MAG 24: Die Zauberflöte / Strings

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MAG 24

Mauro Peter singt Tamino


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Editorial 1

Wunderdinge Verehrtes Publikum, an der Zauberflöte liebt jeder etwas anderes: den Silberklang der Zauberglöckchen oder die wie scharfe Messerklingen blitzenden Koloraturen der Königin der Nacht, die Spässe Papagenos, den überirdisch schwebenden Gesang der drei Knaben oder das zutiefst Menschliche, das aus jedem Takt von Mozarts Musik spricht. Immer wieder wollen wir diese Wunderdinge hören, wir werden dieser Oper nie überdrüssig, obwohl sie so oft gespielt wird wie keine andere. Auf unserer Probebühne am Escher-Wyss-Platz stecken seit vier Wochen wieder sehr viele Menschen die Köpfe zusammen, um eine neue Zauberflöte auf die Bühne des Opernhauses zu bringen. Nahezu jeder kennt die Musik auswendig, und trotzdem fühlen sich alle von Beginn der Proben an von diesem Stück reich beschenkt, als begegnete es ihnen zum ersten Mal. Wir entdecken neue Gefühlslagen und überraschende Herzensbeziehungen zwischen den Figuren. Wir müssen über die altbekannten Pointen lachen, weil sie so umwerfend gut erfunden sind, dass sie jedes Mal wieder funktionieren. Und jeder nimmt von der Probe einen Mozart-Ohrwurm mit nach Hause, der sich noch Stunden später unnachgiebig durch das Gedächtnis schlängelt. Dass das möglich ist, spricht natürlich für Mozarts geniale Musik, aber auch für die Künstler, die diese Produktion tragen – von den grossartigen Solisten um die norwegische Sopranistin Mari Eriksmoen als Pamina, Mauro Peter in der Rolle des Tamino oder Ruben Drole als Papageno über den Dirigenten Cornelius Meister bis zur Regisseurin Tatjana Gürbaca und ihrem Team. Sie alle gewinnen den Figuren und Szenen

MAG 24/ November 2O14 Unser Titel zeigt Mauro Peter, ein Portrait über den Sänger lesen Sie ab Seite 17 (Foto Florian Kalotay)

neue Facetten ab, von denen hoffentlich auch Sie, verehrtes Publikum, sich in den Vorstellungen überraschen lassen. Nie Gesehenes bringt der Choreograf Edward Clug so­wieso auf die Bühne des Opernhauses, denn er probt zur Zeit eine Uraufführung für den Ballettabend Strings (Premie­re 17. Januar). Clugs Arbeit wird ergänzt durch zwei Schweizer Erstaufführungen – workwithinwork von William Forsythe und das siebte blau von Ballettdirektor Christian Spuck. Damit sind wir aber noch nicht am Ende der Novitäten, die wir Ihnen in den kommenden Wochen anzubieten haben. Auch das Junior-Ballett bringt einen neuen Abend mit gleich drei Uraufführungen auf die Bühne, der am 17. Dezember Premiere hat. Im Januar feiern wir dann noch einen runden Geburtstag: Die Philharmonia Zürich wird 30 Jahre alt. Bei Menschen ist dies das Alter, in dem man endgültig erwachsen geworden ist und bereit, Verantwortung für die ganz grossen Projekte zu übernehmen. Unser Orchester hat die­ sen Reifegrad freilich schon kurz nach seiner Geburt erreicht, wie die Glückwünsche von Nikolaus Harnoncourt bis Cecilia Bartoli, Christoph von Dohnányi bis Michael Volle be­weisen, die das MAG-Team als Geburtstagsgeschenk für die Philharmonia Zürich zusammengetragen hat. Es ist so viel los am Opernhaus, dass wir die aktuelle MAG-Ausgabe um viele Seiten erweitern mussten, um alle Themen unterzubringen. Bei der Lektüre wünschen wir Ihnen, wie immer, viel Vergnügen. Claus Spahn


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Inhalt 3

Die Zauberflöte hat Premiere. Ein Interview mit Dirigent Cornelius Meister und Regisseurin Tatjana Gürbaca über Mozarts berühmteste Oper

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Strings heisst der neue dreiteilige Abend des Balletts Zürich. Der slowenische Choreograf Edward Clug im Interview über seine bevorstehende Uraufführung

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Claus Guths Inszenierung von Tristan und Isolde kommt zurück in den Spielplan, mit Nina Stemme als Isolde und Stephen Gould als Tristan

34 Unser Orchester feiert sein dreissigjähriges Bestehen – wir gratulieren!

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6  Oper aktuell 9  Drei Fragen an Andreas Homoki 11  Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 25 Fragebogen

Die geniale Stelle  40 Porträt  42 Kalendarium und Serviceteil  51 Sibylle Berg  56


EI, EI, EI

Fotos: Stefan Deuber

Kann es sein, dass der Vogelmensch Papageno in unserer neuen «Zauberflöte» ein besonderes Verhältnis zu Hühnern hat? In unserer Theaterplastik jedenfalls sind Moises Bürgin und Andreas Gatzka seit Wochen damit beschäftigt, Roboter­ hühner zu entwickeln, die lebensecht wirken und wahre Wunderwerke der Technik sind.



Oper aktuell 6

Sonderkonzert Bejun Mehta Kammerkonzerte für kalte Tage Liederabend Elīna Garanča

Sonderkonzert Bejun Mehta

Am 5. Januar ist es endlich so weit: Elīna Garanča, eine der gefragtesten Mezzosopranistinnen der Welt, wird gemeinsam mit ihrem Pianisten Malcolm Martineau in einem Liederabend am Zürcher Opernhaus auf­treten. Garančas dunkle, samtgeschmei­dige Stimme dürfte wohl wie geschaffen sein für die Werke, die sie für Zürich ausgesucht hat: Lieder von Johannes Brahms, Henri Duparc und Sergej Rachmaninow stehen dann nämlich auf ihrem Programm.

Montag, 15 Dez 2014, 19 Uhr, Opernhaus

Montag, 5. Januar 2015, 19 Uhr, Opernhaus

Montagsgespräche Im Januar haben Sie die Gelegenheit, zwei Künstler im Gespräch näher kennenzulernen: den Schweizer Tenor Mauro Peter, der den Tamino in unserer Neuproduktion der Zauberflöte singt, und Fabio Luisi, den Ge­neralmusikdirektor des Opernhauses Zürich. Ein Begrüssungsgetränk ist im Preis von 10 Franken inbegriffen.

Im Winter ist es eindeutig zu kalt, um die Mittagspause oder den Sonntags­ brunch auf dem Sechseläutenplatz zu geniessen. Das Opernhaus bietet eine Alternative: Gleich drei Brunch­ konzerte stehen im Dezember und Januar auf dem Programm. Zwei davon wiederholen wir am darauf­ folgenden Montag als Lunchkonzerte. Am 7. Dezember schliessen sich die Blechbläser der Philharmonia Zürich zu einer Brassband zusammen und spielen Werke von Henri Tomasi, Christian Lindberg, Toru Takemitsu sowie eine arrangierte Suite aus Sergeji Prokofjews Romeo und Julia. Für dieses Konzert auf der Haupt­ bühne sind auch Karten ohne Brunch erhältlich. Am 21./22. Dezember spielen die Geigerin Patricia Kopat­ schinskaja, Philipp Mahrenholz (Oboe), Enrico Cacciari (Cembalo) und Streicher der Philharmonia Zürich Doppelkonzerte von Johann Sebastian Bach und das Concerto in re von Igor Strawinsky. Am 25. und 26. Januar schliesslich ist Kam­mer­­­ musik von Antonín Dvořák und Michail Glinka zu hören. Es spielen Streicher der Philharmonia Zürich und der Pianist Caspar Dechmann. 7 Dez 2014, 11.15 Uhr, Hauptbühne

Montag, 12 Jan 2015, 19 Uhr, Belcanto

21 /  22 Dez 2014, 11.15 / 12 Uhr, Spiegelsaal

Montag, 19 Jan 2015, 19 Uhr, Belcanto

25 /  26 Jan 2015, 11.15 / 12 Uhr, Spiegelsaal

Fotos: Josep Molina / Paul Ripke

So manchem gilt er als der beste Coun­ter­tenor unserer Tage: der Ame­ ri­kaner Bejun Mehta, der seit seinen Kindertagen als Sänger auftritt. Bevor seine internationale Karriere als Coun­ tertenor begann, war er zudem als Solocellist und als Dirigent zu erleben und absolvierte an der Universität Yale ein Studium der deutschen Lite­ ratur. Nun ist Bejun Mehta in einem Sonderkonzert erstmals im Opernhaus zu hören; er singt Arien von Händel (u.a. «Mi palpita il cor» und «Up the Dreadful Steep Ascending» aus Jephtha) und Kantaten von Bach (u.a. «Ich habe genug» und «Ach dass ich Wasser g’nug hätte zum Weinen»). Begleitet wird er vom Orchestra «La Scintilla» unter der Leitung der Geigerin Ada Pesch.


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Drei Fragen an Andreas Homoki

Foto:  Stefan Deuber

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Gerade hatte die dritte, von einem zeitgenössischen Kom­ponisten extra für Kinder geschriebene Oper am Opernhaus Zürich Premiere. Warum ist Robin Hood besser für Kinder geeignet als zum Beispiel die Zauberflöte für Kinder? Ich finde, dass Kinder einen Anspruch darauf haben, als Publikum ernst genommen zu werden. Das Adaptieren von bestehendem Repertoire hat immer etwas Bevormunden­ des, was mich stört. Das Interesse gilt dann nicht der Aufführung an sich, sondern dem Heranführen an etwas Anderes. Ein pädagogischer Umweg: Wir zeigen Euch etwas, aber wir zeigen Euch nicht das Richtige, sondern wir zeigen es Euch weichgespült, damit Ihr es auch versteht. Das mag ich nicht. Es muss auch bei Kinderopern vor allem um die künstlerische Arbeit gehen. Ich habe überhaupt nichts gegen pädagogisches Beiprogramm, aber auf der Büh­ne soll bitte keine Lehrveranstaltung stattfinden, sondern Kunst. Das bedeutet nicht, dass Kinder sich den Freischütz oder die Zauberflöte nicht anschauen sollen, aber warum dann nicht gleich das Original ohne Verniedlichungen. Ich mochte sowas als Kind nie. Ich wollte ernstgenommen werden. Natürlich bedarf die Kunstform Oper gerade heutzutage auch einer gewissen Vermittlungsarbeit – aber bitte nicht auf der Bühne! Durch das Adaptieren wird übrigens jedes Stück erheblich verfälscht – etwas, das an anderer Stelle häufig leidenschaftlich kritisiert wird. Überhaupt finde ich es wichtig, immer wieder zeitgenössi­ sche Stücke zu produzieren. Gerade ein jugendliches Pu­ blikum ist dafür sehr offen und gewissermassen unverbil­ det, weil es keine spezifischen Erwartungen an ein Opern­ repertoire hat. Es geht mir um das Heranführen ans Musik­ theater ganz generell, und das besteht aus singenden Figuren, die eine Geschichte darstellen – unabhängig vom Komponisten. Das Theatererlebnis soll vielfältig sein.

Weil das Angebot an gross dimensionierten Opern für Kinder begrenzt ist, nehmen wir uns jedes Jahr einen neuen Stoff vor, der uns für Kinder geeignet scheint und sich aus sich heraus legitimiert. Warum sollen Kinder überhaupt in die Oper gehen, was kann Oper besser als Film oder Sprechtheater? Die Faszination des Theaters kann durch die Musik, wenn es gut gemacht ist, sehr gesteigert werden. Wenn neben den Darstellern auch noch ein Orchester beteiligt ist, spürt man den grösseren Aufwand und die stärkere Form. Und das Wichtigste: alles passiert live; die Kinder gehen im Theater viel stärker mit als zum Beispiel im Kino, weil sie das Geschehen als real erleben. Ich liebe Kino, aber Oper ist etwas ganz Besonderes, gerade weil sie etwas altmodisch ist. Sie bewahrt uns ein bisschen von dem, was wir zu­ nehmend verlieren: die direkte Kommunikation, das direkte Miteinander. Die Welt um uns herum wird immer virtu­ eller, und das Musiktheater ist in dieser Welt eine Insel, auf der die direkte Kommunikation noch möglich ist, das muss man ernst nehmen und lebendig halten. Ist es auch für die Zukunft geplant, jedes Jahr eine neue Kinderoper auf der grossen Bühne zu produzieren? Unser Wunsch ist es, möglichst viel anzubieten. Wir haben natürlich auch noch den normalen Opernbetrieb, aber bestimmte Kinderopern, die erfolgreich waren, könnten wir wiederaufnehmen, so dass wir auch da ein kleines Reper­ toire aufbauen. Hexe Hillary war sehr erfolgreich, auch die Gänsemagd ist eine tolle Aufführung, beide Produktionen zeigen wir auf der Studiobühne für die etwas jüngeren Kinder, auch hier findet Musiktheater für Kinder statt. Und gerade eben haben wir wieder einen Kompositionsauftrag für eine grosse Kinderoper vergeben.


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Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 11

Illustration: Laura Jurt

Kein Poulet Das Bühnenbild der Zauberflöte: Auf der Drehscheibe stehen in einem Karree vier über Eck gestellte, vollkommen iden­ tische Hausfassaden mit je einer Tür in der Mitte, einem Fenster links und einem rechts. Darüber in zwei weiteren Geschossen vier weitere Fenster. Wobei «Fenster» der falsche Begriff ist: Es sind tote Fensterhöhlen, die in den Zuschauer­ raum starren – denn hinter den Öffnungen ist das Nichts. Unser technischer Projektleiter Moritz Noll hatte die Auf­ ga­be, die Wände so zu konstruieren, dass sie sich nur gegen­ seitig abstützen. Keine Stützen, keine Zwischenböden und kein Dach dürfen den Lichteinfall von oben in das Haus be­­einträchtigen. Und solange die Regisseurin Tatjana Gür­ ba­ca die Rollos, die hinter jedem Fenster versteckt in den Fassaden untergebracht sind, nicht schliessen lässt, fällt die­ses Licht durch die Fensteröffnungen wieder auf die Bühne – und trifft dort auf Hühner, die neben einem Baum und einem lodernden Lagerfeuer picken und scharren. Bei dem Baum handelt es sich um ein realistisch nachge­ bautes Skelett einer Buche, das bis in schwindelnde Höhen beklettert werden kann. Dazu ist es aus zahlreichen gebo­ge­ ­nen und geraden, unterschiedlich dicken Stahlrohren zusam­ mengeschweisst und anschliessend durch eine plastische dicke Rinde und entsprechende Farbe in eine Buche ver­wan­delt worden. Sobald die Scheibe dreht, erkennt der Zu­schauer, dass vor jeder Fassade ein vollkommen identischer Baum steht.

Im Gegensatz zu den Bäumen könnten zwei der Hühner echt sein. Diese sind im Spätsommer geschlüpft und wurden von klein auf von einem Tiertrainer auf ihre Rolle in dieser Inszenierung einstudiert. Die restlichen Hühner hat die Theaterplastik so realistisch nachgebaut, dass es dem Zu­ schauer erst nach einer Weile auffallen wird, dass es sich nicht um lebendige Tiere handelt. Wenn sich nun aber während der Proben herausstellen sollte, dass die echten Hühner trotz allem Training dazu neigen, suizidal in die Lagerfeuer oder in den Orchestergraben zu springen, werden diese durch weniger eigenwillige Hühnerroboter ersetzt, damit die ech­ ten noch ein langes, erfülltes Leben abseits des Rampen­ lichtes haben. Der Sprung ins Lagerfeuer würde ihnen allerdings gar nicht schaden, da das Feuer in Wirklichkeit Wasser ist: In jedem Lagerfeuer hat die Requisite mehrere ferngesteuerte Ultraschallvernebler eingebaut, die Wasser in einen sehr fei­ nen Nebel verwandeln. Dieser Nebel wird von unten rot-­ gelblich beleuchtet und hochgeblasen. Da die feinen Wasser­ tropfen in der Luft schnell verdunsten, entsteht der Eindruck von züngelnden Flammen – Flammen allerdings, die nicht in der Lage sind, Hühner in Poulet zu verwandeln. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich



Welcher Ordnung folgt die Zauberflรถte?

