Sportverletzungen verletzungsprophylaxe bei jugendlichen sportlern

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Sportverletzungen Verletzungsprophylaxe bei Jugendlichen Sportlern Autor: Pieter Keulen

MTC Pieter Keulen AG Seetalstrasse 11 6020 Emmenbr端cke Schweiz Tel. 0041 +41 260 68 68 info@mtc.ch www.mtc.ch


Inhalt Publikation

Seite 2

Vorwort

Seite 3

Fitness und Athletik

Seite 4

1.1

Unfallmechanismus

Seite 5

1.2

Kraft

Seite 7

1.3

Stabilität

Seite 8

1.4

Schnelligkeit

Seite 8

1.5

Koordination

Seite 8

Anatomische Änderungen

Seite 8

2.1

X-Beine und Überbeweglichkeit

Seite 9

2.2

Testing

Seite 10

2.3

Was nun ist zu tun, wenn Sie dies bemerken?

Seite 10

2.4

Wie sollten Sie dies alles nun trainieren?

Seite 11

Grundregeln

Seite 11

3.1

Qualität vor Quantität

Seite 11

3.2

Intensität vor Umfang

Seite 12

Schlusswort

Seite 13

Tipps

Seite 14

Der Autor

Knieverletzungen – Verletzungsprophylaxe bei Jugendliche Sportler – Pieter Keulen©

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Vorwort Basierend auf mehr als 30 Jahren Erfahrung mit vorderem Kreuzband (VKB)-Patienten ist mir etwas aufgefallen: Die Sportler, die unser Medical Training Center (MTC) in Emmenbrücke und Hochdorf besuchen, werden immer jünger. Früher war der klassische VKB-Patient im Durchschnitt noch 24-25 Jahre alt. Momentan besuchen häufig deutlich jüngere Spielerinnen (hauptsächlich Mädchen) von 15-16 Jahren unser Trainingszentrum. Praktisch jeder Sportler kennt einen Sportkollegen oder eine Sportkollegin, die von einem Kreuzbandriss oder anderen Knieverletzungen betroffen ist. Da Jugendliche meiner Meinung nach immer weniger fit sind, sollte man in der Ausbildung als Trainer auf das Thema Fitness und Athletik vermehrt Wert legen, um die Anzahl der Verletzungen zu reduzieren. In diversen Ausbildungen für Trainer wird wenig oder überhaupt kein Focus mehr auf die Themen „Biomechanik“ und Bewegungslehre gelegt. Jetzt denken Sie vielleicht, ist das denn wichtig? Haben Sie mal genau hingeschaut, wie sich Jugendliche bewegen? • Bewegt er/sie sich athletisch oder stolpert er/sie andauernd? • Rennt er/sie irgendwie komisch? • Fällt immer der Ball aus seinen/ihren Händen? • Wenn er/sie eine Stopp-Bewegung macht, macht er/sie dies dann mit X-Beinen? • Wie ist die Körperspannung? In den Ausbildungen geht es primär um Technik und Taktik. Alles gut und recht, aber wenn ein Jugendlicher sich a-motorisch bewegt, wird er sich technisch auch nicht optimal entwickeln können. Ich bin davon überzeugt, dass wenn der Trainer vermehrt ein Auge auf die Jugendlichen hat und er bei deren Bewegungsabläufen die notwendigen Korrekturen anbringt, dies auf das Verletzungsrisiko einen positiven Einfluss haben wird und es zudem grosse Vorteile für den sportlichen Werdegang dieses Sportlers hat. Ziel dieser Publikation Gerne möchte ich Ihnen mittels dieser Publikation aufzeigen, dass Sie als Trainer einen sehr wertvollen Beitrag dazu liefern können, die Reduzierung von Sportverletzungen zu unterstützen und dies mit dem Schwerpunkt Knieverletzungen. Pieter Keulen Emmenbrücke, 2015

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1.

