Akzente 3/2015

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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich

Fremdsprachen – Unterrichten in der Lebenswelt der Kinder Seite 10 Digitale Medien: mit Mama und Papa in der Schule Computer sezieren und coole Trickfilme herstellen Seite 20

Doppelrolle: wie Kyung-Jin Candrian Kind und Studium zusammenbringt Seite 24 blog.phzh.ch/akzente


Inserate

© Caspar Schwabe / Foto: Michael Lio

Gewerbemuseum Winterthur

sprachaufenthalte weltweit BOA LINGUA ZÜRICH, TEL. 044 211 12 32 PROSPEKTE UND PREISE: WWW.BOALINGUA.CH

Ausstellung

DER ENTFESSELTE RAUM 10. Mai bis 1. November 2015 Raum ist nicht gleich Raum, und Raum ist nicht allein gross oder klein, rechtwinklig oder schief, endlich oder unendlich. Vielmehr werden Räume durch das vielfältige Zusammenspiel von Volumen, Dimensionen, Proportionen, Material, Farbe, Licht und Schatten sowie Bewegung bestimmt. Die Ausstellung bietet auf lustvolle Art und Weise die Gelegenheit, Grundlagen der Darstellung und Bildung von Raum zu entdecken und die Konventionen der gewohnten Raumvorstellungen zu verlassen. Modelle, Objekte, Installationen, Anamorphosen, Spiegelräume, Videoarbeiten, Computeranimationen und interaktive Spiele laden ein, Phänomene und Wirkungen von spezifischen und überraschenden Situationen zu erkunden.

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Informations­ veranstaltung

Workshop im freien Gelände für Mittelstufe, Sekundarstufe 1 + 2

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Für alle Stufen für den selbstständigen Ausstellungsbesuch mit der Klasse, kostenlos Erhältlich an der Museumskasse, Download ab www.gewerbemuseum.ch/Museumspädagogik

mit den Vertiefungsrichtungen: — Schulische Heilpädagogik — Heilpädagogische Früherziehung

Material-Archiv

Mittwoch, 4. November 2015, 15.00–17.30 Uhr

Mehrere Workshops für verschiedene Stufen

Keine Anmeldung erforderlich

Öffnungszeiten Di bis So 10 –17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossen Öffnungszeiten Feiertage siehe www.gewerbemuseum.ch

Mehr Infos unter www.hfh.ch/agenda, über Telefon 044 317 11 41 / 42 oder info@hfh.ch

Anmeldung und Informationen Gewerbemuseum Winterthur Kirchplatz 14, 8400 Winterthur Telefon 052 267 51 36 gewerbemuseum@win.ch www.gewerbemuseum.ch

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Inhalt 3/2015

Fotos: Dieter Seeger (Cover); Dieter Seeger, Nelly Rodriguez, Niklaus Spoerri

10 Fremdsprachen: die Lebenswelt der Kinder ins Zentrum rücken

20 Digitale Medien: Eltern und Kinder beim gemeinsamen Üben

24 Porträt: Kyung-Jin Candrian ist Mutter und Studentin an der PHZH

4 Vermischtes Tagung: Musik in der Ganztagesbildung

24 Studierendenseite Porträt, Masterarbeit, Kolumne

7 Eine Frage, drei Antworten Wie arbeiten Sie im Team?

27 PH Zürich Ausbildung: Experimentieren auf der Primarstufe

9 Seitenblick Wieder zurück aufs Land?

Stiftung Pestalozzianum: Restauration und Digitalisierung der Sammlungen

10 Schwerpunkt Fremdsprachenunterricht Leitartikel: Sprachen lernen heisst Sprachen leben

Meinungen: Worauf legen Lehrpersonen Wert? Primarstufe: Sind zwei Fremdsprachen zu viel? Interview: Romain Hofer, Leiter Marketing beim Personalvermittler «Manpower»

20 Reportage In der Primarschule Untersiggenthal lernen Eltern den Umgang mit digitalen Medien AKZENTE 3/2015

IPE: «Veränderungen stossen nicht immer auf Gegenliebe»

Forschung: «Schulleitende müssen lernen, ‹Nein› zu sagen» 32 Mein Fremdsprachenpraktikum «Es gab viel weniger Druck als bei uns in der Schule» 34 Medientipps 37 Aus dem Leben eines Lehrers Glück und Heimweh am Berninapass 38 Fundstück 38 Impressum

Das Thema Fremdsprachen ist ein Dauerbrenner. Im Schatten der Debatte über Reihenfolge und Zeitpunkt der Einführung einer zweiten und dritten Sprache steht die Frage, wie guter Fremdsprachenunterricht gelingen kann. Dabei ist die Bereitschaft bei den Schülerinnen und Schülern trotz zunehmender Mobilität und dem Einzug der englischen Sprache noch die gleiche: Eine Fremdsprache ist in erster Linie etwas fremdes, das es zu erlernen gilt. Verändert haben sich die Unterrichtskonzepte. Von einem Paradigmenwechsel spricht Daniel Stotz, Fachbereichsleiter Englisch an der PH Zürich. Er sieht eine Abkehr vom Anspruch, eine Sprache in Perfektion zu vermitteln. «Guter Unterricht muss primär den Sprachgebrauch aktivieren, denn Sprache lernt man durch den Gebrauch», so Stotz. Ein handlungsorientierter Ansatz soll die Angst vor dem Gebrauch einer Fremdsprache abbauen. Dafür braucht es motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Dies zeigt eine Studie auf, die Bettina Imgrund, Fachbereichsleiterin Französisch an der PH Zürich, durchgeführt hat. Fazit: Mehr als in anderen Fächern identifizieren Schülerinnen und Schüler den Fremdsprachenunterricht stark über die jeweilige Lehrperson. Darauf bereitet die Ausbildung an der PH Zürich vor. Durch Sprachkurse und Sprachaufenthalte werden die Studierenden auf ihre Rolle als zukünftige «Botschafter» einer Fremdsprache vorbereitet. – Reto Klink

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In haltsverzeich nis/Editorial

Weg von der Perfektion


Bis ins Jahr 2025 sollen in der Stadt Zürich alle Volksschulen zu Tagesschulen werden – so die Vision des Zürcher Stadtrats. Gut möglich, dass sich die Ganztagesbildung langfristig überall etablieren wird. Um das Ziel einer ganzheitlichen Bildung zu erreichen, benötigt Ganztagesbildung vielfältige Angebote – auch aus dem musisch-ästhetischen Bereich. Wie dies erreicht werden kann, war Thema einer Tagung an der PH Zürich. Patricia Schuler von der PH Zürich und Esther Forrer Kasteel von der ZHAW wiesen zu Beginn auf verschiedene Studien hin, die eine positive Wirkung von regelmässigem Musikunterricht in Ganztagesschulen auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler sowie auf das Schul- und Unterrichtsklima nachweisen konnten. Als zentrale Herausforderung sehen die Wissenschaftlerinnen die Verankerung der musikalischen Bildung im regulären Unterricht. «Die Musikangebote sollten integraler Bestandteil des Schulprogramms sein und nicht vom Engagement einzelner Lehrpersonen abhängen», so Patricia Schuler. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass es vom Zufall abhänge, ob Musik angeboten werde. Anschliessend präsentierte die ehemalige PHZH-Studentin Hanna Widmer die Erkenntnisse aus ihrer Masterarbeit. Sie untersuchte deutsche Ganztagesschulen mit musisch-kulturellem Schwerpunkt und kam zum Schluss: Durch verlängerte Präsenzzeiten entstehen neue Gefässe, die für Angebote genutzt werden kön-

Kommende Ver­ anstaltungen 21. September «Lernwirksame Führung» Michael Schratz, Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises, zeigt in seinem Referat auf, wie lernwirksame Führung gelingt.

31. Oktober «Unterrichten mit neuen Medien» Die diesjährige Tagung findet unter dem Titel «App@IT auf Bildung» statt.

6. November «Quereinstieg in den Lehrberuf» Die Tagung widmet sich unter anderem den Fragen, wie Quereinsteigende im Schulfeld angenommen werden und wie das «Training on the job» gelingen kann.

nen, beispielsweise über Mittag. Ebenfalls auszahlen würden sich Kooperationen mit ausserschulischen Akteuren wie lokalen Musikvereinen. Dadurch verbessere sich die Qualität des Unterrichts. Zudem wichtig sei, dass passende Räume wie eine Aula zur Verfügung stehen. Elisabeth Danuser und Edith Stocker von der ZHdK zeigten danach konkrete Umsetzungsideen auf. Eine Möglichkeit seien beispielsweise wöchentliche Singoder Tanzkurse für eine ganze Gruppe von Schülerinnen und Schülern. Diese Angebote könnten sowohl in die Schul- als auch in die Betreuungszeit integriert werden. Zum Schluss wies Susanne Gilg vom Verband Zürcher Musikschulen auf Good-PracticeBeispiele hin. So hat die Schule Zofingen einen Weg gefunden, den Instrumentalunterricht in den Stundenplan zu integrieren – durch dessen Aufteilung in geleitete und schülerzentrierte Aktivitäten. Während der schülerzentrierten Phase ist der Unterricht bei Fachlehrpersonen (Logopädie, Instrumentalunterricht etc.) möglich. Eine angeregte Diskussion unter den Teilnehmenden unter anderem über Finanzierungsmöglichkeiten schloss die Veranstaltung ab. – Christoph Hotz

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen: phzh.ch

Weitere Informationen: tiny.phzh.ch/grundsatzpapier

Die PHZH-Absolventin Hanna Widmer untersuchte in ihrer Masterarbeit Ganztagesschulen mit Schwerpunkt «Musisch-kulturelle Bildung».

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Foto: Reto Klink

Ver mischtes

Musik in der Ganztagesbildung


PHZH in Zahlen

Aktuelles

Anzahl Teilnehmende in Weiterbildungen und Beratungen an der PH Zürich.

Schreibwettbewerb der PH Zürich Zum fünften Mal hat das Schreibzentrum der PH Zürich gemeinsam mit anderen Institutionen einen Schreibwettbewerb veranstaltet, diesmal zum Thema «Warteschleife». Gewonnen haben Helen Kaufmann (Kategorie «Hope») und Jörg Roos (Kategorie «Glory»).

15 Kurse statt. Diese sind alle ausgebucht. 2016 stehen weitere Termine an. tiny.phzh.ch/tablet

Die Texte sind online publiziert: blog.phzh.ch/akzente

5615

Schulinterne Weiterbildung

2232

Beratungsangebote

Neues Abkommen mit amerikanischer Universität Die PH Zürich hat mit der Utah Valley University ein Abkommen mit Schwerpunkt «Studierendenmobilität» unterzeichnet. Im Oktober werden die ersten amerikanischen Studierenden für ein Praktikum in Zürich erwartet.

Fotos: Reto Klink, Vera Honegger

PHZH-Rektor Walter Bircher (l.) und Matthew S. Holland, Rektor der Uni Utah, unterzeichnen das Abkommen.

1650

Kurse

992

Lehrmitteleinführungen

693

Berufseinführung

555

CAS

554

Module

128

Intensivweiterbildung

30

MAS

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Zertifikat der CambridgeUniversität Die PH Zürich ist mit einem Zertifikat zum offiziellen Zentrum für die Vorbereitung auf die Cambridge-Englisch-Prüfungen ausge­zeich­net worden. «Schulen arbeiten mit Tablets» Eine neue Weiterbildung der PH Zürich bereitet Schulen auf den Unterricht mit mobilen Geräten vor. Unter Teilnahme von Nationalrat und ICTswitzerland-Präsident Ruedi Noser wurde das von Samsung finanzierte Projekt kürzlich eröffnet. 2015 finden

Thomas Stierli von der PH Zürich erläutert in einem der neuen Medienräume das Angebot.

6. Musik- und Performance-Nacht Einen Abend lang stand die PH Zürich ganz im Zeichen von Tanz, Theater und Musik. Eines der Highlights an der 6. Musik- und Performance-Nacht war die Aufführung von Studierenden aus dem Vertiefungsmodul «Tanz». Inspiriert von Musicals aus dem 20. Jahrhundert führten sie unter dem Titel «Once upon a time» ihr Programm auf. Anschliessend zeigten Studierende des Freifachs «Theater» das Stück «Jukebox». Episodenhaft erzählten sie Geschichten aus Lebensphasen, die jeder Mensch kennt, wie den ersten Liebeskummer. Weiterer Höhepunkt waren die zwei ausverkauften Konzerte des Hochschulchors. Rund 250 Sängerinnen und Sänger gaben dabei eine Auswahl an «ABBA»-Liedern zum Besten.

Die Tanzgruppe mit Studierenden der PH Zürich performt zu einem Stück aus dem Musical «Hair».

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Ver mischtes

Total: 12449 Teilnehmende im Jahr 2014


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Eine Frage, drei Antworten: Wie arbeiten Sie im Team zusammen?

Gewinnbringend   hoffentlich! Zum Wohle der Schule, zur Stärkung des Einzelnen und der Gemeinschaft und – als ultimativer Bezugspunkt unseres Tuns – zur Förderung unserer Schülerinnen und Schüler. Zu dem «Wie» gehört für mich immer auch das «Warum». Was ist das Ziel unserer Zusammenarbeit? Im Betriebskonzept sind die Ziele der Zusammenarbeitsgefässe beschrieben und Aufgaben, Verantwortungen, Kompetenzen und Strukturen geregelt. Die Klärung der Rahmenbedingungen schafft Freiräume zur individuellen Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Die pädagogischen Teams zum Beispiel dienen neben dem fachlichen Austausch auch der Reflexion für das pädagogische Handeln der Lehr- und Betreuungspersonen. Ein positiver Umgang mit Fehlern und gegenseitiges Vertrauen sind hier von zentraler Bedeutung. Eine konstruktive Streitkultur und Offenheit für Neues sind Voraussetzungen für Meinungsbildungsprozesse, etwa in Schulkonferenzen bei der Erarbeitung des Schulprogramms oder bei der Einigung auf gemeinsame Standards. In Klassen- und Leitungsteams oder in Projektgruppen ist es hilfreich, wenn indiAKZENTE 3/2015

Wortwahl genau zu überdenken, bevor ich etwas sage, um unnötigen Konflikten aus dem Weg zu gehen.