Foto: Sven-Erik Arndt / Arterra / Alimdi

Ein Essay von Claus Spahn


Die Zauberflöte

M

ozart liebte es, die Vorstellungen der Zauberflöte zu besuchen, die nach der Uraufführung am 30. September 1791 Abend für Abend ein grosser Erfolg waren. In einem Brief an seine Frau Constanze schildert er einen solchen Besuch: Er hatte an diesem Abend einen Gast bei sich, der mit der Aufführung nichts anfangen konnte und «alles belachte». Das ging Mozart so auf die Nerven, dass er ihn während der Vorstellung sitzen liess, ihn wütend einen «Papageno» hiess und die Loge wechselte. Dort über­ kam ihn plötzlich die Lust, das Glockenspiel selbst zu spie­ len. Er lief hinter die Bühne, setzte sich ans Instrument und spielte ein Arpeggio an einer völlig unpassenden Stelle. Emanuel Schikaneder, der als Papageno auf der Bühne stand, erschrak, schaute in die Kulissen und erkannte Mozart. Als das Glockenspiel dann tatsächlich erklingen sollte, machte Mozart sich den Spass, zu schweigen und brachte Schikane­ der dadurch völlig aus dem Konzept. «Nun hielt er und woll­te gar nicht mehr weiter. Ich erriet seinen Gedanken und mach­te wieder einen Akkord. Dann schlug er auf das Glockenspiel und sagte ‹Halts Maul›, alles lachte dann. Ich glaube, dass viele durch diesen Spass das erstemal erfuhren, dass er das Instrument nicht selber schlägt.» So ging es also zu in den Vorstellungen der Zauberflöte: Mo­zart erlaubt es sich, seinem Freund und Partner Schika­ neder bei offenem Vorhang einen Streich zu spielen. Schika­ neder verwandelte die Not in eine schlagfertige Pointe, und alle klopften sich die Schenkel vor Lachen. Diese Briefstelle ist eine der sprechendsten aus Mozarts Korrespondenz im letzten Lebensjahr, weil sie etwas von der Theaterlust und dem Spass erkennen lässt, der rund um die Entstehung der Zauberflöte geherrscht haben muss. Man kann erahnen, wie die beiden Theaterkumpane sich hinterher noch in der Garderobe über die Aktion kaputtgelacht haben – der Kinds­ kopf Mozart, dem ein spontaner Spass mehr bedeutete als die korrekte Wiedergabe seiner eigenen Noten, und das Rampenschwein Schikaneder, das in solchen ungeplanten Momenten zu extragrosser Form auflief. Die Briefstelle erzählt von Mozarts unbändiger Lust, aus den Bahnen des Vorhersehbaren auszubrechen. Die überkam ihn zeit seines Lebens wie ein Juckreiz, dem er nachgeben musste. Dann gestattete er sich auch mal einen bewusst falschen Einsatz. Wenn Mozart seinem eigenen Notentext eine Nase dreht und gewissermassen Fünf gerade lässt, heisst das freilich nicht, dass er es mit seiner Kunst nicht so genau nimmt. Ihn interessierte, um im Bild zu bleiben, die Fünf als ungerade Zahl sehr wohl, aber mehr noch reizt ihn die Vorstellung von der Fünf als einer geraden Zahl. Beim Alo­gi­schen hakte seine Intelligenz erst richtig ein. Er bezog Inspiration aus albernen Verdrehungen, trieb ein

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absurd komisches und zugleich tiefgründiges Spiel mit Falsifizierungen, überraschenden Abbrüchen, Auslassungen und skurrilen Wendungen. Das gilt für seine Art, Briefe zu ver­fassen, aber auch für seine Musik: Der geniale Geist hatte eben Strukturen viel zu schnell durchschaut, als dass er Befriedigung darin gefunden hätte, ihnen brav zu folgen. Mozart wurde, gerade weil er im Formenkanon seiner Zeit fest verankert war, zum wilden Denker, störte bewusst die Gleichgewichte, wo das Ebenmass nahelag, experimentierte mit Asymmetrien und schroffen Kontrasten, ertüftelte Täu­ schungsmanöver, liebte das Vielgestaltige bei hoher Schnel­ ligkeit und Gleichzeitigkeit der Verlaufsformen und schuf sich eigene Balancen jenseits des Vorgegebenen.

Mozart war rastlos, getrieben und extrem schwankend in seinen Stimmungen Was für seinen Umgang mit den Stilkonventionen seiner Zeit gilt, trifft auch auf sein Verhältnis zu Hierarchien zu. Mozart fügte sich selbstverständlich übergeordneter Auto­ rität, aber in ihm rumorte doch die Lust, sie zu hinterfragen und subversiv zu untergraben. Er hatte – wie Figaro in seiner «Se vuol ballare»-Arie – Lust, ein Tänzchen mit dem Grafen zu wagen. Natürlich nicht frei von Ambivalenzen, wie sie der Mozart-Biograf Maynard Solomon beschreibt: «Weil in ihm Spannungen zwischen Zorn und Zurückhal­ tung, Überheblichkeit und Unterwürfigkeit, Zerstörungs­ trieb und Schicklichkeit herrschen, bedienen sich Mozarts radikale Eingebungen keiner Gemeinplätze und schlagen keine voraussagbaren Bahnen ein. Da er ganz wie sein Vater skeptisch und vorsichtig gegenüber schnellen Lösungen und im Zweifel über die Beweggründe der Menschen ist, schloss er sich nicht kritiklos charismatischen politischen Führern und deren Reformprogrammen an. Seine radikalen Trieb­ kräfte gerieten unter den Einfluss des Spieltriebs, der Kunst, der Sprache, des Rituals, die dadurch die Kanäle für den Ausdruck seines Altruismus und die Ventile für seine Wut öffneten.» In der Zeit, in der Mozart an der Zauberflöte arbeitete (es waren bekanntlich seine letzten Lebensmonate), kam noch etwas anderes hinzu – Rastlosigkeit, gepaart mit ext­ remen Stimmungsschwankungen, über die die Briefe im Sommer 1791 an seine in Baden zur Kur weilende Constanze Auskunft geben. Nach Monaten, in denen sein Schaffens­ drang ins Stocken geraten war, kehrte seine Kreativität im Frühling 1791 mit starker Energie zurück. Er schrieb die Zauberflöte, La clemenza di Tito, das Klarinettenkonzert und vieles mehr. Er hatte extrem viel zu tun und arbeitete unter enormem Zeitdruck. In den Briefen erkennt man eine Per­


Die Zauberflöte 15

sönlichkeit, die immer auf dem Sprung ist, unstet, getrieben, hin und her gerissen zwischen anspruchsvollen künstlerischen Aufgaben und einfachen Lebensgenüssen, kreativer Beflüge­ lung und Einsamkeit. Er vermisst seine Frau, erträgt es nicht, alleine essen zu müssen, läuft ins Wirtshaus, wo sein Lieb­ lingskellner «Don Primus» mit den leckeren «Carbonadeln» um die Ecke biegt, schreibt in dieser Zeit aber auch seinen be­rühmten Depressionsbrief: «…ich kann dir meine Emp­ findung nicht erklären, es ist eine gewisse Leere, die mir halt wehe tut, ein gewisses Sehnen, welches nie befriedigt wird, folglich nie aufhört, immer fortdauert, ja von Tag zu Tag wächst...» Man muss das alles vor Augen haben, wenn man über die Zauberflöte nachdenkt. Sie ist das heissgeliebte, alle beglückende Herzenswerk im Opernrepertoire und zugleich ein Rätselstück, über dessen Werkgestalt und höhere Bot­ schaft von jeher nicht minder heiss diskutiert wird. Denn ihre Handlung ist durchzogen von Ungereimtheiten, Brü­ chen und Widersprüchen. Die beginnen damit, dass die Königin der Nacht als gute, gerechte Herrscherin und Sa­ rastro als böser Tyrann in das Stück eingeführt werden und die Vorzeichen sich im zweiten Teil umzudrehen scheinen, Sarastro als vermeintlich tugendhafter Weisheitslehrer herrscht und die Königin als tempelschänderische, zum Mord anstiftende Unheilsfigur vernichtet wird.

Märchen und Bretter-Theater, Mysterium und Singspiel Sie setzen sich fort in der Verschränkung der Formen: Die Zauberflöte ist zugleich naives Märchen und bretterknarren­ des Wiener Vorstadt-Theater, symbolschweres Mysterienri­ tual und leichtes Singspiel. Und sie enden in den vielen Details der Handlung, die nicht zusammen passen wollen: Tamino ist im ersten Akt noch als Retter Paminas im Auftrag der Königin unterwegs und wird im zweiten Akt von einer Szene zur nächsten zum folgsamen Prüfling im Bann des Sarastro-Kreises. Die drei Knaben werden Tamino von der Königin der Nacht als Schutzengel und Sendboten mit auf den Weg gegeben, mahnen aber später Sarastros Tugenden an. Der Herrscher propagiert Toleranz und Grossmut, ist aber Sklavenhalter, verhängt Prügelstrafen und redet schlecht über Frauen. Die drei Damen scheinen im Quintett im zwei­ten Akt «Wie? Wie? Wie? An diesem Schreckensort?» unabhängig kämpfend in den Tempel eingedrungen zu sein, um Tamino zu warnen, sind aber zugleich Gegenstand der ersten Prüfung, die Sarastro dem Prinzen auferlegt, also Instrument des Prüfers. Die Liste der Fragwürdigkeiten liesse sich beliebig verlängern.

An Erklärungsversuchen dieser Ungereimtheiten leidet die Interpretationsgeschichte der Zauberflöte nicht: Man hat Emanuel Schikaneder (zu Unrecht) als tumben Urheber des Librettos ausgemacht. Man hat eine Bruchtheorie aufge­ stellt, derzufolge Mozart und Schikaneder die Tendenz ihrer Oper mitten im Kompositionsprozess umgekehrt haben, um sich von einem allzu ähnlichen Singspiel abzusetzen, das kurz vor der Zauberflöte in Wien auf die Bühne gekommen war. Papieranalysen der Manuskripte haben diese Theorie widerlegt. Den jüngsten Interpretationsversuch hat mit grossem Aufwand der Ägyptologe Jan Assmann in seinem 2006 veröffentlichten Buch über die Zauberflöte unternom­ men, in dem er die Oper als ein alle Handlungsebenen und sogar das Publikum miteinbeziehendes freimaurerisches Mysterienspiel deutete, in dem die vermeintlichen drama­ turgischen Widersprüche in Wahrheit als raffinierte Täu­ schungsmanöver und Illusionsstrategien angelegt seien. An der aus der Spur kippenden Ur-Vitalität der Zauberflöte, an der lustvollen Unordnung, die ihr innewohnt, geht freilich auch Assmanns Theorie völlig vorbei. Mozart und Schikane­ der waren eben keine Mysterien-Spielmeister, die sich am Reissbrett ein hochgerüstetes, in sich stimmiges Ritual ausgedacht. Ihre Oper dreht sich zwei Akte lang als ein herrlich buntscheckiges, alle Sinne betörendes Kaleidoskop, in dem der offene Montagecharakter theatralische Energien freisetzt und das Nichterklärbare als Moment der Freiheit und des Spasses wirkt. Daran kann auch nichts ändern, dass Sarastro in der Oper das Schlusswort hat und mit dem Finalchor seine Weltsicht scheinbar ins Recht setzt. Aus seinem Blickwinkel wird das Stück bis heute gerne betrachtet. Tief sitzt in den Köpfen der Zauberflöten-Bewunderer nach wie vor die Sehnsucht, das Stück in seinen Widersprüchen zu glätten, ins Humanis­ tische zu veredeln oder ins rein Märchenhafte abzumildern.

Sarastros heilige Halle des wohlgeordneten Lebens Sarastro liebt die heilige Ordnung. Sein Verstand sagt ihm, dass das Leben besser ist, wenn es nach Regeln geführt wird. Die Vernunft lehrt ihn, dass das Dasein auf Prinzipien be­ ruhen muss. Er findet Ordnung nicht nur notwendig, son­ dern auch schön und deshalb betätigt er sich als ein Welt­ baumeister der geregelten Verhältnisse. Ein Fundament hat er in die Erde eingelassen, das er Tugend nennt, und eine hohe Kuppel darüber errichtet, die er Wahrheit nennt. Viel Zement rührt er in seine Ideale, damit auch ja nichts bröckelt. In Sarastros heiliger Halle des wohlgeordneten Lebens ist alles an seinem Platz: Es gibt Eingeweihte (drinnen) und


Die Zauberflöte 16

Nichteingeweihte (draussen), Mann (hoch droben) und Weib (in gebührendem Abstand darunter), Gerechtigkeit und Menschenliebe (auf dem Marmorsockel), Willkürherr­ schaft, Gewalt und Heuchelei (unter dem Teppich). Es ist ein perfektes Menschheitszuhause. Aber nicht die Welt und die Weltsicht, aus der heraus Mozart seine Zauberflöte ge­ schrieben hat.

Das Aufgeräumte steht gegen das kreative Chaos Stellen wir uns vor, der kleine Mann im rotem Rock mit den hervorstehenden Augen käme in Sarastros Reich zu Besuch. Gegensätzlichere Charaktere kann man sich kaum vorstellen: Hier der gesetzte Machtmensch und dort die personifizierte Unruhe. Hier der salbungsvolle Redner, der alles zweimal sagt, und dort das sprunghafte Genie, das seinem Gegenüber immer fünf Gedankengänge voraus ist. Der eine ein humor­ freier Tugendwächter und Prinzipienreiter, der andere ein Luftikus. In ihrer Beziehung zur Aussenwelt unterscheiden

sie sich diametral. Sarastro pflegt ein Verhältnis zur Welt, das auf Exklusion basiert. Er spaltete ab und schliesst aus, was nicht zu seinen Prinzipien passt und seine Ordnung stört. Mozarts Kreativität demgegenüber ist inklusiv, sie öffnet sich der Welt und nimmt als Kraftquelle alles wahr und in sich auf. Wahrscheinlich würden sie sich nicht sehr gut verstehen und sich gehörig auf die Nerven gehen. Wo­ möglich würde Sarastro diesen Mozart, wie es seine Art ist, kuzerhand vor die Tür setzen. Aber zum Glück ist ja Mozart der Komponist der Oper und Sarastro nur eine Figur, die am Ende des ersten Akts die Bühne betritt. Das Aufgeräumte steht gegen das kreative Chaos, das Geradlinige gegen das lustvoll Gezackte, die geschlossene Kuppel einer idealistisch geformten Welt gegen den offenen Sternenhimmel der Natur. Darum geht es in der Zauberflöte. Und wir kommen ihr näher, wenn wir versuchen, sie mit Mozarts Augen zu betrachten.

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Die Zauberflöte 17

«Nutz’ das Adrenalin!»

Foto: Franziska Schrödinger

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Der 27-jährige Tenor Mauro Peter wurde direkt vom Studium ins Ensemble des Opernhauses engagiert. Nun singt der Ausnahmesänger bereits den Tamino Text von Tom Hellat

ch schlafe aus, esse am Nachmittag ein gutes Stück Fleisch, schaue Fernsehen und liege auf dem Sofa rum.» Was nach sonntäglichem Faulenzen im feucht-kalten November klingt, ist das Arbeitsritual des hochgehandelten Luzerner Tenors Mauro Peter, eine Art Zeremonie vor dem Entlassen seiner Stimme in den Zuschauerraum. «Ich bündle durch das Nichtstun meine Energie. So lange, bis die Energie raus muss. Dann bin ich in der richtigen Stimmung für den Abend im Opernhaus.» Es ist schnell klar, wen man da vor sich hat: Einen unkomplizierten, unkonventionell vorgehenden jungen Sänger, der sich anschickt, in der Champions League der Tenöre ganz nach oben zu kommen. Seine Stimme prädestiniert ihn mehr zum Front-Stürmer als zum Aussenverteidiger. Das Zürcher Publikum weiss das, seit der 27-Jährige vergangenes Jahr im Fidelio den Jaquino so spontan sang, wie Mauro Peter selbst ist. Seinen Durchbruch hatte er aber noch als Student an der Münchner Musikhochschule. Nicht auf der Opernbühne, sondern als Liedsänger. Gefördert wurde er dabei vom legendären Liedpianisten Helmut Deutsch, der ihn schon früh zur Nachwuchshoffnung erklärte und ihn diesen Sommer im Zürcher Opernhaus auch bei seiner ersten Winterreise begleitete. Und schon dort konnte man Mauro Peter als einen Tenor der Extraklasse erleben. Denn die Schönheit von

Peters Tenorstimme fällt auch im lyrischen Genre sofort auf. Er verfügt über ein natürlich modulierbares Timbre, mit dem er in der Lage ist, auch die hintersten Seelenwinkel von Schuberts einsamem Wanderer zum Leuchten zu bringen. Nicht zuletzt deswegen nahm ihn wohl die Zürcher Oper 2013 vom Fleck weg, genauer: vom Studium weg ins Ensemble auf. Peter war damals noch Eleve an der Musikhochschule. Aber eben verblüffend «fertig». Er sei nach Berlin gereist, habe zwei Mozartarien und ein Schubertlied vorgesungen und hatte den Vertrag in der Tasche. «Klar habe ich von so etwas geträumt», sagt er. «Aber zu hoffen hätte ich es nicht gewagt.» Er komme, so erzählt der Luzerner, aus einer wenig opernaffinen Familie. Der Vater ist Gipser, die Mutter arbei­ tet in der Pflege. Aber das Bühnen-Gen haben sie alle intus, nicht umsonst wurden die Eltern einst Rock’n’Roll-Teamweltmeister. «Auch ich habe immer schon Lärm gemacht und rumgetobt, und genau das tue ich auch heute noch», scherzt er. Bereits als Jugendlicher spielte er aber nicht nur Fussball, sondern wirkte auch bei den Luzerner Singknaben mit und bekam Gänsehaut bei Aufführungen am Lucerne Festival. Aber erst als 17-Jähriger, als er in einer Chorauffüh­ rung einen Solo-Auftritt hatte, wurde ihm schlagartig klar: «Ich bin Sänger».