Fitness und Athletik

Warum kommt es überhaupt zu Verletzungen im Sport? Meiner Meinung nach gibt es 3 Gründe, die zu Verletzungen führen können: •

Schlechte allgemeine Fitness Es gibt Verletzungen im Sport, die ohne gegnerische Einwirkung entstehen. Diese Verletzungen sind oft auf eine schlechte allgemeine Fitness der Sportler zurück zu führen. Insbesondere sieht man dies beim Handball, v.a. bei schnellen Vorwärts-bewegungen mit abruptem Richtungswechsel und Stopp-Bewegungen. Bei inadäquater Fitness kann es so schnell zu einer Band- und/oder Meniskus-Verletzung führen, da der Sportler unter dieser Belastung das Kniegelenk muskulär ungenügend stabilisieren kann.

Einfluss des Gegners Es kommt besonders im Handball regelmässig vor, dass der Sportler nach einem Sprungwurf bei der Landung vom Gegner einen Stoss bekommt. Die so entstandenen grossen Kräfte, meist mit Rotation und dem nach innen Wegknicken des Kniegelenkes (Valgus-Stress), werden muskulär nicht mehr optimal abgefangen und so kann dies für den Sportler ein erhebliches Knietrauma bedeuten.

Durch Pech Es kann gut sein, dass ein Sportler gut trainiert ist, kein Gegner in der Nähe ist und das Kreuzband trotzdem reisst oder eine andere Knieverletzung entsteht. Man denke z.B. nur mal an Skifahrer – sogar absolute Top-Skirennfahrer, die wirklich gut trainiert sind, laufen Gefahr sich eine Kreuzband-Verletzung zuzuziehen. Eine unerwartete Landung, der Ski bleibt kurz hängen, ein Sturz… Pech….

Die ersten 2 o.g. Faktoren lassen sich prima trainieren. Bei der allgemeinen Fitness können Sie sich bestimmt selbst ein Bild machen, wie dies aussehen könnte. Kraft, Explosivität, Schnelligkeit, Reaktionstraining sind hier die Fundamente, um optimal verletzungsprophylaktisch zu trainieren. Jedoch lässt sich auch der Pech-Faktor beeinflussen, in dem Sinne, dass der Sportler eine so gut wie mögliche mentale und körperliche Voraussetzung hat, seinen Sport zu treiben. Faktoren wie Fitness, gutes Material, Regeneration, Trainings-/Wettkampf-planung und mentale Stärke kann man auch hier beeinflussen, um den Pech-Faktor so viel wie möglich zu reduzieren.

