Marien konkret Nr. 64

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er Hammer trifft nicht den Nagel sondern schnellt auf den Finger. Ein Moment später setzt der Schmerz ein. Als so genannter Schutzschmerz ist er ein Warnsignal und meldet dem Gehirn eine körperliche Störung. Anders verhält es sich beim chronischen Schmerz. Dieser hat sich von seiner ursprünglichen Funktion abgelöst und existiert selbstständig. In der MARIEN Akademie referierte Prof. Dr. Walter Zieglgänsberger, bekannter Schmerz-Forscher vom Max-Planck-Institut in München, über neue Erkenntnisse aus der Schmerzforschung. Vor über 150 Teilnehmern zeigte er auf, dass es eine Fülle von Ansätzen gibt, chronische Schmerzen zu durchbrechen. Der erste Schritt aus dem Schmerz könne dabei aus unterschiedlichen Richtungen erfolgen.

Lehrmeister Schmerz

nis zu überschreiben. Ohne die Mitarbeit des Patienten sei das jedoch nicht möglich. Er müsse selbst aktiv werden, wobei seine Wünsche und Vorlieben berücksichtigt werden. „Es macht zum Beispiel keinen Sinn, einem Opernfreund die Anschaffung eines Hundes zu empfehlen, damit er mehr spazieren geht. Man muss ihm vielmehr in Aussicht stellen, dass er wieder in die Oper gehen kann“, so der Schmerzforscher. Der Patient müsse also nichts Neues lernen, sondern nimmt wieder auf, was er schon immer gern gemacht hat. Statt ein Schmerztagebuch zu führen, sollte er aufschreiben, was er wieder kann, weil ihn das zusätzlich motiviere. Am Anfang bräuchte der Patient eventuell kurzfristig ein starkes Schmerzmittel, damit er den Opernbesuch auch genießen könne. Ziel der multimodalen Therapie sei jedoch, Medika„Früher wurden chronische Schmerzen in die mente zu reduzieren. Psychoecke gedrängt, heute wissen wir, dass es „Vor allem müssen wir die Patienten zu mehr im gesamten Nervensystem passiert.“ Aktivität und BeweA Prof. Dr. Walter Zieglgänsberger gung motivieren.“

Mit seinem 70-köpfigen Team forscht Prof. Dr. Walter Zieglgänsberger seit Jahren über die Entstehung von Schmerz und dessen Verarbeitung im Gehirn. „Akuter Schmerz ist im Prinzip ein guter Lehrmeister“, stellte er im Neuen Hörsaal des St. Marien-Krankenhauses Siegen fest. Doch wenn das Gehirn ein Schmerzgedächtnis ausbilde, verliere der Schmerz seine Funktion als Warnsignal. „Es gibt Möglichkeiten, diesen chronischen Schmerz wieder zu vergessen“, betonte der Schmerz-Forscher, „auch wenn dieser Weg sehr lang sein kann.“ Beim sogenannten Relearning werde dabei versucht, das Schmerzgedächt-

Nach dem Vortrag fand eine Diskussion unter Moderation von Prof. Dr. Werner Hering, Chefarzt der Anästhesie, und Dr. Regina Mansfeld-Nies statt. Zahlreiche Teilnehmer – darunter auch Menschen mit chronischen Schmerzen – nutzten die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Dass die ursprünglich geplante Veranstaltungszeit um über 1 ½ Stunden ausgedehnt wurde, zeigte die große Relevanz des für viele Menschen peinigenden Themas.

Geschäftsführer Hans-J. Winkelmann (rechts) überreicht Präsent

Moderatorin Dr. Regina Manfeld-Nies (links)

Viel Zeit für Fragen

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