Handwerk 14 1

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DIE JUNGEN SCHWEIZER MACHER: HANDWERK 2014 HANDWERK 1/2014 SONDERAUSGABE SWISSSKILLS BERN 2014


INHALTSVERZEICHNIS IMPRESSUM

2

MIRIAM

Holzhandwerkerin EFZ, Fachrichtung Drechslerei

4

CHRISTIAN

Holzhandwerker EFZ, Fachrichtung Weissküferei

6

JO ELIO

Küfer EFZ

8

CLAUDIA

Korb- und Flechtwerkgestalterin EFZ

10

PRISKA

Holzbildhauerin EFZ

12

IMPRESSUM

MARIE Geigenbauerin

14

Handwerk 1/2014

3

JACOB

Musikinstrumentenbauer EFZ, Fachrichtung Klavierbau

16

KILIAN

Musikinstrumentenbauer EFZ, Fachrichtung Blasinstrumentenreparatur

18

PAVEL

Musikinstrumentenbauer EFZ, Fachrichtung Orgelbau

20

2

EDITORIAL

Gesamtverantwortung: Christine Davatz, Daniela Christen

PHILIPP

Steinbildhauer EFZ

22

Redaktion: Daniela Christen, Adrian Knüsel

CÉLIA

Gewebegestalterin EFZ

24

Texte: Marianne Grossenbacher, Patrick Lucca, Corinne Remund

JANINE

Bekleidungsgestalterin EFZ, Schwerpunkt Pelzbekleidung

26

Bilder: André Albrecht, www.fotografie-albrecht.ch

ERICK

Fachmann Leder und Textil EFZ, Fachrichtung Feinlederwaren

28

Gestalterisches Konzept: Margret Omlin, Stans

MAURO

Fachmann Leder und Textil EFZ, Fachrichtung Fahrzeuge und Technik

30

REBECCA

Fachfrau Leder und Textil EFZ, Fachrichtung Pferdesport

32

RETO

Hufschmied EFZ

34

JOSHUA

Goldschmied EFZ

36

LAURA

Graveurin EFZ

38

GILLES

Büchsenmacher EFZ

40

JANA

Textiltechnologin EFZ, Fachrichtung Seil- und Hebetechnik

42

CEDRIC

Seilbahn-Mechatroniker EFZ

44

Herausgeber: Schweizerischer Gewerbeverband sgv CH-3001 Bern Kurszentrum Ballenberg CH-3858 Hofstetten Copyright: Schweizerischer Gewerbeverband sgv

Layout/Satz: Thomas Küng, Luzern Korrektorat: Daniela Christen Druck: Paul Büetiger AG, Biberist

Die Kraft im Hintergrund. Wir sind Partner des Kurszentrums Ballenberg. Weil das Handwerk stimmen muss. Überall und in jeder Branche.


Bild: Nina Mann, Zürich

HANDWERK MIT ZUKUNFT

merksam liest, der wird sowohl die soziale,

Wir sind stolz, Ihnen eine ganz andere

Es fällt mir derzeit sehr leicht, mein

wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung

Ausgabe von «Handwerk» vorlegen zu kön-

Gewerblerherz höher schlagen zu lassen.

des dualen Bildungssystems, als auch jene

nen.

2014 ist nämlich das Jahr der Berufsbil-

des traditionellen Kleinhandwerks für sich

dung, und vieles deutet darauf hin, dass

neu definieren müssen.

ihren umsichtigen Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern realisieren. Wir danken allen Beteiligten dieser Ausgabe: Marianne Grossenbacher, Patrick

Handwerk 1/14 ist das Resultat einer

Lucca und Corinne Remund für die Texte,

intensiven erfolgreichen Zusammenarbeit

André Albrecht für das wunderbare Bild-

dieser Anlass mehr bringt als schöne Phra-

Die Berufsbildung trägt dazu bei, dass

mehrerer Akteure – bei den Vorbereitungs-

material, Thomas Küng für die grafische

sen und allgemeine Schulterklopferei. Den

unsere Jugendlichen Werte wie Mut, Kre-

arbeiten von SwissSkills Bern 2014 war

Umsetzung und Christine Davatz vom sgv

grossen Höhepunkt stellen im September

ativität, Selbstdisziplin, Toleranz und Stolz

schon früh klar, dass auch die Kleinstbe-

und Daniela Christen, die die vorliegende

zweifellos die SwissSkills Bern 2014 dar,

kennenlernen und umsetzen. In diesem

rufe eine Stimme, ein Podium mit der ent-

Dokumentation realisiert haben. Auch den

die erste gemeinsame Schweizermeister-

Sinne ist sie unentbehrlich, weil sie für

sprechenden Exposition erhalten sollten.

Lernenden und ihren Ausbildnern danken

schaft der jungen Berufsleute. Bei aller

die Zukunft und den Wohlstand unseres

Freude über diesen spektakulären Anlass

Landes mitentscheidend ist.

Das Kurszentrum Ballenberg wurde

wir für die Zeit und Energie, die sie in-

2013 vom Bundesamt für Kultur (BAK)

vestiert haben. Ein besonderer Dank geht

in der Bundesstadt: für mich ist ebenso

beauftragt, die Datenbank der traditionel-

auch an das Bundesamt für Kultur, das

wichtig, dass auch das traditionelle Hand-

len Handwerke zu publizieren und zu er-

diese Publikation unterstützt.

werk nicht vergessen wird. Deshalb stehe

gänzen. So war es naheliegend, über den

Last but not least gilt unser Dank den

ich voll und ganz hinter dem Projekt «Tra-

Kontakt des Schweizerischen Gewerbever-

Vertreterinnen und Vertretern der Berufs-

ditionelles Handwerk mit Zukunft», das

bandes mit den Vertreterinnen und Ver-

verbände, die sich mit vielen unbezahlten

der sgv zusammen mit dem Eidgenössi-

Nationalrat Jean-François Rime

tretern der Kleinstverbände während einer

Stunden für die Anliegen ihres Berufstands

schen Hochschulinstitut für Berufsbildung

Präsident Schweizerischer

EHB IFFP IUFFP Tagung ins Gespräch zu

einsetzen und unermüdlich dafür kämp-

EHB IFFP IUFFP, dem Freilicht­ museum

Gewerbeverband sgv

kommen und eine nachhaltige Zusammen-

fen, dass diese Berufe auch in Zukunft

arbeit in die Wege zu leiten.

noch gelebt und gelernt werden können.

Ballenberg und dem Kurszentrum Ballenberg sowie den engagierten Berufsverbänden lanciert hat.

Im «Handwerk» lernen Sie junge Menschen kennen, die sich für das Handwerk

Wir wünschen erfolgreiche

In der Schweiz gibt es heute rund 220

entschieden haben. In der heutigen Zeit

SwissSkills Bern 2014.

Lehrberufe, viele davon mit besten Zu-

ein Handwerk zu erlernen, setzt eine eigen-

Herzlich

kunftsaussichten und entsprechend heiss

ständige und selbstbewusste Grundhal-

begehrt. Doch es gibt auch viele Tätigkei-

tung voraus – lesen Sie, was 21 angehende

ten, die auf den ersten Blick weniger «cool»

Berufsleute denken und hoffen.

sind, aber den Menschen, die sie erlernen,

Handwerkliche Intelligenz braucht

grosse Befriedigung bringen. Wer die 21

Trägerinnen und Träger, die Zukunft im

Adrian Knüsel

teils sehr ungewöhnlichen und faszinieren-

Handwerk sehen und diese gemeinsam mit

Leiter Kurszentrum Ballenberg

Handwerk 1/2014

den Geschichten in dieser Publikation auf-

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GESCHICHTEN AM RANDE DES SPEKTAKELS


E

s riecht nach frischem Holz in der Werkstatt der Drechslerei

Handwerk 1/2014

und meine «holzigen» Ideen verwirklichen»,

Genauso wichtig wie die Handfertigkeit

hängt in der Luft und überzieht als dünne Schicht Kehl-, Hobel-

seien bei dieser Tätigkeit das räumliche

und Fräsmaschine. Die unzähligen von der Decke herabhängen-

Vorstellungsvermögen und die Fingerfer-

den Schablonen und Sprossenmuster sind weitere Zeichen dafür,

tigkeit. «Ich habe einen zweidimensiona-

Jedoch nicht nur die Erfahrungen in

dass hier mit Massivholz gearbeitet wird. Konzentriert steht eine

len Plan und muss mir dann vorstellen,

der Praxis, sondern auch der theoretische

kleine, robuste Frau an der Drehbank. Mit geschmeidigen, siche-

wie das fertige Werkstück aussieht. Dies

Unterricht an der Berufsfachschule in

ren Bewegungen bearbeitet sie millimetergenau mit der Röhre

erfordert nicht nur ein ausgezeichnetes

Brienz machen einen wichtigen Teil ihrer

die Kante des rotierenden Werkstücks, so dass die Späne fliegen.

räumliches Vorstellungsvermögen, son-

Ausbildung aus: «Hier bekommen wir das

«Dies ist eine Gedulds- und Konzentrationsaufgabe. Ich muss 150

dern auch ein sensibles inneres Auge»,

Fachwissen vermittelt, das uns vom Heim-

Abdeckhütchen für ein Treppengeländer, sogenannte Rosetten,

betont die aus dem zürcherischen Rikon

werker unterscheidet. Auch der Austausch

drechseln, eine gute Routine-Übung», erklärt Miriam Foster.

stammende Lernende. Die grösste Her-

mit anderen Lernenden von verwandten

ausforderung sei, die Formen im Kopf mit

Berufen ist sehr wertvoll.» Ebenso berei-

den Händen umzusetzen. «Man muss viel

chernd seien die überbetrieblichen Kurse.

Holz ist das Element der jungen Frau, die hier ihre zweite

Gefühl für das Holz entwickeln. Am Anfang

Dort könne sie seltene Arbeitstechniken

Ausbildung als Drechslerin absolviert. «Ich habe schon eine

braucht es Geduld und Übung bis man

erlernen und sich ein fundiertes Know-

Schreinerlehre hinter mir, deshalb konnte ich gleich im zweiten

die Bewegung für die Drehung des Holzes

How aneignen.

Lehrjahr einsteigen.» Im Vergleich zum Schreiner-Metier, wo sie

intus hat. Diese Fertigkeit muss man sich

viel mit Holzwerkstoffen gearbeitet habe, könne sie hier mit Mas-

selbst beibringen, erfahren und ausloten.

sivholz, einem lebendigen Material arbeiten. «Das Arbeiten mit

Deshalb produziert man zuerst viel Brenn-

Ihr Berufsbildner Ruedi König freut

den Händen und die unmittelbare Nähe zum Werkmaterial sind

holz – aber hat man den Dreh einmal raus,

sich sehr über seine motivierte Lernende.

mir sehr wichtig. Als Drechslerin muss ich auf das Holz einge-

dann macht es richtig Spass», lacht die

«Solange es junge Leute gibt, die mit einer

hen, es fühlen, beurteilen und dann entsprechend verarbeiten

junge Holzhandwerkerin. «Diese typischen

solchen Leidenschaft und Passion diesen

können. Ich muss das Holz mit allen Sinnen wahrnehmen und

Drehbewegungen haben auch etwas sehr

Beruf erlernen, wird dieses Gewerbe nicht

das macht diesen Beruf so einzigartig und spannend», erklärt die

Meditatives an sich.»

aussterben. Gerade Frauen interessieren

LEBENDIGES HOLZ

4

EIN GEFÜHL FÜR DAS HOLZ

Bietenholz + Müller GmbH in Wil (SG). Feiner Holzstaub

27-Jährige ihre Leidenschaft für diese Arbeit.

HOLZHANDWERKERIN EFZ, FACH­ RICH­TUNG DRECHSLEREI – Wenn es darum geht Massivholz zu Einzelstücken oder Serienprodukten zu verarbeiten, dann sind Fingerfertigkeit, Geduld und Ausdauer der Drechslerin gefragt. Vom Bettpfosten für den Nachbarn bis zum Zubehör für die Medizinalindustrie in China – die Produktepalette ist breitgefächert.

MIRIAM:

so die junge Frau.

FUNDIERTES KNOW-HOW

BERUF MIT ZUKUNFT

sich sehr dafür.» Obwohl die Verarbeitung

KREATIVITÄT AUSLEBEN

von Massivholz im Sinne von Nachhaltig-

Ihr Beruf sei abwechslungsreich und

keit und «zurück zur Natur» im Trend liege,

spannend und biete immer wieder neue

müsse dieser Gedanke in der breiten Öf-

Herausforderungen. «Was aus Massiv-

fentlichkeit noch besser verankert sein, ist

holz hergestellt wird, egal ob Serien für

Miriam Foster überzeugt. «Es wäre wirk-

die Industrie oder individuelle Werkstücke

lich toll, wenn die Leute vermehrt Einblick

für den Privatkunden – alles wird bei uns

in unser schönes Handwerk erhalten. Mein

entworfen, geplant und produziert.» Span

Bruder zum Beispiel wusste nicht, welchen

um Span nimmt der Rohling allmählich

Beruf ich hier erlerne, da ist also schon

seine Form an und wird zum Endprodukt

noch etwas Aufklärungsarbeit nötig.»

verarbeitet: Tisch- und Stuhlbeine, Treppensprossen, Säulen und andere Innenausbauteile, Schalen, Schüsseln, Teller, Werkzeuggriffe, Kunstobjekte und vieles mehr. Gerade bei freien Arbeiten komme der kunsthandwerkliche Aspekt dieses Berufs besonders zum Ausdruck: «Da kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen

ICH MUSS DAS HOLZ MIT ALLEN SINNEN ERFASSEN.

Für Miriam Foster ist die unmittelbare Nähe zum Werkstoff Holz sehr wichtig.


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Ausgeprägtes Formengefühl - Gutes räumliches Vorstellungsvermögen - Zeichnerische Fähigkeiten - Exakte Arbeitsweise

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - Schulische Bildung an der Schule für Holzbildhauerei in Brienz/BE (4 Blöcke à 2 Wochen pro Lehrjahr) - Überbetriebliche Kurse zu verschiedenen Themen - Berufsmaturität bei guten schulischen

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Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Mit Hilfe des Berufs­bild­ ners Ruedi König erlernt Miriam Foster auch ­seltene Arbeitstechniken: «Man muss viel Gefühl für das Holz entwickeln.»


W

er den Laden der Weissküferei von Werner Stauffacher im

seinen letzten Lernenden ausgebildet hat.

sich eine gewisse Fingerfertigkeit aneig-

toggenburgischen Ennetbühl (SG) besucht, taucht ein in

Mit Christian Fust kommt wieder frischen

nen, um die runden Formen aus dem Holz

eine Oase jenseits von Hektik, Stress und Schnelllebigkeit. Hier

Wind in das Traditionsunternehmen. Der

herauszuholen», erklärt Christian Fust,

bestimmen handwerkliche Arbeit und die tiefe Verbundenheit

16-Jährige aus dem St. Gallischen Dreien

der im ersten Lehrjahr ist. Auch die feine

zur Natur, den Tieren, der Landwirtschaft sowie das Kulturgut

folgt mit der Wahl dieses traditionellen Be-

Schnitzarbeit gehöre zu seinem Job. «Beim

der Sennen und Bergler den Tagesrhythmus. Die mit viel Geduld

rufes dem Rat seines Grossvaters. «Er riet

Schnitzen und Verzieren der Gerätschaften

und Liebe zum Detail geschnitzten Gegenstände der Milchwirt-

mir, einen Beruf zu ergreifen, der einzigar-

mit natursymbolischen Ornamenten oder

schaft strahlen ein Stück «Heile Welt» aus: Die verzierten Sen-

tig ist und nicht oft ausgeübt wird. Da ich

Inschriften kann ich mich kreativ ausle-

nengeschirre wie Fahreimer, Butterfass, Buttermodel, Sauerfass,

gerne mit den Händen und mit Holz ar-

ben.»

Brente, Betruftrichter (Volle), Motteli, Melkstuhl, Tragreff und

beite und mein Vater meinen Lehrmeister

Nebst der Praxis gehört für Christan

Käsegeschirr dokumentieren die noch heute gelebte Tradition

gut kennt, war die Verbindung hergestellt

Fust auch die Theorie zu seiner Ausbil-

der Alpauf- und Alpabfahrt. Zu den traditionellen Gegenständen

und ich ging schnuppern», erinnert sich

dung. In der Berufsfachschule in Brienz

der Weissküferei, die noch immer die Wohnkultur in ländlichen

Christian Fust. Das Arbeiten mit Massiv-

kann er nicht nur sein Grundwissen auf-

Regionen bereichern, gehören zudem viele Ziergegenstände wie

holz habe ihm grossen Spass gemacht. «Es

bauen sowie spezielle Arbeitsgänge ver-

Schirmständer, Käse- und Fleischplatten, Blumenkistli, Wetter-

hat mir gleich den Ärmel reingenommen,

tiefen, sondern sich auch mit Klassen­

stationen, Schmuckkästli und vieles mehr.

das exakte, sorgfältige Arbeiten mit dem

kameraden der artverwandten Berufe

Schnitzmesser oder an der Drehbank ist

Holzhandwerker Fachrichtung Drechsle-

genau mein Ding», so der Ostschweizer.

rei, Holzbildhauer, Korb- und Flechtwerk-

«Das Handwerk des Weissküfers wird nicht mehr viel prakti-

«Es ist ein cooler Beruf, am Ende hat man

gestalter und Küfer austauschen. «So be-

ziert», betont Werner Stauffacher. Seit rund 30 Jahren führt er

einen wunderschönen Gegenstand in den

komme ich einen guten Gesamteinblick

zusammen mit seiner Frau Jolanda den Betrieb, einer der noch

Händen.»

über die verschiedenen Berufe des Holz-

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Handwerk 1/2014

EINZIGER LERNENDER IN DER SCHWEIZ

vier Lehrbetriebe in der Schweiz. Rund 20 Jahre ist es her, seit er

CHRISTIAN:

AM ENDE HAT MAN EINEN WUNDER­ SCHÖNEN GEGENSTAND IN DEN HÄNDEN.

HOLZHANDWERKER EFZ, FACHRICH­ TUNG WEISSKÜFEREI – Der Beruf des Weissküfers ist ein traditionelles altes Holz-Handwerk, das eng mit dem Brauchtum und Kulturgut der Sennen verbunden ist. Nach einer langen Pause gibt es in der Schweiz wieder einen Lernenden.

Handwerks.»

MIT DEM SENNENBRAUCHTUM VERKNÜPFT EIN NISCHENBERUF «Weissküfer stellen Gegenstände für

Werner Stauffacher freut sich, endlich

den vielfältigen Sennenalltag her. Dazu

wieder einem jungen Menschen die Kunst

verwenden wir einheimisches Holz wie

des Weissküfers beizubringen. «Wir sind

Ahorn und Fichte. Der Name «weiss»

auf junge Leute, die ausgebildet werden,

kommt vom hellen Holz und von der wei-

angewiesen. So können wir unser Know-

ssen Milch, die es zu verarbeiten gilt»,

How wie auch dieses Schweizer Kulturgut

erörtert Christian Fust die Geschichte

an die nächste Generation weitergeben.

dieses Kunsthandwerks. Seine Arbeit sei

Nur so kann dieser Beruf erhalten blei-

nicht nur spannend und abwechslungs-

ben.» Er sei überzeugt, dass der Weisskü-

reich, sondern habe auch viel mit dem

fer immer ein Nischenberuf bleiben werde.

noch gelebten Brauchtum der Sennen zu

«Dank unseren langlebigen Gegenständen

tun. Er fühle sich hier in der Werkstatt

und dem damit verbundenen Brauchtum,

wohl zwischen Hobelbank, Drehbank und

die den Bauern bis zum Bundesrat faszi-

Holzspänen. «Auch zwischenmenschlich

nieren, werden wir immer Kunden haben»,

stimmt für mich das Umfeld dieser Aus-

ist der passionierte Weissküfermeister

bildungsstätte.» Das Holz sei ein leben-

überzeugt.

diges, warmes Material, das sich gut anfühle. «Man muss ein Gespür für diesen Werkstoff entwickeln. Wenn ich beispielsweise einen Holzreif herstelle, dann muss ich beim Rundholz darauf achten, dass es beim Beugen nicht bricht. Oder man muss

Respekt vor dem Brauchtum: Christian Fust mit dem Weissküfer­meister Werner Stauffacher.