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1.1

Unfallmechanismus

Ob Sie einen Unfall haben oder nicht, ist stark von Ihrem Reaktionsvermögen und der gesamten vorhandenen Athletik abhängig. Sobald Ihr Gehirn merkt, dass Sie stürzen, tritt ein automatischer Reflex auf, der dafür sorgt, dass Sie sich auffangen können und sich dadurch nicht verletzen. Am Besten stellen Sie sich das so vor, dass es im Körper überall Sensoren hat, die die unterschiedlichsten Informationen blitzschnell zum Gehirn weiterleiten. Das geht so schnell, dass es für uns nicht wahrnehmbar ist und es andauernd automatisch abläuft. Diese Sensoren, man nennt sie Proprio- und Golgisensoren, befinden sich in den Kapseln, Bändern, Sehnen usw. Zwischen diesen Propriozeptoren und dem zentralen Nervensystem findet also ein ständiger Abgleich von IST- und SOLL-Zustand statt. Kommt es durch neue Reize mittels Sportbewegungen zu Abweichungen, so ermöglichen die Propriozeptoren eine sehr schnelle reflexartige Reaktion der Muskulatur und des Bewegungsapparates um den gewünschten sicheren Zustand wieder herzustellen. Wir richten uns z.B. sofort wieder auf, wenn wir stolpern. Probieren Sie es doch gleich mal aus: Versuchen Sie, auf einem Bein zu stehen und die Balance zu halten! Mit dieser Übung haben einige Personen mehr Mühe als andere. Noch schwieriger wird es, wenn Sie die Augen schliessen (Abbildung). Jetzt bekommt Ihr Gehirn keine Rückmeldung mehr durch die Wahrnehmung der Augen. Wenn die Augen geschlossen sind, werden Ihre Sensoren noch mehr beansprucht und müssen extra hart arbeiten. Alle Nervenbahnen, die durch Ihren Körper laufen, geben dem Gehirn andauernd Informationen darüber weiter, was gerade passiert und wie der Körper darauf reagieren soll. Wenn zum Beispiel Gefahr droht, müssen Ihre Muskeln so schnell wie möglich reagieren, um einer möglichen Verletzung vorzubeugen. Aus einer Aktion entsteht also eine Reaktion; Aktion=Reaktions-Prinzip. Hochleistungssportler, die täglich trainieren, entwickeln im Laufe der Zeit ein sehr eng vernetztes und gut ausgebildetes Nervensystem mit vielen Sensoren und Nerven-bahnen. Sportler, die aber motorisch nicht so gut entwickelt sind, die ein schlechtes Reaktions-vermögen besitzen, die Mühe mit dem Antizipieren an Spielsituationen haben, müde oder unkonzentriert sind, weisen ein erheblich grösseres Verletzungsrisiko auf. Das ist einer der Gründe, warum Leistungssportler gewisse Bewegungsabläufe 1.001-Mal einstudieren. Damit wird gewährleistet, dass das Nervensystem sofort erkennt, was von ihm verlangt wird und der Körper auf die erfolgte Aktion immer adäquat reagiert. Man kann quasi beim Leistungs-Sportler von einer ADSL-Leitung und beim untrainierten Sportler von einem analog geschalteten Nervensystem sprechen. Schnelligkeit, Reaktionsvermögen, Koordination und weitere Faktoren lassen sich bis zum 25.-30. Lebensjahr sehr gut trainieren. Später wird ein solches Training erheblich schwieriger. Man kann also sagen, dass in der Jugend die Basis für fliessende, koordinative Abläufe gelegt wird, die dafür sorgen, Knieverletzungen – Verletzungsprophylaxe bei Jugendliche Sportler – Pieter Keulen©

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dass das Verletzungsrisiko verringert wird. Dies ist unter anderem einer der Hauptgründe, warum man bereits in der frühen Jugend beginnen sollte, die gesamte Athletik zu trainieren. Zu Beginn mit einfachen Trainingsformen, die dann im Verlauf der Jahre immer schwieriger und komplexer werden. Aus physiologischer Sicht bedeutet dies, dass die Sensoren und Nervenbahnen frühzeitig mit dem Ziel geschult werden, schwierige Situationen blitzschnell zu erkennen und adäquat darauf reagieren zu können, um das Risiko / die Gefahr einer Verletzung zu vermindern. 1.2

Kraft

Ausreichende Kraft und Kraftausdauer sind äusserst wichtige Faktoren, um sich über-haupt bewegen zu können. Die Kraft sorgt dafür, dass wir Gegenstände aufheben können, dass wir hochklettern können usw. Die Kraftausdauer sorgt dafür, dass wir aufrecht stehen können, ohne 30 Sekunden später völlig erschöpft zusammen zu brechen - Kraftausdauer benötigen wir also, um sich immer wiederholende Bewegungen über einen langen Zeitraum durchführen zu können. Kraft und Kraftausdauer sind aber auch die Basis dafür, dass wir schnell rennen können, dass wir bremsen können, dass wir Sprünge machen können, dass wir landen können, dass wir nach einem Sprung nicht zusammen brechen und dies alles während der gesamten Dauer eines Sportspiels. Beim jugendlichen Sportler sieht man bereits am gesamten Bewegungsverlauf, wie er/sie sich bewegt und steht, ob dies ein sich kräftig entwickelnder Jugendlicher ist oder nicht. Dafür braucht es in vielen Fällen gar keinen grossen Leistungstests. Wenn wir nun mal die Kraft in der Beinmuskulatur anschauen, sieht man bei einem weniger kräftigen Jugendlichen dass u.a. • der Koordinationsverlauf nicht optimal verläuft und dieser im Laufe eines Spiels immer schlechter wird, • dass der Jugendliche im Verlauf eines Spiels immer öfter stolpert, weil ein-fach die Kraftausdauer und/oder die koordinativen Fähigkeiten fehlen, • dass beim Bremsen nach einem Sprint die Knie nach innen wegknicken, • dass die Schnelligkeit und die Spritzigkeit im Verlauf eines Spiels nach-lassen, • dass die Sprungkraft nachlässt. Ein einfacher Test für Kraft und Stabilität Überkopf-Kniebeugen Ein guter Test für Jugendliche, um die gesamte Stabilität zu beobachten, ist der folgende Test: • Halte die Arme gestreckt oberhalb des Kopfes • Hände zusammen in Richtung Decke gerichtet • Führe eine mindestens 90 Kniebeugung durch.