Sylvia Beutler, SHP, Schulen Sternenberg und Bauma

Reto Caduff, Primarlehrer, Schulhaus Probstei Zürich

Im   Allgemeinen   bin   ich sehr zufrieden, wie wir in unserem Lehrerteam zusammenarbeiten. Wir helfen uns gegenseitig, sind offen für Anregungen und besprechen schwierige Schulsituationen miteinander, was sehr entlastend wirkt. Bin ich zum Beispiel nicht sicher, wie ich einen Konflikt mit Eltern lösen soll, geben mir meine Kollegen und Kolleginnen gute Anregungen, wie ich die Sache anpacken könnte. Bei der Zusammenarbeit im Team ist mir auch wichtig, dass Probleme direkt angesprochen werden, weil auf diese Weise viele Missverständnisse und Schwierigkeiten unkompliziert aus dem Weg geräumt werden können. Hin und wieder kam es aber vor, dass jemand Mühe mit dieser direkten Art hatte und sich schnell angegriffen fühlte. Infolgedessen musste ich lernen, meine

In   meiner   Tätigkeit als Schulische Heilpädagogin gehört die Arbeit im Team zum Alltag. Für mich ist gelingende Teamarbeit auch gleichzeitig Voraussetzung für erfolgreiche heilpädagogische Unterstützung in der Schulklasse. Dabei erscheinen mir die grundsätzliche Bereitschaft und Offenheit für eine gute Zusammenarbeit im Team unabdingbar. Nur wenn ich «am Puls» der Lehrpersonen, der Schülerinnen und Schüler bin, kann ich im Klassenzimmer wirksam arbeiten und unterrichten. Es ist mir wichtig, nicht nur während der IF-Stunden anwesend zu sein, sondern auch in den Pausen, nach dem Unterricht, bei Projekten und Exkursionen. Ich arbeite in vier verschiedenen altersdurch­mischten Klassen, und da gelingt es mir nicht immer, allen Ansprüchen nach gemeinsamer Planung und Auswertung des Unterrichts gerecht zu werden. Mich täglich auf verschiedene Klassen, Lehrpersonen und Schulhausteams einzustellen, ist eine grosse Herausforderung, sie erfordert viel Flexibilität und eine grosse Präsenz.

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Meinu ngen

Regina Haller, Schulleiterin, Schule Im Birch Zürich

viduelle Begabungen und Kompetenzen gegenseitig ergänzt werden und Rollen geklärt sind. Zusammenarbeit bedeutet immer auch eine sinnvolle Arbeitsverteilung innerhalb des Teams für übergeordnete Aufgaben. Dafür braucht es Verantwortungsbereitschaft jedes Einzelnen und die Haltung hin zu «Wir und unsere Schule».


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Rudolf Isler – Seitenblick

Illustration: Raffinerie AG

Bestimmt sind Sie sich bewusst, was Sie beiläufig tun, wenn Sie beispielsweise jemandem helfen, seinen platten Veloreifen zu reparieren, wenn Sie keine Gerüchte streuen oder den Nachwuchs des lokalen Sportvereins trainieren? Genau, Sie pflegen und vermehren Ihr Sozialkapital. Dieser Begriff steht für den Wert sozialer Beziehungen und deren produktive Nutzung. Ein hohes Sozialkapital kann einem auf der Wohnungs- oder Jobsuche helfen, eine Krankheitsphase durch Besuche erträglicher werden lassen oder für die nötigen Stimmen beim Sprung auf die politische Bühne sorgen. Soziales Kapital stellt also neben dem physischen Kapital (z.B. Geld) und dem Humankapital (z.B. Fachwissen) eine dritte Vermögensart dar. Gemäss aktuellem Forschungsstand soll uns Sozialkapital gescheiter, gesünder, sicherer, reicher und eine Demokratie gerechter und stabiler machen. Sozialkapital könnte also als Kitt unserer Gesellschaft betrachtet werden. Mit einem spezifischen Blick auf die Schweiz hat der Soziologe Markus Freitag in verschiedenen Studien das Sozialkapital untersucht und die Befunde AKZENTE 3/2015

kürzlich im Verlag der NZZ unter dem Titel Das soziale Kapital der Schweiz veröffentlicht. Die gute Nachricht vorab: Im internationalen Vergleich reiht sich die Schweiz im oberen Mittelfeld der westlichen Industrienationen ein. Zwar bröckelt der gesellschaftliche Kitt auch hierzulande, aber von einem generellen Niedergang des sozialen Miteinanders kann keinesfalls die Rede sein. Eine Randnotiz im Buch von Freitag bereitet dem aufgeschlossenen, urbanen Leser jedoch Kopfzerbrechen. Es handelt sich um ein Ranking, das der Forscher mit Rücksicht auf den zeitgenössischen Durst danach erstellt hat. Es besagt, dass in den ländlichen, religiös-konservativen Kantonen das Sozialkapital am höchsten sei: Unterwalden, Appenzell-Innerrhoden, Uri und Glarus führen dieses Ranking an. Freitag verschweigt zwar nicht, dass dieser Befund «auf Bevölkerungsumfragen mit einer überschaubaren Anzahl Befragter» beruht und dass deshalb bei der Interpretation Vorsicht geboten ist. Aber der Stachel ist gesetzt. Ist es vielleicht doch so, dass dort, wo man sich noch Grüezi sagt, der

Zusammenhalt zwischen den Menschen grösser und das Leben lebenswerter ist? Niemand ist davor gefeit, sich von Zahlen und Tabellen verwirren zu lassen und sie in absolute Wahrheiten umzudeuten. Jüngst ist das Martin Beglinger in einem Artikel im Magazin des TagesAnzeigers passiert. Mit Bezug zu Freitags Ranking zeichnet er eine ungetrübte Idylle eines Landlebens voller Sozialkapital und zementiert damit ein Weltbild, das in vielen Schweizer Köpfen präsent ist – nicht zuletzt auch bei Lehrpersonen, die gerne einmal mit etwas Wehmut von harmonischem Unterrichten in einer beschaulichen Landschule träumen. Während aber die problematischen Seiten des Sozialkapitals auf dem Land, wie beispielsweise die soziale Kontrolle oder unverrückbare Rollenzuschreibungen, im realen Leben schnell zutage treten, ist die reduzierende Zuspitzung von methodisch unzulänglichen Ana­lysen weitaus weniger gut erkennbar und dadurch problematischer. Rudolf Isler ist Professor für Pädagogik an der PH Zürich.

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Kolu m ne – Seitenblick

Wieder zurück aufs Land?


Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

Sprachen lernen heisst Sprachen leben

Fremdsprachen werden heute nicht mehr grammatik-,  sondern handlungsorientiert unterrichtet. Der Paradigmenwechsel wird bereits gut gemeistert. Text: Melanie Keim, Fotos: Dieter Seeger

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Kein Lernen auf Vorrat «Früher wurden Fremdsprachen oftmals auf Vorrat gelernt», sagt Daniel Stotz, Fachbereichsleiter Englisch an der PH Zürich. Wenn Schülerinnen und Schüler in der Primarschule etwas lernen, was sie vielleicht einmal als erwachsene Touristen anwenden können, sei das jedoch wenig motivierend. Rollenspiele nach einem fixen Skript, die dazu nur am Rande mit der Lebenswelt von Primarschulkindern zu tun haben, sind daher im Fremdsprachenunterricht passé. Der Fremdsprachenunterricht hat nicht nur schablonenhafte Rollenspiele hinter sich gelassen. Angesichts der grossen Veränderungen in den letzten Jahren spricht Stotz gar von einem Paradigmenwechsel. «Die zentrale Frage des Fremdsprachenunterrichts lautet heute nicht mehr, was ich weiss, sondern was ich kann», erläutert er den Wechsel von einem grammatik-, wissens- und perfektionsorientierten Unterricht hin zu einem handlungsorientierten Lernen. Dank dem bereits 2001 lancierten Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) hat die Kompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht schon früher als in anderen Fächern Einzug gehalten. Das international anerkannte Niveausystem GER hat nämlich nicht nur Sprachkompetenzen vergleichbar gemacht und zur Aufwertung von Muttersprachen geführt. Die kompetenzorientierten Tests internationaler Sprachdiplome haben auch massgebend zu einem Verständnis von Kompetenzorientierung im Fremdsprachenunterricht beigetragen. Dennoch weist Stotz auf die Herausforderung hin, die die pädagogischen Veränderungen für Lehrpersonen darstellen, die noch mit einem Fokus auf eine perfekte Beherrschung der Grammatik unterrichtet wurden. Wie prägend die eigene Lernerfahrung sei, zeige sich beispielsweise daran, dass manche Lehrpersonen und Studierende nach wie vor von «Unterrichtsstoff» sprechen, was einem handlungs- und kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht eigentlich zuwiderlaufe. Neue Handlungsmöglichkeiten Was beinhaltet also ein guter, handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht? «Guter Unterricht muss priAKZENTE 3/2015

mär zum Sprachgebrauch aktivieren, denn Sprache lernt man durch den Gebrauch», sagt Stotz. Er bezeichnet Sprache als Kommunikationsvehikel und weist diesbezüglich auf die Bedeutung von substanziellen, altersgerechten Inhalten hin: «Inhalte dürfen nicht einfach ein Aufhänger sein, denn die Begeisterung für Fremdsprachen weckt man über attraktive Inhalte.» Auch wenn Fremdsprachen heute einen grossen Stellenwert haben und Kinder und Jugendliche im Internet, durch Reisen und eine heterogene Gesellschaft stärker mit Fremdsprachen in Kontakt kommen als früher, sind die Bedingungen für den Fremdsprachenunterricht heute nicht grundsätzlich günstiger. «Viele Schülerinnen und Schüler begegnen Englisch mit einer gewissen Grundmotivation. Doch es bleibt eine Fremdsprache, die man lernen muss, und wenn der Unterricht nicht stimmt, dann ist die anfängliche Motivation bald verschwunden», so Stotz. Zeitgemässer Fremdsprachenunterricht geht daher über Stereotypen hinaus und ist um eine Erweiterung des kulturellen Horizonts bemüht, wobei auch Themen aus anderen Fächern wie Geschichte, Musik oder Geografie herbeigezogen werden und keine

Thomas Roos

Lehrer einer 3. Sekundarstufe A, Schule Küsnacht

«Fremdsprachenunterricht ist dann erfolgreich, wenn sich Schülerinnen und Schüler als selbstwirksam erleben und sie in authentischen Situationen handeln können. Dies bedingt, dass sich der Unterricht möglichst nahe an der Lebenswelt der Jugendlichen bewegt. In der 1. Sek ist der spielerische Zugang zur Sprache zentral. Danach erhält die Reflexion eine immer wichtigere Bedeutung, und die Jugendlichen müssen komplexere Aufgaben lösen können. Im Englischunterricht gelingt dies besser als im Französisch. Dies hat mehrere Gründe: Die Sprache wird von den Schülerinnen und Schülern und den Eltern als wichtig eingeschätzt, sie ist im Alltag omnipräsent und wird

schon seit der 2. Primarklasse unterrichtet. Ich hoffe, dass ich die Jugendlichen mit dem neuen angekündigten Französisch-Lehrmittel mehr begeistern kann. Eine grosse Herausforderung ist für mich der Umgang mit den unterschiedlichen Kompetenzniveaus. Ich versuche, diese auszugleichen, indem die starken mit den schwächeren Schülern zusammenarbeiten. Dabei helfen kooperative Lernformen. Eine weitere Schwierigkeit tritt dann auf, wenn Jugendliche an die Gymi-Prüfung wollen. Dort werden schwergewichtig Grammatik und Wortschatz geprüft, beides Elemente, die im kompetenzorientierten Unterricht einen anderen, funktionaleren Stellenwert haben.»

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Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

Ein Paar sitzt vor dem Café de Flore, eine leichte Brise trägt eine sehnsüchtige Akkordeon-Melodie herbei, ein Passant mit Bart und Beret bricht die Spitze seines Baguettes ab und der Kellner fragt diskret nach den Wünschen der Gäste. «J’aimerais boire un verre de vin blanc, s’il vous plaît», gilt es mit perfektem Pariser Akzent zu antworten. Eine Situation wie aus dem Bilderbuch. Aber vielleicht eine, die nicht ins Schulzimmer passt? Denn ist eine 11-Jährige in der Französischstunde um halb zehn Uhr morgens wirklich an einem Glas Weisswein interessiert?


