche Mitarbeiter_innen aus einer Student_innengruppe der Uni Bremen.

Kibice Razem Wroclaw verfügt über tolle Räumlichkeiten im Herzen der Stadt. Diese dienen nicht nur als Büro für die beiden Fanarbeiter_innen, sondern auch als Anlaufstelle und Treffpunkt für alle Fans und Supporters des WKS Slask Wroclaw.

/ Ziele / • Verbesserung des Images der Fußballfans • Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen

/ Aufgaben / • Teilnahme an der Lebenswelt der Fans

/ Aufgaben / • Literarischer Fanwettbewerb

Das zweiköpfige hauptamtliche Team wird durch die Hilfe von ehrenamtlichen Mitarbeiter_innen verstärkt.

/ Anlaufstelle /

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Fanprojekt Bremen

Vor Ende jeder Saison ruft das Fanprojekt die SlaskFans auf, eine Story oder ein Gedicht über den wichtigsten Moment mit ihrem Verein in der abgelaufenen Saison zu schreiben und prämiert den/die Sieger_in. Das sind wir Slask Supporters! Am Ende des Jahres wird in Kooperation mit dem Verein ein Fotoalbum mit Bildern über die Fanszene publiziert. Das Album ist in 13 Kapitel aufgeteilt (12 Monate von Jänner bis Dezember und ein „Extra”). Der moderne Fußball und die Welt der Fans Jeden Herbst veranstaltet Kibice Razem Wroclaw eine wissenschaftliche Konferenz, welche den Fußball auf seinen verschiedenen Ebenen beleuchtet. Das Ziel ist es immer beide Seiten einer Medaille zu zeigen und Gäste von diversen Organisationen einzuladen, um kontrovers zu diskutieren. Fans A-Z Kibice Razem Wroclaw veröffentlichte ein Buch über Slask Wrocław, die Fanszene und alles was wichtig für Kinder, Jugendliche und neue Fans ist.

/ Team /

/ Finanzierung / Kibice Razem Wroclaw wird, wie die anderen Projekte in Polen, seit Beginn an zu 100% von der Stadt finanziert.

/ Anlaufstelle / Das Fanzentrum in der Ostkurve des Weserstadions ist Anlaufstelle, Treffpunkt, Veranstaltungsort, Vermittlungs- und Drehpunktstelle für die Werder-Fans, in der sich auch die Büroräumlichkeiten, Jugendräume und der OstKurvenSaal befinden. Platz für die Ausarbeitung der Choreografien steht den Fans ebenfalls zur Verfügung.

Dazu gehören die aufsuchende Arbeit bei Heim- und Auswärtsspielen, der Besuch an Treffpunkten und gemeinsame Aktivitäten. • Beratung (Einzelhilfen) Die Mitarbeiter_innen des Fanprojekts beraten und vermitteln bei Stadionverboten, Straftaten oder persönlichen Problemen. • Freizeitangebote Zum Beispiel alkoholfreie Auswärtsfahrten mit Minderjährigen (U18-Fahrten) und Fußball spielen. • Mädchen- und Genderarbeit Stärkung von Mädchen und jungen Frauen in der männlich dominierten Fanszene sowie Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Denk- und Handlungsmuster. • Jugendbegegnungen Internationale Jugendaustausch und Fantreffen bzw. Fußballspiele mit Fans anderer Vereine. • Bildungsarbeit Dazu zählt das Lernzentrum OstKurvenSaal mit diversen Angeboten für Jugendliche und Schüler_innen. • Antidiskriminierungsarbeit Das Fanprojekt Bremen unterstützt die Fußballfans bei ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und Antisemitismus.

/ • • • • • • • • • •

Ziele / Stärkung der Jugendlichen Fankultur Prävention, gewaltfreie Konfliktlösung, Selbstregulierung Abbau extremistischer Orientierung, von Vorurteilen, Feindbildern, Ausländer_innenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus Abbau von delinquenten Verhaltensweisen Steigerung von Selbstwertgefühl und Verhaltenssicherheit Stabilisierung von Gleichaltrigengruppen Gesellschaftliche Institutionen zu mehr Engagement für jugendliche Fans bewegen In Bremen starke Vernetzung mit der Jugendarbeit und anderen Einrichtungen sowie hohes Engagement für die Belange der Fans bei Werder, der Polizei und dem Ordner_innendienst Rückbindung jugendlicher Fußballanhänger_innen an ihren Verein Vermittlung zwischen Fans und Mitarbeitern und Spielern bei Werder

/ Struktur & Team / Der Träger des Fanprojekts Bremen ist der gleichnamige eingetragene Verein Fan-Projekt Bremen e.V. Das Fanprojekt wird vom Vorstand und einem vierköpfigen Team geleitet und einem Pool von Honorarkräften und von Ehrenamtlichen ergänzt. Ein wichtiger Eckpfeiler für eine professionelle Arbeit ist die Unabhängigkeit des Fanprojekts von Verein und Institutionen.

/ Finanzierung / Das Fanprojekt Bremen wird, wie die meisten deutschen Fanprojekte, je zu einem Drittel von Stadt, Land und den Fußballverbänden (DFL oder DFB) finanziert (Stand Mai 2013).

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Sozialpräventive Fanarbeit / Kriterien und Mindeststandards / • Teilnahme an der Lebenswelt von Fußballfans • Anpassung an regionale Besonderheiten und Ausarbeitung eines geeigneten Konzepts • Grundsätze der Selbstbestimmung, Kommunikation, Freiwilligkeit und Anonymität beachten • Prävention von selbst- und fremdschädigendem Verhalten • Unabhängigkeit von Bezugsverein und Institutionen • Mindestens 2 Mitarbeiter_innen mit entsprechender Ausbildung • Geeignete Räumlichkeiten und Infrastruktur für Mitarbeiter_innen • Räume als Anlaufstelle für Fans in Stadionnähe oder –bereich oder in gut erreichbarer Innenstadtlage • Ausreichende finanzielle Ressourcen für Projekt- und Personalkosten

/ Empfehlungen / • • • •

Möglichst breite Finanzierungsbasis (Land, Stadt, Liga, Verein) Regelmäßige Fortbildung und Supervision Internationaler Austausch mit Fanarbeitsprojekten Ausstattung der Mitarbeiter_innen mit Arbeitskarten des Bezugsvereins und/oder Liga-Ausweisen

Die Kriterien und Mindeststandards sind Ergebnis des Projekts „pro supporters – Prevention through empowerment“ und spiegeln die Erfahrungen der involvierten Projetpartner wider.

/ Kontakt /

pro supporters – Koordination Fanarbeit Österreich FairPlay-VIDC // Möllwaldplatz 5/3, A-1040 Wien prosupporters@vidc.org // www.prosupporters.net // www.fairplay.or.at


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