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Was sollten Sie beobachten: • Bleiben die Arme gestreckt? • Zeigen die Arme in Richtung Decke? • Sind der Rücken, die Schultern und die Arme in einer Linie? • Behält der Jugendliche einen Hohlrücken? • Kann der Jugendliche mindestens 90° in die Hocke gehen? • Knicken die Knien nach innen zusammen? • Kann er diese Bewegungen nacheinander fliessend durchführen? Bemerkung Jugendliche, die Probleme mit der Kraft haben, werden diese Bewegungen nicht so wie beschrieben durchführen können. Sie werden ausweichen und von der idealen Bewegungslinie abweichen: Der Rücken wird krumm, die Hände bleiben nicht oben, sondern weichen nach vorne runter aus, sie haben Mühe tief in die Hocke zu gehen und die Knien „knicken“ nach innen zusammen (X-Beine). Diese einfache Übung können Sie bereits mit Jugendlichen ab 9 Jahren durchführen. Im Lauf der Jahre können Sie diese Übung mit einem Zusatzgewicht in den Händen intensivieren; anfangs noch ein Ball, später ein Medizinball und wenn Sie sehr gut trainiert sind, mit Lang- und/oder Kurzhanteln. Sie ist nicht nur eine sehr gut geeignete Übung, um die gesamte Kraft zu beurteilen, gleichzeitig bleibt dies eine hervorragende Übung für die gesamte Körperkraft und darf meiner Meinung nach in keinem Kraftübungsprogramm für Jung und Alt fehlen. Betreffend der Kraft war man früher immer der Meinung, dass Krafttraining schlecht ist, dass sich die Wachstumsfugen „schlecht“ entwickeln werden und dass das Krafttraining auch für die Knochen schädlich ist…. Unsinn sage ich - Krafttraining bei Jugendlichen ist nicht falsch. Das Problem ist, dass viele Trainer von Krafttraining bei Jugendlichen wenig Ahnung haben. Wenn Krafttraining jugendgerecht stattfindet, ist dies überhaupt kein Problem für die körperliche Entwicklung, ganz im Gegenteil.

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1.3

Stabilität

Wie gesagt, Kraft ist äusserst wichtig. Wenn der jugendliche Sportler aber keine gute Stabilität hat, erhöht sich die Chance auf Verletzungen. Eine ganz einfache Übung, um die Stabilität der Beine zu testen, ist diese:

Step up auf Kiste • Platziere ein Bein auf einer Kiste oder einem schwedischen Kasten; der Winkel im Kniegelenk sollte zwischen 90° und 110° sein, abhängig vom Niveau des Sportlers. • Steige einbeinig auf den Kasten hoch. • Das freie Bein „schwingt“ in eine 90°-Position. • Der Sportler steht während dieser Position stabil auf dem Kasten. Bemerkung Stehen Sie als Trainer vor Ihrem Sportler und beobachten Sie die Durchführung: Gut trainierte Sportler führen die Bewegung flüssig in einem Ablauf durch, ohne dass das Knie des Standbeins nach „innen knickt“. Dabei sollte man in der Endposition auf dem Kasten problemlos auf einem Bein stehen können, das „Schwungbein“ in 90° angewinkelt. Untrainierte Sportler haben erhebliche Mühe mit der Kombination zwischen Kraft und Stabilität; das Knie knickt nach innen weg und man hat in den meisten Fällen auch noch Mühe, die Balance zu halten.