Die Zauberflöte 18

Mittlerweile ist der Tenor mit den tausend Farben in der Stimme unter der Leitung von Christian Thielemann im Salzburger Parsifal aufgetreten, hat im allerheiligsten LiedMekka, bei der Schubertiade in Schwarzenberg, Schubert gesungen und bei den Salzburger Festspielen unter Dirigenten wie Harnoncourt, Gardiner oder Dudamel brilliert. Angst oder Scheu spürt man nicht, wenn Mauro Peter über all dies spricht. Vielleicht ein wenig Verwunderung über sich selbst. «Ja, ich kann’s. So selbstbewusst war ich immer. Dass ich eine schöne Stimme habe, weiss ich. Das alleine reicht aber nicht aus. Es kommt darauf an, was man daraus macht.» Keine Arroganz ist das, sondern eine – begründete – innere Stärke kombiniert mit einer gesunden Portion Ehrgeiz. Das eigene Timbre, findet er, sei eine Sache erstens des Willens und zweitens der Klangfantasie, das dürfe niemals nur sich selbst genügen. Eisern gearbeitet habe er dafür: «Es kann vorkommen, dass ich an zwei Takten einige Stunden arbeite. Nur wenn man perfekt vorbereitet ist, stellt sich die Leichtigkeit und Flexibilität ein, die für die Musik entscheidend ist.» Keine schlechte Voraussetzung in einer Opernszene, in der Sänger schnell verheizt werden. Besonders die Tenöre. Sie singen sich öfter kaputt als Sänger anderer Stimmlagen. Sie haben ihren Durchbruch, werden angehimmelt, vermarktet, überschätzen sich, kriegen Stimmbandknötchen, Ich-Krisen, Ehe-Krisen, andere Malai­ sen, und schon ist es vorbei. Bei Mauro Peter dürfte all dies kein Problem werden. Zu abgeklärt, zu selbstsicher wirkt er, als dass er sich verbiegen lassen würde. Nie würde er in gewienerten Suiten auf Designersofas sitzen zwecks Werbeaufnahmen für Modemagazine. Lieber geht er mit seinen Freunden wandern. Auch Homestorys sind ein No Go. Anfragen solcher Art lehnt er dezidiert ab, «auch wenn es mir kurzfristig vielleicht etwas bringen könnte». Seine Privatsphäre will er nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten. Auch nackt aufzutreten, wäre sein Ding nicht: «Alles, was in der Badi zu sehen ist, ist okay; darüber hinaus hat es meist wenig mit Musik zu tun.» Mauro Peter ist also ein Künstler, der weiss, was er will und wo seine Grenzen sind. Der kennt, worauf er sich einlässt, und einen bewussten Umgang damit sucht. Nie würde er sich blind auf eine Produktion einlassen, «nur weil die Rolle für mich interessant ist». Der Regisseur, das Stück, die Musik – alles muss passen. In Zürich ist dies ab dem 7. Dezember der Fall. Dann singt er in Mozarts Zauberflöte den Tamino, der sich ins Bild­nis der schönen Pamina verliebt – quasi ein Blind-Date anno dazumal – und von der sternflammenden Königin der Nacht ins geheimnisvolle Reich des Sarastro geschickt wird. «Diese Oper wurde schon 1000 Mal inszeniert, und doch ge­lingt es Tatjana Gürbaca, einen neuen Zugang zu finden

– aber zu viel möchte ich nicht verraten», schwärmt Peter von der Neuinszenierung. «Tamino ist eine Traumrolle für mich. Anders als ich ist er ein naiver Junge. Aber er stellt sich auch seinen Unsicherheiten, das gefällt mir.» Dass Mauro Peter mit seinem goldenen Timbre Pamina locker um den Finger wickelt, ist Ehrensache. Er würde aber glatt auch noch die giftige Schlange mit links erlegen – auch wenn’s nicht in der Rolle steht. Doch zuzutrauen wäre es dem Lu­ zerner. Denn wenn er auf der Bühne steht, geht er aufs Ganze. Er fordert sich alles ab und wirbelt sich in die Musik hinein. Ein Star-Gen macht sich da bemerkbar: Mauro Peter charmiert mit dem Publikum, lebt mit Lust die Musik – und reisst die Zuhörer damit mit. «Du kannst das, also nutz’ das Adrenalin», sagte er sich oft. Statt wie früher auf dem Rasen die Bälle ins Tor zu schies­sen, feuert er nun seine hohen Cs ins Publikum. Das sieht bei Mauro Peter nie nach Schweiss und Anstrengung aus. Er singt die Noten wie Goldfäden und kostet sie aus, statt sie zu demonstrieren. Dabei ist stets klar: Hier geniesst es einer, auf der Bühne zu stehen; beschleunigt selbst bei den allerschwierigsten stimmlichen Pirouetten oder gibt den Läufen durch eine neue Klangfärbung den entscheidenden Kick. Macht er zu viel? Sänger-Legende Thomas Hampson versuchte einst, das Temperament des jungen Kollegen bei einem Salzburger Meisterkurs etwas zu bremsen. Trotzdem: Dieses beherzte Gestalten gehört zu Mauro Peters Wesen. «Ich bin eben eine Rampensau. Ob vor 200 oder 2000 Zu­ schauern – für mich macht das keinen Unterschied.» Und doch versteckt sich hinter dem Bühnentier auch ein sensibler Künstler, der sich jeder Kritik annimmt, auch derjenigen der Zeitungen: «Ich glaube niemandem, der sagt, er lese Rezensionen über sich nicht». Mauro Peter interessiert sich für seine Aussenwirkung. «Wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, denke ich nicht, der Rezensent ist ein dummer Kerl, sondern versuche herauszufinden, weshalb das geschrieben wurde». Und wenn er dann darüber nachgedacht hat, zieht er seine eigenen Schlüsse: «Einmal schrieb jemand, ich lächle zu viel. Das stimmt wohl, aber ändern werde ich es trotzdem nicht», sagt er – und lächelt. Wo soll der Weg hinführen, den er mit seiner Stimme geht? Vorsichtig, sehr vorsichtig will er sein und sich keinesfalls in ein Repertoire drängen lassen, das ihn überfordert oder die Stimme ruiniert. Vom strahlenden Belcanto bis hin zu Mozarts feinen Zwischentönen will er sich die ganze Bandbreite erhalten. Er wisse genau, wie schnell die Muskeln im Kehlkopf bei falscher Belastung rebellieren: «Ich möchte auch noch in zwanzig Jahren Mozart singen können.» Da spricht der verantwortungsvolle Mauro Peter. Den anderen sieht man auf der Bühne.


«Zwei Drittel von uns spüren regelmässig Vibrations-Alarm, den sie sich nur einbilden.» Aus «Die nächste Stufe der Evolution» von Martin Helg

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Die Zauberflöte 20

«Keine Figur ist, was sie zunächst zu sein scheint» Die Regisseurin Tatjana Gürbaca und der Dirigent Cornelius Meister zu unserer Neuproduktion von Mozarts «Zauberflöte» Fotos Danielle Liniger

Frau Gürbaca, Herr Meister, man könnte meinen, dass in der Zauberflöte, der meistgespielten Oper, alle möglichen Erzählpfade längst ausgeschritten sind. Aber dann hat man plötzlich doch wieder ein frisches und vitales Werk vor sich. Woran liegt das? Tatjana Gürbaca: Daran, dass die Zauberflöte so vielschichtig ist. Mozart ist Spezialist darin, alles leicht erscheinen zu lassen, immer biegt er mit einem kleinen Spass um die Ecke. Aber in Wahrheit hat das Stück viele Dimensionen und eine unglaubliche Tiefe. Es stellt die letzten Fragen: Was ist der Mensch? Wie sollen wir leben? Es handelt vom Erwachsenwerden, von Prüfungen, die man bestehen muss, von den Dingen, die uns antreiben, von unseren Sehnsüchten und Ängsten. Über sechzigmal kommen die Worte «Tod» oder «Sterben» vor. Cornelius Meister: Vielleicht wirkt die Zauberflöte auch deshalb immer wieder so frisch, weil die Besetzung so reich und allumfassend ist. Es gibt kaum ein Stimmfach, das nicht vertreten ist, inklusive der drei Knaben. TG: Und man spürt den Spass, den Mozart und Schikaneder bei der Arbeit hatten. Sie springen lustvoll zwischen den Stilen, es gibt dramaturgische Brüche, die Nummern sind kontrastreich zusammengefügt. Ich kenne nur wenige Stücke, in denen man so sehr alles von zwei Seiten betrachten kann, in denen Komödie und Tragödie sich so mischen. Keine Figur in der Zauberflöte ist das, was sie zunächst zu sein scheint. Das beginnt bei Papageno, der oft als der einfache Naturmensch auf der Bühne zu sehen ist, aber in Wahrheit den Antworten auf die grossen Fragen am allernächsten ist. Er hat eine Antwort auf die Frage, wie man als Mensch leben soll, und gibt sie gemeinsam mit Pamina im Duett «Bei Männern, welche Liebe fühlen». Papageno und Pamina singen nämlich das eigentliche Liebesduett der Oper, obwohl sie kein Paar sind.

CM: Papageno und Pamina singen verhältnismässig oft im Sechsachteltakt. Diese Parallele ist verblüffend, wenn man bedenkt, dass Pamina der höheren Sphäre entstammt und Papageno der einfache Vogelfänger ist. Sie bewegen sich also auf einer ähnlichen Wellenlänge? TG: In gewisser Weise ja, und sie formulieren in ihrem Duett die grosse Utopie der Zauberflöte, die im Grunde für alle Mozart-Opern gilt: «Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an». Soll das heissen, dass Pamina und Tamino gar nicht das ideale Paar sind? TG: Sagen wir es so: Pamina ist für mich die eigentliche Heldin des Stücks, eine verschüttete Heldin. Als Tochter der Königin der Nacht ist sie die rechtmässige Erbin des Sonnenkreises, den ihr Vater kurz vor seinem Tod an Sarastro weiter gegeben hat. Die Männerfiguren sind auch wegen dieses Erbes an ihr interessiert, denn nur Pamina kann die Sonnen-Herrschaft legitimieren. Deshalb muss man diese Frau für sich gewinnen. Ich habe den Eindruck, dass sie noch viel mehr Prüfungen durchzustehen hat und schlimmere Sachen erlebt als alle anderen zusammen. Sie verliebt sich, wird entführt, fast vergewaltigt, an den Rand des Selbstmords getrieben, muss sich zwischen Mutter und Geliebtem entscheiden, soll einen Mord begehen. Und in der Feuer- und Wasserprobe ist sie es, die vorangeht, und nicht der Held Tamino. Pamina wird oft als naiv unterschätzt. Sie ist die Tochter einer verletzten, sehr entschiedenen Mutter! Die Königin der Nacht und Pamina singen beide ihre grossen Arien in g-Moll, und die musikalische Linie der Königin ist in «Zum Leiden bin ich auserkoren» genau die gleiche wie in Paminas «Ach, ich fühl’s». Die Mutter-Tochter-Beziehung scheint also sehr


Foto: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Ruben Drole singt den Papageno und Mari Eriksmoen die Pamina


Die Zauberflöte 22

stark zu sein. Ich finde, das gibt einerseits Pamina eine ganz andere Kraft mit auf ihren Weg. Und umgekehrt der Königin der Nacht eine grössere Glaubwürdigkeit. Ist Prinz Tamino auch nicht der, der er zu sein scheint? TG: Den muss man auch hinterfragen. Er ist der Tenor und der Held. Aber seit wann beginnt eine Oper damit, dass der Tenor flieht und in Ohnmacht fällt? Dann trifft er Papageno, der kriegt ein Schloss vor den Mund, und Tamino singt: Leider kann ich nichts für dich tun, «weil ich zu schwach zu helfen bin». Dann will er die Königstochter befreien, schickt aber erstmal Papageno vor. Auch sein abrupter Seitenwechsel lässt ihn in einem seltsamen Licht erscheinen. Macht Mozart Unterschiede in seinem Interesse an den Figuren? Schreibt er für die Königin der Nacht spannendere Musik als etwa für Sarastro? CM: Nein. Dass die Virtuosität der Bravourstücke viele Zuhörer begeistert, kann ja kein Gradmesser für Qualität sein. Nach dem langsamen Satz einer Sinfonie wird auch nicht so ausgelassen gejubelt wie nach einem Schlusssatz. Es sind halt einfach unterschiedliche Charaktere und Stimmfächer, für die Mozart geschrieben hat, und die Arien des Basses sind nicht minder inspiriert geschrieben als die Arien für den Koloratursopran. Auch für Sarastro hat sich Mozart einen besonderen Klang ausgedacht. Aber die Schlichtheit von Sarastros Musik wird von manchen Zauberflöten-Interpreten schon gerne als Beleg dafür ins Feld geführt, dass Sarastros Tugend­ ansprachen von eher einfältiger Art sind und den Anbruch eines langweiligen bürgerlichen Zeitalters ankündigen. TG: Sarastro hat problematische Seiten, keine Frage. In seinem Reich gibt es klare Hierarchien: Den Frauen wird kein selbständiger Gedanke zuerkannt, und obgleich er als Mann der Toleranz und des grossmütigen Verzeihens auftritt, hält er Sklaven und unterscheidet zwischen Menschen erster und zweiter Klasse. In der Hallen-Arie verkündet er, dass man die Rache in seinem Reich nicht kenne, aber im letzten Satz singt er: «Wen diese Lehren nicht erfreuen, verdienet nicht ein Mensch zu sein.» Er spricht also einzelnen Menschen das Menschsein ab, ausgerechnet in dieser Arie! Es kann kein Zufall sein, dass das so da drin steht. Und natürlich leidet die Glaubwürdigkeit von Sarastros Werten, wenn die Königin der Nacht am Ende eben doch gestürzt wird. CM: Trotzdem behandelt Mozart seine Figuren in der

Zauberflöte ausnahmslos liebevoll. Er führt sie nicht vor oder verspottet sie gar. Jede Figur wird in ihrer Würde gezeichnet, natürlich mit ihren Fehlern und Selbstwidersprüchen, das ist klar. Welcher Entwicklungsbogen spannt sich über die Zauber­flöte? TG: Für mich geht das Stück los in einer Welt, die von ungebändigter Natur geprägt und von Urwesen bevölkert ist. Mensch und Tier, Mann und Frau sind noch nicht klar getrennt. Es gibt Vogelmenschen und Nachtköniginnen, wilde Damen, alle möglichen Wunder und bei allen Figuren eine grosse Liebessehnsucht. Und dann erscheint im zweiten Teil Sarastro mit seinen Leuten und macht sich daran, alles, was an diesem Urwelt-Chaos-Zustand beängstigend ist, unter Kontrolle zu bringen. Er schafft Ordnung und Hierarchien. Der Mensch ist dann mehr wert als das Tier, und der Mann mehr wert als die Frau. Der Tag steht über der Nacht. Liebe ist plötzlich nicht mehr der natürlichste Kern aller Dinge, sondern wird problematisiert, tabuisiert, mit Prüfungen belegt. Ist das eine Entwicklung vom Guten zum Schlechten? TG: Das würde ich so nicht sagen. Man sieht, dass Fortschritt zwar immer eine Veränderung bedeutet, aber nicht unbedingt eine Verbesserung. Ich glaube auch, dass der Schluss der Oper noch keinen Schlusspunkt aller Entwicklungen bedeutet, sondern nur einen vorläufigen Sieg der Tagwelt über die Nacht markiert. Aber erst zusammen erreichen Tag und Nacht, Mann und Frau die Vollendung. Erst die Vereinigung von Gegensätzen würde uns einen Schritt weiterbringen. Das müsste eigentlich die Lehre aus der Oper sein. CM: Am Schluss erklingt ungewöhnlicherweise nach dem grossen Finalchor noch ein kurzes Orchester-Nachspiel, das völlig überraschend ins Piano zurückgeht. Es ist ein kleines, aber exponiertes Indiz dafür, dass da am Ende nicht Eindeutigkeit komponiert wurde. Die Oper endet nicht einfach nur pompös mit einem: Ja, so ist es!, sondern Mozart differenziert und kontrastiert sogar noch in den letzten Takten. TG: Ich finde, es klingt wie die drei Pünktchen am Ende einer offenen Geschichte. CM: Das höre ich weniger. Eher, dass die Welt nicht eindimensional ist. Kommt man bei der Zauberflöte eigentlich gegen die liebgewonnenen Konventionen an, die jeder mit sich herumträgt?


Die Zauberflöte 23

Cornelius Meister und Tatjana Gürbaca

CM: Ich bin nie an ein Stück mit der Absicht herange­ gangen, es anders zu machen, um mich von irgendetwas abzusetzen. Es einfach nur anders zu machen, hat ja erstmal keine Qualität. Aber jeder Produktion liegen andere Voraussetzungen zugrunde, und die führen zu neuen Ergebnissen. Gerade deshalb geniesse ich die Möglichkeit einer Zürcher Neuproduktion. TG: Stimmt, weil wir zum Beispiel tolle Solisten haben. Wenn ich mich an ein Stück setze, versuche ich erst mal alle Bilder zu vergessen, die ich im Kopf habe. Aber noch mehr hilft mir, wenn ich zu Beginn der Proben endlich die Sänger vor mir habe. Die Figuren, die ich mir am Schreibtisch erarbeitet habe, werden plötzlich real, und es ist unheimlich erfrischend, wenn ein Sänger dann zunächst ganz anders ist, als ich mir die Figur vorgestellt hatte. Mussten Sie in unserer Produktion da umdenken? TG: Wir haben durchweg sehr, sehr starke Persönlich­ keiten in dieser Produktion, und alle bringen eine grosse

Wärme mit auf die Bühne. Wir sprachen ja bereits über Tamino und dass ich der Figur mit einer gewissen Reserve gegenüberstehe. Und dann steht plötzlich Mauro Peter auf der Probebühne, der das ganz wunderbar macht und eine grosse Authentizität und Herzlichkeit in die Figur trägt. Das befeuert mich, weil ich plötzlich an diesen Sänger glauben kann, der eine herrliche Stimme hat und berührend spielt. Und plötzlich wächst dem Tamino etwas Verletzliches und Glaubwürdiges zu, das ich in der Figur zunächst gar nicht gefunden hatte. Es ist ausserdem ein Riesenglück, Mari Eriksmoen als Pamina zu haben, die eine filigrane, feenhafte und wunderschöne Gestalt ist und trotzdem eine unglaubliche innere Stärke und Präsenz mit auf die Bühne bringt. In solchen Konstellationen begibt man sich als Regisseur gemeinsam mit den Sängern auf die Suche nach der Figur. Ich versuche den Solisten nichts aufzupfropfen. Ich suche immer nach dem, was von der Figur schon in den Sängern angelegt ist. Und ich habe Freude an der Physis der Sänger, die ich vorfinde. CM: In der Zauberflöte braucht man herausragende Solisten


