Der Papst in Berlin? What the fuck! Gegen Antisemitismus, Sexismus und Homophobie!

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Der Papst in Berlin? What the Fuck!

Gegen Antisemitismus, Sexismus und Homophobie 22.9. 23.9.2011 Berlin


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Am 22. September wird Joseph Aloisius ­Ratzinger Berlin besuchen. Das verdiente an sich keine große Aufmerksamkeit, wenn er nicht von vielen hundert Millionen Verblendeter als »Benedictus PP. XVI«, als Stellvertreter eines übermenschlichen Wesens auf der Erde, angesehen und verehrt würde. Was sich anhört wie ein UFO-Kult, ist im Falle der Katholischen Kirche leider traurige Realität. Wir nehmen den Besuch dieses Menschen also zum Anlass, unsere grundsätzliche Kritik an Religion, an der Katholischen Kirche im Speziellen und an diesem Papst im Besonderen Ausdruck zu verleihen und rufen hiermit dazu auf, diese Kritik auf der Straße und bei den verschiedenen Veranstaltungen zu verdeutlichen. Denn Joseph Ratzinger ist ein Mensch, dessen Denken und Äußerungen sich großzügig aus dem Pool reaktionärer Ideologien speisen. Antisemitismus, Sexismus, Homophobie und Rassismus sind die tragenden Pfeiler seines erzreaktionären Weltbildes. Wenig verwunderlich also, dass ausgerechnet er sich an der Spitze eines Systems wiederfindet, das seit Jahrhunderten die Herrschaft von Menschen über Menschen bereitwillig legitimiert und die Gegnerschaft zu Emanzipation und befreiter Gesellschaft verkörpert wie kaum ein anderer. Ein System, das bekämpft und zurückgedrängt gehört. Diese Entmachtung der Religion wurde trotz Aufklärung und vermeintlicher Säkularisierung bürgerlicher Gesellschaften längst noch nicht erreicht. Bis zur Verwirklichung der befreiten Gesellschaft gar, ist es noch ein steiniger Weg, die »Katholische Kirche« ist dabei jedoch einer der größeren Brocken, die im Weg liegen. Einer, dessen Tritt in den Rinnstein der Geschichte längst überfällig ist.

»Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.« Leider hat sich Marx auch im ersten Halbsatz seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie grundsätzlich geirrt. Dem zweiten hingegen können wir vollständig zustimmen: Für jegliche Gesellschaftskritik ist die Kritik der Religion eine unhintergehbare Grundlage. Wer davon ausgeht, dass ein übersinnliches und allmächtiges Wesen die Welt erschaffen hat und die Geschicke der Menschen lenkt oder zumindest beeinflusst, kann keine grundsätzliche Kritik an der Einrichtung der Welt leisten, weil sie ja gottgewollt sei. Im Gegenteil, Religion und Kirche spielen als ideologische Momente eine entscheidende Rolle bei der Legitimierung der bestehenden Verhältnisse. Anstatt die schlechte Einrichtung der Gesellschaft für das immer noch bestehende Leiden auf der Welt verantwortlich zu machen, verstehen insbesondere katholische Christ_innen es als eine Folge der Schlechtigkeit des Menschen, die sich im »Sündenfall« gezeigt hat. Diese »Ursünde« des Menschen muss nach katholischer Lehre bis heute bei jedem Menschen erneut durch die Taufe getilgt werden. Die Vorhölle immerhin, in der ungetaufte Kinder aufgrund der »Erbsünde« bis 2006 noch verschwanden, hat Ratzinger 2007 abgeschafft. Solche und andere reaktionäre Positionen begründen christliche Fundamentalist_innen jeglicher Couleur mit Zitaten aus der Bibel, einer Schriftensammlung von Texten aus mehreren Jahrhunderten. Dabei werden – je nach Interessenslage – aus einzelnen Sätzen, die vor über tausend Jahren verfasst wurden, Regeln erstellt, wie die heutigen Menschen ihre Lebensführung und insbesondere ihre Sexualität zu gestal-