Auch diese Übung können Sie individuell anpassen, in dem der Sportler in der End-position einen Medizinball oder eine Langhantel oberhalb des Kopfes hält oder auf den Schultern hochstemmt.

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1.4

Schnelligkeit

Schnelligkeit gehört zu den motorischen Grundeigenschaften und den konditionellen Fähigkeiten im Sport. Gemäss Trainingswissenschaftler Prof. Dr. Dietrich Martin (†1999) ist Schnelligkeit bei sportlichen Bewegungen die Fähigkeit auf einen Reiz bzw. auf ein Signal schnellstmöglich zu reagieren und Bewegungen auch gegen Widerstand mit höchster Geschwindigkeit durchzuführen. Unterschieden wird meist auch in Aktionsschnelligkeit und Reaktionsschnelligkeit: Aktionsschnelligkeit lässt sich am Besten durch Startschussübungen mit kurzem, schnellem Antritt trainieren. Reaktionsschnelligkeit ist die psycho-physische Fähigkeit auf Reize und Signale zu reagieren. Man versteht darunter die Zeit zwischen der Aufnahme des Reizes bis zur Bewegungsumsetzung. Quelle: habapix.ch

1.5

Koordination

Koordination ist das harmonische Zusammenwirken von Sinnesorganen, peripherem und zentralem Nervensystem (ZNS) sowie der Skelettmuskulatur. Sie soll bewirken, dass Impulse innerhalb eines Bewegungsablaufs zeitlich, stärke- und umfangmässig aufeinander abgestimmt die entsprechenden Muskeln erreichen. Quelle: sportunterricht.de Unter dem Begriff Unfallmechanismus auf Seite 2 habe ich bereits einiges zum Thema Koordination geschrieben: Man kann auch sagen, dass alle motorischen Grundeigenschaften, die wir haben, vollkommen aufeinander abgestimmt sein sollten. Je besser dies alles aufeinander abgestimmt ist, umso einfacher lässt sich die Verletzungsgefahr reduzieren. Koordinatives Training lässt sich zum Beispiel mittels Laufleiter, laufkoordinativem Training (Laufund Sprung-ABC) sowie diverser Lauf- und Sprint-Parcours sehr gut trainieren. In der Beilage habe ich für Sie einige Links platziert, in denen Sie nachschauen können, wie solche Trainings ablaufen.

2.

Anatomische Änderungen

2.1

X-Beine und Überbeweglichkeit

Ich habe bereits einige wissenswerte Dinge zu den grundmotorische Eigenschaften erklärt und welche Bedeutung diese haben. Es gibt jedoch noch etwas, was mir aufgefallen ist: Eine fast 100%ige Risikogefahr auf Knietraumas besteht für Jugendliche, meistens Mädchen, die ihre Kniegelenke überstrecken können (Hyperextension), kombiniert mit X-Beinen (Valgus-Stellung). Bei diesen Jugendlichen, wie bereits erwähnt sind es meistens Mädchen, sieht man eine allgemeine Laxität (Überbeweglichkeit) in allen Bändern/Gelenken am Körper; so können sie meist nicht nur ihre Kniegelenke überstrecken, auch die Ellenbogengelenke sowie die Finger sind betroffen.

