MAG 02: Romeo und Julia

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Romeo und Julia 16

Wir spielen auf der Klaviatur der grossen Gefühle Christian Spuck gibt seinen Einstand als neuer Zürcher Ballettdirektor mit «Romeo und Julia». Ein Gespräch über sein künstlerisches Selbstverständnis, Körper, die Geschichten erzählen und das Energiepotential von Sergej Prokofjews Musik

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hristian Spuck, seit Anfang August sind Sie neuer Direktor des Balletts Zürich. Wie fühlt sich das Direktor-Sein an? Das ist aufregend, das macht Spass, das ist neu, manchmal nervenaufreibend, manchmal anstrengend. Momentan sind es vierzehn Stunden Arbeit pro Tag. Das bedeutet wenig Schlaf, aber die Stimmung in der Compagnie ist phantastisch und gibt mir Kraft. Wie gehen Sie mit dem Erwartungsdruck um, dem Sie als Nachfolger von Heinz Spoerli ausgesetzt sind? Einem Erwartungsdruck bin ich bisher an jedem Theater begegnet, an dem ich ein Stück choreografiert habe, der ist einfach immer da. In Zürich ist er insofern grösser, als ich hier für die Aufstellung einer Compagnie und die künstlerische Richtung, die wir einschlagen werden, verantwortlich bin. Ich kann hier an hervorragende Gegebenheiten anknüpfen und hoffe sehr, dass es uns gelingt, neue künstlerische Akzente zu setzen, die auch das Publikum als spannend empfindet. Wenn ich mich nur von der Sorge umtreiben lassen würde, wie ich die geballten Erwartungen des Publikums einlösen kann, würde ich wahnsinnig werden, und am Ende käme nichts Richtiges dabei heraus. Natürlich habe ich eine andere choreografische Sprache als mein Vorgänger, aber sie wird dem Publikum nicht unverständlich sein. Wir wollen auf das Publikum zugehen und es mit unserer Kunst umarmen.

Wofür soll das Ballett Zürich in Zukunft stehen? Neben meiner eigenen Arbeit mit der Compagnie möchte ich namhafte zeitgenössische Choreografen einladen, die sich mit aufregenden Produktionen und einem eigenen Aus­d rucksspektrum bereits einen Namen gemacht haben. Auch für unsere Tänzerinnen und Tänzer ist es wichtig, mit angesehenen Choreografen zu arbeiten, um verschiedene Handschriften kennenzulernen und vielfältige stilistische und technische Erfahrungen zu sammeln. Für das Publikum wird es spannend sein zu sehen, was sich in der Tanzszene weltweit tut. Es kann hautnah erleben, dass es neben dem erzählerischen Ballett und den traditionelleren Produktionen viel Neues gibt. Wichtig ist mir, dass das sinnlich-emotionale Erlebnis die intellektuelle Herausforde­r ung nicht ausschliesst. Mit Beginn der neuen Saison präsentiert sich das Ballett Zürich in neuer Besetzung. Neben vertrauten Gesich­ tern wird das Publikum einer Vielzahl neuer Tänzerinnen und Tänzer begegnen. Welche Voraussetzungen braucht man, um bei Christian Spuck zu tanzen? Es geht vorrangig um Persönlichkeit: Wer steht da vor mir? Ist da etwas, das mich berührt, das ich geheimnisvoll finde und noch nicht kenne? Ich suche spannende Charaktere, im Ballettsaal wie auf der Bühne. Der zweite Blick richtet sich auf die technischen Möglichkeiten: Wofür kann ich einen Tänzer einsetzen, welches Entwicklungspotential sehe ich?


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