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Gutes Augenmass - Ausgeprägtes Formgefühl - Körperkraft - Zeichnerische Fähigkeit

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - Schulische Bildung an der Schule für Holzbildhauerei in Brienz/BE (4 Blöcke à 2 Wochen pro Lehrjahr) - Überbetriebliche Kurse zu verschiedenen Themen - Berufsmaturität bei guten schulischen

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Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Sorgfältiges Arbeiten mit dem Schnitzmesser ist sein Ding: Das Verzieren der Gerätschaften mit natursymbolischen Ornamenten ist eine kreative Tätigkeit.


JO ELIO:

chen werde. «Beim Abbrechen eines alten, morschen 3000-Liter Fasses müssen wir schnell, besonnen und sorgfältig agieren, damit wir nicht von einem Reifen oder vom

MANCHMAL ÜBERKOMMT MICH FAST EIN WENIG EIN MYSTISCHES GEFÜHL. KÜFER EFZ – Die Küferei ist eine Kombination aus schwerer körperlicher Arbeit und viel Fingerspitzengefühl. Dieses Handwerk wird noch in wenigen Küfereien in der Schweiz gepflegt und gefördert. Nach einer langen Pause wird wieder ein Lernender ausgebildet.

Handwerk 1/2014

werden.» Die theoretische Ausbildung in der Schule für Holzbildhauerei in Brienz gehöre auch zur dreijährigen Lehre. Doch er arbeite lieber im Betrieb mit den Händen oder gehe auf Kundenbesuch. «Als Küfer

zu Grossvaters Zeiten.» Handwerkliches

lernt man die ganze Schweiz kennen, das

Geschick und logisches Denken, gepaart

ist ein schöner Nebeneffekt dieses Berufes»,

mit Geduld und Ausdauer seien Voraus-

strahlt der angehende Berufsmann. Zur

setzungen für diesen Beruf. «Wir müs-

Sonnenseite dieses Handwerks gehören für

sen sowohl kräftig zupacken, aber auch

ihn des Weiteren die Weinbearbeitung und

gleichzeitig millimetergenau arbeiten kön-

die Weinpflege. «Ich freue mich darauf, in

nen», erklärt Jo Elio Wiesner. Die Arbeit

die Weintechnologie eingeführt zu werden.

sei abwechslungsreich und fasziniere ihn:

Das eröffnet mir für später tolle Perspekti-

«Am Anfang hat man das Gespür für die

ven. Ich kann beispielsweise auf der gan-

üfer ist mehr als ein Beruf, es ist eine Tradition, ein altes

einzelnen Handgriffe sowie für das Holz,

zen Welt in einem Weingut arbeiten.»

Schweizer Kulturgut. Ich möchte mithelfen, es weiter zu

das ein lebendiges Material ist, noch nicht

erhalten und zu fördern», erklärt Jo Elio Wiesner. Seit dem letzten

so. Doch das kommt mit der Routine».

August lernt der 16-Jährige das jahrhundertealte Handwerk in

Man entwickle schnell ein Gefühl dafür,

der Küferei Suppiger in Küssnacht am Rigi. Das Traditionsunter-

wie stark das Werkmaterial bearbeitet

Die Anzahl der Küfereien in der Schweiz

nehmen, das von Roland Suppiger in vierter Generation geführt

werden dürfe, dass beispielsweise keine

wird immer kleiner. «In der Schweiz gibt es

wird, ist der einzige Lehrbetrieb in der Schweiz. «Ich bin der siebte

Dellen entständen. Seine Arbeiten in der

gerade noch fünf Küfereien», stellt Jo Elio

Küferlehrling, der in den letzten 30 Jahren hier ausgebildet wird.»

Werkstatt sind unterschiedlich. Der junge

Wiesner fest. Dennoch sind er und sein

Jo Elio Wiesner, der aus dem luzernischen Escholzmatt stammt,

Luzerner wird im Küfereialltag voll mitein-

Chef überzeugt, dass dieser Berufsstand

ist bei Roland Suppiger in den besten Händen: Als kompetenter

bezogen, seien es Serienarbeiten wie das

nicht aussterben wird. Beide sind sich aber

Berufsbildner und Prüfungsexperte führt er mit viel Herzblut

Hineinbinden von Böden, das Fügen von

einig, dass ein Auftritt gegen Aussen sehr

und Liebe zum Detail dieses alte Handwerk erfolgreich aus und

Fassdauben oder detailreiche Kleinstar-

wichtig sei. «Wir müssen daran arbeiten,

lässt den Funken der Begeisterung auf seinen Lernenden über-

beit wie das Ausfeuern eines Barriques.

dass wir entsprechend mehr wahrgenom-

springen. «Er ist ein toller Chef, bescheiden, verständnisvoll und

«Die Nachfrage nach Holzfässern ist immer

men werden. Die Leute sollen realisieren,

mit beiden Füssen fest auf dem Boden. Zudem ist er ein Meister

noch gross. Wir stellen Eichenfässer von

dass erstens dieses traditionelle Handwerk

seines Faches. Wir betreiben hier dieses alte Kunsthandwerk mit

10 bis 17’000 Liter Inhalt her: Barriques

in der Schweiz noch betrieben wird und es

viel Weitsicht und Innovation, was uns auch nicht alltägliche

für Winzer, Metzgereien, Mostereien und

zweitens noch Lehrstellen hat.

Aufträge einbringt. Ich kann hier sehr viel lernen», betont der

Brennereien, Badewannen, Pools und Bot-

junge Entlebucher. Bereits nach zwei Tagen Schnuppern hätte

tiche für den Wellnessbereich sowie diverse

er gewusst: «Das ist es, dieses Handwerk will ich auch können.»

Geschenkartikel», so Jo Elio Wiesner.

ARBEIT WIE ZU GROSSVATERS ZEITEN

AUF DER GANZEN WELT ARBEITEN

K

8

auseinanderbrechenden Holz erschlagen

Zwischen Hauer, Setzer, Messer, Knospenhacke, Zugeisen, Amboss, Hobel, frisch verarbeitetem Holz und gehobelten Spä-

Besonders schätzt er Kundenbesu-

nen fühlt sich der junge Mann wohl. «Manchmal überkommt

che im Wallis oder im Jura. Es sei immer

mich fast ein wenig ein mystisches Gefühl. Es ist toll, einen der

ein besonderes Erlebnis, wenn bei einem

ältesten Berufe der Welt zu erlernen. Die Arbeit ist dieselbe wie

Winzer ein Fass aufgestellt oder abgebro-

AKTIVER AUFTRITT GEGEN AUSSEN

Jo Elio Wiesner muss sowohl kräftig zupacken als auch millimetergenau arbeiten.


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Räumliches Vorstellungsvermögen - Robuste Gesundheit und Körperkraft - Sinn für saubere und exakte Arbeit - Hygienebewusstsein

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - Schulische Bildung an der Schule für Holzbildhauerei in Brienz/BE (4 Blöcke à 2 Wochen pro Lehrjahr) - Überbetriebliche Kurse zu verschiedenen Themen - Berufsmaturität bei guten schulischen

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Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Bereits im ersten Lehrjahr bekommt Jo Elio einen umfassenden Einblick in die Arbeiten der Küferei, wobei ihm sein Berufsbildner Roland Suppiger tatkräftig zur Seite steht. Eine Hilfe ist ihm auch Stefan Sodota, der als gelernter Schreiner eine Zweitlehre als Küfer macht.


C

laudia Maag absolvierte in den 1990-er Jahren eine Lehre

Erkenntnisse und Erfahrungen umsetzen:

Lehre als Korb- und Flechtwerkgestalterin

als Malerin und arbeitete einige Jahre auf diesem Beruf.

sie schuf einen zusammenklappbaren Ve-

und den dazu nötigen Lehrgängen auftun.

Durch ihr Hobby, den Bienen, machte die Zürcherunterländerin

lokorb aus geschälten Weiden und eine

Diese Ausbildung kann erstaunlich viele

in einem Imker-Kurs Bekanntschaft mit historischen Aufnahmen

dazu passende Tasche aus geflochtenen

weitere Türen öffnen.»

schöner alter Bienenkörbe, die geflochten wurden. Die Kreativität

Lederstreifen.

und Vielfalt des Flechtens weckten ihr Interesse.

nur sehr wenige Korb- und Flechtwerk-

VIELE BERUFSFELDER

Handwerk 1/2014

DREI AUSBILDUNGSSTÄTTEN

10

Anzufügen bleibt, dass gegenwärtig gestalter/innen ausgebildet werden. 2012

Claudia Maag schliesst in diesem Som-

und 2013 gab es keine Lehrabschlüsse.

Durch eine Anfrage bei der IGK SCHWEIZ (Interessengemein-

mer ihre dreijährige Lehre ab. Wie soll es

Dieses Jahr werden neben Claudia Maag

schaft Korbflechterei) fand Claudia Maag heraus, dass Grund-

weitergehen? «Eigentlich gibt es viele Mög-

zwei weitere Lernende zur Abschlussprü-

ausbildungen zur Korb- und Flechtwerkgestalterin an drei Orten

lichkeiten, Selbstständigkeit ist nur eine

fung antreten.

angeboten werden: In den Blindenheimen von Basel und Horw

davon. Dazu braucht es Mut, viel Energie

LU sowie im Wohn- und Arbeitsheim Wangen bei Dübendorf. Sie

und auch ein gutes finanzielles Polster.»

hatte Glück: Nach erfolgreichen Schnuppertagen wurde sie im

Stellen in der Werkstatt eines freiberufli-

für sie verkehrsgünstig gelegenen Wangen als Lernende ange-

chen Korb- und Flechtwerkgestalters gebe

Geflochtenes ist aktuell, vor allem weil

nommen.

es zurzeit nicht, weil es meistens Einmann-

Naturmaterialien wie Weide, Binse, Rat-

MASSARBEIT WIRD HONORIERT

Die 1928 als Blindenheim gegründete Institution bietet heute

betriebe seien. Eine weitere Variante seien

tan und diverse Schnüre im Trend sind.

erwachsenen Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung

Behindertenwerkstätten wie der Lehrbe-

Gefragt sind aber auch Antiquitäten, es

35 betreute Wohnplätze und 41 geschützte Arbeitsplätze an.

trieb in Wangen. Auch eine agogische oder

sind beliebte Objekte, die zurzeit eine

Neben der Korb- und Stuhlflechterei wird auch eine Bürsten-

eine ergotherapeutische Weiterbildung wä-

­Renaissance erleben. Allerdings: Billigpro-

und Besenbinderei betrieben; zudem besteht eine Abteilung für

ren denkbar. «Möbeldesign, Innenarchitek-

dukte aus Osteuropa und China machen

Industriearbeit. Die Flechterei befasst sich nicht nur mit Repa-

tur oder Gartenbau sind weitere Berufs-

der hiesigen Branche schwer zu schaffen.

raturen, sondern stellt selbst Massanfertigungen nach Kunden-

felder, die sich mit einer abgeschlossenen

Claudia Maag lässt sich jedoch nicht ent-

wünschen her. Dies sind neben Körben etwa Sichtschutzwände

mutigen: «Wer etwas Spezielles und Mass-

oder Deko-Artikel. «Diese breite Palette ist eine gute Basis für eine

Von ihrem Zweitberuf kann die 39-Jäh-

geschneidertes in sauber gearbeiteter und

umfassende Ausbildung», hält Claudia Maag fest. Sie habe im

rige nur schwärmen: «Schon bald stellte

solider Ausführung wünscht, der findet

langjährigen Werkstattleiter Fred Hunger zudem einen fachlich

ich fest, dass es unendlich viele Möglich-

den Weg zu einer Korb- und Flechtwerk-

bestens ausgewiesenen Lehrmeister gefunden.

keiten zum Flechten gibt, sei es durch

gestalterin.» Die angehende Fachfrau ist

Formen, Materialien oder Techniken. Es

überzeugt, dass ihr Beruf nicht ausstirbt.

entstand und entsteht fortlaufend Neues,

«Es wird immer Leute geben, die sich für

und es gibt für mich Raum, einen eigenen

das vielfältige und anspruchsvolle Hand-

Stil zu entwickeln. Es ist toll, ein derart ur-

werk begeistern.»

KORB- UND FLECHTWERKGESTALTE­ RIN EFZ – Seit mehr als 10’000 Jahren stellen die Menschen Körbe, Matten und Käfige her. Auch heute ist dieser Beruf als traditionelles Handwerk mit vielen gestalterischen Möglichkeiten noch attraktiv.

sprüngliches Handwerk zu erlernen. Mich faszinieren vor allem die Arbeit mit dem Naturprodukt Weide und die Vielseitigkeit des Handwerklichen.» In ihrer Projektarbeit zum Lehrabschluss konnte sie ihre

CLAUDIA: ”

DIESE AUSBILDUNG KANN VIELE WEITERE TÜREN ÖFFNEN.

Claudia Maag fasziniert an ihrer Zweitausbildung die Vielfalt der Materialien, Formen und Techniken.


WAS BRAUCHT ES? - Abgeschlossene Volksschule - Handwerkliches Geschick - Freude mit Naturmaterialien zu arbeiten - Kreativität - Sinn für saubere und exakte Arbeit

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - Schulische Bildung an der Schule für Holzbildhauerei in Brienz/BE (4 Blöcke à 2 Wochen pro Lehrjahr) - Überbetriebliche Kurse zu verschiedenen Themen - Berufsmaturität bei guten schulischen

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Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

In der Werkstatt des Wohn- und Arbeitsheims Wangen werden nicht nur Reparaturen erledigt, sondern auch Massanfertigungen nach Kundenwünschen hergestellt. Berufsbildner Fred Hunger steht seiner kreativen Lernenden zur Seite.


Kunst. Diese Arbeit braucht Geduld, Aus-

– ihr Vater ist Zimmermann und ihr Bru-

dauer und Mut um einen zügigen Schnitt

der macht eine Schreinerlehre. «Da war es

auszuführen», erklärt Priska Bieri. Dafür,

naheliegend, dass ich mich beruflich auch

dass sie im ersten Lehrjahr erst am Anfang

mit diesem wunderbaren lebendigen Ma-

ihrer vierjährigen Ausbildung steht, hat sie

terial beschäftige», meint Priska Bieri mit

schon viel Routine und führt Hohleisen,

einem Augenzwinkern.

Schnitzmesser, Holzraspeln, Feilen und Ziehklingen mit sicherer Hand. Zügige wie

EIGENE HANDSCHRIFT

auch schöne glatte Schnitte, aber auch der

«Dieses Handwerk ist sehr vielseitig

dreidimensionale Blick und eine geschulte

und ich kann meine Leidenschaft für das

Vorstellungskraft seien die grössten He-

Werkmaterial Holz sowie meine Kreativi-

rausforderungen beim Schnitzen, so die

tät voll ausleben und mich verwirklichen.»

16-Jährige.

Vier bis fünf Stunden pro Tag sei sie am

LEBENDIGES MATERIAL

Schnitzen. Aber auch Zeichnen, Entwer-

12

Handwerk 1/2014

HOLZBILDHAUERIN EFZ – In diesem Metier vereinen sich Idee, Material und Technik zu einem Kunstwerk. Handwerkliches Geschick, gestalterische Fähigkeiten sowie viel Geduld und Fingerspitzengefühl sind Voraussetzungen für diesen Beruf, der mittlerweile von sehr vielen Frauen ausgeübt wird.

PRISKA: ES BRAUCHT VIEL GEDULD, AUSDAUER UND MUT UM EINEN ZÜGIGEN SCHNITT AUSZUFÜHREN.

D

ie zierliche junge Frau steht an der Werkbank, in der ein Holzstück mit

«Ich kann mein Modell noch nicht im-

fen, Modellieren, Lackieren und Beizen der

dem groben Umriss eines Esels einge-

mer so umsetzen, wie ich das gerne tun

Oberflächen sowie das Arbeiten mit der

spannt ist. Mit dem Schlegel, einem zylin-

würde. Aber auch hier gilt: Übung macht

Motorsäge, um sogenannte Stammfiguren

drischen Holzhammer, schlägt sie auf das

die Meisterin.» Wenn sie die fertigen Kunst-

direkt aus dem Holz zu sägen, gehörten

Heft des Schnitzeisens. Mit jedem Arbeits-

objekte ihrer Kolleginnen und Kollegen

zu ihrer Tätigkeit im Bildhaueratelier des

schritt werden die Konturen klarer und die

sehe, bleibe ihr immer noch oft der Mund

über 100-jährigen Traditionsunterneh-

verwendeten Bildhauereisen feiner. Kraft-

offen vor Bewunderung. «Ich will das un-

mens der Familie Huggler in Brienz. Für

voll und dennoch mit Gefühl stösst sie mit

bedingt auch so perfekt hinkriegen», hat

Priska Bieri ist es immer wieder faszinie-

dem Handballen gegen das Schnitzeisen

sich die junge Berner Oberländerin zum

rend, wie aus einem Stück Holz ein Ob-

und schneidet Span um Span weg, bis die

Ziel gesetzt. Sie wollte immer schon einen

jekt entsteht. «Jedes Stück Holz hat eine

gewünschte Form und Wirkung erreicht

Beruf ergreifen, der handwerkliche wie

Geschichte, die man lesen kann.» Von der

ist. «Ich lerne hier viel über die Anatomie

auch künstlerische Elemente beinhalte.

ersten Skizze bis zum Endprodukt sei es

der Tiere, den Aufbau des Holzes sowie die

Sie stamme aus einer «hölzigen» Familie

oft ein langer und steiniger Weg.


«Die Idee auf dem Papier ist nicht im-

der gefragt und zeige wie geschätzt dieses

WAS BRAUCHT ES?