Trennung zwischen sprachlichem und kulturellem Wissen gezogen wird. «Grammatikalische Inputs gilt es jeweils kritisch auf die neuen Handlungsmöglichkeiten zu untersuchen, die diese den Schülerinnen und Schülern bringen», fährt Stotz fort. So wird im Englischen ein Past Simple, das erzählerisch wie rezeptiv Welten öffnet, auch schon relativ früh eingeführt, ohne die Erwartung, dass

chenunterrichts und die Motivation hängen nämlich weniger von externen Faktoren wie etwa der Dominanz von Englisch in der Jugendkultur ab, sondern vor allem vom professionellen Handeln der Lehrerinnen und Lehrer. Dies konnte Bettina Imgrund, Fachbereichsleiterin der Sprachen Französisch, Italienisch und Romanisch an der PH Zürich, in ihrer kürzlich verfassten Dissertation aufzeigen. Sie untersuchte anhand von Praxislektionen, weshalb das Erlernen einer Fremdsprache in einem Fall gelingt und im anderen nicht, was Studien wie PISA nur teilweise beantworten. «Für eine Verbesserung der Unterrichtsqualität muss man letztlich den Dialog zwischen Theorie und Praxis suchen», sagt Bettina Imgrund. So wurden für ihre Studie Französischlektionen gefilmt und anschliessend von Fachdidaktikerinnen auf Merkmale eines gelungenen Unterrichts untersucht – die Best-Practice-Beispiele aus den Kooperationsschulen werden wiederum in der Ausbildung an der PH Zürich mit Studentinnen und Studenten analysiert und das Professionswissen von Praxisexperten so auch systemisch genutzt. Die Untersuchung zeigte, dass die Unterrichtsqualität primär davon abhängt, ob es der Lehrperson die Schülerinnen und Schüler die Form mitsamt Ausnah- gelingt, die Klasse zu motivieren und ein attraktives und men perfekt beherrschen. Während früher in einem line- anspruchsvolles Lernangebot zu gestalten. Imgrund ziaren Aufbau grammatische Perfektion angestrebt wurde, tiert eine Schülerin, die in der Untersuchung befragt baut ein handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht auf einer zyklischen Progression hin zu einem Verständnis von Sprache als System auf, wobei neue Sprachstrukturen, Grammatikformen oder Vokabular durch den immer wiederkehrenden Gebrauch gefestigt werden. Dabei gehen explizites Regelwissen und implizites Käthi Lernen Hand in Hand. «Macht die Aufgabe mit dem Härri Können und den Mitteln, die ihr zurzeit habt, und dann Lehrerin einer 1. Klasse, Primarschule Embrach schauen wir, was noch nötig ist», beschreibt Stotz die Grundlage einer kompetenzorientierten Aufgabenstellung. Wenn Fehler als Teil des Lernprozesses gelten, kann nicht nur die Angst vor Fremdsprachen reduziert und «Mein Rezept für pische Redewendungen einen erfolgreichen wie «Can you give me Raum für Kompetenzerfahrung geschaffen werden. Fremdsprachenunterthe sugar, please» richt ist das spiele- gleich an. Wichtig Auch können Sprachkompetenzen aus anderen Sprarische Lernen und das ist, dass die Kinder chen besser genutzt und gefördert werden. So kann ein Kennenlernen der im Unterricht mögKultur des Sprachlichst viel zum Reden Kind mit Migrationshintergrund beispielsweise durch raums. In meinem kommen, die behandelseine ausgebildeten rezeptiven Strategien beim Entletzten Klassenzug ten Themen einen begann ich gegen Ende Bezug zu ihrem Leben schlüsseln eines schwierigen Texts in der Klasse als Eisder 1. Klasse, die haben und der Unterbrecher agieren. Das Ablassen von einer grammatik- und Geschichte von Padricht allen Spass dington vorzulesen. macht. Meinen Erfahperfektionsorientierten Didaktik dürfe jedoch nicht mit In der ersten Engrungen nach fällt es lischstunde reiste den meisten Kindern dem Verzicht auf Genauigkeit verwechselt werden, mahnt dann Paddington leicht, Englisch zu Stotz: «Die Lehrperson muss den Blick zu einem Zeitdirekt aus London an lernen.  Am Anfang ist und begleitete die es eine relativ einpunkt auf Genauigkeit und zu einem anderen auf FlüsKinder während der fache Sprache. Auf sigkeit richten können.» ganzen 2. Klasse. Ich der Unterstufe haben

Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

Zeitgemässer Fremdsprachenunterricht ist auch um eine Erweiterung des kulturellen Horizonts bemüht.

Professionelles Handeln der Lehrperson Stotz’ Fokus auf die Kompetenzen der Lehrperson kommt nicht von ungefähr. Der Erfolg des Fremdspra12

baute zum Üben Spiele und kindgerechte Bezüge zur Kultur ein. Am Pancakes-Day assen wir über Mittag Pancakes und wandten ty-

wir ausreichend Zeit zur Vermittlung der Lerninhalte, und es besteht noch kein grosser Leistungsdruck.»

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Schwer pu nkt Heterogenität

Schlüsselpunkt Lehrperson: Die Qualität des Fremdsprachenunterrichts hängt primär von der Attraktivität des Lernangebots ab.

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Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

wurde: «Wenn wir keine Lust haben, dann macht die Französischstunde keinen Spass. Dann muntert uns unser Lehrer auf, und es ist gerade wieder lustig. Unser Lehrer weiss irgendwie, wie man uns motiviert zum Arbeiten. Manchmal ist es so, als wären wir für ihn die Wichtigsten.» Weil die Fremdsprache im Unterricht Methode und Medium zugleich sei, identifizierten die Schülerinnen und Schüler den Fremdsprachenunterricht stärker über die Lehrperson, erklärt Imgrund. «Die Klasse ist daher noch mehr als in anderen Fächern von der Lehrperson und ihrem professionellen Handlungsrepertoire abhängig», so Imgrund. Anwendungsfreundliches für Mehrkämpfer Weil der Fremdsprachenunterricht stärker als andere Fächer an Lehrmittel gebunden ist und die Optimierung von Unterrichtsprozessen auch von der Qualität der Lehrmittel abhängt, reiht sich die Frage an, was ein gutes Lehrmittel ausmacht. «Mehrkämpfer brauchen gute Unterstützung», bricht Marlies Keller die Ansprüche an ein Lehrmittel herunter. Die Co-Projektleiterin «Inhalt» der Lehrmittelentwicklung des neuen Französischlehrmittels dis donc! erklärt: «Weil der Fremdsprachenunterricht

Karin Widmer

Lehrerin einer 5. Klasse, Schulhaus Hohlstrasse, Zürich

«Ich unterrichte in einer Klasse mit einer Spannweite von muttersprachlichen Kindern bis hin zu Kindern, die noch kein Deutsch sprechen. Eine Herausforderung ist insbesondere der Französischunterricht. Vielen Kindern fehlt der Bezug zu der Sprache. Kinder mit lateinischen Erstsprachen haben gewisse Vorteile. Sie können auf ihre Muttersprache zurückgreifen. Englisch zu unterrichten ist insofern einfacher, weil die Sprache im Alltag der Kinder präsent ist. Das Klassenlager machen wir immer in der Westschweiz, dadurch erhalten die Kinder einen realen Zugang zum Franzö-

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sisch. Zwei Mädchen sprachen im letzten Lager einmal einen Passanten mit «Bonjour, ça va?» an und hatten sehr Freude, als er ihnen antwortete. Oft haben die Kinder jedoch Hemmungen, die Sprache anzuwenden. Ich versuche, im Unterricht häufig Komplimente zu machen und Mut zuzusprechen. Zurzeit wird das neue Französisch-Lehrmittel  dis donc! erprobt. Ich bin eine der Test-Lehrpersonen. Die Kinder mögen daran insbesondere die Lernplattform im Internet. Das Lehrmittel bietet für stärkere Lernende Zusatzaufgaben an, für die schwächeren fehlt meiner Meinung nach einfaches, repetitives Übungsmaterial.»

besonders stark von interessanten Inhalten abhängt und die Recherche und Aufbereitung von authentischem Text-, Bild- oder Tonmaterial sehr zeitaufwändig ist, sind Lehrpersonen mit verschiedenen Unterrichtsfächern auf attraktive Unterrichtsmaterialien mit kurzer Vorbereitungszeit angewiesen.» Aufgaben müssten Lernerfolge stets an einem Endprodukt sichtbar machen, auch sei eine breite Palette an Zusatzmaterial wichtig. Keller weist diesbezüglich auf das Potenzial von digitalen Medien hin, die ein autonomes und individuelles Lernen ermöglichen. Beispielweise kann ein Kind mit Lernschwierigkeiten mit geeigneten Programmen denselben Dialog wie seine Gspänli verlangsamt anhören. Auch können individuelle Lernzielüberprüfungen am Computer für Lehrpersonen entlastend sein. Doch sollen digitale Medien nur dann eingesetzt werden, wenn sie tatsächlich einen Mehrwert bieten. «Die Kunst der Lehrmittelentwicklung besteht darin, eine Auswahl an intelligenten Lernangeboten zu entwickeln, anhand derer die Lehrerinnen und Lehrer die Unterrichtssituation rasch vor Augen haben, um so entscheiden zu können, was zu ihrer Klasse passt.» Der Fokus auf die lehrpersonenfreundliche Handhabung rührt auch von einer negativen Erfahrung mit dem 2006 publizierten Englischlehrmittel Explorers her, das von einem Teil der Zürcher Lehrpersonen derart vehement abgelehnt wurde, dass die Bildungsdirektion ein alternatives Lehrmittel zuliess. «Explorers war als erstes Lehrmittel komplett kompetenzorientiert gestaltet. Doch die Zeit war wohl noch nicht reif dafür», nennt Keller mit als Grund für die teilweise schlechte Aufnahme des Lehrmittels. Bei solch grossen didaktischen Richtungswechseln seien obligatorische Einführungen ins Lehrmittel nötig. Zudem konnte das Lehrmittel in der Praxis nicht umfänglich erprobt werden, da zu diesem Zeitpunkt in der Primarstufe noch kein Englisch unterrichtet wurde. Weniger Mühe als erwartet Das neue Französischlehrmittel dis donc! der Lehrmittelverlage Zürich und St. Gallen für die 5. bis 9. Klasse wird von Fachdidaktikerinnen und Praxislehrpersonen gemeinsam entwickelt und durchläuft eine integrale Praxiserprobung in 30 Klassen pro Jahrgangsband. Für die wissenschaftliche Beurteilung und die Überarbeitung der ersten Version werden nun systematisch Befragungen von Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schülern mit einbezogen. Dabei zeigte sich einerseits, dass Kinder an sehr traditionellen Themen wie Haustieren und Rezepten interessiert sind, und andererseits, dass Lehrpersonen ihrer Klasse teilweise zu wenig zutrauten. Die Lehrpersonen glaubten im Voraus, dass die relativ komplexen Texte des für 2017 geplanten Lehrmittels die Kinder überfordern würden. Doch diese hatten im Unterricht AKZENTE 3/2015


Bereit für adaptiven Unterricht In der Ausbildung an der PH Zürich wird viel Wert auf eine dem Niveau der Lernenden entsprechende Unterrichtsgestaltung gelegt. Angehende Lehrpersonen müssen Aufgaben richtig analysieren können und die Vorkenntnisse der Lernenden passgenau diagnostizieren, um einen adaptiven Unterricht zu gestalten. Neben didaktischen Kompetenzen sind hohe Sprachkompetenzen auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer nötig, damit diese souverän auf Unvorhergesehenes reagieren, inhaltlich flexibel bleiben und auch Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern ein angemessenes Angebot machen können. In der Ausbildung zur Fremdsprachenlehrperson auf Sekundarstufe wird daher von den Studierenden ein C2-Niveau gefordert, für die Primarstufe ein C1. Dies entspricht dem höchsten beziehungsweise zweithöchsten Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Neben Fachdidaktik- und Forschungsmodulen stehen dem Niveau der Studierenden entsprechende interne Sprachkurse und ein Sprachaufenthalt sowie Unterrichtspraktika mit Praxisexperten der Kooperationsschulen und im Zielsprachgebiet auf dem Studienplan. Während drei bis vier Wochen unterrichten die Studierenden dabei in einer von der Hochschule vermittelten Partnerschule eine Klasse in deren Muttersprache, was viele als äusserst herausfordernde und wertvolle Erfahrung bezeichnen. Die Praktika führen nicht nur in den französischen und englischen Sprachraum, sondern auch ins Tessin, da an der PH Zürich auf Sekundarstufe auch Italienisch studiert werden kann. Während Englisch die am häufigsten gewählte Sprache ist und gemäss Bettina Imgrund immer mehr Studierende den Marktwert von Französisch erkennen, entscheiden sich Muttersprachler aus Graubünden auch wegen des Italienischangebots für ein Studium in Zürich. Zudem können Studierende Rätoromanisch vertiefen. «Wir sind sehr stolz auf dieses vielseitige Angebot. Für uns ist das ein Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit und zu einer weitsichtigen Umsetzung von sprachpolitischen Programmen», sagt Bettina Imgrund. Lesen Sie zum Thema Fremdsprachenunterricht auch die Serie «Mein Fremdsprachenpraktikum»: S. 32/33.