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ten haben. Dass die Auswahl dabei willkürlich ist und sich für die gängigen Predigten auf einige dutzend beschränkt, während andere komplett ignoriert werden, wird häufig nicht zur Kenntnis genommen. Das Verbot der Homosexualität beispielsweise bezieht sich hauptsächlich auf einen Satz im 3. Buch Mose, 18:22. Dass drei Sätze vorher Männern auch verboten wird, mit Frauen zu verkehren, die ihre Regel haben, hat hingegen keinen großen Einfluss auf die gegenwärtig von der Kirche geforderte Lebensführung, genau wie das Verbot Hummer oder andere Schalentiere zu essen (3. Buch Mose, 11:10) oder sich den Bart abzurasieren (3. Buch Mose, 19:27), die alle im gleichen Buch stehen. Und so muss der Bibeltext als eine Art Selbstbedienungsladen verstanden werden, mit dem die Kirche über die Jahrhundert hinweg ihre reaktionäre Vorstellung vom Leben mit »göttlichen« Weihen versehen hat. Säkularität? Die Verknüpfung von Religion und Herrschaft und in diesem Sinne von Religion und Staat ist auch nach der europäischen Aufklärung eine symbiotische geblieben. Nicht, dass wir Fans des staatlichen Gewaltmonopols und seiner Apparate wären. Im Gegenteil, wir lehnen diese moderne Herrschaftsform in aller Eindeutigkeit ab. Jedoch würde der säkulare Staat immerhin das Objekt der Kritik darstellen, das einer aufgeklärten liberal-kapitalistischen Gesellschaft angemessen wäre. Die Annahme säkularer moderner Staaten muss jedoch für die meisten Staaten der Welt zurückgewiesen werden. Im europäischen Kontext hat die Kirche jahrhundertelang Knechtschaft und absolute Herrschaft legitimiert und noch bis heute schwört die große Mehrheit der deutschen Beamt_innen, Minister_innen und nicht zuletzt der Bundeskanzler_innen ihren heiligen Eid auf die Bibel, seit einigen Jahren immerhin

freiwillig. Von Säkularisierung kann also keine Rede sein. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt das in vielfacher Hinsicht. Die beiden großen kirchlichen Wohlfahrtsverbände stellen die größten privaten Arbeitgeber in Deutschland dar, mit jeweils knapp einer halben Million Beschäftigten. Für diese gelten besondere arbeitsrechtliche Einschränkungen. Entgegen der in Artikel 9 des Grundgesetzes sogar seitens des bürgerlichen Staates immerhin gewährten Freiheit, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen, können die Angestellten Gottes diese Freiheit nicht genießen. Denn mit Bezug auf das in Artikel 140 festgelegte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften nehmen diese erfolgreich Sonderrechte und Privilegien für sich in Anspruch. Gewerkschaftsfreiheit und Betriebsräte sind prinzipiell untersagt, besondere Kündigungsgründe wie Scheidung, Homosexualität oder Kirchenaustritt sind gegeben. Begründet werden diese deutlichen Wettbewerbsvorteile auf dem sehr weltlichen Arbeitsmarkt mit der vermeintlich besonderen Verbundenheit der Beschäftigten in der »kirchlichen Dienstgemeinschaft«. Über den katholischen Caritas-Verband werden Krankenhäuser, Altersheime, Pflegeheime und andere »Fürsorge«-Einrichtungen unterhalten. In diesem Bereich besteht sogar eine Dominanz der kirchlichen Träger. Das Geld hierfür bringt die Katholische Kirche allerdings nicht selbst auf. Vielmehr kann sie sich durch die Weiterleitung und Verwaltung staatlicher Mittel als große Wohltäterin aufspielen. Darüber hinaus betreibt die Katholische Kirche – ebenfalls größtenteils auf Staatskosten – Kindertagesstätten, Kinderheime, Schulen und Universitäten. In solchen »Bildungseinrichtungen« wurden und werden Generationen von Men-


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schen durch autoritäre Erziehungsmethoden und reaktionäre Wertvorstellungen zu- und zu Grunde gerichtet. Katholischer Religionsunterricht ist, gestützt durch Artikel 7 des Grundgesetzes, ordentliches Lehrfach an den meisten deutschen Schulen. Auch in anderen zentralen staatlichen Aufgaben ist eine Trennung von Staat und Kirche in keinster Weise gegeben: Eine der zentralsten Aufgaben staatlicher Souveränität ist die Erhebung von Steuern von seinen Untertanen. Diese Souveränität wird in Deutschland auch den beiden großen christlichen Kirchen gewährt, der Staat selbst zieht die »Kirchensteuer« ein. Die Mehrheit der staatlich festgelegten Feiertage ist christlichen Ursprungs. Hier wird der Eingriff in bürgerliche liberale Traditionen besonders deutlich: Der Tag, an dem Geschäfte – in der Regel – schließen müssen, ist immer noch der Tag, an dem das allmächtige Wesen, nachdem es die Welt in sechs Tagen erschaffen hatte, sich dann doch mal ausruhen musste. (Mit dieser These wird noch heute von Ratzinger persönlich die Evolutionstheorie abgelehnt und dagegen der »Kreationismus« oder das »intelligent design« in Anschlag gebracht.) Der Ruhetag soll der sein, an dem die Menschen die Kirche aufsuchen. Ein besonders abstruses Beispiel für die Einschränkung individueller Grundrechte ist das immer noch in der ganzen Bundesrepublik herrschende Tanzverbot an Karfreitag, das insbesondere in den katholisch geprägten deutschen Bundesländern durch die Polizei als Repräsentantin staatlichen Gewaltmonopols auch gewaltförmig durchgesetzt wird. Religiös begründete Eingriffe in die Lebensgestaltung bleiben dann auch nicht auf den arbeitsrechtlichen und fiskalischen Bereich, auf Bildung, Erziehung oder Pflege oder die verordnete Deckelung des musikalischen Bewegungsdranges beschränkt, sondern beschneiden in elementarer Weise auch