WIE LÄUFT ES?

mer so realisierbar wie der Kunde das

Kunsthandwerk heute noch sei. «Unser

- Sinn für Gestaltung,

- 4 Jahre Grundbildung

gerne hätte. Oft müssen wir zuerst sorg-

Beruf wird immer mehr im künstlerischen

fältig prüfen, wie die Idee umgesetzt wer-

Bereich angeordnet. In den Köpfen der

- Gute Beobachtungsgabe

Schule für Holzbildhauerei

den kann. Dazu wird das Objekt modelliert

jungen Leute ist es leider nicht so prä-

- Zeichnerische Begabung

in Brienz/BE (4 Blöcke à

und grob ausgerüstet, natürlich unter Be-

sent, dass hier eine Lehre existiert», stellt

- Gute körperliche

rücksichtigung der optimalsten Position»,

die angehende Holzbildhauerin fest und

erklärt die junge Frau. «Manchmal müs-

ergänzt: «Die Jungen sollten mehr für die-

sen wir halt auch etwas ausprobieren und

ses schöne Kunsthandwerk sensibilisiert

- Berufsmaturität bei

experimentieren, bis wir eine machbare

werden, aber dafür müsste man den Beruf

guten schulischen

Lösung gefunden haben. Aber das ist ein

des Holzbildhauers im BIZ auch unter der

Leistungen möglich

spannender Prozess nach dem Motto: der

Rubrik Handwerk finden.» Viele Holzbild-

Weg ist das Ziel». Meistens werde mit dem

hauereien arbeiteten in Einmannbetrieben

gut bearbeitbaren Linden- oder Eichenholz

und es gebe nicht so viele Stellen. Doch da-

gearbeitet. «Ich lerne hier viel über die ein-

rüber zerbricht sich Priska Bieri nicht den

zelnen Schnitztechniken, jeder Holzbild-

Kopf, denn sie hat klare Zukunftspläne:

hauer hat seine eigene Handschrift.»

«Ich möchte danach noch eine zweite Lehre

Formen und Proportionen

Konstitution

2 Wochen pro Lehrjahr) - Überbetriebliche Kurse zu verschiedenen Themen

13

Handwerk 1/2014

- Selbstständigkeit

- Schulische Bildung an der

als Schreinerin absolvieren, dann bin ich

SCHNITZEN FÜR DIE GANZE WELT

optimal ausgebildet und kann beide Berufe kombinieren.»

Die Aufträge seien genauso breitgefächert wie die Arbeit selbst. «Wir schnitzen Figuren für Privatkunden und Touristen aus der ganzen Welt von China bis Amerika. Aber auch die öffentliche Hand bestellt bei uns Figuren», so Priska Bieri. Das Schnitzen von Möbeln, Reliefs, Schriften und Hausdekorierungen sei immer wie-

Priska Bieri strebt nach Perfektion und einer eigenen Handschrift, die auch ihr Berufs­ bildner Markus Flück als ein «Muss» erachtet.


GEIGENBAUERIN – Nicht zuletzt wegen der Ausbildungsstätte in Brienz gibt es in der Schweiz qualitativ hochstehende Streichinstrumente. Die Berner Oberländer «Meisterwerkstätte» ist in ihrer Art einzigartig.

MARIE:

liche Objekte, sondern um Instrumente

Streichinstrumentenbauern wie Stradivari

handle, gerade den Reiz ausmache. «Eine

und Amati, sondern auch bei Malern und

Geige ist eben kein Schrank! Jede tönt an-

Bildhauern wie Tizian und Bernini. An

ders, weil jeder Geigenbauer immer anders

diesem Ausbildungsmodell orientieren wir

vorgeht.» Freude hat die zierliche junge

uns weitgehend.» Die extrem konzentrierte

Frau inzwischen auch am wöchentlichen

Ausbildung hoch motivierter Schüler sei

– obligatorischen – Geigenunterricht sowie

zweifellos für das Ansehen mitverantwort-

an der Theorie (etwa 20 Prozent des Pen-

lich, das die 1944 gegründete Institution

sums). Noch mehr Spass werde sie jedoch

im In- und Ausland heute geniesse.

erst haben, wenn sie die deutsche Sprache noch besser beherrsche. «Immerhin

Die Tätigkeiten beschränken sich na-

dank der Wohngemeinschaft, in der ich im

türlich nicht auf Violinen, sondern umfas-

Dorf mit zwei Kolleginnen lebe.» Marie hat

sen alle Streichinstrumente wie Bratschen,

MIT EINEM STARKEN WILLEN LÄSST SICH ALLES LERNEN.

14

Handwerk 1/2014

A

DIE BRANCHE HAT ZUKUNFT

habe ich schon viel gelernt, nicht zuletzt

Celli und Kontrabässe. Da der Neubau von Instrumenten immer mehr zurückgeht, wird vermehrt das Augenmerk auf Wartung, Reparatur und Restaurierung gelegt; in Brienz werden entsprechende

m Anfang stand der pure Zufall: Hätte Marie Rossier am

keine Wahl, denn in der Westschweiz gibt

Modulkurse für Aussenstehende als se-

Musikfestival in Sitten 2011 den Vortrag von Amnon Wein-

es keine derartige Einrichtung. Es besteht

parate Weiterbildungen angeboten. Stets

stein verpasst, würde sie heute wohl an der Universität fleissig

aber die Möglichkeit, die praktische Aus-

wichtiger werde zudem die Pflege der Kun-

Punkte für den Bachelor sammeln. Doch die Ausführungen des

bildung in einem Privatbetrieb bzw. Ate-

denbeziehungen, zumal Verkauf und Ver-

bekannten israelischen Geigenbauers über Violinen, die in den

lier und den schulischen Teil in Brienz zu

mietung an Bedeutung gewinnen. «Wenn

Konzentrationslagern und Gettos gespielt wurden, faszinierten

absolvieren.

die Branche sich laufend an die veränder-

sie so, dass sie eine Ausbildung als Geigenbauerin dem Studium vorzog. Die Aussichten standen zwar für die Maturantin, die zu-

ten Bedürfnisse anpasst, wird sie keine

BERUFUNG STATT BERUF

Existenzprobleme haben», ist Hans Rudolf

vor nie Geige (sondern Blockflöte) gespielt hatte, eher schlecht.

Wer die in einem verwinkelten Brien-

Klassische Lehrstellen gibt es nur sehr wenige, und die Alterna-

zer Chalet untergebrachte Vollzeit-Berufs-

Hösli zuversichtlich. Marie Rossier teilt den Optimismus ih-

tive, die Geigenbauschule Brienz, ist für ihre strengen Aufnah-

fachschule besucht, ist kein gewöhnlicher

res Ausbildners. Sie setzt voll auf diesen

meprüfungen bekannt. Da werden die Interessenten während

Lernender. Das merkt man spätestens am

Beruf und möchte daher «irgendwann viel

zwei Tagen sorgfältig durchleuchtet und geprüft, es werden auch

Abend oder am Wochenende, wenn man

später» ein eigenes kleines Atelier eröff-

ihre Sozialkompetenzen getestet. Doch die Unterwalliserin aus

in die grossräumige Werkstatt reinschaut

nen. Und, so fügt sie schmunzelnd hinzu,

Grône war erfolgreich. «Ich habe einen harten Kopf, was ich mir

und nicht selten mehrere Schüler antrifft.

vielleicht einmal eine so gute Geige bauen

vornehme, will ich auch durchziehen», sagt die 20-Jährige, die

«Unsere Leute sind mit enorm viel Engage-

können, dass man später von einer «echten

nach anderthalb Lehrjahren ihren Entschluss auf keinen Fall

ment bei der Sache», betont der langjährige

Rossieri» spricht ...

bereut. «Ich habe den absoluten Wunschberuf, der mich ausfüllt

Schulleiter Hans Rudolf Hösli, «sie sehen

und herausfordert.»

ihren Beruf vielmehr als eine Berufung an.» Der Geigenbau – «auf der Schnittstelle

JEDE GEIGE TÖNT ANDERS

von Physik, Musik, Handwerk und Gestal-

Man könne alles lernen, es brauche «nur einen starken Willen

tung» – übe eben eine besondere Faszina-

und viel Selbstdisziplin», ist Marie Rossier überzeugt. Sie komme

tion aus. Der Fachlehrer erachtet auch die

auch ohne eine ausgeprägte handwerkliche Begabung ans Ziel,

einzigartige Form der Schule als besonde-

und müsse sich manchmal halt mehr Mühe geben und besser

ren Anreiz. «In früheren Zeiten waren die

konzentrieren als ihre Mitschüler. Aber die Arbeit mit Holz sei

Lehren in ‹Meisterwerkstätten› das Übli-

grossartig, wobei die Tatsache, dass es sich nicht um gewöhn-

che. Es gab sie nicht nur bei den besten

Für sie ist die Grundbildung an der Geigenbauschule eine Herzensangelegenheit: Marie Rossier hat ihren Wunschberuf gefunden.


WAS BRAUCHT ES? – Handwerkliches Geschick – Exakte Arbeitsweise – Räumliches Vorstellungsvermögen – Musikalität – Geduld und Ausdauer – Gute Umgangsformen

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung an der Geigenbauschule Brienz oder in einem Atelier - Allgemeinbildung an der regionalen Berufsfachschule - Berufskunde als Blockunterreicht in Brienz - Berufsmaturität bei guten schulischen

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- Meisterprüfung möglich

Handwerk 1/2014

Leistungen möglich - Musikunterricht von Profis

Bis der Himmel voller Geigen hängt, braucht es viel Engagement und Können. Hans Rudolf Hösli, der Leiter der Meisterwerkstätten, legt grossen Wert auf Qualität.


E

twas fällt sofort auf, wenn man in der grossen Pianowerk-

insgesamt sieben Klavier-Werkstätten ver-

beit, bei der man sieht, was man gemacht

statt von Musik Hug im zürcherischen Bülach steht: die

teilt über das ganze Land. «Ja, wir haben

hat.» Nebst dem Regulieren und Justieren

anwesenden Mitarbeitenden grüssen freundlich – und mehrheit-

fast eine Art Monopol bei der Ausbildung

der Mechanik müssen Klavierbauer auch

lich in reinem Hochdeutsch. Darauf angesprochen bringt Rainer

von Klavierbauern», bestätigt Rainer Matz.

kleine Schreinerarbeiten beherrschen –

Matz, der aus dem norddeutschen Kiel stammende Werkstattleiter

«Darauf sind wir nicht stolz; es ist schade,

und natürlich das berühmte Stimmen des

und Ausbildner, es gleich auf den Punkt: «Die Schweiz hat einen

dass es nicht mehr Lehrstellen gibt.» So

Instruments.

grösseren Bedarf an Klavierbauern, als hier ausgebildet werden.»

muss auch er jedes Jahr mehreren inte-

In Deutschland mit seiner Klavierindustrie bilde man hingegen

ressierten Schulabgängern eine Absage

in grossem Ausmass aus und habe daher einen Überschuss an

erteilen.

Fachkräften, die sich dann gerne Richtung Schweiz orientierten.

JACOB: Handwerk 1/2014 16

Das Klavierstimmen (früher ein eigenständiger Beruf) ist heute voll in die

HANDWERK VOR MUSIKALITÄT

Klavierbauerausbildung integriert und ein

Als langjähriger Berufsbildner umreisst

wichtiger Bestandteil. «Ziel wäre es», so

Matz die Kriterien für einen zukünftigen

Rainer Matz, «dass man einen Lernenden im vierten Jahr alleine zum Stimmen zur

ICH WOLLTE SCHON IMMER ETWAS BESONDERES MACHEN. MUSIKINSTRUMENTENBAUER EFZ, FACHRICHTUNG KLAVIERBAU – Pianos sind immer noch das Hausmusikinstrument Nummer eins und werden oft als «tönendes Mobiliar» wahrgenommen. Doch für ihr hoch kompliziertes Innenleben braucht es gut ausgebildete Spezialisten.

FAKTOR «FEUER FANGEN»

Kundschaft losschicken kann. Doch das ist eine Frage der Belastbarkeit.» Denn das Stimmen sei sowohl von der Körperhaltung als auch vom Gehör und der Konzentration her eine intensive Belastung. Wer es als Klavierbauer mechanisch

Lernenden: «Wir schauen nicht primär auf

und akustisch nach Jahren – Matz: «Es

die Schulnoten, sondern auf das Verhalten

braucht mindestens zehn» – an die berufli-

und Auftreten während des Schnupperns.»

che Spitze gebracht hat, kann als Konzert-

In erster Linie ausschlaggebend sei der Zu-

techniker den Sprung auf die Bühnen der

gang zum Handwerklichen, erst danach

grossen Virtuosen wagen. Möchte Jacob

folgten das Hören und die Töne.

Ullrich denn nicht mal einen Weltklasse-

Für den Laien ist ein Piano einfach ein

pianisten betreuen? «Vielleicht ein einzi-

Instrument mit Tasten. Ähnlich sah es

ges Mal, um eine Erfahrung zu machen;

früher auch Jacob Ullrich: «Ich habe das

aber ich denke, die Aufgaben in der Werk-

Klavier mehr oder weniger als Möbelstück

statt sind viel schöner.» Doch sein Lehr-

gesehen und gar nicht gewusst, was da

meister Matz weiss, dass dabei der Faktor

In diesem Umfeld fällt auch Jacob Ullrich, angehender Kla-

drinsteckt», erzählt er heute leicht verle-

des «Feuer Fangens» eine Rolle spielt. Und

vierbauer im zweiten Lehrjahr, automatisch in seine Mutterspra-

gen. «Was drinsteckt» musste er bald er-

«Feuer gefangen» hat Jacob schon, ohne

che Hochdeutsch zurück, obwohl ihm der Dialekt keine Mühe

fahren – nämlich eine hoch komplizierte

dass es ihm wohl voll bewusst ist. «Ich

macht. Der 2004 aus Dresden mit seiner Familie zugezogene

Feinmechanik, die vom Klavierbauer un-

durfte neulich ganz alleine einen Flügel

Sohn eines Musiklehrers absolvierte nämlich die Hälfte seiner

endlich viel Geduld, Präzision und Kon-

nach Bern liefern und installieren. Das hat

Schulzeit in Engelberg. Hier trat er auch ins Gymnasium über,

zentration verlangt. «Wenn ich stunden-

mir echt Spass gemacht.»

merkte aber bald, «dass das nicht zu mir passt». Seine Suche

lang an einem Instrument arbeitete, und

nach einer Ausbildung, die ihm besser entspricht, hatte ein Ende,

das Resultat war genauso wie vorher, war

als ein Klavierbauer im Unterricht die Revision eines Pianos

das schon ein Frust», fasst er seine An-

demonstrierte. «Ich habe mich mit ihm unterhalten und Inter-

fangsschwierigkeiten zusammen. Doch mit

esse an diesem Beruf gefunden. Ich wollte schon immer etwas

fortschreitendem Können und Wissen be-

Besonderes machen», erzählt der 21-Jährige. Es folgten erste

komme man immer mehr Spass an der Sa-

Erkundigungen, Schnuppern und schliesslich die Lehrstelle bei

che. Noch mehr Freude macht dem jungen

Musik Hug in Bülach. Das grösste Piano-Haus der Schweiz mit

Berufsmann aber beispielsweise die Re-

rund 340 Mitarbeitenden betreibt nebst den Musikgeschäften

paratur eines Resonanzbodens. «Eine Ar-

WENIGE LEHRSTELLEN

Jacob Ullrich befasst sich mit dem hoch komplexen Innenleben von Pianos. Mit fortschreitendem Können und Wissen hat er immer mehr Spass an der Sache.


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Bezug zum Musizieren (idealerweise Klavier) - Körperliche Fitness, intaktes Gehör - Wille zur Präzision - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - Jährlich 5 Blockkurse à 1 bis 2 Wochen im Berufsbildungszentrum Arenenberg (TG) - Überbetriebliche Kurse in Wochenblöcken - Berufsmaturität bei guten schulischen Leistungen möglich der Fachschule für Musikinstrumentenbau in

17

Ludwigsburg (Deutschland)

Handwerk 1/2014

- Meisterprüfung an

Ausser dem Regulieren und Justieren der Mechanik müssen Klavierbauer auch kleine Schreinerarbeiten beherrschen und das Instrument stimmen können.


E

s ist schon ein sehr spezieller Beruf, den sich Kilian T ­ hévenoz

lebnis. «Da wusste ich, was ich machen

zentrum (mit Internatsbetrieb) der Schweiz

da ausgesucht hat. Als eine der fünf Fachrichtungen des

wollte.» Zweimal konnte er bei Servette

für Musikinstrumentenbauer. Tage und

Musikinstrumentenbauers wird die Blasinstrumentenreparatur

Music SA schnuppern und war danach

Wochen, die Kilian schätzt, kann er sich

nochmals in die Kategorien Holz- und Blechblasinstrumente

so Feuer und Flamme, dass er mehrmals

dann doch mit seinen wenigen Berufskol-

unterteilt. Als Spross einer sehr musikalischen Familie begann

beim künftigen Lehrmeister anrief, ob er

legen – vier bis fünf pro Jahrgang – aus-

der junge Genfer bereits mit neun Jahren Fagott zu spielen. «We-

nun kommen dürfe. «Ich liess ihn etwas

tauschen. René Hagmann ist hier übrigens

gen der Milchzähne ging es nicht früher», unterstreicht er heute

zappeln, denn Motivation ist alles», gibt

als nebenamtlicher Fachlehrer tätig. Und

lachend seine Begeisterung für das seltene Instrument. So war

Hagmann schmunzelnd zu.

noch etwas schätzt der ehemalige Gymna-

es nur folgerichtig, dass er sich für den Schwerpunkt Holzblas-

siast: dank seiner Vorbildung ist er vom

MANUELLES GESCHICK UND BEOBACHTUNGSGABE

instrumente entschied.

18

Handwerk 1/2014

GESUCHTE FACHLEUTE Eine Entscheidung, die sein Patron und Berufsbildner René

wenn er morgens seinen Arbeitsplatz einnimmt. Er schweisst, verleimt, ölt, richtet

altehrwürdigen Ateliers der Firma Servette Music SA in Genf sind

Klappen, ersetzt Ventile und Federn, fabri-

alle auf bestimmte Holz- oder Blechblasinstrumente eingeschwo-

ziert Einzelteile, schneidet und poliert und

ren. «Sie sind Spezialisten des Speziellen», fasst Hagmann die an-

muss am Schluss mit viel Feingefühl die

spruchsvolle Tätigkeit zusammen. Dabei gehören gerade Fagott

Mechanik justieren. «Vor allem in der Me-

und Oboe zu den selteneren und heikelsten Holzblasinstrumen-

chanik habe ich sehr viel entdeckt», meint

ten. Heikel schon deshalb, weil die Preisspanne bei einem Fagott

der Lernende, der sich früher selber als

von 6’000 bis 50’000 Franken reichen kann und bei einer Oboe

«manuell nicht sonderlich begabt» einge-

immerhin von 2’500 bis 10’000 Franken. In der ganzen Schweiz

stuft hat.

gibt es laut Hagmann gerade mal drei bis vier Fachgeschäfte, die

René

Hagmann

erkannte

jedoch

oder sogar Finnland finden ihren Instru-

­Kilians schlummernde Fähigkeit und, was

Dementsprechend international ist die Kundschaft der Ser-

menten zuliebe den Weg nach Genf. «Für

noch wichtiger sei, dessen gute Beobach-

vette Music SA. Nicht nur Musikerinnen und Musiker aus der

einen Spezialisten wie Kilian wird immer

tungsgabe. Denn oft geht es darum, Inst-

ganzen Schweiz, sondern auch aus Frankreich, Belgien, Italien

Bedarf bestehen», ist sein Lehrmeister

rumente – darunter auch viele neue – zu

KILIAN: ”

überzeugt.

diagnostizieren und dann den Musiker-

WIR SIND SPEZIALISTEN DES SPEZIELLEN. MUSIKINSTRUMENTENBAUER EFZ, FACHRICHTUNG BLASINSTRUMENTEN­ REPARATUR – Was tun, wenn am Saxophon eine Klappe abgebrochen ist oder die wertvolle antike Oboe einen Riss hat? Man geht zum Blasinstrumentenreparateur, dem Superspezialisten.

absolvieren müsste, dispensiert.