Die Zauberflöte 24

in jedem Stimmfach, aber alle zusammen müssen auch als Ensemble harmonieren. Hier in Zürich hat man über diese Dinge sehr genau nachgedacht und ein Ensemble zu­ sammengestellt, das präzise auf die Produktion abgestimmt ist. Das freut mich sehr, denn selbstverständlich ist das nicht. Ich habe andernorts Zauberflöten dirigiert, die mit hervorragenden Einzelsängern besetzt waren, aber im Kontext der Produktion überhaupt nicht funktioniert haben. Herausragend ist auch der Zürcher Chor. TG: Wir haben durchweg fantastische Darsteller wie Ruben Drole als Papageno. Er hat etwas, was ich unendlich kostbar finde: Er besitzt zwar einerseits eine Riesenerfahrung in der Partie und hat trotzdem eine grosse Neugier und die Fähigkeit, sich dem Spiel ganz hinzugeben. Die Proben mit ihm sind wie eine Reise, auf der man über gemeinsame Entdeckungen staunen darf. Ruben hat alle Farben vom Humor bis zu einer grossen Traurigkeit. Jetzt haben wir nur die Hauptfiguren erwähnt. Aber da ist mit Christof Fischesser ein junger Sarastro, der nicht mit der Behäbigkeit auf die Bühne kommt, die der Figur manch­mal unterstellt wird. Sen Guo ist eine wirklich königliche Königin der Nacht und gleichzeitig eine liebevolle Mutter. Und unser Monostatos Michael Laurenz ist ideal in einer Partie, die bei uns eine grössere Rolle spielt als in vielen anderen Inszenierungen. Welche Chancen birgt es, dass wir die Zauberflöte mit La Scintilla spielen auf Originalklanginstrumenten in kleiner Besetzung? TG: Wir kommen dadurch von vornherein von dem falschen Pathos weg, das oft über das Stück gegossen wur­de. Der beweglichere Orchesterklang gibt uns die Chance, die Figuren noch dichter im Ausdruck und in ihren Charakteren zu zeigen. CM: Zürich nimmt international eine Ausnahmestellung ein im Hinblick auf die historisch informierte Aufführungspraxis. An keinem anderen Repertoire-Haus dieser Grösse gibt es seit solch langer Zeit einen der Scintilla vergleichbaren Klangkörper. Das Orchester bringt eine immense Mozart-Erfahrung mit; gerade die Zauberflöte ist hier ein Stück mit einer grossen musikalischen Tradition. Ich habe die handschriftlichen Noteneintragungen von früheren Produktionen durchgearbeitet, das ist für mich ein wahrer Schatz. Wieviel Erfahrung haben Sie selbst mit der historisch informierten Aufführungspraxis? CM: In meiner Dirigentengeneration muss man schon sehr blind unterwegs gewesen sein, wenn man nicht mit

der Originalklang-Bewegung in Berührung gekommen ist. Ich habe am Salzburger Mozarteum studiert, wo ja auch Harnoncourt lehrte. Dort war es selbstverständlich, dass man als Dirigent die Violinschule von Leopold Mozart, die Klavierschule von Carl Philipp Emanuel Bach, die Flötenschule von Quantz mit all ihren Hinweisen zur Ornamentik, zur Phrasierung, allgemein: zur Stilistik gelesen und reflektiert hat. Als ich 2005 als Generalmusikdirektor ans Theater nach Heidelberg kam, haben wir dort jede Spielzeit nicht nur eine Mozart-Oper, sondern auch eine Barockoper mit ausgiebiger stilistischer Vor­ bereitung quasi nach Zürcher Vorbild neuproduziert. Ich habe das sehr unterstützt und dabei viel gelernt.

DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Musikalische Leitung Cornelius Meister Inszenierung Tatjana Gürbaca Bühnenbild Klaus Grünberg Kostüme Silke Willrett Lichtgestaltung Klaus Grünberg Choreografische Mitarbeit Kinsun Chan Choreinstudierung Jürg Hämmerli Dramaturgie Claus Spahn

Tamino Sarastro Pamina Königin der Nacht Papageno Papagena 1. Dame 2. Dame 3. Dame Monostatos Sprecher / 2. Priester 1. Priester 1. Geharnischter 2. Geharnischter Drei Knaben

Mauro Peter Christof Fischesser Mari Eriksmoen Sen Guo Ruben Drole Deanna Breiwick Alexandra Tarniceru Julia Riley Judit Kutasi Michael Laurenz Andri Robertsson Iain Milne Airam Hernandez Erik Anstine Tölzer Knabenchor

Orchestra La Scintilla Chor der Oper Zürich, Tänzer Partner Opernhaus Zürich Premiere 7 Dezember 2O14 Weitere Vorstellungen 1O, 13, 18, 2O, 23, 26, 28 Dez 2O14 1, 3, 7, 11 Jan 2O15


Der Fragebogen 25

Was fällt Ihnen auf, wenn Sie in Zürich ankommen? Zürich ist eine schöne, kleine und internationale Stadt. Das gefällt mir. Was würden Sie sofort verändern, wenn Sie Königin der Schweiz wären? Ich würde nichts verändern, weil ich die Schweiz liebe, wie sie ist. Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Meine Familie. Was wäre das grösste Unglück? Nicht gesund zu sein und das Leben nicht geniessen zu können. Welche tänzerische Erfahrung hat Sie entscheidend geprägt? Jede tänzerische Darbietung beeinflusst mich in irgendeiner Weise. Wer ist Ihr Lieblingsschriftsteller? Ich habe keinen. Ihre Lieblingsfilme? Keine, denn es gibt zu viele gute. Ihr liebstes Laster? Büroarbeit liegen zu lassen, bis sie sich auftürmt. Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Darüber denke ich nicht nach, weil ich dem keine Aufmerksamkeit schenke.

Foto: Sir Robin Photography

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Ihren künstlerischen Partnern? Ich schätze Partner, die offen für Kommunikation und intelligente Arbeiter sind.

In was verlieben Sie sich bei einem Menschen? In die Persönlichkeit. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Lieben, geliebt zu werden und sich daran zu erinnern, dass man am Leben ist. Worum geht es für Sie in Anna Karenina? Gerade wenn ich an Kitty denke, ist es das Wachsen von Gefühl auf dem Weg des Lebens. Das Leben hält die unterschiedlichsten Stationen und Erfahrungen bereit und bereichert unsere Gefühlswelt auf vielerlei Weise. Das stärkste und unerklärlichste Gefühl ist die Liebe. Sie lässt Schönheit, aber auch Hässlichkeit in ihrer extremsten Ausprägung zum Vorschein kommen.

Welche menschlichen Schwächen entschuldigen Sie am ehesten? Ignoranz

YEN HAN ist Solistin des Balletts Zürich. Sie tanzt die Kitty in Christian Spucks Ballett «Anna Karenina» am 11. und 14.12 2014 und ist ausserdem am 12.12.2014 in Martin Schläpfers «Forellenquintett» zu erleben.




Strings 28

Ein Raum voller Saiten Zwei Jahre nach seinem Schweiz-Debüt choreografiert Edward Clug erneut für das Ballett Zürich. Ein Blick in die Tanzwerkstatt des slowenischen Choreografen Fotos Stefan Deuber

Edward Clug, nach Ihrer begeistert aufgenommenen Winterfantasie Hill Harper’s Dream choreografieren Sie im Rahmen des Ballett-Dreiteilers Strings erneut für das Ballett Zürich. Wie hat sich der Mensch, wie hat sich der Choreograf Edward Clug in den letzten zwei Jahren verändert? Oft werde ich in Interviews mit Aussagen konfrontiert, die ich vor zehn oder fünfzehn Jahren gemacht habe, und meist bin ich dann überrascht, wie sich nicht nur äussere Umstände, sondern auch die eigene Persönlichkeit ver­ ändert haben. In meiner Arbeit gibt es jedoch eine Art der Beständigkeit. Sie bleibt ein unablässiger Prozess des Sich-selbst-Entdeckens und ist der ständige Versuch, mich selbst mit all meinen Wünschen und Bedürfnissen besser zu verstehen. In jüngster Vergangenheit habe ich in Zagreb zu Musik von Claude Debussy choreografiert und am Münchner Gärtnerplatz-Theater ein Ballett zu Per­go­lesis Stabat mater auf die Bühne gebracht, wobei die Be­ schäftigung mit dem Thema Tod eine ganz neue Er­fah­ rung für mich war. Auch mit der Musik von Igor Strawin­ sky habe ich mich auseinandergesetzt. Wie für jeden Choreografen war die Beschäftigung mit seinem Werk eine grosse Bereicherung. Beim Royal Ballet of Flanders ist sein Ballett Les Noces auf die Bühne gekommen, und mit meinen Tänzern beim Slowenischen Nationalballett in Maribor habe ich Le Sacre du printemps inszeniert. Nach No Men’s Land für das Stuttgarter Ballett, einem Stück für eine reine Männer­besetzung, bin ich jetzt sehr froh, hier in Zürich auch wieder mit Frauen arbeiten zu können.

Wie erleben Sie nach nunmehr zwei Jahren die Wieder­ begegnung mit den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Zürich? Nach den ersten Probenwochen beeindruckt mich vor allem, wie sich ihre Art des Reagierens innerhalb der vergangenen zwei Jahre verändert hat. Im Arbeitsprozess er­lebe ich sie als sehr aufgeschlossen, blitzschnell und aufnahmebereit. Es ist aufregend zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit sie meine Ideen umsetzen und in ihren Bewegungen zu einer ganz und gar persönlichen Inter­ pre­tation finden. Wir setzen die Arbeit nicht an der Stelle fort, wo wir vor zwei Jahren aufgehört haben, sondern fangen auf einem anderen Niveau völlig neu an. Toll, dass man die Erfahrungen von damals nutzen kann und wir uns ohne lange einleitende Erklärungen verstehen. Seinen Titel Strings bezieht der neue Abend des Balletts Zürich aus den zugrunde liegenden Kompositionen für drei verschiedene Streicherbesetzungen, und auch Ihre neue Choreografie entwickeln Sie direkt aus dieser Vorgabe. Ich habe mich sehr gefreut, als Christian Spuck mir vor­ schlug, ein neues Stück für Zürich zu kreieren und dieses Angebot zudem mit einem Thema verbunden war, das meinem musikalischen Spektrum sehr entgegen kommt. Milko Lazar, den ich als Komponist sehr schätze und mit dem ich auch Hill Harper’s Dream erarbeitet habe, war begeistert von der Strings-Idee und hat eine Ballett­suite für Cembalo und Violine komponiert. Er selbst ist ein


Über den Dächern von Zürich hat Choreograf Edward Clug für das MAG eine Kostprobe aus seinem neuen Stück für den Ballettabend «Strings» inszeniert. S. 26-27 Juliette Brunner, Manuel Renard, Surimu Fukushi, Giulia Tonelli / S. 29 Juliette Brunner, Manuel Renard


Strings 30

hervorragender Cembalist und ganz vernarrt in den Klang, den er diesem barocken Instrument zu entlocken ver­mag und der sich gerade auch im Zusammenspiel mit der Solovioline entfaltet. Beide Instrumente treten in einen intimen Dialog und nehmen die barocke Tradition der Suite auf. Sie hat den Tanz ja buchstäblich in den Genen, denn bei ihren Sätzen handelt es sich in der Regel um echte oder stilisierte Tänze. Wie muss man sich die Entstehung einer neuen Cho­ reo­­grafie von Edward Clug vorstellen? Schon lange, bevor ich im Ballettsaal mit den Tänzern zu proben anfange, versuche ich eine Struktur für das Stück zu entwickeln, die uns einen dramaturgischen und zeitlichen Ablauf vorgibt. Dabei geht es noch gar nicht um exakte Sekundenvorgaben, sondern viel mehr um das Erspüren von Momenten der Intensität oder der Stille. Beim Hören der Musik entwickle ich das Gefühl für die konkrete Atmosphäre, in der dann die Architektur des Stückes in Form von Bühnenbild, Bewegungen oder Situa­tionen ihre Gestalt gewinnt. Welche Rolle spielt die Musik für Ihre Choreografie? Aus der Musik beziehe ich meine erste Inspiration, die Grundstimmung einer zu choreografierenden Situation. Die Situation selbst entsteht dann aber aus der Bewegung heraus und entwickelt sich meistens spontan und in­stink­ tiv. Auch wenn man so etwas wie eine Basisatmosphä­re erspürt, kann man allerdings nie ganz sicher sein, wo man letztendlich ankommen wird. Es gibt immer auch den Moment der Unvorhersehbarkeit. Wenn die eigentliche Choreografie entsteht, geschieht das ohne die Musik, die allenfalls als Rhythmus präsent ist. Die direkte Begegnung von Tanz und Musik geschieht dann wie zufällig. Bei den Momenten, wo man eine «Deckungsgleichheit» spürt und das Gefühl hat, dass die Musik hier absolut zur Be­ wegung passt, verweile ich mit den Tänzern, um weiter am Detail zu feilen und eine Tiefenschärfung zu erreichen. Nicht nur die Musik, sondern auch das Bühnenbild von Marko Japelj nimmt das Thema Strings auf, indem die Bühne wie von den gespannten Saiten eines Streichinstruments durchzogen ist. Welche Konse­ quen­zen hat das für die Bewegungen der Tänzer? Markos Installation durchspannt den Bühnenraum mit höhenverstellbaren Saiten und kreiert dadurch unter­ schiedliche Formen und Räume, in denen sich die Tänzer bewegen sollen. Sie müssen sich zum «Eigenleben» der Saiten ins Verhältnis setzen. Bei den Proben im Ballettsaal

ist das im Moment nur ein Modell, so dass wir uns nur improvisierend vorstellen können, wie das funktionieren wird. Ich möchte mit der Choreografie fertig sein, bevor wir mit den Bühnenproben anfangen. Erst dann werden wir sehen, welche Möglichkeiten wir mit den Tänzern tatsächlich haben, um mit dem Bühnenbild inter­ agieren zu können. Natürlich habe ich Bilder und Vor­ stellungen in meinem Kopf, wie das aussehen könnte, aber wir müssen sehen, was wir davon wirklich umsetzen können oder eben auch nicht. Ich freue mich immer, wenn aus einem Element des Bühnenbildes oder aus einem Bestandteil der Kostüme eine unverhoffte Möglichkeit für Bewegung entsteht, die man anfänglich nicht erwartet

EDWARD CLUG Der aus Rumänien stammende Edward Clug absolvierte seine Ballett­ aus­bildung an der Nationalen Ballettschule in Cluj-Napoca und war Solist am Slowenischen Nationaltheater in Maribor. Seit 2003 ist er Ballettdirektor dieses Ensembles. Mit seinem unverwechselbaren cho­ reo­­gra­­fischen Stil zog er die Aufmerksamkeit eines internationalen Publikums auf sich und etablierte das Mariborer Ensemble mit Gastspielen in ganz Europa, Asien, den USA und Kanada in der internationa­ len Tanz­­szene. Als Choreograf schuf Edward Clug neue Stücke für das Stutt­garter Ballett, das Nationalballett Lissabon, das Nationalballett Zagreb, das Aalto Ballett Essen, das Nationalballett Bukarest, die Bitef Dance Company, das Ukrainische Nationalballett Kiew und das König­ liche Ballett Flandern. Das Magazin «tanz» wählte ihn zum «Hoffnungs­ träger 2014». Nach Hill Harper’s Dream (2013) ist Edward Clug zum zweiten Mal beim Ballett Zürich zu Gast.


Strings 31

oder gar beabsichtigt hat. Vielleicht erinnern Sie sich an die Skistiefel, mit denen die Tänzer in Hill Harper’s Dream bekleidet waren und die durch die überraschende Eigenart der Bewegung einen völlig unerwarteten poe­­­ti­schen Kontext entstehen liessen. Die Fragilität und Unbe­holfenheit der Tänzer in diesen Schuhen vermittelte eine ganz ungewöhnliche Emotionalität. Was die neue Choreografie angeht, eröffnet sie uns mit Saiten, Linien, Gleisen unglaublich viele Assoziationsfelder. Doch im Moment halten wir uns noch an die Struktur, in der wir arbeiten: Eine Raum voller Saiten, in dem Bewegung mitunter unmöglich ist und der uns in unerwartete Situa­ tionen bringen wird. Aber das sind wahrscheinlich nicht die einzigen un­ erwarteten Schwierigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen haben. Die Crux bei fast allen Theaterproduktionen liegt ja vor allem darin, dass die Ideenfindung mit Bühnen- und Kostümbildner in enger Vertrautheit stattfindet, während bei der Umsetzung jeder auf sich gestellt ist und unab­ hängig vom anderen arbeiten muss. Ich choreografiere ohne Bühnenbild, das Bühnenbild wird ohne die Choreo­ grafie gebaut, und die Musik wurde ohne mich kompo­ niert. Man sehnt den Tag herbei, an dem alle Beteiligten erneut zusammenkommen und hoffentlich erneut zu ei­ nem gemeinsamen Atem finden. Was bei den Proben auffällt, ist das immer wiederkehrende Spiel mit den Geschlechterrollen. Da geht es mir vor allem darum, eine andere Sichtweise auf das Stück zu bekommen. Ich choreografiere aus einer männlichen Perspektive. Zum Beispiel ein Duett, in dem ein Tänzer seine Partnerin führt. Wenn das Material sitzt, gehe ich einen Schritt zurück und lasse die beiden ihre Rollen tauschen. Der männliche Tänzer übernimmt den weiblichen Part und umgekehrt. Wenn sie bzw. er dann das eigentlich für den Partner bestimmte Bewe­ gungs­material umsetzen muss, bekommt die je­weilige Situation eine ganz andere Bedeutung. Das muss gar nicht lange dauern, weil der Körper da ja nur bis zu einer be­ stimmten Stelle mitspielt. Beim Choreografieren ist das in etwa so, als würde man zweigleisig fahren. Ich versuche, den Mann und die Frau gleichzeitig zu verstehen, sie in der gleichen Zeit gleichberechtigt zu erfahren. Ich bin selbst immer am meisten überrascht, was dabei entsteht. Als Choreograf komme ich da ständig zu ganz neuen, unge­wöhlichen Lösungen. Aber auch für das Publikum ist das spannend. Das ist in «Hab Acht»-Stimmung und

lauert geradezu auf diese überraschenden Momente. So kommt eine ungewohnte Direktheit und Frische in unsere Kommunikation. Wie schon in Hill Harper’s Dream blitzt an vielen Stel­ len immer wieder dieser leise, unaufdringliche Ed­ ward-­Clug-Humor auf. Kann man Humor trainieren? Sicher nicht. Voraussetzung sind echte Virtuosität und die Ernsthaftigheit körperlicher Anstrengung. Aber der Humor entsteht spontan aus der Situation heraus, im Ideal­fall als «Nebenprodukt» einer Choreografie und meist aus Dingen, die «zwischen den Zeilen» stehen. Toll, wenn dieser Humor bei den Tänzern auf fruchtbaren Boden fällt. Leider gehört es zu unserem Beruf, dass wir den spontan erzielten gelungenen Moment für die Auf­ führung fixieren und proben müssen. Da geht die Spon­taneität natürlich verloren. Ich verwende viel Zeit darauf, diese Frische und Unmittelbarkeit zu erhalten. Vieles entsteht zum Beispiel aus dem Verlust von Balance und damit einhergehenden unerwarteteten Perspektiven und Blickkontakten zwischen den Tänzern. Wichtig ist mir der theatralische Aspekt in meinen Choreografien. Auch wenn es keine von A bis Z durchzubuchstabierende Hand­lung gibt, arbeite ich doch gern mit kleinen Hand­ lungsversatzstücken oder Elementen, an denen man sich festhalten und denen man folgen kann. Dieser thea­ tra­lische Aspekt hilft mir, meine Gedanken zu artikulieren und sie für das Publikum zu übersetzen. Welche Reaktionen lösen die Probenerfahrungen mit den Zürcher Tänzerinnen und Tänzern bei Ihnen aus? Ich habe das Gefühl, dass das, was da gerade entsteht, völlig anders ist als das, was ich vorher gemacht habe. Sicher ist da eine Bewegungscharakteristik, die hoffentlich als Edward-Clug-Signatur erkennbar ist, aber sie fühlt sich neu an. Ich bin hier vor zwei Wochen angekommen mit einem unglaublichen Appetit auf die Arbeit mit den hiesigen Tänzern. Ich war überrascht von ihrem fast kindlichen Enthusiasmus und ihrer Lust auf etwas Neues. Ich kam ohne festgelegte Vorstellungen und offen für das, was sich ereignen würde. Die haben mich wirklich überrascht! Natürlich ist das in Wahrheit nicht so einfach, wie es sich jetzt vielleicht anhört. Es fordert viel Energie, sich selbst zu befreien und sich selbst immer wieder ganz hinzugeben. Ich strebe immer nach Virtuo­ sität, und zu erleben, wie die gerade bei den Tänzern zum Vorschein kommt, macht mich glücklich. Das Gespräch führte Michael Küster