den privatesten aller Lebensbereiche: die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Betroffen sind in erster Linie Frauen, denn anders als oft angenommen, gilt eine Abtreibung in der BRD weiterhin als Straftat, die nur unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafrechtlich verfolgt wird. Rigide Sexualmoral und das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie sind nicht nur unverzichtbare Bestandteile des erzkonservativen Weltbildes der Katholischen Kirche, sondern finden ihre Entsprechung bis heute in abgemilderter Form auch in der deutschen Gesellschaft. Der prinzipielle Vorrang des »Schutz des ungeborenen Lebens« gegenüber dem Recht von Frauen, über ihr Leben und ihren Körper selbst zu bestimmen, ist bis heute in Paragraphenform gegossene reaktionäre deutsche Wirklichkeit. Katholische Würdenträger vergleichen die weltweit vorgenommenen Abtreibungen immer wieder mit Auschwitz. So musste Ratzinger seinen Vorgänger in Schutz nehmen, nachdem dieser in einem Buch schrieb, zwar habe die Vernichtung der Jüdinnen und Juden nach dem Sieg über Nazi-Deutschland aufgehört, »was jedoch fortdauert, ist die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener menschlicher Wesen.«. Ratzinger betonte, sein Vorgänger habe nur davor warnen wollen, dass auch Demokratien nicht immun seien gegen das Böse. Dass christlich-fundamentalistische »Lebensschützer_innen« abtreibungswillige Frauen und Ärzt_innen, die solche durchführen, systematisch verleumden, einschüchtern und bedrohen, ist dann nur eine folgerichtige Zuspitzung dieses theologischen Standpunkts. In mehreren Städten im deutschsprachigen Raum veranstalten die Abtreibungsgegner_innen Jahr für Jahr so genannte »1000 Kreuze«-Märsche, mit denen der abgetriebenen Kinder gedacht werden soll; in Berlin in diesem Jahr am Wochenende vor dem Papstbesuch.


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»Weder Gott noch Herrschaft« hatten sich folglich schon die frühen französischen Anarchist_innen auf die Fahnen geschrieben. Die Notwendigkeit einer linksradikalen Kritik an Staat und Religion als verschiedene Verkörperungen von Herrschaft waren mal präsenter als heute. Denn die Durchsetzung religiöser Regeln mittels Gewalt hat eine Tradition, die bis in die Gründung des Christentums zurückreicht. Insbesondere die Katholische Kirche hat kaum eine Möglichkeit, Menschen zu töten, zu foltern und zu knechten ausgelassen. Die ganze christliche Welt war durchzogen von religiösen Regeln und Prinzipien, gegen die aufzubegehren beinahe unmöglich war. Die katholischen Inquisitoren, deren Nachfolgeorganisation Ratzinger leitete, bevor er befördert wurde, gingen seit dem zwölften Jahrhundert gegen »Ketzer«, »Häretiker« und später auch gegen »Hexen« vor. Ihnen fielen viele tausend Menschen zum Opfer. Die katholischen Kreuzritter folgten dem Ruf ihres »Papstes« und führten jahrzehntelange Kriege gegen ihre muslimischen Gegner. Unterwegs verwüsteten sie alles, was ihnen nicht christlich genug erschien. Auch zahlreiche antijudaistische Pogrome gehen auf ihr Konto. Über »Missionierungen« war die Katholische Kirche maßgeblich an der imperialen Ausdehnung Europas beteiligt und lieferte mit der ideologischen Formel der Erziehung der »gottlosen Wilden« zu »gläubigen Christen« eine relevante Legitimationsstrategie. Von der »Entdeckung Amerikas« bis zur Kolonialisierung großer Teile Afrikas und Asiens, überall war die Katholische Kirche vorne mit dabei. Die Unterstützung staatlicher Herrschaft kann in den allermeisten Fällen als eine historische Regel angesehen werden. Selbst im Nationalsozialismus strebte die Kirchenleitung zuerst danach, die eigenen Vorrechte zu sichern. 1933 schloss