Und motiviert ist Kilian Thévenoz,

Hagmann sehr begrüsst. Denn die zwölf Mitarbeitenden in den

diese Instrumente restaurieren können.

Allgemeinunterricht, den er sonst in Genf

wünschen entsprechend anzupassen und

MUSIK MIT BERUF KOMBINIERT

zu optimieren. Ein bisschen stolz erzählt der junge Mann von der neuen Bassklari-

Der angehende Spezialist sieht das sel-

nette, für die er die Diagnostik alleine ma-

ber genauso und ist rundum happy mit

chen durfte. Am liebsten sind ihm jedoch

seinem Beruf, zu dem ihm nichts Negatives

Totalrevisionen, die auch mal zwei oder

einfallen will. «Musik machen ist eigentlich

drei Tage dauern können. «Es ist enorm

Luxus. Und wenn man das mit Arbeit und

befriedigend, wenn das Instrument wieder

Beruf kombinieren kann, entspricht das

wie neu ist, und man sieht, was man ge-

einem Ideal», schwärmt Kilian Thévenoz.

schaffen hat.»

Als 20-Jähriger befindet er sich erst im zweiten der vier Lehrjahre, weil er etwas auf Umwegen zu seiner Lieblingstätigkeit

BILDUNGSZENTRUM AM BODENSEE

gefunden hat. Er besuchte zuerst in Genf

Mehrmals jährlich muss Kilian Thé-

das Gymnasium, war in der Mittelschule

venoz für Tage oder auch Wochen quer

aber nicht besonders glücklich. Ein Vor-

durch das ganze Land nach Salenstein am

trag von René Hagmann im Musikunter-

Bodensee reisen. Hier befindet sich mit

richt wurde für den Schüler zum Aha-Er-

Arenenberg das einzige Berufsbildungs-

Der passionierte Fagottspieler Kilian Thévenoz ist auf dem Weg zum «Spezialisten des Speziellen».


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Sorgfalt, Genauigkeit - Ruhige Hände, ausgeprägte Feinmotorik - Musikalität, Musikgehör - Spielen eines Blasinstrumentes - Bereitschaft weitere Blasinstrumente zu erlernen - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - Jährlich 5 Blockkurse à 2 Wochen im Berufsbildungszentrum Arenenberg (TG) - Überbetriebliche Kurse in

schulischen Leistungen

19

möglich

Handwerk 1/2014

Wochenblöcken - Berufsmaturität bei guten

Berufsbildner und Patron René Hagmann freut sich über die Fortschritte seines Lernenden, der sich ­früher als «manuell nicht sonderlich begabt» eingestuft hat.


F

ür Schweizer Lernende sind Auslandeinsätze die grosse Aus-

Pavel Jezdiks Lernpensum ist ent-

Musikalität spielt überraschenderweise

nahme, die meistens stolz in den Medien vermeldet werden.

sprechend breit gefächert und reicht von

keine Hauptrolle, auch wenn die Ausbil-

Für Pavel Jezdik hingegen gehören sie «einfach zum Job». Schon

klassischen Schreinerarbeiten bis zur Be-

dung im Spielen eines Instruments er-

im zweiten Lehrjahr hiess es für den heute 19-Jährigen für fünf

arbeitung von Leder und Metallen. «Die

wünscht ist. Berufsbildner Franz Höller:

Wochen nach Taiwan zur Endmontage einer grossen Kirchenor-

Arbeit ist enorm vielseitig, eintönig kann

«Ein spezielles Musikgehör ist weniger

gel zu fliegen. Und es geht so weiter: 2014 ist ein sechswöchiger

es höchstens dann werden, wenn Vor-

wichtig als gutes Augenmass, aber die

Aufenthalt im mährischen Brünn angesagt. Immerhin ein klei-

ratsarbeiten für viele Kleinteile anstehen»,

Nähe zur Musik macht die Arbeit leichter.»

nes Heimspiel für den St. Galler, dessen Familie tschechische

meint der angehende Berufsmann, der

Pavel Jezdik verfügt als langjähriger passi-

Wurzeln hat.

im dritten Lehrjahr schon viele Arbeiten

onierter Geigenspieler zweifellos über diese

selbstständig erledigen kann. Dennoch ist

Nähe. Und so verwundert es nicht, dass

er immer noch beeindruckt vom perfekten

er dem Beruf auch nach Lehrabschluss

Regelmässige Auslandaufenthalte sind die Begleiterscheinung

Zusammenspiel des Mathis-Teams, ohne

treu bleiben möchte. «Ich werde mir auf

der Spitzenposition, die Jezdiks Lehrbetrieb, die Mathis Orgelbau

das eine Orgel nicht gebaut werden kann.

jeden Fall die betriebsintern angebotenen

AG im glarnerischen Näfels, seit Jahren auf dem Weltmarkt be-

Die bis zu neun Meter hohen Instrumente

Weiterbildungen im Bereich der Intonation

legt. Seit seiner Gründung im Jahr 1960 verfolgte das Familien-

werden in Näfels samt Gehäuse komplett

und Restauration genauer anschauen.»

unternehmen eine erfolgreiche Strategie. «Im Vordergrund stand

aufgebaut und danach zerlegt auf die Reise

stets die Rückbesinnung auf die Werte barocken Orgelbaus, also

geschickt. Am Bestimmungsort erfolgen

Um die berufliche Zukunft muss er sich

beste handwerkliche Qualitätsarbeit und optimaler Klang», weiss

dann die anspruchsvolle Endmontage und

nicht sorgen. Franz Höller liefert die Be-

Berufsbildner Franz Höller. Sein Kollege Pascal Seiler sieht einen

das Abstimmen des Klangbildes. Diese Ar-

gründung: «Es gibt wohl nicht mehr so viele

weiteren Vorzug in der Anpassungsfähigkeit der schlank pro-

beit mag Jezdik ganz besonders: «Es ist

Aufträge für Neubauten, weil sowohl Kir-

duzierenden Unternehmung, die rund 20 Personen beschäftigt,

schon cool, in einem Weltklassebetrieb

chen als auch Orgelmusik heute nicht ge-

davon in der Regel vier Lernende. Zu diesen zählte in den 1970er-

zu arbeiten, die Auslandeinsätze sind die

rade boomen. Aber die bestehenden Orgeln

Jahren auch der heutige Betriebsinhaber Hermann Mathis.

Sahne auf der Torte.» Der Bau einer durch-

brauchen regelmässigen Unterhalt, wenn

schnittlich grossen Orgel (etwa für eine

sie funktionstüchtig bleiben sollen, und

«Die neuen Mathis-Orgeln werden komplett bei uns in Näfels

Dorfkirche) beansprucht nicht weniger als

alle paar Jahrzehnte sind grössere Sanie-

entworfen und produziert», betont Höller. Konkret heisst dies

10’000 Arbeitsstunden. Allein für die End-

rungen fällig. Die Schweizer Orgelbauer-

individuelle Planung, das Bereithalten eines grossen Vorrates

montage braucht eine Drei-Mann-Equipe

Branche hat in Sachen Restauration und

an erstklassigem, naturtrockenem Schnittholz (meist Fichte),

ohne das aufwendige Stimmen rund sechs

Service genauso die Nase vorn wie bei den

Wochen. Das Glarner Unternehmen hat

Neubauten.»

20

Handwerk 1/2014

VOM LEHRLING ZUM FIRMENCHEF

Als Lernender in der grossen weiten Welt des Orgelbaus unterwegs: Für Pavel Jezdik gehören Reisen «einfach zum Job».

PAVEL:

seit seiner Gründung gegen 400 Orgeln neu gebaut und viele historisch wertvolle Instrumente restauriert. Damit gehört es

ES IST SCHON COOL, IN EINEM WELTKLASSEBETRIEB ZU ARBEITEN. MUSIKINSTRUMENTENBAUER EFZ, FACHRICHTUNG ORGELBAU – In vielen Bereichen gehören Schweizer Handwerksfirmen zu den Besten. Die Orgelbauer schafften es bis in die Champions League.

zu den grösseren Schweizer Orgelbaufir-

men.

MUSIKALITÄT HILFT Den schulischen Teil der Grundbildung absolvieren die Orgelbauer und die

das Giessen der heiklen Zinnpfeifen (ist

(gar nicht wenigen) Orgelbauerinnen in

eine eigenständige Fachrichtung) sowie die

Form von mehrtägigen Blockkursen am

Intonierung und das Stimmen der Instru-

Berufsbildungszentrum Arenenberg im

mente. «Jede Orgel ist ein Unikat», sagt

thurgauischen Salenstein. Im Zentrum

Seiler, «die Einzelteile müssen deshalb mit

stehen neben Mechanik, Werkzeug- und

Ausnahme der wenigen elektronischen

Materialkunde sowie Bearbeitungstechni-

Komponenten jeweils extra bei uns ange-

ken auch Fachzeichnen, Akustik, Instru-

fertigt werden.»

menten- und Stilkunde. Der Aspekt der


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Räumliches Vorstellungsvermögen - Zeichnerisches Talent - Ästhetisches Empfinden - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - Jährlich 5 Blockkurse à 2 Wochen im Berufsbildungszentrum Arenenberg (TG) - Überbetriebliche Kurse in Wochenblöcken - Berufsmaturität bei guten schulischen Leistungen möglich - Meisterprüfung an

Ludwigsburg (Deutschland)

Pavel Jezdiks Lernpensum ist breit gefächert und umfasst neben klassischen Schreinerarbeiten auch die Bearbeitung von Leder und Metallen. Sein Betreuer Pascal Seiler sorgt dafür, dass der 19-Jährige zum richtigen Teamplayer wird.

21

Musikinstrumentenbau in

Handwerk 1/2014

der Fachschule für


D

ie Frage, ob er nach der Berufslehre Künstler werde, lässt

rei sei übrigens auch für Frauen kein gro-

Philipp Lüthi ausdrücklich unbeantwortet. Doch wenn es

sses Problem, denn Körperkraft sei kein

um seine berufliche Zukunft geht, da wird der klare Wunsch des

Muss, weil maschinelle Hilfsmittel zur

Solothurners nach künstlerischer Betätigung deutlich spürbar.

Verfügung stünden. Der Frauenanteil bei

Man braucht ihn nur nach seinem Lieblingsstein zu fragen, und

den Lernenden gehe jedoch nach einem

schon berichtet er mit leuchtenden Augen über die vielen Vorzüge

Zwischenboom vor einem Jahrzehnt (bis

und die Lebendigkeit des heimischen Jura-Kalksteins und die

zu einem Drittel der jährlich beginnenden

kühle Eleganz und abweisende Sterilität des italienischen Mar-

rund zehn Lernenden) zurück.

mors. Mit Stolz zeigt er auch eines seiner ersten Werke, ein kleine

RESTAURIERUNG ALS NEUE BASIS

Plastik, die einen Weisheit und Ruhe ausstrahlenden schwarzen Raben darstellt. Der 18-Jährige ist aber Realist genug, um die handfesten Vorteile der Berufslehre zu schätzen. «Das handwerk-

Philipp sei begabt, für sein Alter sehr

liche Rüstzeug kann man sich auch im Thurgau an der Bildhau-

reif und selbstständig und investiere viel

erschule Müllheim oder an einer Fachhochschule holen, doch

Herzblut in die Arbeit. «Welchen Weg er

eine Grundbildung gibt zusätzliche Sicherheit.» Entsprechend

auch geht, ein gutes Auskommen in un-

nimmt der junge Mühledorfer widerspruchslos auch die weniger

serem Metier ist ihm sicher, zumal er

reizvollen Seiten seiner Ausbildung in Kauf: «Ich bin kein grosser

ein gesundes Selbstbewusstsein hat», ist

Fan von Grabsteinen und mag auch nicht alle Renovationen, aber

der Berufsbildner überzeugt. Zuber sieht

das gehört einfach dazu.»

das grosse Potenzial im Bereich der Altbausanierungen. «Wer genau hinschaut,

22

Handwerk 1/2014

IMMER WENIGER GRABSTEINE

der kann sehen wie historisch wertvolle

Für seinen Berufsbildner Hans Peter Zuber ist die Vielseitig-

Gebäude verlottert sind. Man kann die

keit ein absolutes Muss. Früher habe man recht bequem von der

nötigen Restaurationen nicht ewig auf-

«Friedhofsbildhauerei» leben können, die bis zu 80 Prozent der

unternehmen – Chef, Lernender, eine

schieben, denn der Stein – vor allem der

Auftragsbestände ausmachte, heute komme man «mit Glück» auf

temporäre Aushilfskraft – Bausanierun-

sensible Jura-Kalkstein, der bei uns vor-

mehr als 40 Prozent. «Die Bestattungskultur hat sich in jüngster

gen und die Herstellung von Brunnen eine

herrschend ist – verzeiht nichts.»

Zeit enorm verändert, die traditionellen Grabsteine sind weniger

immer wichtigere Rolle. Nicht u ­ nwichtig ist

Auch wenn es sich bei den Restaura-

gefragt. Angesagt sind heute Gemeinschaftsgräber, vielfach wird

auch das Angebot von künstlerisch gestal-

tionen beileibe um kein simples Steinqua-

die Asche auch einfach in der Natur gestreut», hält Zuber fest.

teten Bronzearmaturen für Brunnenan-

der-Stapeln handelt: der Steinbildhauer-

Sein in Luterbach bei Solothurn ansässiger Betrieb hat sich dem

lagen, einer Spezialität des Patrons. «Wer

beruf rückt damit unweigerlich in die Nähe

wohl unvermeidlichen Wandel angepasst: neben Rohsteinbear-

sich auf die reine Steinbearbeitung kon-

der Ausbildung zum Steinmetz, der im We-

beitung (Sägen, Fräsen und Schleifen) spielen für das Mikro­

zentriert, der hat es schwer, und es wird

sentlichen mit klaren Vorgaben arbeitet

nicht besser.»

und somit wenige Gestaltungsfreiheiten

STEINBILDHAUER EFZ – Die Nähe zur Kunst ist in vielen handwerklichen Berufen deutlich spürbar. In der Steinbild­ hauerei spielt die kreative Gestaltung tatsächlich eine sehr wichtige Rolle.

Zuber wurde vor 21 Jahren zur Aus-

hat. Für Zuber ist klar: «Wer künstleri-

bildung quasi «genötigt»: Eine 23-jährige

sche Standards setzt, der muss schon ein

Frau habe ihn bekniet, sie als Lernende

wenig zurückbuchstabieren.» Für Philipp

aufzunehmen. «Es wurde ein Erfolg, weil

Lüthi ist klar: er will nach der Grundbil-

ich mein Wissen gerne weitergebe und

dung eine Zusatzausbildung im Bereich

junge Menschen mag». Die Steinbildhaue-

der Restauration absolvieren. Bis dahin

PHILIPP:

ist ein wenig Träumen aber erlaubt. Das zeigen jedenfalls die vielen Zeichnungen und Skizzen für die SwissSkills Bern 14. Der vorgesehene weibliche Akt verspricht ein wahrer Meilenstein zu werden…

EINE GRUNDBILDUNG GIBT ZUSÄTZLICHE SICHERHEIT.


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Gestalterische Begabung und Kreativität - Räumliches Vorstellungsvermögen - Gesunden Rücken - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - 1 Tag Berufsfachschule pro Woche - Überbetriebliche Kurse 1 – 2 Wochen pro Lehrjahr - Berufsmaturität bei guten schulischen

23

Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Während früher die «Friedhofs­ bildhauerei» im Vordergrund stand, werden heute andere Bereiche – etwa der Brunnenbau – immer wichtiger. Entsprechend legt Berufsbildner Hans Peter Zuber viel Wert auf die Vielseitigkeit. Philipp Lüthi enttäuscht ihn nicht, wobei seine Hauptstärke bei den Figuren liegt.


CÉLIA:

Mussard unumwunden zu. Die umtriebige Geschäftsfrau hat sich ihre übrigen Standbeine denn auch gezielt aufgebaut. Trotzdem findet sie «Weben den schönsten Beruf der Welt» und sieht sich als eine Art

ICH WERDE FÜR MICH IRGENDWANN EINE NISCHE FINDEN.

«Hüterin» des altehrwürdigen Handwerks.

GEWEBEGESTALTERIN EFZ – Gewebe­ gestalten ist ein überaus komplexer ­Beruf. Es braucht Sinn für Technik und Handwerkliches, viel Materialwissen, ein präzises Gefühl für Farben und Ästhetik. Und Geschäftstüchtigkeit!

Handwerk 1/2014

Die Kunden von Filambule sind vor allem Leute, die präzises Handwerk und

LOGIK GEFRAGT

hochwertige, umweltgerechte Materialien

Doch dass Weben – oder Gewebegestal-

zu schätzen wissen. Lachend zitiert Dani-

ten, wie es heute treffender heisst – gar

èle Mussard ein Sprichwort: «Ein nackter

nicht so einfach ist, wurde Célia Lutangu

Weber ist ein glücklicher Weber» – wolle

recht schnell klar. «Die Arbeit an sich, aber

heissen, er habe seine Produkte verkauft,

auch die Fachausbildung sind sehr kom-

denn persönlich könne er sie sich nicht

plex und zum Teil kompliziert.» – «Oh ja,

leisten. Hält man jedoch beispielsweise

und es braucht Logik. Man muss wirklich

einen wunderbar weichen, in prächtigen

rechnen können», wirft Patronne Danièle

Grautönen changierden Schal aus Mo-

it ihren 26 Jahren ist Célia Lutangu nicht gerade das, was

Mussard ein. Konkret heisst das: zuerst

hair, Angora und Seide in den Händen,

man sich unter einer typischen Lernenden im zweiten Jahr

muss ein Projekt auf Papier oder am Com-

scheinen einem die 200 Franken für dieses

vorstellt. Doch bei den Gewebegestalterinnen/-gestaltern ist es

puter entworfen werden, danach gilt es

Auf einem ländlichen Anwesen im

eher die Regel als die Ausnahme, dass die jungen Leute erst auf

die Materialien und die Gewebestruktur

französischen Burgund betreibt Filambule

dem zweiten Bildungsweg zu ihrem Beruf finden.

zu bestimmen. Bevor man mit dem eigent-

zudem noch eine Art Filiale, wo während

Célia Lutangu liebt es denn auch,

lichen Weben beginnen kann, wird zur

der Sommermonate diverse kreative Kurse

wenn sie für Kundschaft auf Bestellung et-

M

24

DEN PREIS WERT

VORKENNTNISSE VON VORTEIL

handwerkliche Meisterstück mehr als nur angemessen.

Qualitätsprüfung meist ein Muster erstellt.

angeboten werden. «Sofern man nicht in

was entwerfen und produzieren darf: Vor-

Das ist Danièle Mussard, Berufsbildnerin und Inhaberin des

Es folgen die Kalkulation für das Material,

einer geschützten Werkstätte, wo Weben

hänge, Kissen, Tischdecken oder auch mal

Ateliers Filambule in Lausanne, nur recht. «Ich habe immer

dessen Bereitstellung und die Einrichtung

unterrichtet wird, arbeitet oder für die

eine Stola. Angst, in ihrem Beruf später

Lernende mit Erfahrung und bereits einer Ausbildung gesucht.

des Webstuhls, was insgesamt mehrere

Industrie oder einen Couturier tätig ist,

kein Auskommen zu finden, hat sie keine.