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Die X-Beine können auf verschiedene Weise verursacht werden: • Auf Grund einer Fehlstellung der Füsse, u.a. Knick-Senkfuss. • Durch eine angeborene Schwäche des Bindegewebes. • Nach einer unbehandelten Rachitis; dabei härten die Knochen nicht richtig aus und verformen sich, da sie das Körpergewicht nicht vollständig tragen können. Die Kombination zwischen diesen Elementen, Überbeweglichkeit in den Kniegelenken, X-Beinen und zusätzlich noch einer schlechten Motorik ist wie ich bereits erwähnt habe eine Garantie für Knieverletzungen; insbesondere bei Stop&Go-Sportarten wie Handball, Squash, Badminton, Fussball, Hockey und weiteren. 2.2

Testing

Überbeweglichkeit Lassen Sie den Sportler im Langsitz auf dem Boden sitzen, fixieren Sie das Kniegelenk oberhalb der Kniescheibe auf dem Boden, umfassen Sie die Ferse und ziehen Sie den Fuss so nach oben. Man spricht von einer Hyperbeweglichkeit, wenn der Sportler einen grösseren Winkel als +10° in seinem Kniegelenk hat. Um es etwas einfacher zu sagen, die Ferse sollte nicht mehr als 7 bis 10 cm vom Boden weg sein, wenn man sie hochzieht.

X-Beinstellung Dies lässt sich sehr schnell erkennen, wenn der Jugendliche vor dem Trainer steht: So sehen Sie schnell, ob die Knie des Sportlers bei starken X-Beinen eine X-Form in den Beinen hat / Valgus-Stellung.

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X-Beine bei Bewegungen Sie sollten X-Beine nicht nur kurz wie wir nennen passiv untersuchen - Sie sollten Sie es auch unbedingt bei Bewegungen kontrollieren! Lassen Sie Ihren Sportler einen kurzen Sprint machen und anschliessend abrupt abbremsen. Bei praktisch allen Fällen von X-Beinen „knicken“ die Knie deutlich nach innen. Auch bei Niedersprüngen sehen Sie bei der Landung ganz klar, dass auch hier die Knien wiederum nach innen wegknicken.

2.3

Was nun ist zu tun, wenn Sie dies bemerken?

Je früher Sie diese Situation als Trainer erkennen, desto besser ist es! An der Überbeweglichkeit (Laxität) kann man nichts ändern, dies ist veranlagt. Aber an der X-BeinStellung kann man, wenn man bereits früh damit anfängt, einiges machen, u.a. mit Beinachsen-Training beim Physiotherapeuten, Fusstraining, allgemeiner Kräftigung usw… Wenn Sie dies als Trainer erkennen, nehmen Sie doch Rücksprache mit den Eltern der betroffenen Jugendlichen. Ärztliche Abklärungen und Massnahmen beim Physiotherapeuten sind hier dann angesagt. 2.4

Wie sollten Sie nun dies alles trainieren?

Sehr oft spreche ich mit Trainern, die sagen „Ich habe nur zwei Hallentrainings zur Verfügung; ich habe nicht die Zeit, dies auch noch zu trainieren!“ Das stimmt nicht ganz. Oft wenn ich beim Training zuschaue, fängt man an mit einer Spielsportart als Warming-up an, Handballer spielen z.B. gerne Basketball, Volleyballer spielen gerne Unihockey oder Fussball… Warum führen Sie in Ihrem Warming-up nicht athletische Übungen durch, die die grundmotorischen Eigenschaften trainieren und verbessern? Übungen mit der Laufleiter für Beinarbeit, Plank-/Brett-Übungen als Kräftigung, Stabilitätstraining für eine bessere Beinachse, kombinierter Schnelligkeitsparcours, Gleichgewichtstraining auf einer umgekehrten schwedischen Bank, spielerisches Sprungkrafttraining und so weiter sind sinnvoll…. Anstatt 15 Minuten eine Spielform durchzuführen, können Sie Ihr Training auch mit diesen Trainingsformen gestalten, z.B. als Warming-up. Sie können diese Übungen auch sehr gut in einem einfachen Athletikblock in Ihr normales Training integrieren; auch wenn es nur 5 Minuten dauert, haben Sie so eine sinnvolle und oft auch willkommene Abwechslung in Ihr Trainingsprogramm integriert.

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3.