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Fabrice Mazliah und Dana Caspersen in «workwithinwork» (1998)

workwithinwork William Forsythe

William Forsythe (*1949) wird weltweit als einer der krea­ tivsten und intelligentesten Erneuerer der Tanz-Tradition geschätzt. Sein 1998 vom Ballett Frankfurt uraufgeführtes workwithinwork gilt als letztes Werk seiner Reihe von Bal­ letten über das Ballett. Während fast alle Werke Forsythes auf unterschiedliche Art und Weise den Tanz selbst zum Gegenstand machen, steht die Reflexion dieser Kunstform in diesen «Ballet-Ballets» besonders im Mittelpunkt. Auch mit workwithinwork vermisst Forsythe die Möglichkeiten des Balletts, lässt 18 Tänzer mit den Bewegungen des klassi­ schen Tanzes spielen und experimentieren – fliessend, orga­ nisch, poetisch und vielseitig. Dabei wandelt er einfühlsam Luciano Berios Duetti per due violini in Tanz um. «Die so entstandenen Tänze», schrieb Jochen Schmidt nach der Uraufführung, «sind ganz von dieser Welt und haben doch etwas von Höllensturz und – in säkularisiertem Sinn – himm­ lischer Sehnsucht: als würden die Tänzer, hin- und herge­ rissen von den aktuellen Zeitläuften, durch die missliche Erdenschwere vom Davonfliegen abgehalten.» Katja Wünsche in «das siebte blau» (2000)


das siebte blau Christian Spuck

In seinen Liedern ist es Franz Schubert gelungen, eine Ein­ heit von Text und Vertonung zu schaffen, die ans Vollkom­ me­ne grenzt. Und hier ist es wiederum jenes Zwiegespräch zwischen dem Tod und einem Mädchen nach Mathias Clau­ dius, in welchem sich diese Einheit zu höchster Vollendung findet: das ängstliche Zittern des Mädchens einerseits, dage­ gen die beruhigende Stimme des Todes samt der Versiche­ rung, er sei nicht wild, sondern vielmehr ein Freund, also ein sanf­­ter Tod. Dieser zweite Teil des Liedes bildet das Thema für den Variationensatz im Streichquartett Der Tod und das Mädchen. In seinem 2000 vom Stuttgarter Ballett uraufgeführten Ballett das siebte blau spürt Christian Spuck in feinsinnigen Bewegungstableaux voller Geschwindigkeit und Synchroni­ tät der Musik nach, ohne das Thema der Schubertschen Kom­position je aus den Augen zu verlieren.

STRINGS Choreografien von Edward Clug, William Forsythe und Christian Spuck URAUFFÜHRUNG

Choreografie Musik Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Dramaturgie

Edward Clug Milko Lazar Marko Japelj Leo Kulaš Martin Gebhardt Michael Küster

WORKWITHINWORK

Choreografie, Bühnenbild und Lichtgestaltung Musik Kostüme

William Forsythe Luciano Berio Stephen Galloway Schweizerische Erstaufführung

DAS SIEBTE BLAU

Choreografie, Bühnenbild Musik Kostüme Lichtgestaltung

Fotos: links Dieter Schwer, rechts Stuttgarter Ballett

Christian Spuck Franz Schubert, György Kurtág, Dieter Fenchel Miro Paternostro Andreas Rinkes Schweizerische Erstaufführung

Ballett Zürich, Junior Ballett Mitglieder der Philharmonia Zürich Exklusiver Partner Ballett Zürich

ab

Premiere 17 Januar 2O15 Weitere Vorstellungen 21, 23 Jan, 13 Feb, 1O, 12 März, 8 April, 5, 19 Juni 2O15 Einführungsmatinee 11 Jan 2O15 Theater Winterthur 25, 27, 28 Feb 2O15


Foto: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX


Foto: Suzanne Schwiertz

Tristan und Isolde «Die Stimmen in dieser Zürcher Produktion sind gross­ artig. Vor allem jene der Schwedin Nina Stemme, die enorm laut singen kann, ohne je zu schreien. Auch zu­ rücknehmen kann sie sich, ohne blasser zu werden dabei. Und den Text gestaltet sie nicht nur jederzeit deutlich, sondern füllt ihn mit so viel Farben und emotionaler Kraft, dass selbst die ausuferndsten Passagen des Werks zum Erlebnis werden»: So beschrieb der Tages-Anzeiger nach der Premiere 2008 Nina Stemme als Isolde, eine der derzeit gefragtesten Wagner-Interpretinnen überhaupt. Auch in dieser Wiederaufnahme wird die schwedische Sopranistin zu hören sein, als Tristan ist diesmal der Amerikaner Stephen Gould zu erleben, der diese Partie zuletzt an der Deutschen Oper Berlin und der Royal Opera London verkörperte. In der psychologisch feinsinnigen Inszenierung von Claus Guth treten ausserdem Michelle Breedt als Brangäne und Matti Salminen als König Marke auf. Die musikalische Leitung hat John Fiore, Musikdirektor der Oper Oslo. Wiederaufnahme 25 Januar 2015 Weitere Vorstellungen 29 Jan, 1 und 7 Feb 2015


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Der Nachwuchs kommt

E

Eva Dewaele und Filipe Portugal choreografieren für das Junior Ballett Text Michael Küster, Foto Stefan Deuber

s vibriert im Bauch des Opernhauses. Drei Etagen unter der Erde probt das Ballett Zürich nicht nur für den neuen Ballettabend Strings und die laufenden Auf­ führungen von Anna Karenina und Forellenquintett, son­ dern hier bereitet sich auch das Junior Ballett auf seinen eigenen Ballettabend vor. Kurz vor Weihnachten hat er auf der grossen Opernhausbühne Premiere. Jede freie Minute im Probenplan wird deshalb für die «New Creations» be­ nutzt, die dem Juniorabend seinen Titel gegeben haben. Es ist die grosse Stunde für die insgesamt dreizehn jungen Tänzerinnen und Tänzer, die von allen Enden der Welt – aus Australien, Japan oder Kanada – nach Zürich gekommen sind, um in der Nachwuchscompagnie des Balletts Zürich nach ihrer gerade beendeten Berufsausbildung in das tänze­ rische Berufsleben einzusteigen. Eine tolle Möglichkeit, mit gestandenen Tänzerkollegen und unter fachkundiger Be­ treu­ung mit der Hauptcompagnie zu probieren, aufzutreten und auch auf Tournee zu gehen. Im Junior Ballett engagiert zu sein, ist eine heiss umkämpfte Chance. Die Bewerbungen für die nächsten Auditions im Januar füllen schon jetzt ganze Aktenordner. Zwei Jahre währt ein Engagement, in dem die Jungen und Mädchen die für eine Tänzerlaufbahn nötige Bühnenerfahrung sammeln können. In ausgewählten Fällen kann sich ein Engagement in der Hauptcompagnie anschlies­ sen, doch in der Regel heisst es, Abschied zu nehmen und zur nächsten Karrierestation weiterzuziehen. Tänzerische Realität, die es in der Lebensplanung zu berücksichtigen und an die es sich so früh wie möglich zu gewöhnen gilt. 2001 wur­de das Ensemble von Heinz Spoerli gegründet, und seit­ ­­dem haben von Zürich aus fast 200 Tänzer ihren Weg auf

die internationalen Ballettbühnen gefunden. Christian Spuck liegt die Arbeit mit den Juniors besonders am Herzen. Schon 2012, in seiner ersten Spielzeit als Ballettdirektor, konnten sie sich mit einem eigenen Abend – damals noch auf der über­schaubaren hauseigenen Studiobühne – vorstellen und dieses Programm in der Folgespielzeit nicht nur auf der grossen Bühne des Opernhauses, sondern auch auf Gastspie­ len in Deutschland und der Schweiz präsentieren. Die Er­ war­tungen sind nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Doch Christian Spuck ist zuversichtlich: «Was ihre technische Bril­lanz und Virtuosität angeht, müssen sich die Junioren absolut nicht hinter ihren erfahrenen Kollegen verstecken. Ein neuer eigener Abend ist da eine gute Möglichkeit, sie zusätzlich zu motivieren und zu Höchstleistungen zu er­ mun­ tern.» Klar, dass der Ballettdirektor auch selbst für sei­nen Tänzernachwuchs choreografieren wird. Dabei lässt er sich vom berühmten Adagio aus Franz Schuberts C-Dur-­ Streichquintett inspirieren. Die zwei anderen Uraufführun­ gen hat er mit Eva Dewaele und Filipe Portugal zwei gestan­ denen Tänzerpersönlichkeiten anvertraut, die beide schon auf eine ganze Reihe von choreografischen Erfahrungen zu­rückblicken können.

Eva Dewaele: «Technik steckt auch in vielen kleinen Dingen» Eva Dewaele, seit dieser Spielzeit neue Ballettmeisterin des Balletts Zürich, kennt das Junior Ballett aus nächster Nähe, hat sie es doch bereits in in den vergangenen beiden Spielzei­ ten pädagogisch betreut. Die charismatische Belgierin hat



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in Wiesbaden, Lyon, Göteborg, beim Cullberg Ballet in Stock­holm und beim Royal Ballet of Flanders in Antwerpen getanzt, ehe sie beim Ballett Zürich eine neue Heimat gefun­ den hat. Begeistert erzählt sie von unvergesslichen Eindrü­ cken ihres Tänzerlebens: «Ich erinne­re mich an Mats Eks Giselle, die ich mit fünfzehn gesehen habe. Jeder Schritt hatte eine Bedeutung und erzählte etwas, da war keine abstrakte leere Bewegung. Später habe ich For­sythe getanzt, Kylián... die grossen Namen. In Frankfurt ha­be ich viele Vorstellungen der Forsythe Company gesehen und hatte das Glück, mit Jacopo Godani zu arbeiten, der die Company in­zwischen leitet. Als Tänzerin ist man wie ein Schwamm, der alle cho­ reografischen Eindrücke begierig in sich auf-saugt.» Als Lady Capulet in Christian Spucks Romeo und Julia, aber auch als rätselhafte Dark Lady in Sonett hat Eva Dewaele das Zürcher Publikum mit ihrer darstellerischen Wandlungsfähigkeit und einer bezwingenden Bühnenpräsenz erobert. Noch in Ant­ werpen hat sie neben ihren Tanzverpflich­tungen zu choreo­ grafieren begonnen. Dabei unter­schei­det sich das, was sie als Choreografin ausdrücken will, nur unwe­sentlich von der für sich formulierten Aufgabenstellung einer Tänzerin: «Ich möchte die Leute berühren.» Die Bezeichnung «Choreogra­ fin» für sich selbst erscheint ihr fast noch ein bisschen un­ heim­lich. «Im Moment geht es mir vor allem darum, die Juniortänzer in ihrer tänzerischen Entwicklung voranzu­ bringen, sie auf das Arbeiten mit den ganz Grossen vorzu­ bereiten», sagt sie bescheiden. «Ich möchte, dass sie ein Gespür dafür bekommen, wie ein neues Ballett entsteht, dass sie Ängste überwinden und vielleicht Lust darauf bekom­ men, selbst etwas zu machen. Ich geniesse die Freiheit, etwas mit ihnen zu kreieren. Ich entwickle einige Bewegungen und Schritte und fordere die Tänzer auf, mit ihnen zu spielen und zu improvisieren. Mats Ek kam immer rein und wusste von vorn herein jeden Schritt, den ich machen sollte. Für ihn war absolut klar, wie es auszusehen hatte. Ich arbeite da anders. Ich möchte zu Improvisation anregen und den Tänzern eine wirkliche Aufgabe stellen. Ohne diese Aufgabe ist man als Tänzer verloren.» Die Musik zu Evas Choreografie komponiert Glen Ga­briel, ein Komponist, der bisher vor allem mit Filmmusik auf sich aufmerksam gemacht hat. «Wir sind nach jeder Probe in Kontakt, und noch kann ich Wünsche anmelden», freut sich Eva. «Doch es ist schon was anderes, wenn man eine fer­tige Komposition hat, zu der man sich etwas einfallen las­sen muss, als ein Stück, das noch im Entstehen begriffen ist. Irgendwann muss man dann aber doch sagen: ‹Dies ist die endgültige Fassung›, weil die Tänzer einen fixierten Orien­ ­tierungsrahmen brauchen». Choreografiert man für Be­r ufs­ anfänger anders als für gestandene Vollprofis? Eva lacht: «Rein

technisch kann ich diesen Tänzern wenig beibringen. Die kommen von den renommiertesten Ballettschulen der Welt und sind mit allen Wassern gewaschen. Aber darum geht es auch nicht. Bei mir gibt es keine Spitzenschuhe, keine gros­ sen Pirouetten. Technik steckt auch in vielen anderen kleinen Dingen. Die Herausforderung liegt doch darin, dass du auch mit einer einfachen Bewegung, mit drei kleinen Schritten ein grosser Künstler sein solltest.» Bühnenbild und Kostüme hat Eva Dewaele selbst ent­ wor­fen: «Als Tänzer bewegen wir uns ja meist in rechtecki­ gen Formaten. Diese squares wollte ich durchbrechen. Wei­ che Linien, aber in der Höhe begrenzt. Als wenn man aus dem Flugzeug die Wolken betrachtet und nicht mehr so genau weiss, wo oben und unten ist. Keine Symmetrie! Nor­ maler­weise ist ja der Raum über uns Tänzern immer offen. Mal sehen, was passiert wenn man ihn nach oben ab­schliesst.» Passing by nennt Eva Dewaele ihr Stück, und na­türlich denkt sie da nicht nur an Wolken, die vorüberzie­hen: «Im Leben trifft man die verschiedensten Menschen. Man schliesst Freund­schaften, ist eine Zeit lang mit jemandem zusammen und geht wieder auseinander. Für die Juniors mit ihren Zwei­ jahresverträgen ist das der Alltag, und den wollte ich in einem Stück, das ihnen gewidmet ist, unbedingt festhalten.» Mit weit ausgreifenden Bewegungen durchmessen die Tänzerin­ nen und Tänzer den Ballettsaal, Arme und Beine scheinen schier endlos zu sein. Getanzte Erinnerungen an eine Reise nach Island, die Eva Dewaele im letzten Sommer unternom­ men hat: «Ich habe die Natur auf mich wirken lassen: Die Weite, die unerwarteten Reaktionen der Geysire und Vul­ kane, den Wind. Und das unter diesen Bedingungen andere Empfinden für Nähe, Gemeinschaft und Einsamkeit.»