Denn in unserem Beruf ist es von Vorteil, wenn man Vorkennt-

Tage dauern kann.

kann man vom Verkauf handgewebter

«Ich werde für mich irgendwann eine Ni-

Produkte allein nicht leben», gibt Danièle

sche finden», ist sie überzeugt. Bereits hat

nisse aus einer verwandten Branche mitbringt», ist sie überzeugt. Und an Vorkenntnissen mangelte es Célia, der in Morges auf-

MEHRERE STANDBEINE

gewachsenen Tochter einer Schweizerin und eines Angolaners,

Der eigentliche Webprozess ist es, der

wirklich nicht. Nach der regulären Schulzeit absolvierte sie zuerst

Célia am meisten Spass macht. «Stimmt,

an einer Privatschule in Lausanne das zweijährige Diplomstu-

es ist repetitiv, aber ich mag das. Ich würde

dium Couture/Modélisme/Stylisme. Es folgten mehrmonatige

am liebsten tagelang ruhig weben.» Das

Stages in Paris und Brüssel im Bereich Textildesign, dazwischen

geht bei Filambule aber nur beschränkt.

war sie als Stylistin und auch als Geschäftsführerin in Boutiquen

Denn Danièle Mussards Firma ist nicht

tätig. «Doch eigentlich hat mir dieser Weg nicht mehr gefallen»,

nur eine Produktionsstätte, sondern auch

erzählt die aufgeweckte junge Frau. «Ich habe mich während all

eine Schule für Textilkunst und eine Ga-

dieser Zeit umgeschaut, was ich wirklich machen möchte, und

lerie. Mehrmals wöchentlich finden Kurse

schliesslich das Weben gefunden.» Via Lehrstellenbörse ergatterte

für Anfänger und Fortgeschrittene statt,

sie den Ausbildungsplatz bei Filambule und ist sehr glücklich

bei denen die Lernende assistiert. «Wenn

darüber: «Weben gefällt mir von allen bisherigen Sachen weitaus

es dabei um etwas geht, das ich noch nicht

am besten.»

kenne, lerne ich gleich mit», erläutert Célia Lutangu.

sie die Weichen für die Zeit nach der beruflichen Grundbildung vorgestellt und in Berlin eine Stagiaire-Stelle organisiert.

Célia Lutangu hat Freude am komplexen Webprozess. Ihre Berufsbildnerin Danièle Mussard sieht sich als eine Art «Hüterin» des alten Handwerks, vernachlässigt jedoch auch den wirtschaftlichen Aspekt nicht.


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Zeichnerische Begabung, Kreativität - Logik, gute Leistungen im Rechnen - Räumliches Vorstellungsvermögen - Technisches Verständnis - Farben- und Formensinn - Geduld und Ausdauer - Kundenorientiertes Denken

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - 3 Lektionen Berufsfachschule pro Woche (Allgemeinbildung) - 3 Blockkurse à 2 Wochen pro Jahr an

à 1 Woche pro Jahr - Kanton Tessin: CSIA (Centro scolastico per le industrie artistiche) Via Brentani 18 6900 Lugano Für Célia Lutangu ist klar: «Ich würde am liebsten tagelang ruhig weben.»

25

Sta. Maria/Val Müstair - 1 überbetrieblicher Kurs

Handwerk 1/2014

der Berufsfachschule in


W

as lange währt, wird manchmal doch noch gut», spottet

lich wichtig sei, welche Kleidungsstücke

produkte eignet. Zuvor wurden alljährlich

Janine Räber selbstkritisch, wenn sie auf ihre bisherige

sie entwerfe, bearbeite oder repariere. «Am

an die 30’000 Felle von den Jägern als

berufliche Laufbahn zurückschaut. Die 25-Jährige hat zuerst

liebsten mache ich Jacken für jüngere

Müll entsorgt.

eine Grundbildung als Pelznäherin absolviert und einige Zeit

Frauen, doch auch Mäntel, Mützen oder

als solche gearbeitet. Dann folgte ein Neuanfang in Form einer

Bordüren sind nicht ohne.» Die angehende

klassischen kaufmännischen Lehre. «Mir wurde aber mit der Zeit

Kürschnerin findet es ideal, wenn sie ihre

Ein dickes Fell habe er mit der Zeit

bewusst, dass mich das Büro einengt und ich so meine Kreativi-

Ideen zusammen mit ihrer Kundschaft

bekommen, meint Aus der Au. Allerdings

tät nicht ausleben kann. Mir fehlten die gestalterische Freiheit,

entwickeln kann: «Die Menschen sind sehr

staune er immer wieder über die Unwahr-

der Reiz der modischen Eleganz und die Handarbeit mit den

unterschiedlich und je nach Typ sollten sie

heiten, die in den Medien erscheinen.

schönen Naturmaterialien», schildert die Schwyzerin die Motive,

die zu ihnen passenden Pelze tragen. Es

«Unsere Gesellschaft akzeptiert eine res-

die sie zum nochmaligen Kurswechsel bewogen hatten. Und da

ist auch nicht gut, wenn diese als Futter

pektvolle Nutztierhaltung. Dazu gehören

sie sich auch noch mehr Fachwissen aneignen wollte, begann

verwendet werden.»

nun mal die Jagd und die Pelztierzucht

sie eine Zusatzlehre als «Bekleidungsgestalterin Schwerpunkt

Unsichtbarkeit als Schutz vor Angriffen

sowie die Freiheit, Pelze zu tragen», be-

Pelzbekleidung». Hinter dieser Sprachschöpfung versteckt sich

der vielfach recht aggressiven Pelzgegner-

tont der Unternehmer, der zu den wenigen

heute der uralte Kürschnerberuf. Janine wurde dabei ein Lehr-

schaft? Janine Räber reagiert ungehalten,

Ausbildnern in der Schweiz zählt. Er tritt

jahr geschenkt, weil sie ja schon gelernte Näherin ist.

weil sie sich in ihrem Stolz verletzt fühlt:

für strenge Kontrollen der Zuchtbetriebe

«Ich respektiere Leute, die das Tragen und

ein, «wie sie heute auf jedem Bauernhof

Verarbeiten von Pelzen aus prinzipiellen

und auf jeder Hühnerfarm durchgeführt

Von Pelzen schwärmen mag die erdverbundene Frau nicht

Gründen ablehnen. Aber ich kann nicht

werden». «Im Fachhandel wird heute nur

ausdrücklich, doch man spürt, welche Freude ihr der Umgang

akzeptieren, dass wegen falscher Informa-

ein kleiner Teil der Pelzprodukte verkauft.

mit den «Rauchwaren» macht. «Ich kann häufig selbst bestimmen,

tion ein ganzer Berufsstand angefeindet

Die Kunden sollten deshalb genauer hin-

welche Felle ich bearbeite. Und das geschieht je nach Lust und

wird. Es ist eine bodenlose Gemeinheit,

schauen, wenn sie importierte Waren in

Laune: für den Fuchs mit den teils lästigen langen Haaren muss

die Schweizer Kürschner als Tierquäler

Boutiquen, Warenhäusern oder gar im In-

ich recht aufgestellt sein, Nerz und Persianer sind hingegen ir-

hinzustellen.»

ternet erwerben.»

FUCHSPELZE SIND KEIN MÜLL

des Schweizer Pelzhandwerks: «Individu-

Handwerk 1/2014

EINE FRAGE VON LUST UND LAUNE

26

TEIL DER NUTZTIERHALTUNG

gendwie tröstlich, und Lammfell wärmt.» Es sei zudem wirklich spannend, Fellstücke zusammenzustellen, die bezüglich Dichte,

Der 57-Jährige glaubt an die Zukunft

Farbe, Grösse und Haarlänge zueinanderpassen. Nicht sonder-

Gegen Vorurteile und Fehlinformati-

elle Kreationen statt Massenerzeugnisse

JANINE:

onen kämpft Räbers Berufsbildner Tho-

sind immer gefragt, dazu kommen Service

mas Aus der Au seit langem. Der Besitzer

und Reparaturen. Es gibt also ein echtes

eines traditionellen Familienbetriebs mit

Potenzial, und wir brauchen gute Berufs-

drei Angestellten in Zürich-Wiedikon gilt in

leute.» Aus der Au weist darauf hin, dass

der Branche als Vorreiter in Sachen Tier-

Fachkräften viele Weiterbildungen und

ICH KANN ES BIS AN DIE DESIGNSCHULE SCHAFFEN. BEKLEIDUNGSGESTALTERIN EFZ, SCHWERPUNKT PELZBEKLEIDUNG – Das Kürschner-Handwerk ist eines der ältesten überhaupt. Jüngeren Datums sind die Diskussionen zum Thema Tierschutz. Die Branche lässt sich aber nicht entmutigen.

Möglichkeiten für attraktive Auslandein-

sätze offen stehen. Seine Lernende Janine Räber sieht für sich jedenfalls viele Chancen: «Wenn ich will, kann ich es nach der Meisterprüfung bis an die Designschule

schutz. Er war massgeblich beteiligt an der

schaffen. Aber ich könnte auch ein Atelier

Einführung der Warendeklaration durch

auf die Beine stellen, in Teilzeit arbeiten

die Mitglieder des Schweizerischen Pelz-

oder mein Geld daheim mit Aufträgen ver-

fachverbandes SwissFur 1996 (ein Geset-

dienen.»

zesobligatorium gilt offiziell erst seit dem 1. März 2014!). Aus der Au war mit die treibende Kraft hinter der Modekollektion «SwissRedFox», die den Beweis liefert, dass sich einheimischer Rotfuchs für edle Pelz-

Janine Räber findet es spannend, passende Fellstücke zusammen­ zustellen.


WAS BRAUCHT ES? - Modisches Flair - Sinn für Formen und Farben - Geschickte Hände - Zeichnerische Begabung - Geduld und Ausdauer - Kontaktfreudigkeit

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - 1 Tag Berufsfachschule pro Woche - Mehrtägige überbetriebliche Kurse zu Spezialthemen - Berufsmaturität bei guten schulischen

27

Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Thomas Aus der Au kämpft seit Jahrzehnten gegen ungerechte Kritik und setzt sich für Tierschutz-Anliegen ein. Janine Räber teilt seine Meinung und findet deshalb die Verwendung von heimischen Fuchsfellen sinnvoll.


FACHMANN LEDER UND TEXTIL EFZ, FACHRICHTUNG FEINLEDERWAREN – Es braucht eine ausgewogene Mischung aus modischem Flair und reifer Handwerkskunst, um in diesem feinen Beruf Erfolg zu haben.

die Lederbearbeitung nicht, er war quasi

plette Tasche anfertigen kann. Er passt

Stammgast in den Stadttheater-Werkstät-

bestens zu unserem kleinen Team», freut

ten, wo er stundenweise «schnuppern»

sich ­Ursula Häni. Der Betrieb an der his-

konnte.

torischen Münstergasse, der auch ein Verkaufslokal umfasst, bietet in erster Li-

ECHTE BEREICHERUNG

klasse an. Es sind alles eigene Modelle,

Lehrjahr und bereut seinen «Neustart»

die nach Meinung von Modeexperten de-

auf keinen Fall. «Ich empfinde mein Le-

signmässig durchaus mit den Weltmarken

ERICK: ” B

ben heute viel intensiver, die Lehre ist eine

mithalten können. Verarbeitet wird prin-

echte Bereicherung. Mir gefällt, dass ich

zipiell nur pflanzlich gegerbtes und daher

konkret sehen kann, was ich produziere.»

ungiftiges Rindsleder. Die Verwendung von

In seinem Freundeskreis habe das anfäng-

Krokodil- und Schlangenleder ist absolut

liche Staunen einem gewissen Respekt

tabu, ebenso die Auslagerung von Pro-

Handwerk 1/2014

ICH EMPFINDE MEIN LEBEN HEUTE VIEL INTENSIVER.

28

nie Damenhandtaschen der oberen Preis-

Erick Guillard steht nun im zweiten

duktionsteilen ins billigere Ausland. Dafür wird viel Wert auf Service gelegt, was bei den «Grossen» kaum der Fall ist. «Wir haben für uns eine Nische mit ausreichendem Potenzial gefunden, in der wir seit

ern hat in den letzten Jahren einige recht spektakuläre

Platz gemacht. «Es gibt aber auch Leute,

bald zehn Jahren gut leben können. Wir

Berufs-Umsteiger gesehen. Da gab es den über 50 Jahre

die es als eine Art Abstieg sehen. Das sehe

setzen nicht auf Luxus, sondern auf Qua-

alten Wirt der wohl angesagtesten Szenenbeiz, der eine Lehre als

ich anders, wichtig ist, dass ich mit mir im

lität», betont die Sattlerin. Das fünfköpfige

Offsetdrucker dem Alkoholausschank vorzog. Oder den Chefre-

Reinen bin. Ich ziehe die neue Bescheiden-

Team sei ausgelastet, deshalb sei es wich-

daktor einer wichtigen Tageszeitung, der seinen Lebenstraum

heit den alten Ambitionen vor.» Ihn schau-

tig, dass auch die Lernenden mitziehen.

verwirklichte und Buschauffeur wurde. Erick Guillard erregte

dere es vielmehr, wenn er an seine «leider

Für Erick Guillard stellt sich die Frage

hingegen nicht so viel Aufsehen, obwohl sein beruflicher Neu-

häufigen» Auftritte in Operetten oder gar

nach der Rückkehr in die Ballettwelt nicht

anfang sicher nicht weniger ungewöhnlich ist: der langjährige

als Statist in Opern zurückdenke.

mehr. Weil er noch sehr viel zu lernen

Tanzsolist des Berner Stadttheaters absolviert derzeit eine Lehre

Einen schönen Teil seiner Zufrie-

habe, möchte er nach der Grundbildung

als Feinsattler und stellt Taschen, Mappen, Etuis und Portemon-

denheit führt der Wahlberner auf seinen

noch eine Zeitlang zumindest teilweise im

naies her.

­Arbeitsplatz in der kleinen Werkstatt in der

Atelier an der Münstergasse Erfahrungen

Berner Altstadt zurück. Die Geschäftsphi-

sammeln, vorab in Arbeitstechnik und

losophie der beiden Besitzerinnen ­ Fiona

Design. Dass er sich einmal selbstständig

Dass er die Ballettschuhe nach 23 Jahren gegen Nadel und

Losinger und Ursula Häni gefällt ihm,

macht, schliesst er jedenfalls nicht aus.

Ahle ausgetauscht hat, war kein Zufall. Nachdem seine Karriere

weil sie grossen Wert auf Kreativität legt.

«Die Investitionen für ein eigenes Ate-

als aktiver Tänzer 2011 geendet hatte – was durch einen Unfall

«Fast jeder Auftrag ist für mich eigentlich

lier sind mit rund 30’000 Franken nicht

und eine Hüftverletzung beschleunigt wurde –, erwartete man,

ein Projekt, das ich von der Materialwahl

riesig. Aber das Ganze müsste für mich ­

dass Guillard der Szene als Choreograf und Tanzpädagoge treu

bis zur letzten Naht selbstständig steuern

stimmen.»

bleibt. Der gebürtige Franzose, der in Paris und La Rochelle klas-

kann.»

RADIKALER BRUCH

sischen Tanz studierte und unter anderem acht Jahre im Ballet National de Nancy unter Pierre Lacotte mitwirkte, entschied sich

MITSPIELER IM TEAM

für den radikalen Bruch mit der Vergangenheit – und für eine

Die Chefinnen sind mit ihrem unge-

Berufslehre. «Ich wollte eine Wiedergeburt, ein komplett neues

wöhnlichen «Stift» höchst zufrieden. «Erick

Leben, abseits des Rampenlichts und der enormen Zwänge des

ist ein guter Mann, begabt und handwerk-

Balletttheaters», begründet er den unerwarteten Wechsel. «Und

lich schon jetzt ziemlich weit. Es kommt

ich entschied mich für eine Arbeit, von der ich wusste, dass sie

selten vor, dass ein Lernender bereits am

mir zusagt.» Denn ganz unbekannt war dem heute 41-Jährigen

Ende des ersten Lehrjahres eine kom-

Erick Guillard hat die Tanzbühne gegen die Sattler-Werkstatt eingetauscht: «Die Lehre ist eine echte Bereicherung meines Lebens.»


WAS BRAUCHT ES? - Modisches Flair - Sinn für Formen und Farben - Zeichnerische Begabung - Handwerkliches Geschick - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - 1 Tag Berufsfachschule pro Woche - Mehrtägige überbetriebliche Kurse - Berufsmaturität bei guten schulischen

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Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Im kreativen Team des Ate­ li­ers in der Berner Altstadt blüht Erick Guillard auf: Berufsbildnerin Ursula Häni ist mit ihrem ungewöhnlichen «Stift» höchst zufrieden.


E

s kribbelt schon ein wenig, wenn man bei der Restaura-

der solche Verantwortung wahrnehmen

bezeichnet. Der 48-jährige gelernte Reit-

tion eines wertvollen Sportwagens helfen darf», gibt Mauro

dürfe. Grenzen gibt es allerdings: Bei der

sport- und Carrosseriesattler, der seine

Limacher ohne Zögern zu. Der 17-Jährige steht zwar erst im

Restauration eines edlen Maserati Zagato

Meisterprüfung schliesslich als Carrosse-

zweiten Lehrjahr, doch er hat die meisten Haupttätigkeiten schon

durfte er (noch) nicht mitmachen; für die

riesattler absolvierte, ist überzeugt, dass

kennengelernt. Denn sein Ausbildungsbetrieb – das Lederatelier

Türverkleidung an einem Porsche reicht

die Berufsaussichten «für engagierte Leute

Schuler in Einsiedeln – gehört zu den vielseitigsten der Branche.

es hingegen schon heute. «Das Wichtigste

sehr gut sind und bleiben werden». Die

Klassische Sattlerarbeiten an Möbelstücken folgen auf Aufträge

ist Präzision, die Masse müssen perfekt

im Alltag geforderte Vielseitigkeit erlaube

für Auto- und Bootspolsterungen sowie Restaurierungen von

stimmen, entsprechend braucht es volle

es, sich immer wieder attraktive Marktni-

Verdecken. Ein weiteres Standbein sind Lagerungskissen für

Konzentration.»

schen zu suchen. Seinem vor 20 Jahren

Operationstische, die das dynamische Unternehmen in die ganze

Die schulischen Anforderungen findet

gegründeten Atelier habe es nie an Aufträ-

Schweiz liefert. Limacher schätzt diese Vielfalt: «Langweilig wird es

der ehemalige durchschnittliche Real-

gen gefehlt, im Gegenteil – er habe sich ge-

mir nie, praktisch jeder Auftrag ist eine Einzelanfertigung. Zudem

schüler absolut erfüllbar, zumal er beim

gen eine mögliche Expansion entschieden.

arbeiten wir im Allgemeinen nicht nur mit Leder, sehr häufig kom-

Unterricht im aargauischen Zofingen gute

«Mit fünf Vollzeitangestellten und drei Teil-

men auch Materialien wie Textilstoffe und Metalle zum Einsatz.»

