MAG 13: Faust

Page 11

Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 9

Fliegende Gespenster Die technische Umsetzung von Die Schatzinsel und Der fliegende Holländer stellte uns in der letzten Spielzeit vor das Problem, dass Piraten und Geisterschiffe durch den Film Pirates of the Caribbean besonders eindrücklich gezeigt worden sind. Ein Schiff so zu bauen, dass es alt und verwittert aussieht, ist für unsere Werkstätten kein Problem. Es aber durch Wellengang und Sturm mit donnernden Kanonen auf den Zuschauer zufahren zu lassen, während eine Krake ihre Fangarme darum schliesst und Darsteller aus den Wanten fallen – das ist auf der Bühne nicht so realistisch umzusetzen. Im Film behilft man sich mit der digitalen Nachbearbeitung – das ist auf der Bühne nicht möglich. Bei der Schatzinsel und im Holländer haben wir deshalb bewusst auf realistische Effekte verzichtet. Für Das Gespenst von Canterville hingegen geben wir alles: Fliegende Geister, schwebende Kerzen, ein lebendiges Porträt, bewegte Fackelhalterungen, ein Kaminfeuer, Fledermäuse, überdimensionale Ritterrüstungen, ein magischer Blutfleck, fahrende Sessel – kurz: Hier versuchen wir es mit den Harry Potter-Filmen aufzunehmen! Dass dies möglich wird, verdanken wir dem Einfallsreichtum unserer Mitarbeitenden. Herausragend sind der Erfindergeist und das persönliche Engagement von Andreas Gatzka, dem Leiter unserer Theaterplastik, der in monatelanger Arbeit Rüstungen zum Leben erweckt hat.

Der Entwurf des Bühnenbildners Paul Zoller sieht vier Rüstungen vor, die an den Seitenwänden montiert sind und Arme, Beine und den Kopf bewegen sollen. Die Komplexität liegt darin, dass die Rüstungen frei auf Sockeln stehen und die Bewegungen somit ferngesteuert werden müssen. Die Bedienung erfolgt verdeckt über Hebel, die einige Meter von den Rüstungen entfernt hinter den Seitenwänden des Bühnenbildes angebracht sind. Von dort laufen Drahtseile gebündelt von unten durch den Sockel in die Rüstungen und können ähnlich einem Muskel die gelenkig gelagerten Arme, Beine und den Kopf bewegen. Um alle möglichen Bewegungen gleichzeitig auszuführen, müssen bis zu neun Hebel pro Rüstung gesteuert werden – das ist eine riesige Herausforderung für unsere Statisterie, die diese Aufgabe übernimmt. Für die Rüstungen wurde in unserer Metallwerkstatt ein Stahlskelett mit vielen Gelenken gebaut. Dieses wurde in der Theaterplastik mit tiefgezogenen Rüstungsplatten aus Kunststoff belegt, die wiederum in der Theatermalerei silbern angemalt wurden. Ich freue mich schon jetzt auf die glänzenden Augen unserer jungen Gäste, wenn wir sie in diese fantastische Welt entführen können – dafür geben wir gerne alles! Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich und hat drei Kinder


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.