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Sind zwei Fremdsprachen in der Primarschule zu viel? Im Jahr 2004 empfahl die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) in ihrer Fremdsprachenstrategie, dass bis spätestens zum fünften Primarschuljahr der Unterricht von zwei Fremdsprachen einsetzen soll, davon eine Landessprache sowie Englisch. Die Reihenfolge der unterrichteten Fremdsprachen war Sache der Kantone. Im Kanton Zürich wurde Englisch bereits 2003 mit der Einführung von «Frühenglisch» der Vorrang gegeben. In verschiedenen Kantonen wurden Initiativen für nur eine Fremdsprache auf der Primarstufe lanciert mit dem Argument, zwei Fremdsprachen überfordere die Kinder. Im Kanton Zürich wurde eine solche im Jahr 2006 mit rund 60 Prozent abgelehnt. Nach wie vor wird der Unterricht von zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe von verschiedenen Lehrpersonenverbänden kritisiert. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) forderte 2013 eine bessere Umsetzung der Sprachenstrategie und schlug vor, die zweite Fremdsprache unter Umständen als Wahlpflichtfach zurückzustufen. Der Zürcher Lehrerinnenund Lehrerverband (ZLV) teilte im April 2015 mit, dass die Mehrheit seiner Mitglieder nur eine Fremdsprache in der Primarschule wünsche und dass der Verzicht auf Englisch in der Primar aus pädagogischen Gründen ein realistischer Ausweg aus dem nationalen Fremdsprachendilemma sei. In verschiedenen Kantonen wurden und werden erneut Unterschriften für weitere Abstimmungen gesammelt. In Nidwalden lehnte die Bevölkerung eine entsprechende Initiative 2015 ab. «Die im EDK-Beschluss geforderte funktionale Mehrsprachigkeit der gesamten Bevölkerung kann nur erreicht werden, wenn man schon in der Primarschule mit dem Fremdsprachenunterricht beginnt», sagt Christoph Suter, Bereichsleiter Sprachen auf der Primarstufe an der PH Zürich. Die Forschung zeige eindeutig, dass ein Fremdsprachenunterricht über längere Zeit zu höheren Kompetenzen führe. Ein früher Fremdsprachenunterricht soll demnach verhindern, dass bestimmte Gruppen, wie in der Vergangenheit, unzureichende Fremdsprachenkompetenzen erwerben. Aus fachlicher Perspektive gebe es keinen Grund, weshalb zwei Fremdsprachen Kinder überfordern sollten, gibt Suter den Fachdiskurs wieder: «Die Kinder bringen die nötigen Voraussetzungen mit, Lernschwierigkeiten gibt es wie in jedem anderen Fach», so Suter. Letztlich gehe es um die grundsätzliche Frage, wie man die Mehrsprachigkeit gewichte. Die Einwände von Lehrpersonen gelte es allerdings sehr ernst zu nehmen. Suter sieht mit als Grund für diese Bedenken, dass unterschätzt wurde, wie viel Zeit und Ressourcen die Einführung eines neuen Fachs benötige. «Der Arbeitsaufwand der Lehrpersonen für Weiterbildung und Umsetzung ist neben allen anderen Aufgaben, die sie zu bewältigen haben, sehr gross», sagt Suter. «Nun gilt es, sie auf dem eingeschlagenen Weg bestmöglich zu unterstützen.» – Melanie Keim

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Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

weniger Mühe mit dem authentischen Textmaterial als erwartet. «Die Lehrpersonen haben Sprachen selbst noch anders gelernt», weist Keller auf die Lücke zwischen alten und neuen Unterrichtskonzepten hin, die Kinder auch einmal an der Grenze ihres Niveaus üben lassen. «Wir sind aber gut unterwegs», sagt Keller aufgrund der Rückmeldungen aus der Erprobung. Zudem seien die heutigen Studierenden, die quasi fachdidaktisch unbeschriebene Blätter seien, offen gegenüber neuen Unterrichtskonzepten.


Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

«Fremdsprachen können die Differenz ausmachen» Romain Hofer kennt als Leiter «Marketing und Kommunikation» des Personalvermittlungsunternehmens «Manpower Schweiz» die Sprachanforderungen der Arbeitgebenden wie auch die Fremdsprachenkompetenzen der Arbeitnehmenden. Er beobachtet, dass zunehmend auch ein Wissen um die Kultur hinter einer Sprache gefordert wird. Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

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Wie hat sich die Bedeutung von Fremdsprachen in der Schweiz verändert? Für Englisch gilt: Während früher das «First Certificate» als Minimum verlangt wurde, bewegen sich die Erwartungen heute für viele Berufe in Richtung C-Niveau und somit auf die dritte und höchste Stufe des internationalen Referenzrahmens. In internationalen Firmen, die in der Schweiz ihren Hauptsitz haben, beobachten wir zudem eine interessante Tendenz: Mehrsprachigkeit ist heute eine zentrale Erwartung, womit nicht nur die Sprache gemeint ist. Mitarbeitende müssen neben den Sprachkenntnissen zunehmend auch ein kulturelles Wissen mitbringen. Wo kulturelle Aspekte stark gewichtet werden, kann neben Englisch und der Landessprache auch eine exotische Muttersprache wie Vietnamesisch von Vorteil sein, selbst wenn diese im Beruf nicht gebraucht wird. Man vermutet, dass sich solche Personen gut in einem multikulturellen Umfeld bewegen können. In den letzten Jahren ist bei unseren Kunden in der Westschweiz zudem die Nachfrage nach Deutsch gestiegen, in Zürich erhält Französisch eine immer grössere Bedeutung. Welches sind heute die wichtigsten Fremdsprachen? Nach wie vor sind dies primär Deutsch, Französisch und Englisch. Im Bau- und Produktionssektor sind natürlich Sprachen wie Portugiesisch, Spanisch oder slawische Sprachen wichtig. Von Teamleitern werden in diesem Sektor in den letzten Jahren primär Kompetenzen in einer Landessprache verAKZENTE 3/2015

Über Romain Hofer

langt und nicht mehr wie früher in den Muttersprachen der Mitarbeitenden. Tendenziell gilt: Je höher die Hierarchiestufe, Romain Hofer war desto mehr Sprachen sollte man sprechen schon als Kind mit verschiedenen Spra- und verstehen. chen konfrontiert. In Lausanne geboren, verbrachte er die ersten Lebensjahre in Zürich, ohne von seinen Westschweizer Eltern Deutsch zu lernen. Den Vater zu verstehen, wenn dieser mit Deutschschweizer Kollegen sprach, wurde zu einem wichtigen Ziel, auch nach der Rückkehr in die Westschweiz.

Sind grundsätzlich mündliche oder schriftliche Kompetenzen wichtiger? Das ist stark vom Sektor, Kompetenzniveau und den Kommunikationskanälen abhängig. Für die Korrespondenz auf elektronischem Weg stehen uns heute neben den Korrekturprogrammen immer mehr Vorlagen zur Verfügung. Durch diese Vereinfachung werden die schriftlichen Anforderungen zum Teil reduziert. Andererseits verlangen Firmen heute eine fehlerfreie Kommunikation als Teil des Images, und durch Social Media Nach dem Studium werden Fehler heute viel schneller und der Betriebswissenschaften an der Uni- breiter bekannt. Deshalb ist in manchen Bereichen mehr schriftliche Perfektion versität Lausanne nahm Hofer bewusst verlangt als früher. eine Stelle bei der UBS in Zürich an. In den folgenden Positionen im Marketing bei Schweizer Unternehmen und Institutionen waren seine Deutschkenntnisse stets von grosser Bedeutung, auch in seiner heutigen Position. Der 44-Jährige wohnt mit seiner Frau und der 11-jährigen Tochter in Prilly bei Lausanne, arbeitet gerne im Garten und sammelt Vintage-Werbungen. Sport in der Natur bezeichnet er als wichtigen Ausgleich zur Arbeit. Am Tag des Interviews war er schon um 6.30 Uhr mit dem Ruderboot auf dem Lac Léman. Privat spricht Hofer immer noch lieber Französisch als Deutsch.

In Stellenausschreibungen werden hinsichtlich Sprachkenntnisse zum Teil scheinbar überrissene Anforderungen gestellt. Fordern Arbeitgebende Sprachkenntnisse, die im Job gar nicht angewandt werden? Wenn man eine Mitarbeiterin sucht mit fünf Sprachen auf C-Niveau, obwohl sie diese für die ausgeschriebene Stelle nicht benötigt, wird das durch den Markt automatisch reguliert. Solche Leute sind auf einem Markt mit einer gewissen Talentknappheit schwierig zu finden und haben daher einen hohen Preis. Wenn ein Unternehmen in Fremdsprachenkenntnisse investiert und einen höheren Lohn bezahlt, dann will es auch einen Return on Investment, das heisst, der Gebrauch ist quasi ein Must. Natürlich können die Anforderungen zwischen Stellenausschreibung, Dossiertriage, Gespräch und dem tatsächlichen Arbeitsvertrag abnehmen. Generell wird in der Jobbeschreibung aber nicht doppelt so viel verlangt, wie im Beruf nötig ist. Die Ausschreibungen sind in letzter Zeit trans­ parenter geworden, auch dank der Standardisierung durch den Europäischen Referenzrahmen. Wie schätzen Sie die Sprachkompetenzen der Arbeitnehmenden ein? Die Sprachkompetenzen haben sich verscho-

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Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

Welche Bedeutung haben Fremdsprachen heute in den Unternehmen? Fremdsprachen haben in der Schweiz nach wie vor eine sehr grosse Bedeutung. Bei zwei sehr guten Bewerbungsdossiers gewinnt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Person, die mehr Sprachen kann. Denn Sprachkenntnisse zeigen auch, dass eine Person Neuem gegenüber offen ist. Fremdsprachen haben auch einen Einfluss auf den Monatslohn: Für die Westschweiz schätzt man, dass Deutschkenntnisse durchschnittlich 300 Franken mehr Monatslohn bringen, bei Englisch spricht man von 150 Franken. Das ist ziemlich einfach zu erklären, denn es gibt weniger Leute, die gut Deutsch sprechen als solche, die Englisch beherrschen.


Schwer pu nkt Fremdsprachenu nterricht

«Die Schweizerinnen und Schweizer schätzen sich bei den eigenen Sprachkenntnissen zu tief ein.» Romain Hofer vom Personalvermittlungsunternehmen «Manpower» in seinem Büro in Lausanne.

ben. Die Schere zwischen Personen, die gute, und solchen, die weniger gute Fremdsprachenkenntnisse haben, öffnet sich nach unseren Beobachtungen immer weiter. Bei Personen, die Fremdsprachen als wichtig einschätzen – oftmals Hochschulabgänger – haben sich die Kenntnisse deutlich verbessert. Auf der anderen Seite gibt es heute Leute, die wenig Wert auf Fremdsprachen legen. Das ist gefährlich, weil Sprachkenntnisse bei einer Bewerbung die Differenz ausmachen können. Und wie schätzen die Arbeitnehmenden ihre Sprachkenntnisse ein? Das ist stark von der Kultur abhängig. In der Schweiz schätzen sich unsere Kandidatinnen und Kandidaten immer noch zu tief ein. Wenn ein Schweizer sich bewirbt, hat er fast mit Sicherheit bessere Fremdsprachenkenntnisse, als er dies in seinem Lebenslauf angibt. Bei Deutschen und Franzosen ist es tendenziell umgekehrt. Jugendliche überschätzen sich eher. Das ist eine neue Entwicklung und hat auch mit der Art, wie man heute Sprachen lernt, zu tun. Gerade im Englischen haben die Jugendlichen schnell das Gefühl, die Sprache ganz gut zu beherrschen, wenn sie Songtexte kennen oder eine Zeit im Ausland verbracht haben. Zwischen Alltagssprache unter Kolleginnen und Kollegen und der Sprache im Beruf besteht aber ein grosser Unterschied. Dies ist jedoch nicht unbedingt nur nega18

tiv. Eine Sprache zu leben, bedingt auch eine gewisse Selbstsicherheit und Lockerheit. Wie fördern die Betriebe die Sprachkompetenzen ihrer Mitarbeitenden? Da gibt es auf jeden Fall Nachholbedarf. Je grösser eine Firma ist, desto mehr kann sie in die Mitarbeitenden investieren, doch Weiterbildung ist nicht immer nur eine Kostenfrage, sondern oft eine Frage der Firmenkultur. Heute bestehen immer mehr Möglichkeiten, Sprachen sehr kostengünstig zu lernen, etwa über Online-Kurse. Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden besser über solche Kanäle informieren oder diese zur Verfügung stellen. Wo und bei wem sehen Sie Handlungsbedarf ? Ich denke, dass Sprachen weniger trocken vermittelt werden sollten. Denn Sprachen lernt nur, wer Spass daran hat. Mit der Sprache sollte man immer auch die Kultur dahinter vermitteln. Meine Tochter hat beispielsweise eine sehr engagierte Deutschlehrerin, die unter anderem einen Austausch mit einer Innerschweizer Klasse gemacht hat. Das ist ein toller Weg, um kulturelle Unterschiede kennenzulernen und sich über diese hinweg auszutauschen. Doch solche Projekte erfordern viel Zeit, Energie und persönliche Motivation. AKZENTE 3/2015


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«Eine tolle Idee – das werden wir zuhause auch mal machen» Kinder werden heute mit Smartphone, Tablet und Computer gross. Deren Bedienung ist oft kinderleicht, doch der Umgang mit den neuen Technologien und digitalen Medien weckt gewisse Unsicherheiten. Deshalb hat die Primarschule Untersiggenthal das Thema in einem von der PH Zürich organisierten Familien-Medienbildungsmorgen für Eltern und Kinder aufgegriffen.