Kolleginnen und Kollegen treffe. «Ich bin

zeitmitarbeiterinnen ist der Betrieb noch

froh, dass ich auf meine Eltern hörte und

überschaubar. Zudem ist die Nachfolge-

bei Schuler schnupperte. Es ist wirklich

regelung unklar, weil meine zwei Töchter

Einen weiteren Vorteil sieht der im nahen Schindellegi woh-

der Beruf, der meinen Fähigkeiten, mei-

sich kaum darum reissen werden.»

nende Schwyzer in den kreativen Freiräumen, die ihm viele Auf-

nem Wunsch nach Kreativität und meiner

Leo Schuler ist es wichtig, fähigen

träge lassen: «Es gibt Kunden, die genau wissen, was sie wollen,

Art entspricht», zieht Mauro Limacher eine

Nachwuchs für die Branche zeitgemäss

doch häufig haben sie nur die Grundidee, und da kann ich meine

positive Bilanz. So erstaunt es kaum, dass

und praxisnah auszubilden. Nur dadurch

eigenen Vorstellungen einbringen und realisieren.» Er schätze

er seine berufliche Zukunft schon jetzt

könne die Zukunft gesichert werden, findet

diese Selbstständigkeit; es sei wohl selten, dass ein Lernen-

ziemlich klar sieht: «Während ein paar

der erfahrene Berufsmann, der die Ent-

MAURO:

Wanderjahren in der Branche Erfahrun-

wicklung im Rahmen der Interessenge-

gen sammeln, die Höhere Fachprüfung

meinschaft im Bereich Leder und Textil (IG

machen und irgendwann einen eigenen

LETEX) persönlich massgeblich mitgestal-

Betrieb gründen.»

tet. «Unser Beruf ist ein nicht unwichtiger

30

Handwerk 1/2014

FREIRÄUME UND KREATIVITÄT

PRAKTISCH JEDER AUFTRAG IST EINE EINZELANFERTIGUNG. FACHMANN LEDER UND TEXTIL EFZ, FACHRICHTUNG FAHRZEUGE UND TECHNIK – Darf es eine Bootsabdeckung, eine neue Polsterung für den Oldtimer oder ein Motorradsattel nach Mass sein? Auf Fahrzeuge und Technik spezialisierte Lederfachleute sind auf Abwechslung programmiert.

Teil der KMU-Wirtschaft und darf deshalb

BERUF MIT ZUKUNFT

nicht einfach verschwinden. Er umfasst

Sein Berufsbildner Leo Schuler freut

heute auch High-Tech-Produkte wie Spe-

sich über die Pläne seines Schützlings, den

zialfilter und textile Bespannungen, wel-

er als «echten Gewinn für unsere Firma»

che die Betriebe zu wichtigen Zulieferern machen.»

IMMER MEHR FRAUEN Eine akute Gefahr besteht nach Expertenmeinung glücklicherweise nicht, denn gegenwärtig stecken gegen 40 junge Berufsleute in der Grundbildung. Diese recht hohe Zahl ist vorab jungen Frauen zu verdanken, die heute ein wichtiges Rekrutierungspotenzial darstellen, Tendenz steigend. Mauro Limacher schätzt an seiner Ausbildung die Vielseitigkeit und die Kundenkontakte. Die Palette reicht von Oldtimer-Auffrischung bis zu klassischen Sattler-Arbeiten an Möbelstücken.


WAS BRAUCHT ES? - Handwerkliches Geschick - Sinn für Formen und Farben - Zeichnerische Begabung - Körperliche Beweglichkeit - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - 1 Tag Berufsfachschule pro Woche - Mehrtägige überbetriebliche Kurse in den verschiedenen Fachrichtungen - Berufsmaturität bei guten schulischen

Mauro Limacher lernt im Lederatelier von Leo Schuler, einem der bekanntesten Berufsbildner der Branche. Der Lehrmeister ist überzeugt, dass sein Beruf als wichtiger Teil der KMU-Wirtschaft nicht verschwinden darf.

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Handwerk 1/2014

Leistungen möglich


FACHFRAU LEDER UND TEXTIL EFZ, FACHRICHTUNG PFERDESPORT – Das Reiten als Freizeitsport gewinnt in der Schweiz immer mehr an Bedeutung. Diese Entwicklung eröffnet der Branche neue Chancen, die sie auch zu packen weiss.

fertigt manchmal auch Gürtel und nimmt

Berufsbildner und Patron Urban

Handarbeit und am Werken mit dem duf-

Truniger freut sich über die vielen Fort-

tenden Leder ist sie oft froh um die Unter-

schritte, die er Rebecca attestiert. «Sie

stützung durch mechanische Geräte wie

mag halt die Arbeit und den Arbeitsplatz»,

beispielsweise die Abspaltmaschine, die

begründet der Thurgauer, der selbst pas-

das Leder dünner macht. «Die Maschinen

sionierter Reiter und Gespannfahrer ist.

REBECCA: ” R

Seine achtköpfige Belegschaft in Bürglen

COMPUTER UND BÜRO SIND NICHT MEIN DING.

besteht ausschliesslich aus Frauen (EquiNomic hat auch eine kleine Niederlassung in Deutschland für die EU-Kundschaft). «Früher war der Sattler fast ausschliesslich ein Männerberuf. Doch heute haben die Buben generell wenig Interesse an handwerklichen Berufen, während die Mädchen einen Bezug über das Reiten haben.» Truniger ist überzeugt, dass seine

ebecca Ammann liebt Pferde und lässt daran keine Zweifel

haben den Vorteil, dass sie exakt arbeiten,

Branche – in der Schweiz gibt es rund

aufkommen. «Ich reite schon seit ich laufen kann», kommen-

was für mich noch teilweise schwierig ist.»

50 Betriebe – die Zukunft nicht fürchten

tiert die 18-Jährige ihre Leidenschaft. Bereits mit acht Jahren

Rebecca schätzt auch das Fachsimpeln

muss: «An Aufträgen wird es uns kaum

hat sie ihr erstes Turnier geritten, wobei sie zuerst vom Springen

mit den Kunden: «Es geht ja meistens um

fehlen. Der Pferdesport wird immer popu-

angetan war. Heute steht für sie das vielseitige CC-Reiten im

Pferde und Reiten.» Keine Probleme hat sie

lärer, und es gibt ständig neue Disziplinen

Vordergrund: das ehemalige «Military» besteht aus drei Teilprü-

in der Schule, in der neben Fachkennt-

wie etwa das Western- oder Trailreiten.

fungen in den Disziplinen Dressur, Geländeritt und Springen.

nissen auch viel Wissen im Bereich der

Entsprechend wird in diesem Bereich kräf-

«Ich bin nicht schlecht, aber zum richtigen Erfolg braucht es sehr

allgemeinen Leder- und Textilbearbeitung

tig investiert. Denn zu guten Tieren gehört

gute Pferde – und die kann ich mir leider nicht leisten», sagt die

vermittelt werden. Sehr interessant seien

eben auch gutes Reitzubehör.»

junge Zürcherin. «Aber es macht trotzdem viel Spass.»

die Blockkurse, die im österreichischen

Für Rebecca Ammann ist die Zukunft

Vorarlberg stattfinden (für die Romands

«derzeit nicht so wahnsinnig wichtig». Nach

in Vevey).

Lehrabschluss würde sie – nach heutigem

32

Handwerk 1/2014

FRAUEN IM VORMARSCH

Reparaturen vor. Bei aller Freude an der

LIEBER HANDARBEIT Als gute Sekundarschülerin hätte Rebecca so ziemlich alle

Wenn sie nach der Lehre genügend Er-

Ermessen – gerne bei Urban Truniger in

Lehrberufe ergreifen können. Doch für sie stand fest, dass sie ein

fahrungen gesammelt hat, kann sie den

Bürglen bleiben und mit der Zeit an Wei-

Handwerk lernen wollte, möglichst im Bereich des Pferdesports.

kompletten Sattelbau in Angriff nehmen.

terbildung und Höhere Fachprüfung den-

«Zudem sind Computer und Büro überhaupt nicht mein Ding, ich

Das Kundengespräch wird dann zu ei-

ken. «Aber vielleicht ergibt sich eine andere

arbeite gern mit den Händen.» Weil ihre Eltern langjährige Kun-

nem zentralen Bestandteil ihrer Tätigkeit.

Gelegenheit, nur muss es etwas mit Pfer-

den der Sattlerei EquiNomic im thurgauischen Bürglen waren,

Denn der Pferdesitz ist stets individuell

den zu tun haben.»

lag es nahe, in diesem Betrieb eine Schnupperlehre zu machen.

gestaltet, weil die jeweilige Anatomie des

Nach einer Woche stand ihr Entschluss fest, «Pferdesattlerin»

Reiters für die Form ausschlaggebend ist.

(heute: Fachfrau Leder und Textil, Fachrichtung Pferdesport) zu

Schlecht passende Sättel können durch-

werden. Dafür nimmt sie auch das tägliche Zugpendeln – rund

aus zu Haltungsschäden und Rückenpro-

100 Minuten – von ihrem Wohnort in Riet bei Neftenbach in Kauf.

blemen führen. Hier liegt auch der grosse

In ihrem Bekanntenkreis gilt ihre Berufswahl übrigens als «echt

Vorteil der handwerklichen Sattler: ihre

cool», obwohl die wenigsten Freunde über ihre Arbeit genauer

Massprodukte sind höchstens 20 Prozent

Bescheid wissen.

teurer als Serienware, was den Preisunter-

Als Zweitjahr-Lernende kann Rebecca Ammann schon allerlei Aufträge selbstständig erledigen. Die Bandbreite reicht von Zaumzeug über Steigbügelriemen bis zu Sattelgurten, doch sie

schied nach Ansicht von Experten durchaus rechtfertigt.

Die Pferdeliebhaberin Rebecca Ammann hat ihren Traumberuf gefunden. Das Fachsimpeln über Pferde und Reiten gehört natürlich dazu.


WAS BRAUCHT ES? - Flair für Rechnen und Geometrie - Handwerkliches Geschick - Kontaktfreudigkeit - Sinn für Formen und Farben - Zeichnerische Begabung - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - 1 Tag Berufsfachschule pro Woche - Mehrtägige über­ betriebliche Kurse - Berufsmaturität bei guten schulischen

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Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Bereits im zweiten Lehrjahr kann Rebecca Ammann viele Aufträge selbstständig erledigen. Berufsbildner Urban Truniger freut sich über die vielen Fortschritte seiner Lernenden.


RETO: ”

ANGST HABE ICH NIE, RESPEKT IMMER. HUFSCHMIED EFZ – Die Arbeit mit ­T ieren weckt Emotionen. Entsprechend gross ist das Interesse am Beschlagen von Pferden & Co. Doch der Beruf stellt hohe Anforderungen.

34

Handwerk 1/2014

R

NACHWACHSENDER ARBEITSVORRAT

Die Arbeit dauert rund eine Stunde. Der 50-Jährige besitzt in Wiesendangen bei Winterthur ein Unternehmen

Für Reto Eggenberger gab es bei der

mit zwei Mitarbeitenden und zwei Ler-

Berufswahl nie Zweifel: er machte es ein-

nenden. Da Urs Teuscher einen Misch-

fach seinem Vater nach, der in Amriswil

betrieb hat, also auch Schlosserarbeiten

TG eine Hufschmiedewerkstatt betreibt.

ausführt, dürfen seine Lernenden beides

«Mir gefällt gerade die Kombination von

tun. «Das Beschlagen ist harte Arbeit, die

Hufbeschlag und Metallarbeiten», sagt der

viel Kraft und Können erfordert. Durch

19-Jährige. Hat er vor den Pferden nie

die Arbeit in gebückter Haltung wird der

Angst gehabt? «Angst habe ich nie, Res-

Körper stark belastet. Die Schmiede- und

pekt immer», zitiert er das Motto seines

Metallbauerarbeiten sorgen für den nöti-

Ausbildners. Wenn Pferde oder Esel nicht

gen Ausgleich.» Urs Teuscher ist deshalb

still stehen oder gar ausschlagen woll-

nicht «ganz glücklich» mit Teilen der 2008

ten, habe dies meistens einen konkreten

durchgeführten Reform der Ausbildung,

Grund, etwa Schmerzen oder schlechte Er-

die eine Trennung der bisherigen Schmied-

fahrungen vom früheren Beschlagen.

eto Eggenberger ist nun im dritten Lehrjahr. Am Anfang war

Hufschmied-Kombilehre und die Speziali-

Eggenberger hat klare Vorstellungen

ihm die Helferrolle zugeteilt. Er musste jeweils die Beine

sierung auf den Hufbeschlag brachte. Ge-

für die Zeit «danach»: nach einem nicht

der Tiere hoch halten. Denn in der Schweiz ist es Tradition mit

rechterweise müsse man aber festhalten,

allzu langen Auslandaufenthalt möchte er

einem «Aufhalter» Pferde zu beschlagen. «Ferrer à la française»

dass die Fokussierung auf die Pferdekunde

ins väterliche Geschäft einsteigen. An Ar-

heisst dieses Vorgehen; die übrige Welt zieht die Methode «ferrer à

auch klare Vorteile habe. «Die nach dem

beit dürfte es ihm nicht fehlen: Die Zahl

l’anglaise» vor, bei der der Hufschmied auf sich allein gestellt ist.

neuen System ausgebildeten Berufsleute

der Hufträger steigt seit Jahren unaufhör-

haben ein viel breiteres Wissen im Hufbe-

INTENSIVER LERNPROZESS

lich. Laut aktuellen Statistiken leben in

schlag, sowohl theoretisch als auch prak-

Spezialkenntnisse den Tierarzt ergänzen

der Schweiz derzeit etwa 110’000 «Equi-

Das Anbringen des Eisens verlangt eine ausgiebige Erfah-

tisch.» Man müsse sich auch vor Augen

und allfällige Missbildungen, Erkrankun-

den», also Pferde, Ponys, Esel, Maultiere

rung – «Man kann den Huf ja nicht messen, man muss mit

halten, dass erst seit 2004 an den Lehrab-

gen sowie Verletzungen an Beinen und

und Maulesel. Und jedes dieser Tiere

Augenmass die Form erkennen. Das ist ein intensiver Lernpro-

schlussprüfungen mit lebenden Pferden

Hufen rechtzeitig diagnostizieren. Mit der

braucht durchschnittlich alle sechs bis

zess», erläutert Eggenbergers Berufsbildner Urs Teuscher. Zuerst

gearbeitet werde, vorher wurde an toten

Wahl der richtigen Eisen – und ihrer fach-

acht Wochen vier neue «Schuhe».

kontrolliert der Schmied den Gang des Tieres. Das alte Eisen

Hufen beschlagen.

gerechten Anbringung – oder verschiede-

Einen Wunsch hätte der 19-Jährige: er

nen Alternativbeschlägen und Hufschuhen

möchte an nationalen und internationalen

stellt man sicher, dass sich die Tiere wohl

Berufswettbewerben mitmachen. Das er-

fühlen. Die Pferde tragen diese ‹Schuhe› ja

staunt nicht, denn die Eidgenossen pflegen

24 Stunden am Tag.»

fast bei allen Wettkämpfen Spitzenränge

wird entfernt und der wachsende Huf wird in die von der Natur vorgegebene Form zurückgeschnitten und zurechtgeraspelt. Das

DEN TIERARZT ERGÄNZEN

passende Fabrikeisen wird ausgewählt und in der Esse oder im

Für Urs Teuscher ist klar: «Der Huf-

Gasofen erhitzt und durch Schläge auf dem Amboss in die rich-

schmied ist heute nicht einfach der ‹Ross-

tige Form gebracht. Danach wird es aufgerichtet und aufgenagelt.

besohler›, er kann und soll aufgrund seiner

zu belegen.


WAS BRAUCHT ES? - Abgeschlossene Volksschule - Freude an der Arbeit mit Pferden und mit Metall - Geschickte Hände - Kraft und körperliche Fitness - Einfühlungsvermögen - Interesse an Kundenkontakten

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - 1 Tag pro Woche an der Berufsfachschule - Berufsmaturität bei guten schulischen Leistungen möglich - Weiterbildung zum Qualifizierten Hufschmied

35

Handwerk 1/2014

- Höhere Fachprüfung

Reto Eggenberger profitiert vom enormen Wissen seines Berufsbildners Urs Teuscher. Für den Hufschmied ist nicht nur das Beschlagen wichtig, sondern auch die Kenntnis von Anatomie und Fusskrankheiten der Pferde.


E

nde des dritten Lehrjahrs weiss Joshua Ritler wovon er

zu Missgeschicken kommen. «Edelmetall

mag. Hinzu kommt die fast unendliche

spricht, wenn er behauptet: «Goldschmieden ist definitiv ein

kann man wenigstens wieder einschmel-

Vielfalt an Materialien und Steinen und

handwerklicher Beruf. Am Anfang bohrt, schneidet und feilt man

zen», weiss auch Joshua Ritler aus Erfah-

deren Verwendungsmöglichkeiten. Er,

sich in die Finger. Doch das ist normal», fügt er schulterzuckend

rung. «Aber Steine sind sehr heikel, kosten

der sich ursprünglich stark von der grafi-

hinzu. – Und nimmt damit gleich vielen Schulabgängern, die mit

schnell mal Tausende von Franken. Und

schen Branche angezogen fühlte, ist heute

dem Goldschmiedeberuf liebäugeln, weil sie sich künstlerisch

wenn ein Stein kaputt ist, ist nichts zu

rundum zufrieden mit seiner Berufswahl:

und kreativ betätigen möchten, eine grosse Illusion.

machen», bringt er es auf den Punkt.

«Diese Verbindung des Gestalterischen

Akzeptieren musste der junge Berner

36

Handwerk 1/2014

JAHRELANG GEDULD HABEN

und Technischen ist perfekt für mich.»

auch, dass es etwa zwei Jahre dauert,

COMPUTER ALS HELFER

Seine Berufsbildnerin, Claudia Neuburger, eidgenössisch dip-

bis man überhaupt die Fähigkeiten hat,

lomierte Goldschmiedemeisterin und langjährige Prüfungsexper-

ein einfaches Schmuckstück von A bis Z

In der Technik sieht Joshua denn

tin und Lehrbeauftragte der Schule für Gestaltung Bern, doppelt

selber herzustellen. «Vielleicht beherrscht

auch eine Zukunftsmöglichkeit für die

nach: «Der Beruf weckt viele romantische – falsche – Vorstellun-

man erst nach zehn Jahren alles so, wie

Goldschmiede-Branche, betont aber, dies

gen von Selbstverwirklichung und Kreativität, doch das steht erst

man möchte. Vorher muss man sich mit

sei seine ganz persönliche Meinung: «Ich

an zweiter Stelle. In erster Linie ist es ein technischer Beruf, der

den eigenen Grenzen abfinden, auch wenn

glaube, CNC- und CAD-Programme und

sehr viel Geduld, Ausdauer und Sitzleder braucht.»

man weiss, dass es besser ginge», gibt er

3-D-Drucker werden auch in unserer

Gerade mit der Geduld hatte es der 19-jährige Joshua früher

sich erstaunlich abgeklärt. Ein Frust sei

Branche an Bedeutung gewinnen. Man

nicht so: «Eigentlich bin ich von der Persönlichkeit her nicht

das nicht: «Es ist eher der innere Perfekti-

wird sich als Goldschmied damit befas-

geduldig, doch wenn ich an der Arbeit sitze, ist es plötzlich an-

onist, der leidet, doch das geht vielen Gold-

sen müssen.» Vielleicht werde man in ein

ders.» Er kann sich jedoch gewaltig über sich selbst ärgern,

schmieden so.»

paar Jahren ein Schmuckstück zuerst am

wenn er stunden- oder gar tagelang an einem Schmuckstück

Am schönsten ist es für Joshua, wenn

Computer entwerfen und danach nur noch

gearbeitet hat und dieses kurz vor Ende noch verpfuscht, nur

er ohne Kompromisse bei Material und Zeit

von Hand fertig machen. «Als Goldschmied

weil er sich nicht genügend Zeit genommen hat. «Man ist immer

ein möglichst perfektes Stück herstellen

muss man sich wohl entscheiden, welchen

selber schuld.»

darf – und der Kunde natürlich auch wil-

Weg man gehen will – Tradition, Moderne

lens ist, den Preis dafür zu bezahlen.

oder Kunst.» Seine eigene Zukunft sieht

EIGENE GRENZEN AKZEPTIEREN Damit eine Ausbildung für den Betrieb nicht zu kostenintensiv wird, arbeiten die Lernenden anfänglich monatelang nur mit Messing-Übungsstücken. Doch auch danach kann es noch

GOLDSCHMIED EFZ – Für viele Leute ist es der kreative Traumberuf. Doch ohne Durchhaltevermögen, sehr viel Geduld und handwerkliches Geschick geht gar nichts. Erst danach ist Raum für Schönheit.

er ganz klar in der Moderne, wobei es ihm

VIELFÄLTIGE ARBEIT UND MATERIALIEN

besonders die 3-D-Techniken angetan haben. Die Berufsmaturität ist für den

Die Kundschaft in Claudia Neuburgers

jungen Berner jedoch kein Thema. «Ich

Goldschmiedeatelier Punctum Aureum in

war schon froh, als ich die obligatorische

der Berner Altstadt ist grösstenteils weib-

Schule hinter mir hatte.» Eher hält er es

lich, aber bunt gemischt. Dementspre-

für möglich, dass er nach der Lehre für die

chend vielfältig ist die anfallende Arbeit:

Weiterbildung die Goldschmiedeschule im

nebst neu zu kreierenden Stücken gibt

deutschen Pforzheim besucht.

es auch Reparaturen und Änderungen zu erledigen. Diese Abwechslung ist es, die Joshua Ritler an seinem Beruf besonders

JOSHUA:

ES IST DEFINITIV EIN HANDWERKLICHER BERUF.

