MAG 10: La straniera

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La straniera 23

Virtuosität und Wahrhaftigkeit Seit 35 Jahren ist Edita Gruberova dem Opernhaus Zürich verbunden. In «La straniera» gibt die Königin der Belcanto noch einmal ein Rollendebüt. Der Gruberova-Biograf Markus Thiel blickt auf eine glanzvolle Karriere

Foto: Peter Schlegel

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ine Einzelgängerin, leidlich geduldet, gefürchtet, auch bedroht. Eine Frau nicht nur zwischen zwei Männern, sondern zwischen den Welten, schwer tragend an einem geheimnisvollen Los und verstrickt in eine kaum glaubwürdige Geschichte, das hat ihr, so dachte sie, gerade noch gefehlt. Als Christof Loy vor einigen Jahren mit dieser Opern-Idee an Edita Gruberova herantrat, handelte er sich folglich eine negative Reaktion ein. Dies aber, typisch Gruberova, mit jenem genervten Unterton, der nicht unbedingt ein kategorisches Nein bedeuten muss: Beim ersten Anhören von Bellinis La straniera sei sie eingeschlafen, beschied sie. Was sie also bitteschön damit solle? Warum nicht Bellinis Il pirata oder Massenets Esclarmonde? Da wiederum blockte der Regisseur – und liess nicht locker. Viele Gespräche waren also nötig, telefonische, direkte, erklärende und werbende. Und dass die Gruberova nun tatsächlich als Alaide auf der Zürcher Bühne in ihrer mutmasslich letzten szenischen Neuproduktion zu erleben ist, dies hat viel mit der besonderen Rolle Christof Loys zu tun.

In der späten Phase ihrer Karriere ist er zum bestimmenden Regisseur für die Assoluta geworden, mehr noch: zu einem engen künstlerischen Partner. Begonnen hat diese so glückliche Phase mit Donizettis Roberto Devereux, der 2004 in München herauskam, eine Inszenierung, die zu den wichtigsten in der 45-jährigen Karriere der Gruberova avancierte. Ein legendärer Erfolg, der fünf Jahre später in Donizettis Lucrezia Borgia, ebenfalls in München, seine Fortsetzung fand. Eine Tür ist da aufgegangen für die gebürtige Slowakin, die eine Schwelle zu einer anderen Darstellungs- und Charakterisierungskunst überschritt. Nicht nur die Stimme von Edita Gruberova hat sich ja verändert, ist – unter Wahrung aller Virtuosität – breiter, etwas dunkler und herber geworden, angereichert um jene Bitterstoffe, die zu diesen gebrochenen Heldinnen passen. Aber da ist auch anderes. Mehr noch als früher lässt sie nun Eigenes durchscheinen, ohne freilich eins zu eins abzubilden, ohne sich reflexionsarm zu identifizieren. Gepaart ist dies mit einem Mut zum Risiko, zum szenischen Extrem, auch zur Drastik, vokal und


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