Reportage

Text: Isabel Plana, Fotos: Niklaus Spoerri

Wie sieht eigentlich das Herz eines Computers aus? Und wo sitzt sein Gehirn? «Das werden wir jetzt gleich herausfinden», sagt Thomas Staub und teilt einen Stapel ausgedienter Laptops aus. Im Workshop «Blick in den Computer» bringt der Dozent für Medienbildung an der PH Zürich den Eltern und Kindern das Innenleben und die Funktionsweise dieses alltäglichen und doch so abstrakten Gegenstands näher. Mit Miniatur-Schraubenziehern machen sich die Mütter, Väter, Söhne und Töchter ans Werk. «Zuhause bitte nicht nachmachen», ermahnt Fachmann Staub die Kinder, die es kaum erwarten können, die Computer in ihre Einzelteile zu zerlegen. Der Akku ist schnell ausgebaut. Die Schale lässt sich auch noch leicht entfernen. Dann aber geht es ans Eingemachte, und daran kann man sich schon mal die Zähne ausbeissen. «Wenn es so schwierig ist, einen Computer auseinanderzunehmen, wie schwierig ist es dann erst, ihn zusammenzubauen?», meint Susan Greulich lachend, während ihr Sohn Tobija mit seinem Freund Samuel etwas ratlos die vielen Bausteine betrachtet, die sie soeben freigelegt haben. Wie weiter? 20

Wenn selbst der kleinste Schraubenzieher zu gross ist, muss man sich etwas einfallen lassen. «Hier, probier es mal damit», sagt Greulich zu ihrem Sohn und reicht ihm eine Büroklammer. Eine gute Idee. Eifrig werkelt der Sechsjährige weiter. «Von den vier Workshops, die zur Auswahl standen, wollte Tobija unbedingt diesen hier besuchen. Er interessiert sich sehr für Computer», weiss seine Mutter. Susan Greulich findet den Medienbildungsmorgen eine gute Idee und schätzt das Angebot. «Der richtige Umgang mit Medien ist ein wichtiges Thema im Familienalltag. Wie viel braucht es? Was ist zu viel? Und wie kann man die Kinder sinnvoll an die Medien und neuen Technologien heranführen? Solche Fragen beschäftigen uns Eltern natürlich.» Vielfältige Anwendungen entdecken Genau diese Fragen sollen mit dem Familien-Medienbildungsmorgen aufgegriffen werden. Bereits zum zweiten Mal führt die Primarschule Untersiggenthal in Zusammenarbeit mit der PH Zürich diesen Anlass für Kinder der 2. Kindergartenstufe und ihre Eltern durch. «Wir setzen uns als Schulteam schon seit längerem intensiv mit Medienbildung auseinander», sagt Schulleiterin Silvia Mallien. Das Thema wird nicht nur im normalen Unterricht vermehrt aufgegriffen, alle zwei Jahre findet zudem stufenübergreifend ein Medienmonat statt. «Dabei haben wir bei den Mittelstufenklassen festgestellt, dass viele Kinder gar nicht recht wissen, wozu sie die verschiedenen Medien und Geräte nutzen können. Dass man etwa mit dem Tablet viel mehr machen kann, als nur Videos auf Youtube anzuschauen», erzählt die Schulleiterin. Deshalb hat die Schule beschlossen, bereits die Kindergartenkinder im Rahmen des Medienbildungsmorgens mit den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Medien vertraut zu machen. «Es ist wichtig, möglichst früh mit der Medienbildung zu beginnen», sagt Silvia Mallien, «denn die Kinder sind heutzutage von klein an stark mit Medien und digitalen Geräten konfrontiert.» Ein Umstand, der die Väter und Mütter vor einige Herausforderungen stellt und nicht selten verunsichert. Hier soll der Medienbildungsmorgen Abhilfe schaffen, differenziert informieren und orientieren. Und auch relativieren. «Es ist ein Mythos, zu glauben, dass ein Kind automatisch klüger wird, wenn es sich mit dem Computer oder Smartphone beschäftigt», sagt Mallien. Verbieten solle man den Kindern solche Medien aber auch nicht. «Vielmehr geht es darum, sie an diese Technologien heranzuführen, indem man ihnen eine altersgerechte Nutzung anbietet.» Wie das geht, zeigt das Medienbildungs-Team der PH Zürich an diesem Morgen in vier verschiedenen Workshops, die in Absprache mit der Schule entwickelt wurden. Je nachdem für welches Angebot sich die einAKZENTE 3/2015


Schwer pu nkt Heterogenität AKZENTE 3/2015

Im Workshop «Blick in den Computer» lernen die Kinder und Eltern das Innenleben von Laptops kennen. 21


zelnen Familien entschieden haben, werfen sie einen Blick in den Computer, erzeugen eigene Soundeffekte, machen magische Fotos oder produzieren selber einen Trickfilm. Digitales Daumenkino «Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist, selber einen Trickfilm zu machen», meint Issa Emad erstaunt. Das Tablet auf dem Tisch eingespannt, macht eine ihrer Töchter Fotos, während die andere die zuvor ausgemalten und ausgeschnittenen Papierfiguren zentimeterweise über den Boden bewegt. Die Geschichte haben sich

Reportage

Ziel des Familienmorgens ist es unter anderem, Eltern für die Wirkung der Medien auf die Kinder und mögliche Gefahren zu sensibilisieren.

rich, zwischen den Workshops ein Referat. «Medienbildung findet nicht nur mit elektronischen Geräten statt», sagt sie den Eltern. «Es geht auch darum, sich mit dem Kind über Medieninhalte zu unterhalten, zum Beispiel über die Szenen, die es im Fernsehen gesehen hat.» Denn Kinder nehmen das Gesehene anders wahr. «Es fällt ihnen beispielsweise schwer zu unterscheiden, ob etwas gespielt oder echt ist.» Während uns Erwachsenen klar ist, dass eine Person im Film nicht wirklich stirbt, können Kinder diese Abstraktion in der Regel noch nicht machen. Zudem hänge ihre Wahrnehmung stark von ihrer eigenen Lebenswelt ab, weiss Tilemann und fordert die Eltern auf: «Lassen Sie sich von Ihrem Kind einmal einen Film erzählen. Das ist sehr interessant. Sie erfahren dann nämlich häufig auch, welche Themen das Kind in seinem Leben gerade beschäftigen.» In ihrem Vortrag zeigt die Dozentin auf, dass Medienkompetenz weit mehr ist als die korrekte Handhabung eines Geräts. «Es ist viel schwieriger, einen Apfel zu schälen, als ein Tablet zu bedienen. Dass Kinder die richtigen Gesten auf dem Touchscreen ausführen, bedeutet noch lange nicht, dass sie Medien durchschauen.» Kompetent ist, wer sich kritisch mit Medien auseinandersetzt, sie gezielt anwendet und als Werkzeug zu nutzen weiss. «Versuchen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, selber etwas mit Medien zu gestalten, zum Beispiel ein Fotoalbum oder eine Fotogeschichte», ermutigt Tilemann die Eltern. «Man muss kein Computerfreak sein, um sein Kind in Sachen Medien gut begleiten zu können.»

die beiden Mädchen zu Beginn selber ausgedacht. Und sie geht so: Zunächst steht der kleine Elefant alleine auf der Wiese. Dann nähert sich die Maus Schritt für Schritt, springt in hohem Bogen auf den Elefanten und reitet mit ihm durch die Landschaft. In viele Kleinstbewegungen eingeteilt, ergibt sich daraus eine Bilderreihe. Diese wird mit Hilfe einer App zusammengefügt und verwandelt sich, hintereinander abgespielt, in einen Film. Ein digitales Daumenkino sozusagen. «Es ist interessant zu sehen, was man mit dem Tablet alles machen kann», sagt Issa Emad. «Sonst schauen meine Töchter darauf immer nur Videos. Aber mit dieser App können sie selber etwas gestalten. Eine tolle Idee, das werden wir zuhause auch mal machen.»

Bis auf die Tasten seziert Kleine Computerfreaks scheinen Tobija und Samuel bereits jetzt zu sein, so hartnäckig wie die beiden Buben den Laptop Stück für Stück zerlegt haben. «Schaut alle mal schnell her, ich will euch bei dieser Gruppe hier etwas zeigen», sagt Workshop-Leiter Thomas Staub und beugt sich über Tobijas und Samuels Laptop. «Wenn ihr hier mit den Fingernägeln draufdrückt, könnt ihr den Arbeitsspeicher herausnehmen. Das ist sozusagen das Kurzzeitgedächtnis des Computers.» Damit geben sich die beiden Buben noch lange nicht zufrieden. Sie sezieren weiter, bis der Laptop bis auf die letzte Taste in seine Einzelteile zerlegt ist. Thomas Staub schmunzelt und macht sich daran, das Gerät behelfsmässig wieder zuProduzieren statt nur konsumieren sammenzusetzen. Damit auch die nächste Gruppe noch Ziel des Medienbildungsmorgens ist aber nicht nur, die Chance hat, den Computer auf Herz und Nieren zu Interesse an der Technologie zu wecken und Ideen für prüfen. den kreativen Einsatz von Tablets oder Smartphones aufzuzeigen, sondern die Eltern auch für die Wirkung Weitere Informationen zum Angebot «Familien-Medienbildung» der PH Zürich: der Medien auf die Kinder und mögliche Gefahren zu tiny.phzh.ch/familientag sensibilisieren und Ideen für den familiären Alltag mit Medien mitzugeben. Zu diesem Zweck hält Friederike Tilemann, Dozentin für Medienbildung an der PH Zü22

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Tablet auf dem Tisch ankleben, Figuren bewegen, Fotos machen, App installieren – fertig ist der Trickfilm.

Ein Mädchen seziert einen Computer, während die Eltern den Ausführungen des PHZH-Fachmanns folgen.


Studierendenporträt

Kyung-Jin   Candrians   Weg an die PH Zürich führte sie durch viele Länder. Die Berlinerin mit koreanischen Wurzeln kam der Liebe zu ihrem Ehemann wegen in die Schweiz. Nach ihrem Soziologie-Studium in Konstanz spielte sie bereits mit dem Gedanken, Leh­re­r in zu werden, schob den Plan aber auf, um reisen zu können. Die Entscheidung für das Studium zur Lehrperson fiel nach dem Auf­­ent­halt in einem Meditationszentrum in Tokyo. Gespräche mit anderen Menschen vor Ort, von denen viele den Lehrberuf ausübten, aber auch die internationale Perspektive des Berufs hätten sie inspiriert, sagt sie. Zurück in der Schweiz begann sie 2011 mit dem Studium. Nach zwei Semestern gönnte sie sich eine Pause, um mit ihrem Mann Asien zu erkunden. Zuerst absolvierte sie 24

jedoch noch einen Sprachaufenthalt in England. Danach ging es über einen buddhistischen Pilgerweg von Indien nach Nepal, Malaysia, Thailand und Burma. Nach sechs Monaten kehrte das Paar zurück. Kurz darauf wurde Candrian mit Wunschkind Mido schwanger.

Sie   zog ihr Studium während der gesamten Schwangerschaft durch, nur in einem Modul trat sie kürzer, als die physischen Belastungen zu gross wurden. Ihre Kolleginnen und Kollegen an der PH Zürich seien alle sehr lieb gewesen. Die Dozierenden seien ihr entgegengekommen. Im Juli 2014 kam die kleine Mido auf die Welt, «in den Semesterferien, zum perfekten Zeitpunkt», sagt sie und lacht. Ihr Leben sei seither präzise durchgeplant. Für Spontanität bliebe kaum

Platz. Das spürt sie besonders während der Praktika. Ihre Pausen nutzt sie dazu, nach Hause zu fahren, um das Kind zu stillen. Nachmittags ist sie in erster Linie Mutter. Abends wird sie wieder zur Studentin und arbeitet oft bis spät in die Nacht. Der Wechsel zwischen den beiden Rollen ist stressig und doch gefällt es ihr so, wie es ist. Ihr Mentor, der sie während des Studiums betreut, spiele dabei eine grosse Rolle, da er auf ihre neue Lebenssituation Rücksicht nehme. Ihr Studienabschluss verschiebt sich durch die Mutterschaft um ein Jahr. Das sei nicht weiter schlimm, findet sie. Zeit zum Arbeiten hätte sie schliesslich noch bis 64. – Sarah-Amelia Paciarelli

Sarah-Amelia Paciarelli ist Redaktorin in der Abteilung Kommunikation an der PH Zürich.

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Foto: Nelly Rodriguez

Studierendenseite

Kyung-Jin Candrian, 30, Studentin auf der Sekundarstufe I mit Tochter Mido.


Die Masterarbeit

Bisherige   Forschungsergebnisse   haben gezeigt: Schulabsentismus darf nicht auf Unlust und Schulaversion reduziert werden. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit AKZENTE 3/2015

der Problematik führt vor Augen, dass sich Schulabsentismus in vielen Formen äussert. Die Gründe für das physische Fernbleiben von der Schule reichen vom «klassischen» Schwänzen über Schulangst bis hin zum Zurückhalten des Schülers oder der Schülerin durch die Eltern. Die Analyse der Leitfadeninterviews bestätigte den aktuellen Forschungsstand dahingehend, dass sowohl individuelle als auch institutionelle Faktoren einen Schulabbruch bedingen. Als wichtigste Erkenntnis aber gilt, dass eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung und die Beziehungsfähigkeit beider Akteure die beste Schulabbruchprophylaxe ist. Mit ihrer Arbeit möchte Johanna John sensibilisieren: Lehrpersonen sollten sich bewusst sein, dass «ein Schulausschluss ein sehr einschneidendes und wegweisendes Erlebnis» für einen jungen Menschen sein kann. Die beiden Dozentinnen, bei denen die Masterarbeit eingereicht wurde, legen grossen Wert auf die Schulabsentismusprophylaxe in der Lehrpersonenausbildung: «Beim Schulabsentismus schauen viele gerne weg, da sich dahinter oft ein Problemkomplex verbirgt, der eine Lawine ins Rollen bringen kann», weiss Patricia Schuler. Umso wichtiger sei es, dass angehende Lehrpersonen für diese pädagogische Aufgabe diagnostisch befähigt würden, ergänzt Manuela Depauly. Johanna John ist jetzt ein Profi im Umgang mit Schulschwänzenden und schaut in Zukunft nicht weg, wenn jemand im Unterricht auffällig oft unerlaubt fehlt. – Sarah-Amelia Paciarelli

Die Masterarbeit von Johanna John ist online veröffentlicht: blog.phzh.ch/akzente

Ein unglaubliches Privileg Albisriederplatz: Ich steige ins Tram und schnappe mir eine Zeitung. Wieder sind Flüchtlinge ein Thema. Bald blättere ich weiter zum Klatsch und Tratsch. Sihlpost: Schon muss ich aussteigen. Ein schlechtes Gewissen plagt mich. Gehöre ich auch zu den Leuten, die Banalitäten höher gewichten als humanitäre Tragödien? Liess mich die Frontseite mit den verschütteten Menschen aus dem Erdbeben eben gerade kalt? Eine Überlebensstrategie ist es wohl, unlösbar erscheinende Probleme zu verdrängen. Ich erkläre es mir so: Menschen suchen nach Antworten. Krieg, Terror oder Naturkatastrophen passieren. Niemand weiss, warum und wann es wen trifft. Die Frontseite liess mich eben doch nicht kalt. Beim Lesen fühlte ich mich machtlos und traurig. Ich schätze es, dass wir verschont blieben und bin überzeugt: Blendet man das Weltgeschehen ganz aus, wird der eigene Horizont immer kleiner. Man beginnt sich über kleine Dinge zu ärgern. Die Gefahr, darin zu versinken, steigt. Es ist ein unglaubliches Privileg, in der Schweiz geboren worden zu sein, wo wir seit langem von Krieg und Terror verschont geblieben sind. Für dieses ungemeine Glück haben wir nichts geleistet. Durch Zufall sind wir hier geboren. Sollen wir uns sozial engagieren, nachhaltig leben, spenden oder in Gedanken bei Ärmeren sein? Was wir aus diesem Privileg machen, muss jeder selbst verantworten. Alexandra Edelmann, Studentin auf der Primarstufe und Tutorin im Schreibzentrum der PH Zürich.