Joshua Ritler muss neben den handwerklichen Fertigkeiten auch noch Geduld lernen: «Der Goldschmied ist ein technischer Beruf, der viel Ausdauer und Sitzleder braucht.»

Berufsbildnerin Claudia Neuburger sorgt dafür, dass Joshua Ritler sämtliche Grundtechniken erlernt. In der Zukunft wird jedoch die computergesteuerte Technik eine noch wichtigere Rolle spielen.


WAS BRAUCHT ES? - Manuelles, feinmotorisches Geschick - Technisches Verständnis - Gestalterisches Flair, Kreativität, Sinn für Schönheit - Dreidimensionales Vorstellungsvermögen - Gutes Sehvermögen (auch mit Brillen) - Geduld, Sorgfalt, Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - 1 Tag Berufsfachschule pro Woche - 1 überbetrieblicher Kurs pro Jahr (anfangs Lehre 7 Wochen, dann reduziert

guten schulischen Leistungen möglich - Weiterbildung: Höhere Fachprüfung Goldschmiedemeister/in, Höhere Fachschule (z. B. Produktedesign)

37

- Berufsmaturität bei

Handwerk 1/2014

bis auf 2 Wochen)


GRAVEURIN EFZ – Es gibt kaum einen Beruf, der durch das Aufkommen der Computertechnik so verwandelt wurde. Doch die Wurzeln dieser uralten handwerklichen Kunst sind trotzdem noch intakt.

LAURA:

Berufsbildner Beat Heidersberger be-

men, zumal der Beruf für Frauen geeignet

treibt seit 1995 sein kleines Atelier (mit

ist, die wir vermehrt ansprechen könnten.»

Hilfe einer Vollzeit- und einer Teilzeitkraft

Der 47-jährige Graveur, der sich im nörd-

sowie der Lernenden) hinter dem Aargauer

lichen Nachbarland den Meistertitel holte,

Kunstmuseum. Gerade in diese Zeit fiel

findet das heutige Ausbildungsniveau

der grosse Umbruch in der Branche. Ein-

in der Schweiz «sicher genügend». Dass

geläutet wurde er durch technologische

kein zweiter Albrecht Dürer dabei heraus-

Fortschritte und neue Arbeitsinhalte. «Die

komme, sei zwar logisch, doch die Jungen

CNC-, Laser- und Pantograf-Gravierma-

bekämen eine gute Basis. «Danach steht

schinen stellten unsere eher gemächliche

der Weg zur Spezialisierung offen. Sogar

Welt tatsächlich auf den Kopf. Zudem

mit klassischen Gravuren kann man sich

änderten sich auch die Arbeitsinhalte.

eine zukunftsträchtige Existenz aufbauen.»

So wurde etwa die klassische Gravur an

IM ZWEITEN ANLAUF HAT ES DOCH GEKLAPPT.

Laura teilt diesen Optimismus. Sie will denn auch ihrem Traumberuf die Treue halten, obwohl die behaglichen Zeiten des eindrucksvollen Graveurtisches, des Binokulars und der Kopflupe weitgehend vorbei sind. «Wichtig ist mir, dass die Kreativität

anchmal braucht es halt mehrere Versuche, bis man das

während neue Arbeiten, hauptsächlich für

nicht erdrückt und die Vielfältigkeit nicht

Richtige gefunden hat», sagt Laura. Die 23-Jährige, die

die Industrie, hinzukamen.» So müssten

durch geistlose Massenproduktion abge-

das letzte Lehrjahr absolviert, hat ihr Praktikum als Fotofachfrau

viele Produkte, insbesondere im Medtech-

löst werden.»

«schon längst vergessen». Dieser Beruf sei für sie – die Digital-

Bereich, wegen Rückverfolgbarkeit heute

kamera lässt grüssen – zu einer Sackgasse geworden. Bei einem

klare Herkunftsangaben aufweisen. Ein

gestalterischen Vorkurs hatte sie das Gravieren entdeckt, und es

Beispiel dafür sind etwa die Zahnimplan-

war Liebe auf den ersten Blick. «Ich habe sofort gesehen, dass

tate, die von den Graveuren mit einem

mich die allermeisten Arbeitsinhalte ansprechen», blickt die ge-

Code versehen werden. Strenge Sicher-

bürtige Kolumbianerin gern zurück.

heitsvorschriften zwingen aber auch die

38

Handwerk 1/2014

M

Zinnkannen und Pokalen zur Nebensache,

Hersteller von Kabelsträngen und Steck-

HANDARBEIT UND TECHNIK Laura mag an ihrem Beruf vor allem die Kombination zwi-

dosen für Grossanlagen wie Flughäfen zur Beschriftung ihrer Produkte.

schen der kreativen Handarbeit und dem Einsatz moderner Technik, also von Computern, Lasergeräten und 3-D-Graviermaschinen. «Die Apparate übernehmen heute weitgehend die Se-

FRAUEN VERMEHRT ANSPRECHEN

rienfertigung, sodass uns viel mehr Zeit für die eigentliche gestal-

Der engagierte Berufsbildner («dieser

terische Arbeit bleibt.» Und daran fehlt es nicht: es werden immer

uralte schöne Beruf darf nicht ausster-

noch Gegenstände und Schmuckstücke mit Gravuren (etwa Or-

ben») trauert der Vergangenheit nicht

namenten, Signeten, Schriftzügen und Logos) versehen. Dazu

nach, auch wenn er den ständigen Zwang

braucht man nicht selten auch selbst hergestellte Stanz- und

zu Neuinvestitionen nicht sonderlich

Prägewerkzeuge sowie Originalschablonen. «Wir setzen meistens

schätzt. In der Endabrechnung überwögen

Kundenwünsche um, und das lässt uns häufig viel Spielraum. Im

die Vorteile: «Für die einzelnen Graveure

Idealfall ist ein Auftrag ein Projekt, das wir gemeinsam mit dem

ist das Spektrum breiter geworden, sie

Auftraggeber entwickeln», betont die junge Frau in lupenreinem

haben in der Regel mehrere Standbeine.»

Aargauer Dialekt. Als ihre Lieblingsschrift bezeichnet sie wohl

Entsprechend hofft der gebürtige Basler,

nicht ganz zufällig die Helvetica («genial einfach und trotzdem

dass künftig wieder mehr Lehrstellen an-

elegant»). Nach zehn Jahren in der Schweiz ist für sie Integration

geboten würden. «Es wäre schade, wenn

«absolut kein Thema»; hier ist ihr Lebensmittelpunkt.

wir einen Mangel an Fachkräften bekä-


WAS BRAUCHT ES? - Abgeschlossene Volksschule - Gute Leistung im Zeichnen und Rechnen - Handwerkliches Geschick und technisches Verständnis - Freude an Computerarbeit - Selbstständigkeit

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - 1 Tag pro Woche an der Berufsfachschule - Berufsmaturität bei guten schulischen Leistungen möglich - Modulare Weiterbildung - Meisterprüfung (nur in

39

Handwerk 1/2014

Deutschland möglich)

Laura ist froh, dass die Apparate die Serienfertigung übernehmen, so dass mehr Zeit für die eigentliche gestalterische Arbeit bleibt. Berufsbildner und Patron Beat Heidersberger sorgt dafür, dass sie die verschiedenen Techniken von Grund auf erlernt.


I

ch will möglichst viel lernen, weil ich das Wissen und die Er-

dem werde sein Deutsch immer besser,

nicht optimal geklappt. Fachleute fehlen

fahrungen ganz konkret für meine Zukunft brauche», sagt Gil-

sodass er die Blockkurse in Lenzburg AG

aber auch in der Armee. Für Abhilfe sor-

les Dufaux. Der 19-Jährige steht tatsächlich etwas unter Druck,

nicht mehr so fürchte. Eine Wahl hat er

gen soll nun eine kombinierte Ausbildung,

denn er wird in ein paar Jahren in die Familienfirma in Granges-

ja nicht, in der Romandie gibt es nämlich

die im kommenden Sommer beginnt. Da-

Paccot eintreten, weil sich sein Vater Pierre-Alain pensionieren

keine Fachschule.

bei werden die Lernenden sowohl in den

lassen will. Zu diesem gewichtigen Schritt muss der junge Berufsmann nicht gezwungen werden: «Mir gefällt das Metier, ich

Handwerk 1/2014

Lehrwerkstätten in Meiringen im Einsatz

schiesse sehr gern, und das Team in der Firma ist super.» Als

Die Wissenspalette ist vielleicht noch

stehen. Daniel Wyss wird diese Premiere

Pistolenschütze (10 und 25 Meter) gehört Dufaux junior bereits

ein gutes Stückchen grösser, weil sein Be-

zusätzlich mit einer anderen kombinie-

zum Nachwuchskader.

rufsbildner Daniel Wyss ist. Der Burgdorfer

ren – er wird erstmals eine Frau ausbilden.

Unternehmer gilt in der Branche, die etwa

«Es gibt absolut keinen Grund, warum die

100 Betriebe zählt, als Perfektionist und

Waffentechnik den Männern vorbehalten

Sein Einstieg in die Büchsenmacherei – als Romand hat er

Tüftler. Seine Erfindungen und Spezialan-

werden sollte.»

mit dieser Bezeichnung ziemlich Mühe und spricht lieber von

fertigungen machten ihn über die Grenzen

Vorurteile und Anfeindungen sind

Waffentechnik – ist sorgfältig geplant. Zuerst hat Gilles eine

der Schweiz hinaus bekannt. Letztes Bei-

Wyss nichts Neues, auch Dufaux kennt sie

dreijährige Grundbildung als Produktionsmechaniker hinter sich

spiel für die Innovationskraft von (Nicht-

zur Genüge. «Leidenschaftliche Jagdgeg-

gebracht, jetzt macht er die zweijährige Zusatzlehre als Büch-

jäger) Wyss ist sein Fangschussgeber, der

ner werden wir kaum je bekehren können,

senmacher. Das Pflichtenheft ist eine Herausforderung: neben

dank einem kleineren Kaliber das Fleisch

aber wir hoffen auf eine Art Waffenstill-

der Metall- und Holzbearbeitung gilt es auch Optik, Ballistik,

der Tiere schont. Auch in Sachen Sport-

stand, weil wir ihre Ansichten respektie-

Elektro- und Steuerungstechnik sowie technisches Englisch und

schiessen setzt er die Latte hoch: er hat

ren.» Eher schwieriger sei die Argumenta-

Kundenbetreuung (im Laden oder im firmeneigenen 100-Meter-

ein eigenständiges Kleinkalibersystem für

tion gegenüber Leuten, die grundsätzlich

Schiesskeller) zu lernen. Ebenso brauche es für die Reparaturen

die legendäre Pistole SIG 210 entwickelt.

alle Schusswaffen ablehnten. «Sie müss-

viele Spezialkenntnisse. Für den Freiburger ist klar: «Möglicher-

Jährlich baut er etwa 50 Exemplare des

ten begreifen, dass nicht das Gewehr oder

weise werde ich noch ein drittes Jahr anhängen, weil das Pen-

«Kleinkalibersystems Modell Wyss», die

die Pistole das Problem sind, sondern der

sum sehr umfangreich und anspruchsvoll ist.» Er habe aber

in Fachkreisen einen hervorragenden Ruf

Mensch, der den Finger am Abzug hat.»

viel Freude an der Arbeit, vorab an der handwerklichen. «Man

haben. Für die komplizierten Entwicklun-

hat plötzlich konkrete Resultate vor sich. Es ist beispielsweise

gen verlässt sich Wyss auf den Mitarbeiter

schön, wenn ich einen Holzschaft fehlerfrei machen kann.» Zu-

namens Computer, mit dem er seine Ideen

GILLES: ”

in dreidimensionale Bilder verwandelt. In

ANSPRUCHSVOLLES PENSUM

40

Meisterbetrieben als auch in den Militär-

INNOVATIVER AUSBILDNER

DAS IST KEIN JOB FÜR WAFFENNARREN. BÜCHSENMACHER EFZ – Die Schweiz mit ihrer Milizarmee braucht und pflegt das Schiesswesen. Neben Soldaten und Sportschützen sind auch die zahlreichen Jäger auf gute Waffen und modernes Zubehör angewiesen.

der Werkstatt, in der ein Facharbeiter und zwei Lernende beschäftigt sind, werden die Prototypen angefertigt. «Ein langwieriger Prozess», findet der Patron, «Aber sehr spannend», kontert Lehrling Dufaux, der es gar nicht mag, wenn man ihn nach der Faszination der «Büchsen» fragt. «Das ist kein Job für Waffennarren, es hat wohl genug Platz für eine kontrollierte Vorliebe, aber sicher keinen für Exzesse.»

MEHR NACHWUCHS GEWINNEN Die Büchsenmacherei gilt wegen ihrer Vielseitigkeit als eine krisensichere Branche. Dennoch hat es in den letzten Jahren mit der Nachwuchsrekrutierung

Gilles Dufaux weiss heute, dass die Büchsenmacherei ein sehr komplexer Beruf ist, bei dem die Technik wichtiger ist als das Schiessen.


WAS BRAUCHT ES? - Technisches Flair und handwerkliches Geschick - Exakte Arbeitsweise - Hohes Verantwortungs­ bewusstsein - Sichere, ruhige Hand

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - 1 bis 1,5 Tage Berufsfachschule pro Woche (zusammen mit Polymechanikern) - Blockkurse für Fachkunde in Lenzburg (je 8 bis 10 Tage im 3. und 4. Lehrjahr) - Berufsmaturität bei guten schulischen

41

Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Der junge Freiburger hat das Glück bei Daniel Wyss seine Ausbildung zu absolvieren. Der Burgdorfer Waffenmeister gilt in der Branche als der grosse Tüftler.


TEXTILTECHNOLOGIN EFZ, FACHRICH­ TUNG SEIL- UND HEBETECHNIK – Die Seilherstellung ist eines der ältesten Gewerbe überhaupt. Der technische Fortschritt hat das traditionelle Handwerk sehr verändert, doch die Faszination bleibt.

schrieben wurde. Die Grundbildung trägt

Die Flexibilität und Offenheit der Jungen

heute den Namen Textiltechnologin EFZ,

sei notwendig, denn die Arbeitsinhalte

Fachrichtung Seil- und Hebetechnik. Ihre

der Firma veränderten sich teils rasend

Berufsbildnerin Daniela Studer absolvierte

schnell, und die reine Seilproduktion trete

ab 2001 noch eine Lehre als Seilerin. Die

in den Hintergrund. «Wer hätte gedacht,

Beiden waren eigentliche «Pionierinnen»,

dass wir in nur drei Jahren 30 Prozent

die jeweils ersten weiblichen Lernenden,

des Umsatzes im Bereich der Fallschutz-

die diesen Beruf in der Schweiz erlernen

netze für die Bauwirtschaft erzielen, die

wollten. Studer war gar (neben den Gat-

wir nicht nur produzieren, sondern auch

JANA:

tinnen der Patrons) die erste Frau im zuvor

vermieten und warten? Oder dass wir bei

rein männlichen «Berger-Team», das heute

den Spielplatzgeräten eine solche Kompe-

«geschlechtsparitätisch» bestückt ist. «Es

tenz entwickeln, dass sogar Prominente

hat sich schnell gezeigt, dass Frauen in

sie für ihre Sprösslinge erwerben und wir

dieser Branche mit der gleichen Fingerfer-

schöne Exportaufträge haben?» Der Mut

IN EINEM BÜRO WÄRE ICH TOTAL VERLOREN.

42

Handwerk 1/2014

L

zur Diversifizierung und die stetige Suche nach neuen Exklusivitäten hätten sich

gelohnt: «Unser aktuelles Sortiment ist pfiffig und spricht eine breite Kundschaft an. Viele unserer Produkte sind Einzelstü-

ässt man sich von Jana Nützi durch die verwinkelten Räume

tigkeit arbeiten und den männlichen Fach-

cke, die auch etwas kosten dürfen», hält

der Seilerei Berger GmbH in Laupersdorf führen, so meint

kräften ebenbürtig sind», sagt die 29-Jäh-

Berger fest. Sein Fazit: «Die Branche hat

man, die Firmenchefin selbst zeige ihren Betrieb. Dabei ist eine

rige, die heute die Konfektionsabteilung

Zukunft, wenn sie nicht stehen bleibt und

erst 17-jährige Lernende am Werk – allerdings eine, die sich mit

leitet. Jana bestätigt es: «Das Geschlecht

dem Nachwuchs freien ‹Auslauf› lässt.» In

«ihrem» Unternehmen voll identifiziert und mit Begeisterung bei

ist bei uns kein Thema, wir ziehen alle

der Sache ist. Da preist sie Seile aus Polypropylen an – «besser

am gleichen Seil – und in die gleiche Rich-

Alleingang erledigen kann, etwa eine Liefe-

viel von der geplanten zweijährigen beruf-

als Hanf, leicht, wasserdicht und schwimmfähig» –, schildert die

tung.»

rung von Alpseilen. Da nehme ich gerne in

lichen Grundbildung, die mit dem eidge-

Kauf, dass ich am Abend vor lauter Kno-

nössischen Berufsattest (EBA) abgeschlos-

tenmachen steife Finger habe», sagt Jana

sen werden kann und die 2015 erstmals durchgeführt werden soll.

Vorzüge der Naturfasern wie Sisal, Jute und Baumwolle und vermeldet stolz, dass die Basler Fasnachtstrommler ihre Inst-

REEPERBAHN IN ZOFINGEN

diesem Zusammenhang verspricht er sich

rumente mit Spezialschnüren «natürlich von Berger» festzurren.