sie das Reichskonkordat ab, in dem das Verhältnis des nationalsozialistischen Staates zur Kirche geregelt wurde, unter »Pius XII« wurden ab 1939 Möglichkeiten der öffentlichen Kritik am Nationalsozialismus weiter eingeschränkt. Trotz Kenntnis konnte sich die Kirchenleitung nicht zu einer Erfüllung der alliierten Bitten nach einer deutlichen öffentlichen Verurteilung des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges und des Holocaust durchringen. Nachdem »Pius XII« das Reichskonkordat mit ausgearbeitet hatte und bereits 1931 der Zentrumspartei nahegelegt hatte, mit der NSDAP zu koalieren sowie die faschistischen Regimes in Portugal, Spanien, Italien, Kroatien und der Slowakei unterstützte, war eigentlich auch nichts anderes zu erwarten. Ihm wird auch vorgeworfen, dass er das Manuskript einer Enzyklika zur Verdammnis des Antisemitismus von 1939, die sein Vorgänger »Pius XI« verfasst hatte, in den Archiven verschwinden ließ. Allzu kritisch kann diese Enzyklika allerdings nicht gewesen sein, noch 1928 wurde unter »Pius XI« die innerkirchliche Gruppe Amici Israel aufgrund der »besorgniserregenden, irrigen und gefährlichen Wendung«, die sie genommen hätte, aufgelöst. Danach ließ der Vatikan in einem offiziellen Papier klarstellen, dass ‚die Juden‘ die Drahtzieher aller Revolutionen seit 1789 gewesen seien und »als eigentliche Oberhäupter okkulter Sekten Pläne zur Eroberung der Weltherrschaft« schmiedeten. Die lange christliche Tradition des Antijudaismus wurde also nicht nur fortgeführt, sie mündete ebenfalls in einem explizit modernen Antisemitismus. In der Tradition dieses Weltbildes müssen auch zahlreiche der Äußerungen verstanden werden, die der jetzige Papst im Laufe seines Lebens abgeseiert hat. Ein paar Beispiele: In einer öffentlichen Debatte mit dem Journalisten Vottorio


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Messori äußerte sich Ratzinger zur Frage, warum der Nationalsozialismus und der Faschismus insbesondere in katholisch geprägten Ländern solch großen Zuspruch erfahren habe, folgendermaßen: »Die giftigen Keime des Nationalsozialismus sind nicht die Frucht des österreichischen und süddeutschen Katholizismus, sondern allenfalls der dekadenten und kosmopolitischen Atmosphäre Wiens am Ende der Monarchie.« Wer es nicht weiß, Wien galt zu dieser Zeit als Hochburg jüdischen Lebens im deutschsprachigen Raum, Dekadenz und Kosmopolitismus sind zentrale antisemitische Topoi. Auch das seit 2007 voran getriebene Verfahren zur Seligsprechung »Pius XII«, die Wiederaufnahme der antijudaistischen Oster-Liturgie und die Heimholung der Bischöfe der klerikalfaschistischen Pius-Bruderschaft – unter ihnen der HolocaustLeugner Richard Williamson – in den Schoß der Kirche müssen in dieser Hinsicht interpretiert werden. Auch alle anderen Aspekte eines Weltbildes, das sogar innerhalb der Katholischen Kirche als reaktionär gelten kann (und das will was heißen), finden sich bei Ratzinger versammelt. In einem Papier über die »Zusammenarbeit von Mann und Frau« von 2004 beklagte Ratzinger, dass diese »Anthropologie [die gender studies], die Perspektiven für eine Gleichberechtigung der Frau fördern und sie von jedem biologischen Determinismus befreien wollte, inspiriert in Wirklichkeit Ideologien, die zum Beispiel die Infragestellung der Familie, zu der naturgemäß Eltern, also Vater und Mutter, gehören, die Gleichstellung der Homosexualität mit der Heterosexualität sowie ein neues Modell polymorpher Sexualität fördern.« Dem stellte das Papier die zwei Rollen gegenüber, die die katholische Kirche für »Frauen« vorgesehen hat: Jungfräulichkeit und Mutterschaft. Auch die Angst, dass er bald nicht