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Studierendenseite

Als   Tochter   eines   Sekun­darlehrers erhielt Studentin Johanna John früh Einblicke in den Lehrberuf. Durch einen Vorfall an der Schule, an der ihr Vater unterrichtet, wurde sie auf ein unbehagliches Thema aufmerksam. Sie verfolgte mit, wie ein ehemaliger Schüler ihres Vaters auf die schiefe Bahn geriet, die Schule schwänzte und nach gescheiterten Integrationsversuchen ausgeschult wurde. Vor zwei Jahren bekam sie im Rahmen eines Praktikums im Lehrerzimmer ein Gespräch mit. Wieder ging es um einen Schüler, welcher der Schule fernblieb und dem die Ausschulung drohte. Johanna John gingen viele Fragen durch den Kopf. Viele blieben unbeantwortet, und so entschloss sie sich dazu, ihre Masterarbeit dem Thema Schulabsentismus und Schulabbruch zu widmen. Den Fokus legte sie auf die subjektive Wahrnehmung der involvierten Akteure. Mittels Leitfadeninterviews, die sie mit Theorie und Forschungsergebnissen verknüpfte, ging sie der Frage nach, wie betroffene Jugendliche und deren Lehrpersonen den Schulabbruch erleben, welche Faktoren den Abbruch begünstigen und welche ihn verhindern können. Neben individuellen Faktoren wie dem Alter, Geschlecht, sozioökonomischen Status und der familiären Situation der Jugendlichen spielten dabei auch institutionelle Einflüsse wie der Umgang mit Regeln oder Lehrpläne eine Rolle.

Ausstudiert – die Studierendenkolumne


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Hemmungen abbauen im Experimentieren

Auf den Tischen im Unterrichtszimmer liegen Taschenlampenbatterien, Glühbirnen, Ballone, Magnete und weitere einfache Alltagsgegenstände. Aufgeteilt in Gruppen brüten angehende Primarlehrerinnen und -lehrer über Experimenten, die ihre Mitstudierenden als Lern­aufgabe vorbereitet haben. Die Studierenden gehen mit forschender Neugier ans Werk. Kritisch prüfen sie, ob die Auftragsblätter auch für Kinder auf der Primarstufe verständlich sind oder didaktischer Korrekturen bedürfen. «Dieses Experiment werde ich sicher mit meiner Klasse durchführen, wenn wir etwas mit Elektrizität machen», meint eine Studentin, die nach den Sommerferien ihre erste Stelle antritt. Auf bauen von naturwissenschaftlichen Kompetenzen Entgegen dem Wunsch einiger Studierender sei es aber nicht das Ziel, pfannenfertige Anweisungen für Experimente zu produzieren oder auszuhändigen, bemerkt Franziska Detken, die Dozentin des Moduls. Geweckt werden sollen stattdessen die Neugier und die Verinnerlichung der wissenschaftlichen Forschungslogik. Dabei gehe es darum, «spielerisch Phänomene in Natur und Technik beobachten zu lernen, Fragen zu stellen, Vermutungen zu formulieren und mit Experimenten herauszufinden, ob diese stimmen», sagt die Dozentin. Durch den Erwerb dieser methodischen Kompetenzen werde ein Zugang zu einer Vielzahl von Phänomenen ermöglicht, und zwar bei Lehrperson und Schülerinnen und Schülern gleichermassen. «Naturwissenschaften fristeten auf der Primarstufe bislang eher ein Stiefmütterchen-DaAKZENTE 3/2015

Neue Handreichung für Lehrpersonen und Schulen Ebenfalls im Zuge der Stärkung der Naturwissenschaften hat das Zentrum für Didaktik der Naturwissenschaften (ZDN) der PH Zürich im Auftrag des Volksschulamts eine Handreichung für Lehrpersonen und Schulen aller Stufen entwickelt. Auch in dieser steht das Experimentieren im Fokus. «Das Experimentieren ist in den Naturwissenschaften die zentrale Arbeitsweise. Deshalb ist es

Das neue Ausbildungs-Modul vermittelt Studierenden Sicherheit im Umgang mit naturwissenschaftlichen Inhalten.

wichtig, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht Experimente durchführen», sagt Susanne Metzger, Leiterin des ZDN. Die Handreichung enthält Tipps für die Ausstattung der Schulen mit einfachen ExperimentierMaterialien sowie Anregungen für Experimente. Link zur Handreichung: tiny.phzh.ch/experimentieren Christian Wagner ist Redaktor in der Abteilung Kommunikation der PH Zürich.

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PH Zürich – Ausbildu ng

sein», stellt Detken fest, «dabei sind Kinder auf dieser Stufe sehr neugierig. Ihnen in diesem Alter einen Zugang in diese Welt zu ermöglichen, erachte ich als sehr effektiv.» Um die Vertrautheit und das Vorwissen bezüglich Naturwissenschaften sei es sehr unterschiedlich bestellt unter den Studierenden, merkt die Dozentin an. Obwohl alle sehr interessiert seien, fühlten viele sich unsicher. «Deswegen», so Detken, «geht es im Modul auch darum, in den NaTech-Bereichen die Hemmungen der zukünfUm die Kompetenzen von Lehrpersonen und tigen Primar-Lehrpersonen abzubauen und ihre fachliSchulkindern in den naturwissenschaftchen und fachdidaktischen Kompetenzen zu stärken.» Es lich-technischen Bereichen zu stärken, sei folglich ein wichtiges Ziel, dass die Studierenden fachhat die PH Zürich das Modul «Natur und Techliche Sicherheit und Erfahrungen mit den zentralen Menik mit Kindern» ins Leben gerufen. Dort thoden gewännen; allen voran mit dem Experimentieren lernen angehende Primarlehrpersonen, Kinund der Arbeit mit Modellen. «Auch wenn dieser Weg für dern einen forschenden Zugang zu ihrer einige herausfordernd ist: Dieser Prozess ist sehr zentral Umwelt zu eröffnen. und soll hier im Modul angeschoben werden», sagt Franziska Detken und widmet sich wieder ihren forschenden Text und Foto: Christian Wagner Studierenden.


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02.04.2015 14:53:16

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Die Stiftung Pestalozzianum hat ein Projekt für den Erhalt, die Erschliessung und die Nutzung ihrer umfangreichen Sammlungen entwickelt. Nun erhält sie gut sieben Millionen Franken aus dem Lotteriefonds des Kantons Zürich für dessen Umsetzung. Wichtige Partner sind die PH Zürich und externe Fachpersonen. Text: Peter Stücheli-Herlach, Thomas Hermann Foto: Reto Klink

Sanieren, erschliessen und nutzbar machen Das in fünf Teilprojekte gegliederte Grossprojekt nimmt konkret folgende Aufgaben in Angriff: Das mit über 65 000 Zeichnungen bestückte «Archiv der Kinder- und Jugendzeichnung» wird inhaltlich vollständig erschlossen, digitalisiert und für die Online-Nutzung zugänglich gemacht. Eine grosse Sammlung von historischen visuellen Unterrichtsmedien (Glasdias, Schulwandbilder und -karten) werden ebenfalls vollständig erfasst und digital zugänglich gemacht. Vor- und Nachlässe von bekannten

Historische Bücher und Handschriften, Kinderzeichnungen, historische Glasdias, Schulwandbilder, Protokolle und vieles mehr: Die «Sammlungen Pestalozzianum» sind ein Archiv der kantonalzürcherischen Bildungsgeschichte von besonderem Wert und Ausmass. Dieses «Gedächtnis der Volksschule» befindet sich im Besitz der Stiftung Pestalozzianum, unterhalten und genutzt wird es im Rahmen eines Vertrags durch die PH Zürich. Wichtige Bildungsfragen – Was heisst lernen? Wer soll dabei mitreden dürfen? – können nur im Bewusstsein fruchtbar diskutiert werden, dass Bildung, Politik, Gesellschaft und Kultur schon immer miteinander vernetzt waren. Die «Sammlungen Pestalozzianum», die sich im Dreieck der Person J. H. Pestalozzis, der Volksschule und des Trägerkantons Zürich entfalten, dokumentieren dies auf eindrückliche Weise.

PH Zürich – Stiftu ng Pestalozzia nu m

Das «Gedächtnis der Volksschule»

Preisen, Podien, Publikationen und nun mit diesem grösseren Projekt. In zwei Antragsphasen (2013 und 2014) wurde das Projekt im Umfang von 7,1 Millionen Franken entwickelt und beim Lotteriefonds beantragt. Es wurde Ende April 2015 vom Zürcher Kantonsrat einstimmig genehmigt.

Die «Sammlungen Pestalozzianum» umfassen unter anderem 65 000 Kinder- und Jugendzeichnungen.

Zürcher Pädagogen und Pestalozzi-Forschenden werden durch Findmittel erschlossen und teilweise digitalisiert und transkribiert. Vom Verfall bedrohte oder beschädigte wertvolle Bücher werden restauriert und entsäuert. Die umfassenden Arbeiten an den Beständen werden auch Anlass für vermittelnde Tätigkeiten wie Ausstellungen, Führungen, Faksimiles und Publikationen geben. So Kantonsrat bewilligte Projekt einstimmig kann eine breite Öffentlichkeit auf verschiedenen KanäDie Herkunft der Volksschule ist also deren Zukunft: len von den Sammlungen profitieren. Von dieser Überzeugung lässt sich die Stiftung Pestalozzianum leiten. Der Kanton, die Vorgänger-Institution Weitere Informationen über das Projekt unter «Pestalozzianum» und die PH Zürich haben der Stiftung pestalozzianum.ch vor mehr als zehn Jahren die auch international beachtliPeter Stücheli-Herlach ist Präsident, chen Sammlungen überlassen. Die Stiftung fördert den Thomas Hermann ist Geschäftsführer der Stiftung Dialog zwischen Bildungswesen und Öffentlichkeit mit Pestalozzianum. AKZENTE 3/2015

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«Veränderungen stossen nicht bei allen Akteuren auf Gegenliebe» Seit rund zehn Jahren engagiert sich das Zentrum International Projects in Education (IPE) der PH Zürich in verschiedenen Ländern mit Projekten in Bereichen wie der Berufswahlorientierung oder der Demokratiebildung. Co-Leiter Rolf Gollob äussert sich im Interview darüber, worauf es bei einem Engagement in Staaten wie der Ukraine oder Rumänien ankommt.

PH Zürich – Zentr u m IPE

Text: Christoph Hotz, Foto: Reto Klink

Rolf Gollob, Co-Leiter Zentrum International Projects in Education (IPE) der PH Zürich.

Akzente: Rolf Gollob, wie gelangen Sie mit dem Zentrum IPE an Ihre Aufträge? Rolf Gollob: Das ist sehr unterschiedlich. Meistens werden wir direkt kontaktiert – beispielsweise von einer Bildungsorganisation eines Landes –, oder das Bildungsministerium eines Landes ist an die offizielle Schweiz gelangt, und diese tritt dann in Kontakt mit 30

uns. Dies ist meistens die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Arbeiten Sie immer mit offiziellen Vertretungen eines Landes zusammen? Ja, wir sind eine staatliche Organisation und als solche angehalten, mit der Bildungsbehörde in den entsprechenden Ländern zu kooperieren. Gelangt beispielsweise eine Nichtregierungsorganisation eines Landes mit einer Anfrage an uns, schicken wir sie immer zuerst zu ihren eigenen Behörden zur Absicherung und zur möglichen Einholung von finanziellen Mitteln. Erschwert Ihnen dies die Arbeit? Das macht die Arbeit manchmal komplizierter, ja. Eines unserer Grundprinzipien ist jedoch die Nachhaltigkeit. Diese können wir nur erreichen, wenn die offiziellen Vertretungen der Länder hinter den Projekten stehen oder sie sogar verantworten. Wie stellen Sie sicher, dass Sie stets unabhängig arbeiten können? Das ist eine wichtige Frage. Unsere Projekte sind immer mit Innovationen und Veränderungen verbunden. Diese stossen nicht immer bei allen Akteuren eines Systems auf Gegenliebe. Innovationen sind gleichbedeutend mit einer Anpassung von Inhalten, Strukturen und Prozessen. Dies führt zu Macht- und Einflussverschiebungen. Wird beispielsweise im Rahmen eines unserer Projekte in einem Staat eine neue Didaktik eingeführt, wird die Arbeit von Forschenden an den dortigen Universitäten möglicherweise entwertet, steht doch unsere Entwicklung in Konkurrenz zu ihren Ideen und Ansätzen. Solche Widerstände sind Teil des Prozesses. Unsere Vorschläge werden selten telquel übernommen, sondern im Verlaufe des Projekts so angepasst, dass sie ins System passen. Der Innovationsgehalt darf jedoch nicht verloren gehen. Schlüsselkomponenten müssen eingehalten werden, sonst erfüllen wir unseren Auftrag nicht. Wie unterscheiden sich die politischen Systeme in den Ländern, in denen Sie sich engagieren? Die Machtverteilung in den einzelnen Ländern ist sehr unterschiedlich. Die Ukraine oder Rumänien sind Staaten mit starken administrativen Systemen. Das Beamtenwesen hat dort viel Macht. Starke Beamtenapparate können die Fortschritte behindern, auf der anderen Seite sind sie aber verlässlich. Wie gestaltet sich die Arbeit in Ländern mit schwachen Administrationen? Dies betrifft unser Engagement in jungen Staaten wie Kosovo oder Bosnien. Bosnien beispielsweise ist sehr AKZENTE 3/2015


« Schulleitende müssen lernen, ‹Nein› zu sagen»

dezentral organisiert und hat zwölf kaum koordinierte Bildungsministerien. Dort eine Neuerung umzusetzen, ist sehr schwierig. Wie wichtig ist die Stabilität eines Landes? Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg unserer Projekte ist, dass wir die Strukturen der Staaten gut kennen. Dabei kommt uns unsere langjährige Erfahrung zugut. Wir wissen inzwischen, auf welcher Verwaltungsebene der jeweiligen Länder wir unsere Projekte ansiedeln müssen, damit eine Implementierung eher möglich wird. Wir wissen oft auch, bis zu welcher Ebene bei einem Regierungswechsel die Personen im Verwaltungsapparat eines Landes ersetzt

Akzente: Was sind die Schwerpunkte des Zentrums für Schulentwicklung? Zala-Mezö: Uns interessiert, wie sich Schulen weiterentwickeln und wie dabei die Prozesse ablaufen. Wir versuchen, Faktoren zu ermitteln, die Weiterentwicklungen behindern oder unterstützen. Im Zentrum unserer Untersuchungen stehen dabei stets Projekte, an welchen das ganze Team einer Schule beteiligt ist.