Grundregeln

Athletik-Training können Sie bereits mit sehr jungen jugendlichen Sportlern beginnen, selbstverständlich soll es immer an die Möglichkeiten des betreffenden Kindes oder Jugendlichen angepasst sein. Gerne möchte ich Ihnen zwei Regeln zeigen, die wichtig sind, wenn Sie mit jugendlichen Sportlern arbeiten.

3.1

Regel 1

„Qualität vor Quantität"

Was damit gemeint ist, ist dass es immer um die Qualität der Übung geht. Es bringt nichts, wenn Ihre jugendlichen Sportler vom Training körperlich erschöpft sind und Sie sie danach mit dem Ziel optimale Stabilität zu trainieren noch 20 einbeinige Sprünge machen lassen…. Vielleicht müssen Sie grinsen, wenn ich dies so schreibe - ich kann Ihnen jedoch sagen, dass ich bereits schon einige solche Trainingsformen gesehen habe, worüber man nur den Kopf schütteln kann…. Wann sehen Sie, dass die Qualität nachlässt? • Die technische Ausführung der Übung wird bedeutend schlechter. • Der Sportler ist müde. • Die Schnelligkeit geht verloren. • Der Sportler kann Körper oder Gelenke nicht mehr muskulär stabilisieren. Erfahrene Trainer sehen sofort, wenn die Qualität nachlässt. Man sollte eine genügend lange Pause einlegen oder das Training beenden!

3.2

Regel 2 „Intensität vor Umfang“

Lieber halten Sie Ihre Trainingsübungen kurz und knackig, als dass das Interesse an der Übung verloren geht und zuletzt auch die Qualität nachlässt. Wenn Sie das Ziel haben, mittels eines Schnelligkeits-Parcours Schnelligkeit zu trainieren, macht es wenig Sinn, dies 20x zu wiederholen. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Jugendlichen nach einigen Serien total erschöpft, Ihre Übung hat dann nichts mehr mit Schnelligkeitstraining zu tun... Zusammengefasst - als Trainer beobachten Sie bitte folgendes! • Qualität kommt vor Quantität - ja, danke! • Sportler individuell belasten. Es kann sein, dass der eine Sportler besser ist, als der andere. Sorgen Sie dafür, dass keiner über- oder unterfordert wird. • Passen Sie die Übungen an, wenn Sie sehen, dass sie zu anspruchsvoll sind. • Machen Sie keinen „Übungsüberfall“ auf Ihre Sportler mit allen Übungen, die ich für Sie aufgeschrieben habe. Verteilen Sie diese Übungen über das Jahr oder Jahre, je nach Können und Entwicklung der Sportler.

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4.

Schlusswort

Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass es noch sehr Vieles betreffend Training zu erzählen gibt; das Erkennen von grundmotorischen Bewegungsfehlern, deren Korrektur, die entsprechenden Trainingsübungen und weiteres…. Es wäre toll, wenn ich Ihre Neugierde anregen konnte, um mehr zu diesem Thema zu erfahren. Mit Sicherheit gibt es eine Unmenge von Literatur und wissenswerten Infos im Internet. Jedoch möchte ich Sie als Trainer darauf hinweisen, dass die praktischen Beispiele für Ihre Anlässe in der Sporthalle oder auf dem Platz stattfinden. Deswegen ist es wichtig, kritisch zuzuschauen, insbesondere bei jugendliche Athleten. Durch Ihre „guten Augen“ und der Früherkennung von Bewegungsfehlern haben Sie die Möglichkeit frühzeitig zu intervenieren. Ihre Sportler werden Ihnen sehr dankbar sein!

Bemerkung Diese Publikation wird von einem Video begleitet, welches Sie auf unserem YouTube Kanal anschauen können Besuchen Sie dafür folgenden Link: www.youtube.com/mtcpieterkeulen

Ausserdem haben Sie die Möglichkeit, folgenden QR-Code zu scannen und dies auf Ihrem Handy oder Tablet anzuschauen!

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5.

