MAG 13: Faust

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ML: Ich erinnere mich, dass mich als Kind die Tatsache, dass man sterben muss, sehr beschäftigt hat und oftmals nicht schlafen liess. Die grossen Fragen um Leben und Sterben machen auch vor Kindern nicht halt. JH: Das Tolle an diesem Stoff und auch an deiner Komposition ist ja, dass das Sterben hier so positiv dargestellt wird, als etwas, vor dem man keine Angst zu haben braucht; für das Gespenst ist das Sterben schliesslich eine Erlösung, die Möglichkeit, endlich zur Ruhe zu kommen. ML: Für Virginia ist es eine entscheidende Erkenntnis, dass das Gespenst – Sir Simon – sterben will, denn für Sir Simon, der dazu verdammt ist, hunderte von Jahren durch das Schloss zu spuken, ist der Tod etwas sehnsüchtig Erhofftes. Virginia kann, als sie dies erfährt, mit dem Tod ihrer Mutter besser zurechtkommen. Das Schlaflied, das ich für Virginia komponiert habe, steht dafür als Symbol. Am Ende des ersten Aktes rettet sie sich traurig und alleingelassen aus der soeben erfolgten Konfrontation mit ihrem Vater in den Gedanken an ihre Mutter, die dieses Lied immer für sie gesungen hat; zum Schluss des zweiten Aktes hören wir erneut seine Melodie, wenn Virginia David erzählt, dass das Gespenst sie gelehrt habe, was das Leben sei und was der Tod bedeute und warum die Liebe stärker als beide ist; Virginia denkt in diesem Moment auch an ihre Mutter, jedoch versöhnt und nicht mehr so wütend und traurig. Aber natürlich geht es in dieser Oper nicht primär um den Tod! Das ist nur einer von vielen Aspekten. Vor allem ist enorm viel los, die Zwillinge Leon und Noël sprechen in rap-artigen Reimen und wirbeln alles durcheinander, es treten sehr schräge und überzeichnete Figuren auf, wie zum Beispiel Frauke-Beeke Hansen aus Sauensiek bei Buxtehude, die neue Freundin von Virginias Vater, die als schrille und hysterische Nervensäge sicher ein «Liebling» der Kinder werden wird. JH: Das Verhältnis zwischen Virginia und ihr ist nicht besonders gut, Virginia kann die neue Freundin ihres Vaters gar nicht leiden – das fängt die Musik sehr schön ein, wenn die beiden Sängerinnen sich auch musikalisch messen: Wer singt höher, wer singt lauter? Als zeitgenössischer Komponist möchtest du, Marius, ja auch zeitgenössische Musik schreiben; zugleich musst du aber auch an dein Publikum denken, wenn du für Kinder schreibst, die Musik für eine Kinderoper soll ja doch auch verständlich sein. Ist das ein schwieriger Balanceakt für dich? Schreibst du für Kinder anders als für Erwachsene?


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