«Die vielen Regierungswechsel in der Ukraine haben unser Projekt nicht behindert.»

Akzente: Können Sie dazu ein Beispiel nennen? Zala-Mezö: Entwicklungen können von der Schule selber initiiert oder durch externe Faktoren ausgelöst werden. Ein gutes Beispiel für Letzteres ist der Lehrplan 21. Wird dieser eingeführt, müssen Schulen darauf reagieren. Das Team wird einen Weg finden müssen, wie es mit den Neuerungen umgeht. Ein wichtiger Aspekt dabei ist das Thema Kooperation und die Frage, wie die Lehrpersonen voneinander profitieren können – beispielsweise bei der Entwicklung von kompetenzorientierten Unterrichtsformen. Ziel ist, dass die Schulen nicht bloss Unterrichtsmaterialen austauschen, sondern gemeinsam Lösungen erarbeiten. Dieser Prozess muss geführt werden. Es braucht eine Person, die ihre Aufmerksamkeit permanent diesem Thema widmet.

werden. Entsprechend suchen wir Projektpartner auf einer höheren Ebene. Unsere Hauptpartnerin in Rumänien hat diverse Ministerien überlebt. Unsere Aufgabe ist es auch, dafür zu sorgen, dass die Themen bei diesen Leuten nicht auf dem Pult liegen bleiben. In Rumänien konnten wir beispielsweise im Rahmen unseres Projekts JOBS eine neue Infrastruktur in Form eines Fachzentrums für Berufsorientierung innerhalb des Bildungsministeriums bilden. Dort wird jetzt eine Fachstelle eingerichtet, welche die Umsetzungsarbeit über viele Jahre hinweg leisten soll. Sie engagieren sich auch in der Ukraine. Das Land sah sich in den vergangenen Monaten und Jahren mit grossen Umwälzungen konfrontiert. Wie hat sich Ihr Engagement in dieser Zeit entwickelt? Wir arbeiten seit sechs Jahren in der Ukraine zum Thema Demokratiebildung. Dabei geht es unter anderem darum, Lehrpersonen, Schulleitenden und Beamten die Grundlagen der praxisorientierten Demokratiebildung zu vermitteln. Wir arbeiten auch da mit einer staatlichen Organisation zusammen. Dies hat sich bewährt. Die vielen Regierungswechsel in den letzten Jahren haben unser Projekt nicht behindert. Dies liegt daran, dass unsere Partner in dieser Organisation die gleichen geblieben sind und die DEZA uns vor Ort unterstützt.

Akzente: Ist dies immer zwingend die Schulleitung? Zala-Mezö: Nein, nicht unbedingt. Die inhaltliche Verantwortung kann an eine Lehrperson delegiert werden. Dies gilt für alle Arten von Projekten. Denn häufig sind Schulleitungen stark überlastet. Es ist wichtig, dass sie Kompetenzen abgeben und, ebenso wichtig, dass sie Prioritäten setzen. Schulleitungen müssen lernen, bei Anfragen für Projekte Nein zu sagen. Wir erleben es oft, dass in Schulen zu viele Dinge gleichzeitig laufen. Deshalb sollten die Schulleitungen Schwerpunkte setzen. – Christoph Hotz

Ausführliches Interview: blog.phzh.ch/akzente Weitere Informationen zum Zentrum IPE: phzh.ch/ipe

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Ausführliches Interview: blog.phzh.ch Weitere Informationen zum ZSE: tiny.phzh.ch/zse

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PH Zürich – Forschu ng

Enikö Zala-Mezö, Leiterin Zentrum für Schulentwicklung (ZSE) der PH Zürich.


«Es gab viel weniger Druck als bei uns in der Schule»

Serie – Mein Fremdsprachenpraktiku m

Wunderschöne Landschaften, idyllische Landhäuser, freundliche Menschen und ein interessantes Schulsystem – so erlebte Jasmina Rütsche, Studentin auf der Primarstufe an der PH Zürich, ihr Fremdsprachenpraktikum im schottischen Dorf Reston. Text: Vera Honegger, Fotos: Jasmina Rütsche, iStockphoto.com, fotolia.com

Hektisch ging es zu und her, bevor Jasmina Rütsche nach Schottland fliegen konnte. Denn ihr dreiwöchiges Assistant Teachership an der Reston Primary School schloss sich nahtlos an das siebenwöchige Quartalspraktikum an. «Das war sehr anstrengend», erinnert sie sich. Und dann kam schon wieder etwas total Neues, es war ihr fast zu viel. «Ich hatte keine Zeit, grosse Erwartungen zu entwickeln, hatten wir doch alle Hände voll zu tun, die Vorfreude kam etwas zu kurz.» Und dies, obwohl Schottland ihr Wunschziel war. Ihre Stimmung änderte sich aber in dem Moment, als sie Louise Sanders, Schulleiterin der Reston 32

Primary School, kennenlernte. Jasmina Rütsche lebte während ihres Aufenthalts im Haus der Schulleiterin. «Das war einfach toll, wie Louise Sanders mich bewirtete, betreute, mit mir Ausflüge unternahm und mich ihrem ganzen Freundeskreis vorstellte», sagt sie mit grossem Enthusiasmus. Dies, obwohl es ihr zu Beginn etwas mulmig war bei der Vorstellung, bei der Schulleiterin zu wohnen. «Das hätte ich mir in der Schweiz nicht vorstellen können, schliesslich ist die Schulleiterin ja auch Vorgesetzte.» Schulalltag ohne Druck Die Reston Primary School, an der Jasmina Rütsche die nächsten drei Wochen als Assistenzlehrperson verbrachte, ist eine sehr ländliche und eher kleine Schule mit rund 70 Schülerinnen und Schülern. Die drei Klassen werden altersgemischt geführt. Auf das schottische Schulsystem war die Studentin sehr gespannt, obwohl sie nicht wirklich grosse Unterschiede zum schweizerischen erwartete. Dies entpuppte sich als falsche Vorstellung. Der Morgen begann etwas militärisch mit der sogenannten Assembly – alle Kinder versammelten sich in Reih und Glied zur Begrüssung –, dann ging es aber sehr spontan und offen weiter. Trotz einem eher formellen Umgang mit den Kindern, der durch die Kleidung der Lehrpersonen mit Anzug und Krawatte unterstrichen wurde, empfand Jasmina Rütsche den Schulalltag als eher unstrukturiert. Das hatte sie etwas überrascht. «Es war nicht zu vergleichen mit einer Schule im Kanton Zürich, hier geht alles sehr strukturiert und planmässig vor sich, mit Jahres-, Quartals-, Wochen- und Tagesplanung», sagt sie. Besonders fiel Jasmina Rütsche aber auf, dass es kaum Frontalunterricht gab, meistens fand der Unterricht in Gruppen statt. Den Lehrplan mussten die Lehrpersonen zwar einhalten, wie sie den Unterricht gestalten, wurde aber AKZENTE 3/2015


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Mehr als nur sprachlich profitiert «Ich kann mich jetzt viel besser und klarer ausdrücken auf Englisch, vor allem, wenn ich Anweisungen gebe in der Klasse», sagt Jasmina im Rückblick auf das Praktikum. Aber in erster Linie sei es ein kultureller Austausch gewesen, sie habe es interessant gefunden, ein anderes Schulsystem kennenzulernen, sich in ein Schulhausteam einzufügen, vor einer total fremden Klassen zu stehen und sich auch zu behaupten: «Diese Erfahrungen sind für mich persönlich der grösste Gewinn.»

Assistant Teachership/Stage professionnel   Alle Studierenden der Primarstufe und Studierende der Sekundarstufe I mit einer Fremdsprache im Fächerprofil absolvieren im Rahmen ihres Studiums ein Fremdsprachenpraktikum im englischen bzw. französischen Sprachraum (Assistant Teachership bzw. Stage professionnel). Das Praktikum dauert drei (Primarstufe) bzw. vier (Sekundarstufe) Wochen und hat u. a.  zum Ziel, die Sprachkompetenz der Studierenden zu verbessern. Im Rahmen der Serie «Mein Fremdsprachenpraktikum» stellen wir an dieser Stelle vier Studierende vor, die ihr Fremdsprachenpraktikum kürzlich absolviert haben.

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Serie – Mein Fremdsprachenpraktiku m

ganz ihnen überlassen. Sie arbeiteten beispielsweise ohne Stundenplan, das überraschte Jasmina. Die Lehrpersonen entschieden sich spontan, welches Fach als nächstes unterrichtet wurde. «Mir kam alles sehr entspannt vor, die Kinder waren motiviert und fleissig», fasst sie zusammen, «es herrschte bedeutend weniger Druck als bei uns an der Primarstufe.» Noten würden die Schülerinnen und Schüler erst ab der Sekundarstufe erhalten. So wie die Lehrpersonen waren auch die Schülerinnen und Schüler alle gleich gekleidet. «Die Schuluniformen sorgen dafür, dass niemand wegen der Kleidung ausgeschlossen wird», sagt sie. Dies habe sie sehr geschätzt. Die formelle Kleidung der Lehrpersonen empfand sie als positiv, man strahle damit etwas ganz anderes aus – sie gebe aber trotzdem zu, dass sie selbst ein bequemes T-Shirt einer Bluse vorziehe. Nebst ihrer hauptsächlichen Tätigkeit als Assistenzlehrperson musste Jasmina drei Lektionen selbständig vorbereiten und durchführen. Die Schweiz als Thema im Bereich «Mensch und Umwelt» habe sich dafür aufgedrängt. Ihre Lektionen führte sie in allen drei Klassen der Schule durch, in der Eingangsstufe und den beiden Primarstufen. «Das war megalässig, ich habe einen Postenlauf organisiert und die beliebtesten Schweizer Menus und die Tierwelt vorgestellt, vieles davon habe ich in Rätsel verpackt», erinnert sich Jasmina. Dass in der Schweiz so viele Sprachen gesprochen werden, sorgte für eine grosse Überraschung, die Kinder konnten sich das gar nicht vorstellen. Zum Schluss sangen sie noch ein Lied miteinander – «Äs Burebüebli mag i nöd», der schottische Akzent war dabei unüberhörbar. Sie musste im Gegenzug ein schottisches Lied lernen, «das war eine echte Herausforderung.»


Medientipps WER KANN WARTEN?

Viel Zeit im Leben verbringen wir mit ungeduldigem Warten. Damit wir das schaffen und nicht nur auf rasche Befriedigung schielen, braucht es Entschlossenheit und Ausdauer. Walter Mischel hat das Phänomen Belohnungsaufschub und dessen Rolle in der Entwicklung der Persönlichkeit jahrzehntelang erforscht. Zu Berühmtheit verholfen hat ihm der sogenannte Marshmallow-Test. Dabei werden Kinder vor eine einfache Wahl gestellt: Sie können ein Marshmallow (oder eine andere Verlockung) sofort bekommen oder sie warten, bis der Versuchsleiter zurückkehrt, und erhalten dafür zwei Marsh­mallows. Kann man Willensstärke und Belohnungsaufschub trainieren und lassen Beobachtungen bei Drei- und Vierjährigen schon auf späteren Erfolg schliessen? Mischel erzählt anschaulich und engagiert, wie er und sein Forschungsteam ihre Untersuchungsmethoden laufend modifiziert haben, um diesen und anderen Fragen auf die Spur zu kommen. – Daniel Ammann

W. Mischel. Der Marshmallow-Test: Willensstärke, Belohnungsaufschub und die Entwicklung der Persönlichkeit. München: Siedler, 2015. 396 Seiten.