mehr sagen dürfe, dass »Homosexualität, wie die Katholische Kirche lehrt, eine objektive Ordnungsstörung im Aufbau der menschlichen Existenz bedeutet«, treibt den Papst um. Und kleine Latex-Säckchen verfolgen ihn offenbar bis in den Fieberwahn. Befragt zur AIDS-Gefahr auf dem afrikanischen Kontinent und die Möglichkeit der Benutzung von Kondomen erklärte er 2009: »Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem«. Er wähnt die Lösung dagegen im »moralisch richtigen Verhalten«. Der von ihm angeprangerte »Sittenverfall« ist für Ratzinger weder in Afrika, noch in Europa aufzuhalten. So beklagte er 2004, dass es dem »inneren Absterben Europas entspricht«, dass »auch ethnisch Europa auf dem Weg der Verabschiedung begriffen erscheint.« Dem lässt sich kaum noch was hinzufügen. Obwohl sich für dies alles gleichzeitig noch Dutzende Beispiele mehr anführen ließ ließen. Ratzinger ist also ein zutiefst reaktionärer, lust- und menschenfeindlicher Mensch. Dass die BILD- Zeitung »Wir sind Papst« titelte erscheint da nur folgerichtig. Als Deutscher erfüllt er dann sogar deutsche Wünsche, die eben nur ein zutiefst deutscher »Papst« erfüllen kann. In guter deutscher Tradition des sekundären Antisemitismus sucht er schon mal die Ursache für den Antisemitismus bei den Juden, wenn bei der Eröffnung der Oberammergauer Passionsspiele die stete und vollkommen zutreffende Kritik, das dort Gezeigte sei antisemitisch, brüsk zurückweist: »Man kann Antisemitismus auch herbeireden; auch das sollte bedacht werden; deshalb möchte ich alle, insbesondere unsere jüdischen Freunde bitten, mit dem Vorwurf des Antisemitismus aufzuhören.« Während selbst der nicht besonders geschichtsbewusste Gerhard Schröder den Besuch des Soldatenfriedhofs in La Cambe im


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Anschluss an die 60. D-Day-Feierlichkeiten mit Hinweis auf die dort begrabenen SS-Leute vermied, ging Ratzinger wieder in die Vollen und sprach über die toten deutschen Nazis: »Es muss uns als Deutsche schmerzlich berühren, dass ihr Idealismus und ihr Gehorsam dem Staat gegenüber von einem ungerechten Regime missbraucht wurden. Aber das entehrt diese jungen Menschen nicht.« Ach so. Missbraucht wurden sie, zu den Massakern, bei denen sie in Frankreich tausende Zivilist_innen ermordeten. Und wer war schuld? »Der Vertrag von Versailles hat ganz bewusst Deutschland demütigen wollen«. Ah, jetzt verstehen wir. »Auge um Auge. Zahn um Zahn – das führt nicht zum Frieden. Wir haben es gesehen.« Na klar! Den vorläufigen Schlusspunkt für diese Art des deutschen Gewissens und für die Komplettierung des sekundären Antisemitismus setzte er bei einer Polen-Reise im staatlichen Museum Auschwitz 2006: Er komme »als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstehens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so dass unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und missbraucht werden konnte.« Die geradezu prototypische Täter_innen/ Opfer-Umkehrung, den Jüdinnen und Juden die Schuld an ihrer eigenen Verfolgung anzulasten und die Entsorgung der deutschen Geschichte mittels der Mär der von der verbrecherischen »Führer- Clique« verführten unschuldigen deutschen Wehrmacht und Bevölkerung, verleiten geradezu der BILD Recht zu geben: Joseph, du bist echt mal Deutschland! Noch steht das Programm für den Berlin-Besuch von Ratzin-

ger nicht endgültig fest. Fest steht jedoch, dass die Katholische Kirche und ihre Fans nichts unversucht lassen werden, dem ersten Besuch des deutschen »Papsts« in der deutschen Hauptstadt, einen möglichst würdevollen und pompösen Rahmen zu verleihen. Wir rufen alle Freund_innen von Emanzipation und befreiter Gesellschaft dazu auf, Ratzinger und seinen Groupies die Show zu versauen. Gönnen wir ihnen keine ruhige Minute. Für die befreite Gesellschaft und die Emanzipation der Individuen aus all ihren Zwängen!

Gegen Antisemitismus, Sexismus und Homophobie 22.9. 23.9.2011 Berlin


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