Filipe Portugal: «Die Kreativität liegt in der Luft» Tänzerischen Alltag reflektiert auch Filipe Portugal in seinem neuen Stück. Als einer der profiliertesten Solisten des Balletts Zürich kennt er die Compagnie wie kein anderer: Seit 2002 hat er – von einem kurzen Intermezzo beim Portugiesischen Nationalballett abgesehen – an der Limmat getanzt, wovon andere nur träumen: Solopartien in Cinderella, Nussknacker und Schwanensee, die Hauptrolle in Don Quixote, aber auch Abstraktes von Balanchine, Forsythe oder van Manen. Un­ vergesslich sein König Peter in Christian Spucks Leonce und Lena oder erst jüngst sein tiefgründiger Karenin in Anna Karenina. Nicht nur für das Junior Ballett, sondern auch für die Hauptcompagnie hat er mehrfach choreografiert und sich zuletzt im Rahmen der Reihe «Junge Choreografen» mit seiner Arbeit Different Trains auf die anstehende Her­


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ausforderung vorbereitet. Auch er betont den grossen Ein­ fluss, den die eigene tänzerische Erfahrung auf die Tätigkeit als Choreograf hat: «Im Lauf einer Karriere stehen dir als Tän­zer viele verschiedene Möglichkeiten offen. Klassisches Ballett, Modern Dance, Charakterrollen – das alles sind Wege, um sich auszudrücken. Was das Choreografieren angeht, so befinde ich mich da gerade in einem Selbstfindungsprozess. Ich bin dabei, verschiedene Dinge auszuprobieren, und ir­ gend­wann hoffentlich eine Bewegungssprache zu finden, von der man sagen kann: Das ist Filipe Portugal. Da ich selbst noch tanze, kommen ja ständig neue Eindrücke von den un­terschiedlichsten Choreografen hinzu. Du nimmst deren Bewegungssprachen mit deinem Körper auf, und oft merkst du erst viel später, was sie in dir bewirkt haben. Jede noch so kleine Erfahrung hinterlässt Spuren. Das kann ein Gefühl, das können Schritte sein. Gerade wenn man selbst noch Tän­zer ist, ist das Ausprobieren aller nur denkbaren Möglich­ keiten sehr wichtig. Nur so merkst du, was für dich am besten funktioniert.» Der Choreograf Filipe ist neugierig. Wenn er choreo­ grafiert, lässt er den Tänzer Filipe allerdings aussen vor und sucht seine Inspiration vor allem in dem, was die Tänzer von sich aus mitbringen: «Wenn die Zeit da ist, musst du einfach viel von dem nehmen, was sie dir anbieten. Natürlich greift man auf eigene Erfahrungen zurück, um ihnen zu sagen zu können, was sie machen sollen oder auch nicht.» Eines ist für ihn ganz klar: «Ein Schritt muss zu einem Tänzer passen. Wenn ich etwas Klassisches mache, muss ich all die Regeln befolgen, die wir jeden Tag beim Training üben, aber gerade bei Sequenzen, in denen meine eigene Handschrift mehr zum Vorschein kommt, versuche ich das Bewegungsmaterial sehr stark aus der jeweiligen Persönlichkeit heraus zu ent­ wickeln. Das ist bei jedem etwas anderes.» Immer wie­­der mischt sich Filipe in den Proben eingreifend-korrigierend unter seine Tänzer. Seine Begeisterung ist ansteckend, und man spürt, wie er die Proben geniesst. Berufsanfänger? «Da­ von merkst du nichts. Im Grunde ist es ein Privileg, mit diesen jungen Leuten zu arbeiten. Du bekommst von ihnen viel mehr als von manchem arrivierten Tänzer. Sie sind so voller Energie, möchten alles lernen, alles ausprobieren. Die Kreativität liegt da wirklich in der Luft.» Musik von Samuel Barber, Max Richter und Philip Glass liefert den Soundtrack zu Filipes neuer Choreografie, in der er tänzerische Selbsterfahrung thematisiert, die Suche nach dem richtigen Platz im Tänzerleben: «Wo komme ich her, wo will ich hin?». Klassisches Vokabular trifft da auf moderne Bewegungssprache. Filipe Portugal weiss, wovon er spricht. Seine erfolgreiche Karriere ist nicht zuletzt seiner stilistischen Wandlungsfähigkeit zu danken: «Die Hauptfigur in meinem

Stück wird ihre Spitzenschuhe ausziehen, um etwas anderes zu probieren. Das Unbekannte, das Neue. Sie verabschiedet sich aber nicht etwa von dem, was sie bis dahin gelernt hat. Sie will da weitermachen. Aber sie ist auch froh, Neues zu versuchen und ungeahnte Erfahrungen zu sammeln. Es ist ein bisschen die Geschichte meines Lebens und die vieler anderer Tänzer. Wenn man von der Schule kommt, ist man meist sehr klassisch orientiert. Doch ehrlich: Manchmal kön­ nen einen die vielen Pirouetten ganz schön frustrieren, und da ist es toll, wenn sich eine Alternative eröffnet.» Für Filipe heisst das nicht etwa, das eine gegen das andere auszuspielen: «Jedes Ding hat seine Zeit. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich mehr Freude an modernen Sachen, aber ich lehne das Klassische nicht ab. Ich bin froh, dass ich es gemacht habe, dass ich es beherrsche, und ich hoffe, dass ich unseren jungen Tänzern bei ihrer Entscheidungsfindung helfen kann.»

NEW CREATIONS Junior Ballett URAUFFÜHRUNG

Choreografie Musik Bühnenbild Kostüme

Eva Dewaele Glen Gabriel Eva Dewaele, Jörg Zielinski Eva Dewaele, Regula Mattmüller

LES BOURGEOIS

Choreografie und Kostüme Ben van Cauwenbergh Musik Jacques Brel

URAUFFÜHRUNG

Choreografie und Bühnenbild Christian Spuck Musik Franz Schubert Kostüme Ina Buschhaus

THE SOFA Choreografie Itzik Galili Musik Tom Waits Bühnenbild Janco van Barneveld Kostüme Nastasja Lansen URAUFFÜHRUNG Choreografie Filipe Portugal Musik Samuel Barber, Philip Glass, Max Richter Bühnenbild Filipe Portugal, Jörg Zielinski Kostüme Filipe Portugal, Regula Mattmüller Premiere 17 Dezember 2O14 Weitere Vorstellungen 21 Dez 2O14, 21 Feb 2O15

Gastspiel Kurtheater Baden 5 März 2O15



Die geniale Stelle 41

Verwandlung Eine Regieanweisung in Mozarts «Zauberflöte»

Im Libretto von Mozarts Zauberflöte findet sich im Übergang zur letzten Szene eine seltsame Regieanweisung. In der vorletzten Szene hat die Königin der Nacht versucht, mit ihren Helfershelfern heimlich in den Tempel einzudringen, den Siebenfachen Sonnenkreis zu stehlen und so den Machtkampf mit Sarastro für sich zu entscheiden. Dieser Raubversuch wird (vermutlich durch den Einsatz dieser Wunderwaffe) vereitelt, und die Mächte der Finsternis sind vernichtend geschlagen. Dann heisst es im Text: «Sogleich verwandelt sich das ganze Theater in eine Sonne.» Selbst wenn man berücksichtigt, dass mit dem Wort «Theater» hier natürlich nicht das gesamte Gebäude einschliesslich des Zuschauerraums gemeint ist, sondern nur der sichtbare Bereich der Bühne, bleibt der Eindruck, dass der Autor hier jedes Mass verloren hat und die Möglichkeiten des Theaters vollkommen überschätzt. Das erscheint umso rätselhafter, wenn man bedenkt, dass Emanuel Schikaneder einer der erfolgreichsten und erfahrensten Theatermänner seiner Zeit war, also ein Mann, der sehr wohl wusste, was die Maschinerie des Theaters zu leisten imstande ist und wo ihre Grenzen liegen. Wie ist eine solche Fehlleistung möglich, und warum wurde der offensichtliche Irrtum nicht wenigstens nachträglich korrigiert? Die Sache wird nicht besser, wenn man sich klarmacht, dass Schikaneder nicht der einzige Theaterautor ist, der dem Theater offensichtlich unlösbare Aufgaben stellt. Verglichen mit dem gigantischen Untergangs- und Wiedergeburtsspektakel, das Richard Wagner für den Schluss der Götterdämmerung vorgeschrieben hat, nimmt sich dieser Fall geradezu bescheiden aus. Es ist darum auch nur folgerichtig, dass Wagner, mit der Dürftigkeit der Bühnenverwirklichung seiner Visionen konfrontiert, auf den Gedanken kam, das «unsichtbare Theater» zu erfinden, das dem Zuschauer die Vision des Dramatikers unmittelbar vor das innere Auge stellen kann, und nicht Pappe und bemalte Leinwand vor das äussere. Aber dem mit allen Wassern gewaschenen Theater- und Geschäftsmann Schikaneder dürften solche hochgestochenen Gedanken an ein Theater jenseits des Theaters vollkommen fremd gewesen sein. Er schrieb für das ganz diesseitige,

ganz sichtbare Theater, und in diesem wollte er seinem Publikum etwas bieten, womit er ganz diesseitiges Geld ver­ dienen konnte. Freilich wusste er als erfahrener Theatermann auch sehr genau, dass es nicht die Aufgabe des Autors ist, die technische Realisierung der Vorgänge zu bedenken. Was er verfasst, die dramatische Vorlage (der Text und/oder die Komposition) ist nicht die Blaupause der Inszenierung, die das Theater nur noch nachzuzeichnen hätte. Ja, sein Werk ist nicht einmal Theater, sondern Dichtung, ein poetischer Text, der dem Theater übergeben wird, damit dieses sein Eigenes daraus macht: das eigenständige, einzigartige, unwiederholbare und nicht konservierbare Theaterkunstwerk. So schrieb Schikaneder nieder, was ihm der treffendste Ausdruck für den Vorgang schien: Die Mächte der Finsternis sind vernichtet, das strahlende Licht der (für ihn selbstverständlich männlichen) Weisheit und der (für ihn ebenso selbstverständlich männlichen) Humanität herrscht unumschränkt – auf eine knappe Formel gebracht: «Das ganze Theater verwandelt sich in eine Sonne.» Die Frage, wie das zu realisieren sei, hat der Librettist Schikaneder dem Theaterdirektor Schikaneder überlassen: Der Dichter träumt das Unmögliche, das vielleicht doch nur das vorläufig Unmögliche ist. Wer weiss denn, ob es nicht einmal möglich sein wird, das ganze Theater in eine Sonne zu verwandeln? Und vielleicht ist es dann ja doch das ganze Gebäude, das sich in eine gewaltige Lichtquelle verwandelt, von der ein Leuchten ausgeht, das weit hinausreicht in die Welt ausserhalb der «fensterlosen Häuser» (wie Bertolt Brecht die Theater genannt hat) und sie erleuchtet und verwandelt. Die Kunst, daran scheint uns Schikaneders unrealisierbare Regieanweisung zu gemahnen, ist der Raum des Traums vom Unmöglichen, von der unmöglichen Bühnenverwandlung ebenso wie vom endgültigen Sieg des Guten in der Welt. Werner Hintze


Leo Nucci singt am Opernhaus in unserer Wiederaufnahme ÂŤLuisa MillerÂť


Porträt 43

Illustration: Lina Müller

Miller In Verdis Luisa Miller sind die beiden Hauptfiguren nicht das Liebespaar Luisa und Rodolfo, sondern Miller und der Graf von Walter. Ich sage das wirklich nicht, weil ich als Miller selbst die Baritonrolle singe, aber die beiden Väter sind nun einmal die wichtigen Kontrahenten in dieser Oper. Während der Graf von Walter mit aller Wucht und Grau­ samkeit für den Machterhalt steht, ja sogar für den Macht­ missbrauch, verkörpert der alte Soldat Miller die bürgerliche Ehre und die Würde! Und er ist im Gegensatz zu Walter, der die Vaterliebe einmal als Höllenqual beschreibt, ein emotionaler und gütiger Vater: «In terra un padre somiglia Iddio / per la bontade, non pel rigor!»(«Auf Erden gleicht ein Vater Gott durch Güte, nicht durch Strenge»). Miller hat seine Tochter Luisa freiheitliches Denken gelehrt und überlässt ihr die Wahl ihres Gatten. Anders der Graf von Walter: Er projiziert seine eigenen Vorstellungen auf seinen Sohn und will in erster Linie über ihn bestimmen. Vaterrollen nehmen in Verdis Werk ja grundsätzlich eine zentrale Stellung ein, und in diesem Zusammenhang möchte ich auf ein wichtiges biografisches Detail hinweisen: Verdi empfand die Übermacht der Väter während der Komposition von Luisa Miller ganz besonders stark. Damals hatte er selbst grossen Streit mit seinem Vater, so dass es später schliesslich zum Bruch kommen sollte. Der Anlass war unter anderem seine unkonventionelle Liaison mit der Sängerin Giuseppina Strepponi, die sich in Busseto grossen Anfeindungen ausgesetzt sah. Die beiden entschieden sich schliesslich, auf Verdis Gut nach Sant’Agata zu ziehen – ein Befreiungsschlag, der Rodolfo und Luisa in der Oper leider nicht vergönnt ist... Für mich persönlich hat die Rolle des Miller eine wich­ tige Bedeutung: Zwar habe ich meine Karriere mit Rossinis Barbiere begonnen, und ich habe den Rigoletto so oft wie kein Zweiter gesungen, aber mein endgültiger internatio­ na­ler Durchbruch gelang mir als Miller, als ich 1978 an der Londoner Covent Garden Opera debütierte. Und: den Miller habe ich auch bei meinem Debüt am Zürcher Opern­ haus gesungen, in der Spielzeit 1981/82! Die Luisa war da­mals keine Geringere als Katia Ricciarelli, den Rodolfo

sang José Carreras, den Grafen von Walter Bonaldo Giaiotti und Maestro Nello Santi dirigierte... Gerade führe ich in Genova bei Luisa Miller selbst Regie, denn die Oper fasziniert mich wirklich sehr. Zwar ist es nicht Verdis berühmtestes Werk, aber ich halte es für ein richtiges Kleinod, denn es ist, 1849 in Neapel uraufgeführt, gleichsam eine Vorstudie dessen, was Verdi später schreiben sollte. Wieviele wunderbare Dinge kann man hier doch entdecken! Denken wir zum Beispiel an die Szene, in der der Intrigant Wurm Luisa zwingt, den Brief an Rodolfo zu schreiben, in dem sie ihre Liebe zu Rodolfo leugnet – eine Stelle, die von der Klarinette begleitet wird, genau wie spä­ ter in der Traviata, wenn Violetta den Brief an Alfredo schreibt. Oder die ganze zweite Hälfte der Arie des Grafen von Walter, da hören wir schon Filippo II im Don Carlo! Wurm ist gleichsam eine frühe Skizze zu Jago, und Miller ist weniger mit Rigoletto verwandt als viel mehr mit dem Marquis von Posa im Don Carlo: Wie Posa ist auch Miller ein stolzer und von grossen freiheitlichen Idealen geprägter Charakter. Luisa Miller ist wirklich eine grosse Inspirations­ quelle für die nachfolgenden Meisterwerke Verdis! Nun aber freue ich mich, in der erfolgreichen Inszenie­ rung von Damiano Michieletto wieder ans Zürcher Opern­ haus zurückzukehren. Dieses Haus fehlte mir wirklich sehr! Leo Nucci

LUISA MILLER Oper von Giuseppe Verdi mit Elena Moşuc, Fabio Sartori, Leo Nucci, Vitalij Kowaljow u.a. Musikalische Leitung: Carlo Rizzi Inszenierung: Damiano Michieletto, Bühnenbild: Paolo Fantin Wiederaufnahme: 16. Dezember 2014 Weitere Vorstellungen: 19, 21, 27, 30 Dez 2014, 2 Jan 2015 Montagsgespräch mit Leo Nucci 8 Dez 2014, 19 Uhr, Restaurant Belcanto


Foto: Dominic B端ttner



Philharmonia Zürich 46

Herzlichen Glückwunsch! Die Philharmonia Zürich wird 30! Weggefährten gratulieren

Nikolaus Harnoncourt

Cornelius Meister

Dirigent

Dirigent

Sehr verehrtes Zürcher Opernorchester Ich weiss, Sie heissen jetzt anders, aber für mich bleiben Sie diese wunderbare, idealistische Musikerschar, die sich gera­de vom Tonhalleorchester abgespalten und ganz wunderschön mit mir musiziert hat! Das bleibt unvergesslich, und ich höre die Töne und sehe Ihre Gesichter, so lange ich lebe. Alles Gute! Herzlichst, Ihr Nikolaus Harnoncourt

Welches Orchester ist gleichermassen vertraut mit Salome – auf 442 Hertz – und mit der Zauberflöte – auf 430 Hertz? Welches Orchester hat einen weltweit hochgeschätzten Zauberkünstler als Solo-Oboisten? Welches Orchester hat zu Recht den Ruf, international eines der sympathischsten und musizierfreudigsten Ensembles zu sein? Die Philharmonia Zürich ist einzigartig. Jetzt, mit dreissig Jahren, steht sie voll im Leben. Auf geht’s, Ihr Lieben! Es ist stets höchste Freude, mit Euch zu musizieren – allein im Dezember werden es mehr als fünfzig gemeinsame Stunden sein: mit Haydn, Mozart und Mahler. Ich gratuliere Euch, verehrte Musikerinnen und Musiker der Philharmonia, aufs herzlichste und singe – ob auf 430 oder 442 Hertz – ein kräftiges: «Hoch soll’n sie leben!».

Christoph von Dohnányi Dirigent

Herzliche Gratulation dem Orchester der Oper Zürich! So hiessen Sie damals und so erinnere ich Sie. Nein, vermisse ich Sie, meine Damen und Herren! Immer auf der Suche nach höchster Qualität bei einem immensen Arbeitspensum. Proben in Disziplin auf dem Weg zu besten Ergebnissen, meist mit Freude und auch dem nötigen Quantum an Spass dazu. Gegenseitiger Respekt, Freundschaft und ein Demokratieverständnis, getragen von Verantwortung. So habe ich Sie seiner Zeit in mein Herz geschlossen, und so wünsche ich Ihnen, möge es – heute unter anderem Namen, in Zeiten, die es unserer Musik nicht leichter machen – bis zum nächsten Jubiläum bleiben. Herzlich, Ihr Christoph von Dohnányi

Michael Volle Sänger

Ein grosser Glücksfall für mein Singen war die Zeit an der Oper Zürich, von 1999-2007 fest zum Ensemble gehörend, und auch danach bis heute (und hoffentlich auch weiterhin), gerade auch wegen der wunderbaren Kolleginnen und Kol­ legen im Orchester – mit denen man ja leider nie so direkten Kontakt hat von der Bühne aus. Aber man begegnet sich an der Zürcher Oper viel eher, als in manch anderem grossen Opernhaus – und das ist gut so. Wie oft wurde ich getragen


Philharmonia Zürich 47

und eingebettet in wundervolle Klangwolken von «unten», begleitet, gefordert, angetrieben – ein wahres Geben und Nehmen. Kollegen, Partner eben! Ein eindrückliches Beispiel dafür (unter vielen): 2004, Neuproduktion Pelléas et Mélisande, spannend und nur er­ folgreich, wenn das Orchester diese spezielle impressionisti­ sche, oft verhalten träumerische, verhangene Pianokultur zur Vollkommenheit bringt. Und so war es. Unglaublich delikat, (ver)zaubernd. Ein Riesenerfolg (an dem auch die unsachliche, tendenziöse, blöde ‹Kritik› in der NZZ nichts änderte!). Alle guten Wünsche für alles Kommende, viel Freude beim guten Gelingen. Auf hoffentlich bald!!!!!