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TEENIE-LEAKS

Wer hat sich nicht schon gefragt, was im Kopf der heutigen Jugend vorgeht? Der 15-jährige Paul Bühre erklärt in seinem Buch auf amüsante Weise genau das. So bekommen die Erwachsenen einen Einblick in die Themen, welche die Jugendlichen interessieren: Cliquen, die Wichtigkeit sozialer Netzwerke, Kleidung, Computerspiele, Genussmittel und

natürlich Sex. Bühre erzählt aber nicht nur, er gibt den Eltern auch Tipps zum richtigen Umgang mit dem pubertären Jugendlichen in den heimischen vier Wänden. Bühre hat den humorvollen Ratgeber über Teenies neben seinen schulischen Verpflichtungen geschrieben. Mit seiner lockeren Art gelingt es ihm bestimmt, den einen oder anderen Erwachsenen davon zu überzeugen, dass

es den Jugendlichen «ganz gut» geht, obwohl sie sich in dieser Lebensphase abgrenzen und sich Konflikte mit den Erwachsenen ergeben. Eine lohnende Lektüre für Eltern, Lehrpersonen und alle, die Jugendliche besser verstehen möchten. – Eveline Hipeli

P. Bühre. Teenie­Leaks: Was wir wirklich denken (wenn wir nichts sagen). Berlin: Ullstein, 2015. 191 Seiten.

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Foto: Reto Klink

Medientipps

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BILDUNG NEU DENKEN

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VERWORFENE TITEL

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GESUNDE BLOGS

«Ersticken unsere Schulen die Kreativität?», fragte Ken Robinson in seinem TED-Talk 2006. Weit über 30 Mio. Mal wurde der Vortrag im Internet aufgerufen und gilt als der meistgesehene Beitrag in der Geschichte der TED-Konferenzen. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Robinson ein humorvoller und leidenschaftlicher Redner ist. Sein Plädoyer für Kreativität und radikales Umdenken im Bildungswesen trifft den Nerv der Zeit. In seinem aktuellen Buch legt er dar, warum wir Standardisierungstrends, homogene Leistungstests und Assessments kritisch hinterfragen und Schule von Grund auf neu denken sollten. Seine Überlegungen zur Kunst des Lehrens und zum Inhalt von Lehrplänen illustriert er anhand innovativer Projekte und Schulversuche. Doch Robinson klagt nicht nur an, vielmehr stellt er konkrete Ziele und Kernkompetenzen zur Diskussion und zeigt, was Eltern, Lehrer und wir alle tun können, um die Entwicklung in eine neue Richtung zu lenken.

Manchmal steht der Titel für die Autoren schon von Anfang an fest, manchmal findet er sich erst ganz am Schluss. Beides hilft jedoch wenig, wenn der Verlag andere Vorstellungen darüber hat, was beim Lesepublikum ankommt und sich gut verkauft. In der «Bibliothek der ungeschriebenen Bücher» erzählen 71 Schriftstellerinnen und Schriftsteller von ihren Erfahrungen mit Titeln, die es nicht aufs Cover geschafft haben, oder sie fabulieren über Bücher, die zwar einen verheissungsvollen Titel, aber noch keinen Text haben. Grafiker und Designerinnen zweier Hochschulen haben dafür gesorgt, dass die virtuellen Romane und Projekte wenigstens einen bunten Buchumschlag bekommen. Was zwei befragte Autoren zu ihrer Idee einer «Anthologie der nicht erschienenen Bücher» notieren, passt auch für den fantasievoll gestalteten Band als Ganzes: «Wer geglaubt hat, die Literatur bestehe nur aus veröffentlichten Büchern, wird hier eines Besseren belehrt.»

Auslandaufenthalte zählen zu den «kritischen Lebens­ ereignissen». Sie sind eine Herausforderung für die Betroffenen, können Stress erzeugen, erfordern Identitätsarbeit und verlangen nach Coping­strategien. Das Führen eines persönlichen Weblogs, in dem die neuen Lebensbedingungen beschreibend und reflektierend verarbeitet werden, stellt eine mögliche Strategie dar. Die Autorin hat 17 Studierende, die während eines Auslandsemesters einen privaten Blog geführt haben, zu deren Motiven und zur Blog­ praxis interviewt. In einer Zeichnung visualisierten die Probandinnen und Probanden zudem, was der Blog für sie bedeutete. Das Interesse der Autorin gilt den Aspekten von Identitäts­arbeit, die in den Interviews und Zeichnungen thematisiert werden. So kann sie zeigen, wie die Studierenden ihre Blogs als «multimediale Bühne für die Darstellung von Selbstentwürfen» nutzen und welche Rolle das öffentliche Bloggen als mediatisierte Form des Erzählens spielt.

– Daniel Ammann

– Daniel Ammann

Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher. Zusammengetragen v. A. Pehnt, F. Holder u. M. Staiger. München: Piper, 2014. 223 Seiten.

E. Augustin. ­Blog ­Life: Zur Bewältigung von Lebensereignissen in Weblogs. Bielefeld: Transcript, 2015. 212 Seiten.

K. Robinson. Wie wir alle zu Lehrern und Lehrer zu Helden werden. Salzburg: Ecowin, 2015. 370 Seiten.

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Freundschaften fürs Leben Auf Facebook sind es Dutzende oder gar Hunderte, aber im wahren Leben und wenn es drauf ankommt, kann man seine Freunde an einer Hand abzählen. Mit manchen verbindet uns eine (lebens)lange Geschichte, andere sind nur in einer bestimmten Lebens­ phase von Bedeutung und rücken dann wieder aus dem Blick. In seinem Büchlein «Vom Glück der Freundschaft» (Insel 2014) geht der Philosoph Wilhelm Schmid dieser besonderen Form sozialer Bindung auf den Grund. Er lotet aus, was Freund­schaft im Innersten zusammenhält und worauf es ankommt, damit die frei gewählte Beziehung schwere Zeiten überdauert und für die Beteiligten zum Gewinn und zum Glück wird. Freundschaft kann man lernen. Davon ist Brigitte Gasser überzeugt. In ihrer Dissertation «Freunde und Medien­ figuren verstehen» (UVK 2014) hat sie untersucht, was 6.-Klässler in realen und fiktionalen Welten über das Miteinander lernen und welche Rolle dabei die Empathie spielt. Mediale Umgebungen dienen Kindern als Probe­bühne für den Alltag. Gleichzeitig spiegelt sich in der Wahl der Lieblingsmedien, wie gut sich Kinder in andere einfühlen können. Kinder mit Vorlieben für Bücher und Filmgeschichten zeichnen sich laut Studie durch höheres Empathievermögen und mehr Fantasie aus. Wie Freundschaften entstehen, wachsen und warum sie manchmal scheitern, behandelt auch ein Beitrag auf SRF mySchool. «Freundschaft» aus der Reihe «Kulturelle Eigenheiten» porträtiert zwei engste Freundinnen, nennt vier Regeln für das Gelingen sowie Gründe, weshalb Freundschaften doch oft in die Brüche gehen. – Daniel Ammann

Besprechungen weiterer Titel: blog.phzh.ch/akzente/rubrik/medientipps AKZENTE 3/2015

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Mario Bernet – aus dem Leben eines Lehrers

Illustration: Raffinerie AG

Jeden Tag um 7 Uhr dasselbe Ritual: Sie weckte mich mit einem spassigen «Im Frühtau zu Berge» – und ich fauchte sie an. Wenn meine Mutter heute von dieser Szene berichtet, kann sie schmunzeln. Um präziser zu sein: Die feindselige Begrüssung zwischen meiner Mutter und mir fand nicht täglich statt, aber doch an den meisten Schultagen. Ich erinnere mich noch genau an den Kontrast, der zwischen dem frohen Erwachen an einem unterrichtsfreien Tag und der Beklemmung zu Beginn eines Schultages lag. Um 7 Uhr morgens stellten sich zwei Empfindungen zwingend ein: das Gefühl, man raube mir den Tag von Beginn weg, und die Gewissheit, ich sei der Einzige mit Startschwierigkeiten. Und es verwirrte mich immer von neuem, dass ausgerechnet meine Mutter mich aus dem warmen Nest zu vertreiben hatte. Mein zwiespältiges Verhältnis zu Fremdbestimmung und organisierter Geselligkeit hielt mich lange davon ab, den Lehrberuf zu wählen. Zunächst nährte ich meine Bedenken zum schulischen Lernen mit Literatur zum «heimlichen Lehrplan». Dort fand ich bestätigt, was ich schon als Primarschüler intuitiv durchschaut hatte: Die Schule ist zwar durchaus ein betriebsamer Ort. AKZENTE 3/2015

Aber das Klassenzimmer ist ein ungünstiger Ort für kindgerechte Erfahrungen. Was Kinder dort in erster Linie erleben, ist das fremde Verfügen über ihre Zeit, ihre Bewegungen und ihre Interessen. Das tägliche Korsett des Stundenplans verlangt Geduld und Anpassung und steht selbstbestimmtem Lernen im Weg. Kurzum: Wer die Jugend versteht, müsste das Lernen vom organisatorischen Ballast des Schulbetriebs befreien. Ivan Illich skizzierte den Weg dorthin in seinem Pamphlet «Entschulung der Gesellschaft»: Die Kinder sitzen in der Falle, weil sie ungefragt zum Schulbesuch verpflichtet sind, behauptete er. Der Ausweg daraus liege in der Aufhebung dieses Zwangs. Das war die Musik, die mich nach 13 Jahren Schule ansprach. Heute sehe ich das radikal anders. Jeder Schultag ist eine Chance, zwanzig Kinder in den Austausch zu bringen – und eine Herausforderung, ihnen auch Ruhe und Musse zum Nachdenken zu verschaffen. Die Schulklasse kann ein vorzügliches Lernfeld sein. Als Lehrer habe ich die durchaus anstrengende Aufgabe, meine Klasse zu einem Ort der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts wachsen zu lassen. Verstehen Sie mein Lob der

Volksschule bitte nicht romantisch. Nicht immer sind deren Stärken manifest. Dahinter steckt beharrliche Arbeit der Lehrperson: hinter der Begeisterung beim gemeinsamen Musizieren, der feierlichen Spannung vor einer Theateraufführung, dem ansteckenden Eifer beim gemeinsamen Denksport. Zusammen unterwegs – diese frohe Losung zum schulischen Lernen zeigt sich am augenfälligsten im Klassenlager. Mit Recht sehen viele darin die Königsdisziplin schulischer Gemeinschaft – und eine Zumutung für manche Beteiligte. Nie liegt die Begeisterung, zusammen die Welt zu entdecken, so nahe beim beklemmenden Wunsch, wieder nach Hause zu wollen. Ich erinnere mich an unseren Fünftklässler Pulavan, der aus dem Panoramawagen des BerninaExpress die Berge bestaunte und unvermittelt konstatierte: «Das ist der schönste Tag in meinem Leben.» Und am gleichen Tag wussten wir nicht, wie wir seinen Kollegen Luis in seinem haltlosen Heimweh trösten sollten. Beides konnte ich nachvollziehen. Als Primarschüler war ich immer halb Pulavan, halb Luis gewesen. Mario Bernet ist Primarlehrer im Schulhaus Sihlfeld und Praxisdozent an der PH Zürich.

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Kolu m ne – aus dem Leben eines Lehrers

Glück und Heimweh am Berninapass


Wir   sehen   den Eingangsbereich einer Primarschule. Alexander Schiess, Student an der PH Zürich, hat das Foto aufgenommen. Es ist Teil einer Fotodokumentation, die er für seine Vertiefungsarbeit zum Thema «Visuelle Schulkulturen: Sichtbare Ausprägung von Werten und Normen an der Schule» gemacht hat. Ausgehend von einem Verständnis von Schulkultur als Zusammenspiel von nicht beobachtbaren Grundhaltungen, von gemeinsamen Leitideen und von beobachtbarem Verhalten untersucht Schiess die Innen- und Aussenräume sowie

die Schulwebsite nach sichtbaren Manifestationen von Schulkultur. Viele Details auf diesem Foto lassen Rückschlüsse auf gelebte oder angestrebte Werte und Normen zu. Die in farbigen Lettern formulierte Aufforderung zur Freundlichkeit wird untermalt durch Zeichnungen zum «Grüssen». Miteinander Kontakt aufnehmen ist wichtig für eine Kultur gegenseitiger Wahrnehmung. Die Glastür vom Entree ins Treppenhaus signalisiert Offenheit und Transparenz. Wir fühlen uns willkommen. Die drei Steinskulpturen sind Arbeiten von Schülerinnen

und Schülern, wohl das Resultat einer Projektwoche. Wie bei den Zeichnungen rechts an der Wand zeugen sie von der Mitwirkung der Kinder bei der Gestaltung der Innenräume. Die Vogelsilhouette deutet auf einen achtsamen Umgang mit der Natur hin, und die PetSammelbox ist Ausdruck eines ökologischen Bewusstseins. Ob diese Zeichen als Indizien für gelebtes Verhalten im Schulhaus gedeutet werden können, ist eine andere Frage – aber als Absichtserklärungen sind sie ernst zu nehmen. – Thomas Hermann

Impressum «Akzente» erscheint viermal jährlich, 22. Jahrgang, Nr. 3, August 2015, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule  Zürich. Redaktion: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Redaktor Kommunikation; Daniel Ammann, Dozent für Medienbildung; Bettina Diethelm, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Thomas Hermann, Dozent für Medienbildung; Vera Honegger, Redaktorin Kommunikation; Rudolf Isler, Dozent für Pädagogik; Reto Klink,  Leiter Kommunikation; Michael Prusse, Abteilungsleiter Sek II/Berufsbildung. Redaktionelle Mitarbeit: Melanie Keim, Isabel Plana. Adresse: Pädagogische Hochschule Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, akzente@phzh.ch, www.phzh.ch/akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Industriestrasse 6, 8627 Grüningen, Tel. 043 833 80 40, Fax 043 833 80 44, info@ieb.ch, www.ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.- inkl. Porto, Pädagogische Hochschule Zürich, Vera Honegger, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, vera.honegger@phzh.ch. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.

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AKZENTE 3/2015

Foto: Alexander Schiess

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