MAG 13: Faust

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Das Gespenst von Canterville 40

Jahren spuken muss und nicht schlafen beziehungsweise sterben kann. Dazu kommt, dass es seine grosse Zeit lange schon hinter sich hat – niemand ausser Mrs Umney, der Haushälterin, erschreckt sich noch vor dem Gespenst. Familie Bürkli glaubt nicht an Gespenster; Dr. Bürkli sagt, wenn man ein Gespenst sehen will, dann muss man einen Blockbuster-Film im Kino anschauen. Das ist für unser Gespenst natürlich tragisch. ML: Das Gespenst hat ja ein schweres Verbrechen auf sich geladen: Es hat seine Frau umgebracht, weil sie ihn genervt hat und nicht kochen konnte... JH: ...und deshalb wurde es vor 450 Jahren in einem Kerker angekettet. Diese Ketten muss es jetzt immer mit sich rumtragen, wenn es durch das Schloss spukt, und mit denen rasselt es natürlich auch ganz gewaltig. Zur Strafe für den Mord muss es so lange spuken, bis ein Kind sich seiner erbarmt, für es betet und für es weint – und genau das tut Virginia und erlöst das Gespenst damit von seinem Dasein, so dass es endlich sterben kann. Was kann Oper eurer Meinung nach besser als Film? JH: Film kann bestimmte Effekte benutzen, aber Musik kann viel mehr: Den Emotionen wird viel mehr Raum gegeben, sie werden erlebbarer. ML: Für mich ist ein entscheidender Unterschied, dass Film ein zweidimensionales, vorproduziertes, quasi fotografisches Medium ist, in der Oper hingegen viele Menschen «live» spielen und vor allem singen. Eine beseelte und schöne Gesangsstimme ist für mich das Grösste und Berührendste, was es überhaupt gibt. Bei keinem Instrument werde ich emotional so mitgenommen – und das sage ich, obwohl ich Geiger bin und dieses Instrument liebe. Die Oper kombiniert diesen musikalischen Aspekt nun mit einer je nachdem rührenden, lustigen oder spannenden Geschichte. Im Idealfall, wie meines Erachtens auch im Gespenst von Canterville, bietet die Geschichte von allem etwas. Früher habe ich einige Jahre lang Filmmusik komponiert, da hat die Musik eine eher untergeordnete Dienstleistungsrolle. In der Oper ist die Musik die Hauptsache; sie kann Emotionsräume öffnen, die ohne Musik nicht zu öffnen sind. Ich hoffe, dass auch für Kinder Menschen, die mit «Opernstimme» singen, nicht etwas Unnatürliches sind, sondern dass sie an dieser Art des Singens Geschmack finden. Ich selbst bin der Oper mit acht Jahren verfallen, und seitdem hat sie mich nicht mehr losgelassen! Das Gespräch führte Beate Breidenbach


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