Cecilia Bartoli

unauslöschlich! (Die schönsten künstlerischen Ergebnisse und Erlebnisse gibt es dort, wo man sich kennt und vertraut ist. Als Sänge­rin ha­be ich mich von Euch getragen gefühlt, als ob Ihr im­mer gespürt hättet, was ich brauche oder wo «es hinführt». Dieses Gespür eines Orchesters findet man nicht überall!) Der per­sönliche Erfolg, den ich und meine Kollegen erleben durfte(n), wäre ohne Euch nicht möglich. In diesem Sinne: meine innigste und herzlichste Gratulation zum Jubiläum und zugleich Danke, dass ich mehr als die Hälfte von dieser Zeit den Weg mit Euch gehen dürfte! In Freundschaft und Verbundenheit, Malin

Roberto Saccà Sänger

Sängerin

Liebe Ada, liebe Hanna, lieber Dieter, liebe Freunde und Kollegen, liebe Orchestermitglieder! Seit 30 Jahren spielt ihr als Hausorchester im Opernhaus auf! Vor 25 Jahren in Mozarts Le nozze di Figaro haben wir zum ersten Mal zusammen musiziert! Vor 23 Jahren stolperte ich in Mozarts Don Giovanni, von Eurem verführerischen Klang begleitet, meinem lieben Mann in die Arme! Alles Glücksmomente und dazwischen noch manche mehr! Und nicht zu vergessen Euer Tochter­unter­ nehmen, das Kleinod «La Scintilla»: einmalig als Formation und in der Kombination! Tanti auguri e tanti baci, Cecilia

Malin Hartelius Sängerin

Mit Wärme und Dankbarkeit denke ich an über 20 Jahre Zusammenarbeit zurück. Eine lange Zeit mit gemeinsam gelebtem und erlebtem Mu­sizieren. Ich wüsste nicht, was ich aus dieser Zeit als etwas ganz Besonderes hervorheben könnte... Ob in der Oper oder im Konzert, es gab immer wieder ma­ gi­sche Momente, da mit Euch das Musizieren nie zur Rou­ti­ne wird, sondern etwas ist, das im gelebten Augenblick stattfindet. Das verlange ich von mir selbst als Künstlerin, und so habe ich es mit Euch immer erlebt. Das ist etwas Kost­bares und deutet auf die Hingabe und das Einfühlungsvermögen von feinen, begabten Menschen, die sich zusammengefunden haben, um in der Geschichte des Opernhauses einzigartige Spuren zu hinterlassen. In meinem Leben sind Eure Spuren

Ich gratuliere der Philharmonia Zürich zum 30-jährigen Jubiläum und wünsche für die Zukunft viele musikalische Sternstunden ähnlich denen, die ich in den vergangenen Jahren mit diesem hervorragenden Orchester erleben durfte. In unzähligen Opernaufführungen von Rossini und Mozart über die Uraufführung von Herbert Willis Schlafes Bruder bis zu Wagners Meistersingern habe ich mich immer interpretatorisch reich inspiriert und optimal begleitet gefühlt. Danke und alles Gute!

Marc Albrecht Dirigent

Die Philharmonia Zürich zählt für mich zu den raren Glücksfällen der heutigen Opernszene: ein Spitzenensemble mit leuchtendem Ton und immer wieder verblüffender Wendigkeit und Flexibilität, das sich bei Wagner ebenso zuhause fühlt wie bei Bernd Alois Zimmermann – wunderbar! Happy Birthday!

Simone Young Dirigentin

Ich gratuliere den Musikerinnen und Musiker des Orchester herzlich zum 30-jährigen Jubiläum: Was für eine wunderbare Vereinigung von grossen Talenten!!! Ich habe unsere Zusammenarbeit bei Lohengrin sehr genossen und freue mich, dass unser gemeinsames Musizieren in den nächsten Spielzeiten eine Fortsetzung findet! Herzliche Grüsse, Simone Young


DIE GESCHICHTE DER PHILHARMONIA ZÜRICH

1834

Gründung des Aktientheaters Zürich an den Unteren Zäunen; hier dirigiert Richard Wagner in den frühen 1850er Jahren u.a. Aufführungen seiner eigenen Opern Der fliegende Holländer und Tannhäuser

1861 Gründung des Orchestervereins, eines ständigen Berufsensembles mit 31 Musikern, das für die Allgemeine Musikgesellschaft und das Aktientheater spielt

1868 Gründung des Zürcher Tonhalle-Orchesters, das bis 1944 sowohl Sinfoniekonzerte gibt als auch Opern spielt

1890 Das Aktientheater brennt ab

1891 Neubau des Stadttheaters Zürich (ab 1964 Opernhaus Zürich); zu den Dirigenten des Orchesters gehören unter anderem Richard Strauss und Wilhelm Furtwängler

Höhepunkte in der Geschichte der Theaterformation des TTO sind der Monteverdi- und der Mozart-Zyklus in den 1970er Jahren mit Nikolaus Harnoncourt (musika­ lische Leitung) und Jean-Pierre Ponnelle (Regie). Dirigenten wie Nello Santi (Musikdirektor von 1958 bis 1969, seither ständiger Gastdirigent) und Ferdinand Leitner (musikalischer Oberleiter am Opernhaus Zürich von 1969 bis 1984) prägen das Orchester

1983 Ralf Weikert wird Chefdirigent des TTO (bis 1992); unter seiner Leitung wurde das Orchester ständig vergrössert

1985 Trennung des TTO in das Tonhalle-Orchester und das Orchester der Oper Zürich

1994 Innerhalb des Orchesters bildet sich das Ensemble «La Scintilla», das auf Originalinstrumenten spielt

1995

Neubau der Tonhalle; das Orchester erlebt musikalische Höhepunkte unter der Leitung seines ersten Chefdirigenten Friedrich Hegar und dessen Freund Johannes Brahms; unter dem späteren Tonhalle-Chef Volkmar Andreae arbei­tet das Orchester intensiv mit Ferruccio Busoni zusammen

bis 2008 ist Franz Welser-Möst Chefdirigent (ab 2005 als Generalmusikdirektor); Gastdirigenten wie Riccardo Chailly, Christoph von Dohnányi, Vladimir Fedoseyev, John Eliot Gardiner, Valery Gergiev, Bernard Haitink, Nikolaus Harnoncourt, Heinz Holliger, Zubin Metha, Ingo Metzmacher, Georges Prêtre, Nello Santi, Ralf Weikert und Ivan bzw. Adam Fischer arbeiten regelmässig mit dem Orchester

1944

2009

1895

Die SRG entlässt ihr in Zürich beheimatetes Rundfunk­ orchester; die Musiker werden in das Tonhalle-Orchester eingegliedert. Das nun aus 142 Musikerinnen und Musikern bestehende Orchester wird in eine Konzertund eine Theaterformation aufgeteilt und heisst fortan Tonhalle- und Theaterorchester (TTO) Zürich

Daniele Gatti wird 2012 Chefdirigent des Orchesters

2012 Das Orchester der Oper Zürich erhält mit Beginn der Intendanz von Andreas Homoki und dem Amtsantritt des neuen Generalmusikdirektors Fabio Luisi einen neuen Namen: Es heisst nun Philharmonia Zürich


Philharmonia Zürich 49

Mediale Präsenz zeigen Die Philharmonia Zürich gründet zum dreissigjährigen Jubiläum ein eigenes Label. Ein Gespräch mit dem Generalmusikdirektor Fabio Luisi

Herr Luisi, pünktlich zu ihrem dreis­­sigjährigen Jubiläum lanciert die Philharmonia Zürich ein ei­ genes Label. Mit welchem Ziel wurde dieses gegründet? Mit dem Label Philharmonia Records soll unser Orchester eine eigene mediale Plattform erhalten. Und damit verbunden ist der Wunsch, die Identität des Orchesters zu stärken und seine Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Wunsch kommt von den Orchestermusikern selbst. Gemeinsam mit dem Opernhaus und mir haben sie das Projekt ins Leben gerufen. Nun erscheinen die drei ersten Einspielungen, die ich dirigiere. Für die Zukunft wünsche ich mir aber, dass das Orchester auch Aufnahmen mit Gasdirigenten rea­lisiert. Mit Hector Berlioz’ Symphonie fantastique sowie Vorund Zwischenspielen von Richard Wagner erscheinen als erstes Werke aus dem orchestralen Kernrepertoire. Ist das die Linie, die Sie mit dem Label verfolgen möchten? Das Kernrepertoire ist wichtig, um uns im Vergleich zu anderen Orchestern zu präsentieren. Daran werden wir gemessen. Aber auch Raritäten sind meiner Meinung nach willkommen, da es noch immer viel zu entdecken gibt! Generell ist es nicht möglich, sich zu stark auf ein spezielles Gebiet einzulassen. Durch den grossen Aufgabenbereich, den das Orchester in seiner Funktion als Opernorchester abdecken muss, sind uns also, was die Aufnahmen angeht, Grenzen gesetzt; andererseits können wir dadurch aber gerade die künstlerische Flexibilität des Orchesters beweisen.

Heisst das, dass auf den Aufnahmen gewissermassen die Höhepunkte der Philharmonischen Konzert­­ saison festgehalten werden? Da wir aufgrund des dicht gedrängten Spielplans nur selten die Möglichkeit haben, ein Werk im Ton­studio aufzunehmen, sind vorläufig vor allem Live-Mitschnitte der Philharmonischen Konzerte geplant. Für die Wagner-Aufnahme ist das Orchester aber für ein paar Tage aus dem Alltagsbetrieb aus­ gestiegen und ins Tonstudio gefahren... Für diese Aufnahme haben wir vier Tage im Tonstudio verbracht und konnten uns sehr intensiv mit den ein­zelnen Werken beschäftigen. Das war eine wichti­ge Erfahrung für die Musiker – eine Art des Arbeitens, die sich sehr von den alltäglichen Aufgaben eines Opernor­ches­ters unterscheidet. Für das Orchester geht es nicht nur um das Endprodukt; auch der Entstehungsprozess ist wichtig, es ist für das Orchesterkollektiv auch ein Prozess der inneren Festigung. Deshalb hoffen wir, dass wir es uns auch in Zukunft wieder leisten können, im Studio aufzunehmen. Der Medienmarkt erlebt gerade die «Verflüssigung» seiner Medien. Bereits heute beschafft sich die Mehr­ heit ihre Musik über das Internet. Ist es da nicht etwas unzeitgemäss, ein neues CD-Label zu gründen? Philharmonia Records ist für uns nicht die Gründung eines CD-Labels, sondern einer Marke. Diese wird nicht nur auf CDs und DVDs präsent sein; wir werden die Einspielungen selbstverständlich auch zum Streaming und Downloaden anbieten. Es geht uns um eine mediale Präsenz, und wir versuchen uns dabei flexibel zu den Anforderungen des Marktes zu verhalten.


Philharmonia Zürich 50

Auf der ersten DVD des neuen Labels präsentieren wir Giuseppe Verdis «Rigoletto» aus dem Opernhaus Zürich. Regisseurin Tatjana Gürbaca ist damit eine ebenso szenisch reduzierte wie expressiv bildstarke Inszenierung gelungen, die von Publikum und Presse gleichermassen bejubelt wurde. Am Pult der Philharmonia Zürich steht mit Fabio Luisi einer der führenden Inter­pre­ten des italienischen Opernre­per­ toires. Die Hauptprotagonisten sind Aleksandra Kurzak (Gilda), George Petean (Rigoletto) und Saimir Pirgu (Il Duca di Mantova). Mit einem Livemitschnitt der «Symphonie fantastique» von Hector Berlioz macht die Philharmonia Zürich den Auftakt zu ihren CD-Veröffentlichungen auf dem eigenen Label. Generalmusikdirektor Fabio Luisi dirigiert die virtuos instrumentierte Partitur. Auf einer Doppel-CD präsentiert sich das Orchester mit Ouvertüren, Vor- und Zwischenspielen aus Richard Wagners Bühnenwerken. Die Aufnahme unter Fabio Luisi umfasst u.a. das «Vorspiel» aus «Tristan und Isolde» sowie «Isoldes Liebestod», das «Lohengrin»-­Vorspiel, und den «Walkürenritt» aus dem «Ring des Nibelungen». Ab 18. Januar 2015 im Handel erhältlich

MAHLER / RACHMANINOW 4. Philharmonisches Konzert Festkonzert zum 30. Jubiläum der Philharmonia Zürich Fabio Luisi, Dirigent Lise de la Salle, Klavier Philharmonia Zürich SERGEJ RACHMANINOW Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30 GUSTAV MAHLER Sinfonie Nr. 5 Hauptbühne Opernhaus Sonntag 18 Jan 2015, 20 Uhr Unterstützt von Evelyn und Herbert Axelrod

Die Aufnahmen werden weltweit vertrieben. Für welchen Markt sind sie gedacht? Wir möchten diejenigen ansprechen, die unser Orchester noch nicht kennen. Bis jetzt ist die Philharmonia Zürich fast nur im lokalen Bereich aufgetreten; jetzt wollen wir uns international öffnen. Wichtige Märkte sind weite Teile Asiens, die amerikanischen Kontinente und Europa. Warum eignet sich Ihrer Meinung nach ein Opern­ orchester für Aufnahmen des sinfonischen Repertoires? Ich glaube, dass ein erstklassiges Opernorchester auch ein sehr gutes Sinfonieorchester sein kann, denn etwas können diese Musiker besonders gut, nämlich zuhören! Sie müssen in der Oper immer auf die Sänger hören, mit denen sie musizieren, und deshalb hören sie sich auch selbst besser zu. Dadurch hat das Orchester eine sehr hohe Flexibilität; die Musiker sind sehr «wach» und können agil auf den Dirigenten und die Solisten reagieren. Welche Qualitäten der Philharmonia Zürich schätzen Sie ganz besonders? Die Musiker haben ein sehr hohes Arbeitsethos und einen grossen Willen zur Perfektion – das ist nicht bei allen Opernorchestern der Fall. Diese Punkte sind mir sehr wich­ tig, und ich erlebe sie hier wie in kaum einem anderen Orchester. Die Musiker der Philharmonia Zürich glauben an ihre Fähigkeiten und wollen immer Qualität anbieten. Nun feiern wir das 30-jährige Orchesterjubiläum. Das heisst, die Philharmonia Zürich ist vergleichsweise jung. Viele der berühmten traditionellen Orchester haben bereits ihr 100-jähriges Jubiläum hinter sich... Das ist richtig, aber gerade diese Traditionsorchester sehen sich zurzeit vor das Problem gestellt, dass sie ihre Tradition erneuern müssen. Denn diese kommt noch aus einem älteren Verständnis des Musizierens und auch der Prä­ sentation von Musik. Die Philharmonia Zürich hat dieses Problem nicht, weil sie eben noch ein junges Orchester ist! So ist es beispielsweise das erste Orchester überhaupt, das sich mit «La Scintilla» ein eigenes professionelles Ensemble für Alte Musik geschaffen hat. Ein Traditionsorchester zu sein, ist also nicht in jeder Hinsicht ein Vorteil. Was würden Sie spontan auf eine Glückwunschkarte an die Philharmonia Zürich schreiben? «Ich vermisse Euch!» – Das ist wirklich so! Wenn ich woanders bin, vermisse ich die Musiker des Orchesters. Das Gespräch führten Claus Spahn und Fabio Dietsche


Mode·Leder·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com

NOVEMBER 2O14 DO 27 DIE FRAU OHNE SCHATTEN

18.OO Oper von Richard Strauss

FR 28 FORELLENQUINTETT 2O.OO Choreografien von Douglas Lee, Jiří Kylián und Martin Schläpfer

Preise F Preise B

SA 29 BALLETT-FÜHRUNG MIT MINI-WORKSHOP 14.OO Ballett B

CHF 1O

14.3O FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS Treffpunkt Billettkasse CHF 1O

14.3O FAMILIEN-WORKSHOP DIE ZAUBERFLÖTE Für 6- bis 12-Jährige, Studiobühne CHF 2O

19.OO ANNA KARENINA Preise C Ballett von Christian Spuck nach Lew Tolstoi

SO 3O VERNISSAGE «OPERNLIEBE-

CHF 1O 11.15 EIN BUCH FÜR ENTHUSIASTEN» Iso Camartin stellt sein neues Buch vor, Spiegelsaal

14.OO D IE FRAU OHNE SCHATTEN Oper von Richard Strauss

14.3O FAMILIEN-WORKSHOP DIE ZAUBERFLÖTE Für 6- bis 12-Jährige, Studiobühne CHF 2O

Preise C

MI 3 ANNA KARENINA

Preise C

FR 5 FÜHRUNG BÜHNENTECHNIK

CHF 2O

19.OO Ballett von Christian Spuck nach Lew Tolstoi

19.OO ANNA KARENINA Preise C Ballett von Christian Spuck nach Lew Tolstoi

CHF 25 11.OO Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

14.OO DIE GÄNSEMAGD CHF 25 Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

14.OO U NTERWEGS MIT OHRWURM SQUILLO Für 6- bis 9-Jährige, Treffpunkt Billettkasse CHF 1O