Tipps

Weightlifting for Kids / Langhanteltraining mit Kindern: https://www.youtube.com/watch?v=3yfk3l9qoqQ Kinder lernen Krafttraining https://www.youtube.com/watch?v=cfQ0YTJ5vxU Sport Ruscher - Training: Lauf-ABC https://www.youtube.com/watch?v=lvzqT0ipWhk

10 Speed Ladder Drills - Übungen an der Koordinationsleiter https://www.youtube.com/watch?v=4yL0olx0jN4 TWP Zirkeltraining SSV Jahn Trainieren-wie-profis.de https://www.youtube.com/watch?v=USdBPzJSsGg&list=PLS4e7xZUte0SLEAXiVBUDjQipQ5Xznp Rv Lauftraining mit Hans Tanner https://www.youtube.com/watch?v=rNlw9z6lKAw Laufleiterübungen http://www.soccerdrills.de/pdf/koordi.pdf http://www.tvo.ch/unterricht/koo-leiter-uebungen.pdf Sportverletzungen – Stabilitätstraining für Knie und Beinachse https://www.youtube.com/watch?v=BzDVoGXR3X8 Sportverletzungen - Prävention Knieverletzungen, vorderes Kreuzband Knie und Meniskus https://www.youtube.com/watch?v=TDM9oc0BT5I Knietest – Return to Sports https://www.youtube.com/watch?v=60ROpDJch50 Lauf ABC http://www.unimuenster.de/imperia/md/content/sportwissenschaft/praxis/leichtathletik_lauf_abc_beschreibung.pdf http://www.sportsarganserland.ch/downloads/Lauf-ABC.pdf http://www.fssport.de/texte/ABCha.pdf

Sprung ABC http://www.blv-sport.de/fileadmin/lehrwesen/artikel/1120_Sprungkraft.pdf http://www.fssport.de/texte/LEBOABC1.PDF

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6.

Der Autor

Pieter Keulen, 1962, ist CEO des MTC (Medical Training Center) Pieter Keulen AG mit Sitz in Emmenbrücke und Hochdorf, Schweiz. Er hat in Heerenveen, Holland die 5jährige Ausbildung mit dem Abschluss an der Sportausbildung CIOS mit den Spezialgebieten Kraft- und Konditionstraining, Leichtathletik, Volleyball und Organisation von Sportevents abgeschlossen. Danach hat er in Groningen, Holland 4 Jahre Physiotherapie studiert. Nach dieser Ausbildung ist er 1992 in die Schweiz ausgewandert und hat mit diversen weiteren Fortbildungen an der „Internationalen Academy for Sportscience“ und dem „International Institute for Training“ ein grosses Know-How im Bereich Training und Rehabilitation aufgebaut. Erfahrung im Leistungssport hat er u.a. mit der Schweizer Nationalmannschaft Herren Volleyball, Schweizer Nationalmannschaft Frauen Hallenhockey, BTV Luzern NLA Frauen Volleyball, Spono Nottwil NLA Frauen Handball, K 1, Fussballschule Emmen, Martin Rominger Nr. 1 Golf Schweiz, Fabian Marti kantonaler Sieger Schwingfest 2014, Patrick Heuscher & Simone Kuhn Olympiateilnehmer London 2012 und diversen anderen Sportlern und Sportlerinnen gemacht. Regelmässig referiert er an sportmedizinischen Kongressen zum Thema Rehabilitation, Reha-Training und „return to sports“. 2013 hat er die Publikation „Rehabilitation beim vorderen Kreuzband“ und 2014 die Publikation „Bluthochdruck – Medikamente und Training“ erstellt. Sie können diese Beiträge kostenlos unter www.mtc.ch downloaden. Daneben schreibt er wöchentlich einen Blogbeitrag zu den verschiedensten Themen wie Fitness, Abnehmen, Fit am Arbeitsplatz, Gesundheit und Medizin unter www.mtc.ch/blog Ausserdem hat er diverse Videos im Bereich Fitness und Rehabilitation erstellt. Diese können Sie sich gerne unter www.youtube.com/mtcpieterkeulen anschauen.

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