14.3O FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS Treffpunkt Billettkasse CHF 1O

18.OO D IE FRAU OHNE SCHATTEN Preise VV Oper von Richard Strauss AMAG-Volksvorstellung

SO 7 BRUNCHKONZERT 11.15 Brasskonzert mit anschliessendem Brunch im ­Restaurant Belcanto, Spiegelsaal

19.OO DIE ZAUBERFLÖTE PREMIERE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

CHF 6O

Preise F

MO 8 MONTAGSGESPRÄCH

CHF 1O

MI 1O DIE ZAUBERFLÖTE

Preise E

DO 11 ANNA KARENINA

Preise C

SA 6 DIE GÄNSEMAGD

16.OO DIE GÄNSEMAGD CHF 25 Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

16.OO Treffpunkt Billettkasse

14.OO DIE GÄNSEMAGD CHF 25 Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

DI 2 ANNA KARENINA

19.OO Ballett von Christian Spuck nach Lew Tolstoi

DEZEMBER 2O14

Nerz-Poncho-Pearl

Preise F

19.OO mit Leo Nucci, Restaurant Belcanto

19.OO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart 19.OO Ballett von Christian Spuck nach Lew Tolstoi

FR 12 FORELLENQUINTETT

Preise VV 2O.OO Choreografien von Douglas Lee, Jiří Kylián und Martin Schläpfer AMAG-Volksvorstellung

SA 13 B ALLETT-FÜHRUNG MIT MINI-WORKSHOP

14.OO Für 6- bis 9-Jährige, Ballett B

CHF 1O

14.3O FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS Treffpunkt Billettkasse CHF 1O

16.OO FÜHRUNG IN DIE MASKE Treffpunkt Billettkasse

19.OO DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

SO 14 ANNA KARENINA

14.OO Ballett von Christian Spuck nach Lew Tolstoi

CHF 2O Preise E Preise C


Kalendarium 52

SO 14 G ESCHICHTEN ERZÄHLEN MIT MUSIK

FR 19 LUISA MILLER

15.3O LA CENERENTOLA CHF 12/2O Für 4- bis 9-Jährige und ihre Eltern, Studiobühne

19.3O

DAS LIED VON DER ERDE

DI 16 LUISA MILLER WIEDERAUFNAHME 19.OO Oper von Giuseppe Verdi

19.OO NEW CREATIONS PREMIERE Junior Ballett AMAG-Volksvorstellung

Geschlossene Vorstellung 1O.3O Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

19.OO DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

Preise E

DO 18 ROBIN HOOD

14.OO FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS Treffpunkt Billettkasse CHF 1O

Preise VV

Preise E

15.3O G ESCHICHTEN ERZÄHLEN MIT MUSIK LA CENERENTOLA CHF 12/2O Für 4- bis 9-Jährige und ihre Eltern 19.OO DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

SO 21 BRUNCHKONZERT

Preise E

11.15 Bach  /  Strawinsky Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im R ­ estaurant Belcanto, Spiegelsaal

14.OO NEW CREATIONS Junior Ballett AMAG-Volksvorstellung

CHF 6O

Preise VV

15.3O G ESCHICHTEN ERZÄHLEN MIT MUSIK LA CENERENTOLA CHF 12/2O Für 4- bis 9-Jährige und ihre Eltern

Eine Komödie oder: ein Katastrophenfilm ohne Katastrophe.

Preise K

Preise A

MI 17 ROBIN HOOD Geschlossene Vorstellung 1O.3O Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

Preise E

19.OO Oper von Giuseppe Verdi

SA 2O ROBIN HOOD 1O.3O Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

Preise P1

3. Philharmonisches Konzert Cornelius Meister, Elisabeth Kulman, Stuart Skelton, Philharmonia Zürich

MO 15 S ONDERKONZERT BEJUN MEHTA 19.OO Werke von Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach u.a.

2O.OO LUISA MILLER Oper von Giuseppe Verdi

MO 22 LUNCHKONZERT Bach  / Strawinsky

12.OO Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal

Preise E CHF 2O

DI 23 DIE GÄNSEMAGD

TURIST

CHF 25 16.OO Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne 19.3O DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

FR 26 DIE ZAUBERFLÖTE

Preise E Preise E

14.OO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

14.OO DIE GÄNSEMAGD CHF 25 Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

16.OO DIE GÄNSEMAGD CHF 25 Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

2O.OO ANNA KARENINA Preise VV Ballett von Christian Spuck AMAG-Volksvorstellung

SA 27 DIE GÄNSEMAGD

CHF 25 14.OO Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

15.OO FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS Treffpunkt Billettkasse CHF 1O

16.OO DIE GÄNSEMAGD CHF 25 Kinderoper von Iris ter Schiphorst, Studiobühne

2O.OO LUISA MILLER Oper von Giuseppe Verdi

AB 11. DEZEMBER IM KINO

SO 28 ROBIN HOOD 14.OO Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

Preise E Preise K


Kalendarium 53

19.3O DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

Preise E

DI 3O LUISA MILLER 2O.OO Oper von Giuseppe Verdi

Preise E

14.OO DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart 2O.OO LA CENERENTOLA Oper von Gioachino Rossini

MI 31 LA CENERENTOLA WIEDERAUFNAHME

MO 12 MONTAGSGESPRÄCH

JANUAR 2O15

18.OO Oper von Gioachino Rossini

Galapreise

19.OO DIE ZAUBERFLÖTE Oper von Wolfgang Amadeus Mozart AMAG-Volksvorstellung

Preise K

Preise VV

2O.OO LUISA MILLER Oper von Giuseppe Verdi AMAG-Volksvorstellung

Preise K

FR 16 LE NOZZE DI FIGARO

Preise E

SA 3 DIE ZAUBERFLÖTE

Preise E

SO 4 ANNA KARENINA

14.OO Ballett von Christian Spuck nach Lew Tolstoi

Preise C

19.3O LA CENERENTOLA Oper von Gioachino Rossini

Preise G

19.OO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

Preise C 19.OO Lieder von Brahms, Duparc und Rachmaninow

MI 7 DIE ZAUBERFLÖTE

19.OO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

Preise E

FR 9 FÜHRUNG BÜHNENTECHNIK

CHF 2O 16.OO Treffpunkt Billettkasse 19.OO LA CENERENTOLA Oper von Gioachino Rossini

SA 1O ROBIN HOOD 1O.3O Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

Preise G Preise K

19.OO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

SO 18 LE NOZZE DI FIGARO

14.OO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart AMAG-Volksvorstellung

2O.OO MAHLER/RACHMANINOV 4. Philharmonisches Konzert

MO 19 MONTAGSGESPRÄCH

19.OO mit Fabio Luisi, Restaurant Belcanto

MI 21 STRINGS 19.OO Choreografien von Edward Clug, William Forsythe und Christian Spuck FR 23 STRINGS 19.3O Choreografien von Edward Clug, William Forsythe und Christian Spuck SA 24 LE NOZZE DI FIGARO

MO 5 LIEDERABEND ELĪNA GARANČA

19.OO Oper von Gioachino Rossini

SA 17 STRINGS PREMIERE 19.OO Choreografien von Edward Clug, William Forsythe und Christian Spuck

Preise VV

CHF 1O Preise G

FR 2 ROBIN HOOD 14.OO Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

Preise G

DO 15 LA CENERENTOLA

DO 1 ROBIN HOOD 14.OO Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

19.OO mit Mauro Peter, Restaurant Belcanto

Preise E

19.OO Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

Preise C

Preise VV

Preise P1 CHF 1O Preise B

Preise B

Preise E

SO 25 BRUNCHKONZERT CHF 6O 11.15 Dvořak  /Glinka Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto

14.OO TRISTAN UND ISOLDE WIEDERAUFNAHME Oper von Richard Wagner Preise F

MO 26 LUNCHKONZERT 12.OO Dvořak  /Glinka Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal DO 29 TRISTAN UND ISOLDE

18.OO Oper von Richard Wagner

CHF 2O

Preise F

12.3O STÜCKE ENTDECKEN CHF 2O STRINGS, für 12- bis 16-Jährige, Ballettsaal A

FR 3O ROBIN HOOD 18.OO Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin

14.OO U NTERWEGS MIT OHRWURM SQUILLO Für 6- bis 9-Jährige CHF 1O

SA 31 BALLETT-FÜHRUNG MIT MINI-WORKSHOPS

19.OO LE NOZZE DI FIGARO WIEDERAUFNAHME Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Preise E

SO 11 EINFÜHRUNGSMATINEE

1O.OO Ein Gespräch mit dem Produktionsteam von Strings, Bernhardtheater

14.OO Ballett B, für 6- bis 9-Jährige

Preise K

CHF 1O

19.OO NORMA WIEDERAUFNAHME Preise E Oper von Vicenzo Bellini

CHF 1O Werkeinführung jeweils 45 Min. vor jeder Vorstellung.


Kalendarium /Serviceteil 54

BILLETTKASSE Öffnungszeiten: Mo-Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1,5 Stunden vor Vorstellungsbeginn. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.30-18.00 Uhr / F +41 44 268 65 55 / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

beginns auf einen Sonn- oder Feiertag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person. OPERNHAUS-TAG Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 5O% Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

VORVERKAUF Tickets für sämtliche Vorstellungen der Saison 14/15 sind unter www.opernhaus.ch und an der Billettkasse des Opernhauses erhältlich. Für schriftliche Kartenbestellungen sowie Bestellungen per Fax und E-Mail wird eine Bearbeitungsgebühr von CHF 5 erhoben. Die Benachrichtigung über die Platzzuteilung erfolgt in Form einer Rechnung, nach deren Begleichung die Karten per Post zugestellt werden. Für die postalische Zusendung von tele­ fonisch oder online gebuchten Karten sowie bei deren Abholung an der Billettkasse wird eine Gebühr von CHF 5 erhoben. Online­ tickets können auch kostenfrei zuhause ausgedruckt werden.

ERMÄSSIGUNGEN Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Sai­son­­buch.

AMAG-VOLKSVORSTELLUNGEN Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu be­suchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvor­stel­ lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per News­letter an­gekündigt. Die AMAG-Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufs-

MAG ABBONIEREN MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Sonderkonzert

BEJUN MEHTA singt Händel und Bach

Bejun Mehta, Countertenor Orchestra La Scintilla Montag, 15 Dez 2O14, 19 Uhr


Serviceteil 55

BILLETTPREISE Platzkategorien

1 2 3 4 5

Preisstufe A Preisstufe B Preisstufe C Preisstufe D Preisstufe E Preisstufe F Preisstufe G Preisstufe VV Kinderoper K Preisstufe P1 Preisstufe P2 Legi (Preisstufen A-C) Legi (Preisstufen D-G)

92 76 65 43 16 141 126 113 56 2O 169 152 13O 56 2O 198 173 152 92 32 23O 192 168 95 35 27O 216 184 98 38 32O 25O 22O 98 38 75 59 44 25 15 6O 5O 4O 3O 2O 95 8O 65 5O 35 125 1O5 85 65 4O 35 25 2O 18 13 45 33 25 2O 15

SPONSOREN Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

ab PRODUKTIONSSPONSOREN EVELYN UND HERBERT AXELROD

LANDIS & GYR STIFTUNG LINDT UND SPRÜNGLI (SCHWEIZ) AG

FREUNDE DER OPER ZÜRICH

MARSANO BLUMEN AG

WALTER HAEFNER STIFTUNG

STIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ

SWISS RE ZÜRICH VERSICHERUNGSGESELLSCHAFT AG

FONDATION LES MÛRONS NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AG PRO HELVETIA, SCHWEIZER KULTUR­ STIFTUNG

PROJEKTSPONSOREN

Alle Preise in CHF

AMAG AUTOMOBIL- UND MOTOREN AG

BILLETTKASSE + 41 44  268 66 66

BAUGARTEN STIFTUNG

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch, T + 41 44 268 64 00, info@opernhaus.ch Intendant Generalmusikdirektor Ballettdirektor Verantwortlich Redaktion Gestaltung Fotografie Bildredaktion Anzeigen Schriftkonzept und Logo Druck Illustrationen

Andreas Homoki Fabio Luisi Christian Spuck Claus Spahn (Chefdramaturg) Sabine Turner (Direktorin für Marketing, PR und Sales) Beate Breidenbach, Kathrin Brunner, Fabio Dietsche, Michael Küster, Claus Spahn Carole Bolli, Martin Schoberer, Florian Streit, Giorgia Tschanz Florian Kalotay, Danielle Liniger Stefan Deuber Christian Güntlisberger Tania Cambeiro Studio Geissbühler Multicolor Print AG Laura Jurt (11,56) Lina Müller (42)

RUDI BINDELLA RENÉ UND SUSANNE BRAGINSKY-­

PROFESSOR ARMIN WELTNERSTIFTUNG FÖRDERER CONFISERIE TEUSCHER

STIFTUNG

FRANKFURTER BANKGESELLSCHAFT

CLARIANT

(SCHWEIZ) AG

ERNST GÖHNER STIFTUNG KÜHNE-STIFTUNG RINGIER AG GEORG UND BERTHA SCHWYZER-­ WINIKER-STIFTUNG VONTOBEL-STIFTUNG ZÜRCHER FESTSPIELSTIFTUNG ZÜRCHER KANTONALBANK GÖNNER ABEGG HOLDING AG ACCENTURE AG ALLREAL ARS RHENIA STIFTUNG ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE AVINA STIFTUNG BANK JULIUS BÄR BERENBERG SCHWEIZ ELEKTRO COMPAGNONI AG STIFTUNG MELINDA ESTERHÁZY DE GALANTHA FITNESSPARKS MIGROS ZÜRICH FRITZ-GERBER-STIFTUNG EGON-UND-INGRID-HUG-STIFTUNG

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Sibylle Berg denkt über Operngefühle nach 56

Tristan und Isolde leben in Richard Wagners Oper ihre ver­botene Liebe aus. Ist es empfehlenswert, sich in der Liebe hemmungslos gehen zu lassen und alles um sich herum zu vergessen? Die Liebe. Unter wenigen anderen Begriffen versammeln sich so viele unterschiedliche Interpretationen, die sitzen wie Pilze zusammen in Haufen und ducken sich unter der brei­ ten Krone des alles und nichts meinenden Wortes. Um es ein wenig zu untersuchen, sass ich mit der Professorin Frau Vinken auf einem Podium (das sind Einrichtungen, die meinen: wir bringen ein paar Leute zusammen, die nichts mit­einander zu tun haben, im Zweifel ist immer Sloterdijk und Herr Köppel dabei, und hoffen, dass sie kontrovers über irgendein Thema streiten). Selbstgerechtigkeit ist das Ende der Entwicklung, dachte ich, als ich der Professorin lauschte, die sich über meine These, dass Leidenschaft nichts mit Liebe gemein habe, erregte. Professuren sind auch seltsame Wis­ sens­behauptungen, dachte ich, als ich mir den Kitsch der Erwachsenen anhörte, die immer noch an die einzig wahre Romeo und Julia-Leidenschafts-Sache glaubte, obwohl sie doch darüber hinausgewachsen sein sollte. Eine Frau, die sicher in Begriffen wie «begehrenswert» und «sexy» dachte. Weil ich damals fassungslos geschwiegen habe und dachte: verdammt, sie verwechselt alles, Sex mit Liebe, Liebe mit Begier­de, und sie hat doch eine Professur, sie ist verantwort­ lich für junge Leute, möchte ich mich heute wiederholen. Leidenschaft ist eine Art Geisteskrankheit. Sie macht den Menschen unzurechnungsfähig, panisch, manisch depressiv, ob­sessiv und handlungsunfähig. Liebe hat mit Leidenschaft in sexuell obsessiver Hinsicht so viel zu tun wie Wagner und Antisemitismus. Oh, falsches Beispiel. Das, was ich als Kitsch bezeichne, ist die alberne Verklärung ausgewachsener Men­

schen, mit der sie Biologismen betrachten und sich nach ihrer Jugend zurücksehnen. Immer wieder in dieselbe Falle tappend, Anziehung, Hormone, Rausch, Paarungsbereit­ schaft, Serotonin. Kann, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht, eine angenehme Zeit zweier Menschen sein, in der es einem wie sonst nur beim sogenannten Flow gelingt, seine Existenz, Raum und Zeit zu vergessen. Aber. Dieser Zustand endet, und das ist, was ältere Menschen wissen, die sich eben nicht mehr wegen einer unglücklichen Leidenschaft umbringen. Die töten sich eher, wenn die Liebe stirbt, der Mensch, den sie ertrugen, der sie ertragen hat in vielen Jahren. Die Liebe ist das, was bleibt, möchte ich jungen, vor nicht erwiderter Leidenschaft ohnmächtigen Menschen zuraunen. Ein unge­ hörtes Raunen würde es sein, denn unendlich ist der junge Mensch, der sich auflösen will, explodieren, und das Schöne ist doch, dass es keine Grenzen gibt, mit zwanzig. Alles zum ersten Mal fühlen, denken und glauben, keiner ausser einem selber hätte je so stark gedacht und gefühlt, das ist die Hoff­ nung auf die eigene Einzigartigkeit, darum halten wir durch. Aber später, und ich kehre zum Anfang zurück, zu Frau Pro­fessor, die mich mitleidig betrachtet. Ich kann einen Men­schen mit grosser Leidenschaft lieben, die meint, ihn beschützen zu wollen, an seinem Leben teilhaben und für ihn da sein zu wollen, Angst zu haben, wenn er oder sie das Haus verlässt in all die Gefahren der Welt. Meine Leidenschaft meint nicht, sich mit Schokolade zu übergiessen und abzu­ lecken. Diese Leidenschaft ist wunderbar in Filmen, in Büchern, im Gedenken an die Niedlichkeit der Jugend, oder eben – auf Opernbühnen, nahe beim Kitsch. Sibylle Berg

Illustration Laura Jurt

Liebe, Leidenschaft, Sex


JULIETTE

PREMIERE 14 FEB 2O15


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