Für die angehende Berufsfrau ist die

mit hörbarem Stolz. Sie mag auch den

Dass Schweizer Freizeitcowboys ihre Lassos in Laupersdorf be-

gute Betriebsatmosphäre genauso wichtig

Theorieunterricht, der zu Beginn der Lehre

Mit ihren 17 Jahren denkt Jana Nützi

stellen, ist ihr nur eine kurze Bemerkung wert. «Die Seile müssen

wie die abwechslungsreiche Tätigkeit im

bis zu zwei Tage pro Woche beansprucht.

nicht sonderlich intensiv an die Zeit nach

weich sein, das ist nichts für Chemiefasern, da kommt Hanf zum

Alltag. «In einem Büro wäre ich total verlo-

Besondere Erlebnisse sind für die Solo-

der Ausbildung. Sie wolle sicher vorerst

Einsatz.»

ren, ich brauche die Handarbeit und den

thurnerin die überbetrieblichen Kurse, die

auf dem erlernten Beruf und in der Berger-

Janas Engagement ist gross – sie ist Seilerin mit Leib und

direkten Bezug zu den Produkten, die ich

teilweise an der Staatlichen Berufsschule

»Seili» bleiben. «Die Weiterbildung kommt

Seele. Und sie hat das Glück, dass sie in einem Unternehmen

herstelle.» Sie sei als Lernende privilegiert,

für Textilberufe im bayrischen Münchberg

automatisch; in diesem Beruf wird es im-

arbeitet, das auch im Zeitalter der Globalisierung und der Tech-

weil sie in allen Abteilungen eingesetzt

stattfinden.

mer wieder Neues geben.»

nologierevolution «altmodisch» funktioniert. Konkret heisst dies

werde, also sowohl bei der maschinellen

Patrons, die zupacken statt abzocken, keine Hetze, familiäre

Fertigung als auch in der Konfektionie-

Atmosphäre der 20-köpfigen Belegschaft und individuelle Förde-

rung. Besonders fasziniert ist sie von der

Oswald Berger, der die Firma zusam-

rung durch Weiterbildung.

Produktionsanlage in Zofingen, wo die

men mit seinem Bruder Simon erfolgreich

Firma eine 130 Meter lange Seiler-Bahn

führt, ist von der Notwendigkeit der beruf-

(im Fachjargon Reeperbahn genannt) be-

lichen Grundbildung überzeugt. «Die Ler-

Zweitjahr-Lernende Jana Nützi kommt aus Neuendorf, wo

treibt, in der extrem lange Seile gedreht

nenden sind später die besten Mitarbeiten-

die Firma vor dem Umzug nach Laupersdorf ihren Sitz hatte. Sie

werden. Aber die Erledigung grosser Auf-

den, sie kennen den Betrieb fast besser als

kannte die «Seili» von Ferienjobs, es war daher nur logisch, dass

träge mag sie am liebsten. «Es ist schon

die Chefs. Ich möchte deshalb möglichst

sie sich um die Lehrstelle bewarb, als diese in der Zeitung ausge-

befriedigend, wenn ich eine Bestellung im

viele Ausgelernte weiter beschäftigen.»

GESCHLECHT IST KEIN THEMA

AUSBILDUNG IST EIN MUSS

Ein Berufsleben als Seilakt: Jana Nützi braucht für ihre Ausbildung kein Auffangnetz.


WAS BRAUCHT ES? - Abgeschlossene Volksschule - Handwerkliches Geschick und technische Begabung - Exakte Arbeitsweise - Geduld und Ausdauer

WIE LÄUFT ES? - 3 Jahre Grundbildung - Pro Woche bis zu 1,5 Tage an der Berufsfachschule - Monatlich 1 Tag Fachunterricht - Berufsmaturität bei guten schulischen

43

Handwerk 1/2014

Leistungen möglich

Zwei Frauen, die im SeilmacherBeruf als «Pionierinnen» gelten können: Jana Nützi und ihre Berufsbildnerin Daniela Studer waren jeweils die ersten weiblichen Lernenden.


H

ochseilartisten müssen wir nicht sein, aber Leute mit Hö-

ten eben weniger Fehler zu begehen, weil

also der Kundenkontakt mit Billettverkauf,

henangst wären bei uns sicher fehl am Platz», meint Cedric

sie auch bei Wind und Schneefall improvi-

Erteilen von Auskünften und Fahrtbeglei-

sieren könnten.

tung. «Diese kürzere Ausbildung eignet

Aellig. Der 20-jährige Berner Oberländer korrigiert sofort das romantische Bild der wagemutigen Kerle, die vor einer atemberau-

Für Aellig ist die jetzige Lehre die

sich auch als Zweitausbildung für Leute,

benden Bergkulisse tarzanmässig von Mast zu Mast hüpfen. «Wir

Zweitausbildung. Sein Erstberuf war

die Teilzeitarbeit vorziehen», ist Nägeli

halten uns je nach Aufgabe 60 bis 80 Prozent im Freien auf, und

Spengler «und eigentlich ganz recht».

überzeugt. Sie sei aber auch ein wichti-

da gehört die Kontrolle der teils sehr hohen Masten und der dort

Dann habe er im Fernsehen eine Repor-

ger Schritt zur Verbesserung des Gäste-

angebrachten Rollen dazu. Aber in der Regel machen wir keine

tage über die neue Seilbahn-Grundbildung

services. «Die Seilbahnbranche hat heute

‹Kletterpartien›, sondern steigen von der Lastenbarelle auf. Wir

gesehen und war davon sofort angetan.

leider nicht das beste Image. Die beiden

arbeiten natürlich ausreichend gesichert und immer zu zweit.»

Bei den Meiringer Bergbahnen habe man

Grundbildungen könnten für eine Korrek-

Der etwas wortkarge Kandertaler verweist auf die Tatsache, dass

ihn mit offenen Armen empfangen. Weil er

tur sorgen, weil sie die nötige Professiona-

solche Einsätze vorab im Rahmen der üblichen Revisionen in den

bereits eine technische Lehre hinter sich

lisierung garantieren», meint Nägeli.

Monaten Mai und November erfolgen. «Notfälle gibt es eigentlich

hat, braucht er nur drei statt der vorge-

sehr selten, weil der sorgfältige Unterhalt sie auf ein Minimum

schriebenen vier Jahre «abzudienen». Im

reduziert.»

Mittelpunkt der Ausbildung stehen Seil-

Cedric Aellig ist sich bewusst, dass

bahntechnik sowie Mechanik, Hydraulik

der Lehrabschluss «zugleich der Anfang

44

Handwerk 1/2014

SICHERHEIT GEHT STETS VOR

ROSIGE AUSSICHTEN

und Elektrik. Die theoretische Schulung

der ständigen Weiterbildung ist». Neben

Heikel könnte es dennoch werden, vor allem wenn das Wetter

erfolgt in Form von Blockwochen-Unter-

einer breiten Palette von Kursen im Aus-

stürmisch wird. Das ist bei den Bergbahnen der Region Meirin-

richt, der im Ausbildungszentrum Seilbah-

bildungszentrum Meiringen (etwa für den

gen-Hasliberg, wo Aellig seine Lehre macht, keine Seltenheit, denn

nen Schweiz in Meiringen stattfindet (die

Bereich Pisten- und Rettungsdienst) steht

hier bläst der Föhn häufig enorm stark. «Der jeweils verantwort-

Westschweizer werden in Sion geschult).

der Weg zum Seilbahnfachmann (Berufs-

liche technische Leiter entscheidet schliesslich, ob die Bahnen in Betrieb genommen werden können. Aber auch dabei steht die Sicherheit unserer Leute an erster Stelle.», betont Cedrics Berufs-

prüfung mit Fachausweis) und zur Höhe-

ATTRAKTIVE ATTESTAUSBILDUNG

ren Fachprüfung als Seilbahnmanager mit eidg. Diplom offen. Stefan Nägeli beurteilt

bildner Stefan Nägeli (35). Für den Vize-Betriebschef des Haslita-

Die duale Ausbildung der Bergbahn-

die Chancen auf dem Arbeitsmarkt jeden-

ler Unternehmens, das mit rund 50 Ganzjahresstellen (während

spezialisten mit Fähigkeitsausweis ist

falls überaus positiv: «Die Ausgelernten

der Saison bis zu 120) zu den grössten Arbeitgebern im Südosten

noch jung. Sie wurde erst 2006 einge-

sind bei den über 1’700 Schweizer Berg-

des Kantons Bern zählt, könne es «Unfälle nur geben, wenn zuvor

führt. Unter den Lernenden finden sich

bahnen gefragt. Auch im Ausland – so-

Fehler gemacht worden sind.» Und gut ausgebildete Leute pfleg-

auch einige (eher wenige) Frauen. Stefan

gar in den USA und in Kanada – gibt es

Nägeli ist überzeugt, dass der Anteil noch

verlockende Beschäftigungsmöglichkei-

etwas zunehmen werde, auch «wenn dieser

ten. An Mechatronikern fehlt es so ziem-

Job etwas für zupackende Frauen ist und

lich überall, natürlich sind sie ebenfalls

nichts für Damen». Wer mit Einsätzen in

bei den Seilbahnherstellern sehr begehrt.»

der rauen Natur weniger am Hut hat, kann

Entsprechend möchte er Aellig in Meirin-

auf die zweijährige berufliche Grundbil-

gen halten: «Der eigene Nachwuchs ist für

dung als Seilbahner(in) EBA mit Berufs-

uns besonders wertvoll.» Der junge Berufs-

attest ausweichen. Hier steht der nicht-

mann hält sich allerdings vorerst bedeckt.

technische Bahnbetrieb im Vordergrund;

«Nach Nordkorea gehe ich jedenfalls nicht»,

SEILBAHN-MECHATRONIKER EFZ – Ohne Bergbahnen würde das Tourismusland Schweiz anders aussehen. Für einen sicheren Betrieb und für eine gästefreundliche Betreuung braucht es aber speziell ausgebildete Fachleute.

CEDRIC: ”

GUT AUSGEBILDETE LEUTE MACHEN WENIGER FEHLER.

verspricht er schmunzelnd.

Bei allen Unterhaltsarbeiten geht die Sicherheit vor. Um wagemutige Kletterpartien kommt Cedric Aellig aber nicht herum.


WAS BRAUCHT ES? - Abgeschlossene Volksschule (mindestens mittlere Stufe) - Gute Leistungen in Mathematik und Physik - Technisches Flair - Fitness und Belastbarkeit

WIE LÄUFT ES? - 4 Jahre Grundbildung - Schulische Blockkurse in Meiringen BE - Mehrere überbetriebliche Kurs pro Jahr - Berufsmaturität bei guten schulischen Leistungen möglich - Höhere fachliche

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Handwerk 1/2014

Weiterbildung

Mechatroniker haben im In- und Ausland gute Beschäftigungsmöglich­ keiten. Als Spezialist ist Cedric Aellig überall begehrt.


HANDWERK VERMITTELN – IM FREILICHTMUSEUM! «Aus der Vergangenheit lernen, die Gegenwart verstehen, die Zukunft gestalten.» So lautet ein Kernsatz der neuen Strategie des Freilichtmuseums Ballenberg. Bereits seit Jahren werden hier rund dreissig verschiedene historische Handwerke gezeigt. 2013 widmete das Freilichtmuseum sein Jahresthema dem Handwerk, förderte die Eigenaktivitäten der Museumsgäste und rief zusammen mit dem Kurszentrum Ballenberg das Kompetenzzentrum für traditionelles Handwerk Ballenberg ins Leben. Damit setzt es ein starkes Signal für das Handwerk – auch für das gegenwärtige Handwerk. 2014 geht diese Leidenschaft

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Handwerk 1/2014

weiter: Das Jahresthema 2014 lautet Kick-Off Meeting in Aarberg: Im Januar 2014 werden von den Lernenden konkrete Pläne für SwissSkills Bern 2014 geschmiedet.

KÖNNEN IST BESSER WISSEN – VERMITTLUNG IM KURSZENTRUM BALLENBERG!

«Handwerk – heute». In dieser Saison vermittelt das Freilichtmuseum Handwerk nicht nur mit Ausstellungen, historischen Vorführungen und Mitmachmöglichkeiten,

schaffen wurde, übernommen, publiziert

das Interesse und die Freude für Hand-

zusätzlich sind junge Berufsleute eingela-

und werden diese in den nächsten ein

werk wecken und fördern. Handwerk ist

den, ihr Handwerk den Museumsgästen

bis zwei Jahren kontinuierlich ausbauen

eine Haltung: Aus diesem Grund haben

vorzustellen. Die Lernenden von Kleinst-

Seit 1996 hat das Kurszentrum Bal-

und ergänzen. Auch andere Projekte im

wir in Zusammenarbeit mit dem Schwei-

berufen, die ihre Berufe bei SwissSkills

lenberg in rund 2500 Kursen schon über

Bereich der Vermittlung von traditionel-

zerischen Gewerbeverband sgv, dem

Bern 2014 präsentieren, sind vom 23. bis

25’000 Menschen für Handwerk begeistern

lem Handwerk werden vom Bundesamt

Eidgenössischen Hochschulinstitut für

29. Juni zu Gast im Freilichtmuseum Bal-

können. Neben den Kursen, die im eigens

für Kultur unterstützt: die Generationen-

Berufsbildung EHB IFFP IUFFP, dem Frei-

lenberg. Begeisterung ist ansteckend. Die

dafür gebauten Gebäude sowie im unmit-

kurse, die Jung und Alt einladen «Hand

lichtmuseum Ballenberg und engagierten

jungen Berufsleute werden ihr Feuer für

telbar angrenzenden Freilichtmuseum Bal-

anzulegen», aber auch die Tagungen für

Berufsverbänden (Interessengemeinschaft

das Handwerk weitergeben an die Muse-

lenberg durchgeführt werden, realisieren

Handwerkerinnen und Handwerker, die

Musikinstrumentenbauer IGMIB, Interes-

umsgäste. Wer weiss, ob der eine oder die

wir im Rahmen des Kompetenzzentrums

ihre Vermittlungskompetenz weiterentwi-

sengemeinschaft Korbflechterei IGK, Inte-

andere der jüngeren Gäste danach viel-

traditionelles Handwerk Ballenberg weitere

ckeln möchten.

ressengemeinschaft Kunsthandwerk Holz

leicht selbst einen Handwerksberuf wählen

Ausserdem wird alle zwei Jahre in

IGKH, Verband Schweizer Bildhauer- und

wird?

Zusammenarbeit mit der Fondation Ju-

Steinmetzmeister VSBS) an verschiedenen

2008 wurde von der Unesco die Kon-

melles der «Prix Jumelles» für gutes Hand-

Teilprojekten gearbeitet, die auf die Swiss-

vention zur Bewahrung des immateriellen

werk und gute Vermittlung im Handwerk

Skills Bern 14 hin initiiert wurden. Eines

Kulturerbes lanciert. Der Bund hat die

vergeben. Und für den Lehrgang, der auf

dieser Projekte ist die Publikation «Hand-

Konvention ratifiziert und daraus sind die

die höhere Berufsprüfung «Handwerker/

werk», die wir Ihnen hier mit Stolz vorlegen

Listen der lebendigen Traditionen entstan-

in in der Denkmalpflege FA» vorbereitet,

können. In den 21 ganz unterschiedlichen

den. Das traditionelle Handwerk nimmt

wirken wir als erste Anlaufstelle für In-

Porträts von Lernenden lesen Sie, dass

darin einen hohen Stellenwert ein. Im Auf-

teressentinnen und Interessenten und

Handwerk Zukunft hat.

trag des Bundesamtes für Kultur haben

beraten diese.

Projekte der Vermittlung und der Dokumentation.

wir die Datenbank, die bei der Erstellung

Wir wollen Anstoss zu Veränderun-

der Studie «Traditionelles Handwerk» ge-

gen und neuen Sichtweisen geben und

Daniela Christen, Leiterin Kompetenzzentrum traditionelles Handwerk

Beatrice Tobler, Leiterin Ausstellung/Sammlung des Schweizerischen Freilichtmuseums Ballenberg


Holzhandwerker/in EFZ, Fachrichtungen - Drechslerei - Weissküferei Küfer/in EFZ Korb- und Flechtwerkgestalter/in EFZ Holzbildhauer/in EFZ IG KunstHandwerk Holz Untersteckholzstr. 40 4900 Langenthal 062 923 14 52 ig@kunsthandwerk-holz.ch www.kunsthandwerk-holz.ch

Gewebegestalter/in EFZ Interessengemeinschaft Weben IGW Müseggstrasse 10 8915 Hausen am Albis info@textilforum.ch www.igw-uta.ch

Folgende Organisationen haben das Projekt «Traditionelles Handwerk mit Zukunft» mit einer Patenschaft ab CHF 500 unterstützt (Stand 15.03.14):

Graveur/in EFZ Schweizerischer Verband der Graveure 8000 Zürich info@graveurverband.ch www.graveurverband.ch

- Seilerei Berger GmbH, 4712 Laupersdorf

- KWO Kraftwerke Oberhasli AG, 3862 Innertkirchen - BodenSchweiz Verband Bodenbelagsfachgeschäfte, 5036 Oberentfelden - Jakob AG, 3555 Trubschachen - Meister & Cie AG, 3415 Hasle-Rüegsau

- TVS Textilverband Schweiz, 8022 Zürich - Geflechtfabrik Tressa AG, 5612 Villmergen - Gebr. Thomann AG, 4253 Liesberg - Altmann Casting AG, 2563 Ipsach

Geigenbauer/in Geigenbauschule Brienz Oberdorfstrasse 94 3855 Brienz 033 951 18 61 info@geigenbauschule.ch www.geigenbauschule.ch

Bekleidungsgestalter/in EFZ, Schwerpunkt Pelzbekleidung SwissFur – Schweizerischer Pelzfachverband Dr. Markus Hugentobler, Geschäftsführer Kapellenstrasse 14 Postfach 5236 3001 Bern 031 390 99 00 secretary@swissfur.ch www.swissfur.ch

Musikinstrumentenbauer/in EFZ, Fachrichtungen - Blasinstrumentenbau - Blasinstrumentenreparatur - Klavierbau - Orgelbau - Orgelpfeifenbau Interessengemeinschaft Musikinstrumentenbauer IGMIB c/o Elin Office AG Amthausgasse 3

Fachmann/frau Leder und Textil, Fachrichtungen - Fahrzeuge und Technik - Feinlederwaren - Pferdesport IG LETEX Postfach 6252 Dagmersellen 062 756 49 43 info@ig-letex.ch www.ig-letex.ch

3011 Bern 031 313 20 00 info@igmib.ch www.igmib.ch

Goldschmied/in EFZ Verband Schweizer Goldschmiede und Uhrenfachgeschäfte VSGU Schmiedenplatz 5 Postfach 258 3000 Bern 7 031 329 20 72 info@zvsgu.ch www.detail.ch

Hufschmied/in EFZ Schweizerische Metall-Union Bildungszentrum Chräjeninsel 2 3270 Aarberg 032 391 99 44 flt@smu.ch www.smu.ch

Büchsenmacher/in EFZ Schweizerischer Büchsenmacherund Waffenfachhändlerverband Rütschelengasse 7 3400 Burgdorf 034 422 12 20 wysswaffen@bluewin.ch www.sbv-asa.ch Textiltechnologe, Textiltechnologin EFZ, Fachrichtung Seil- und Hebetechnik TVS Textilverband Schweiz Fürstenlandstrasse 142 Postfach 352 9014 St. Gallen 071 274 90 90 stgallen@swisstextiles.ch www.swisstextiles.ch Seilbahn-Mechatroniker/in EFZ Seilbahner/in EBA Ausbildungszentrum Seilbahnen Schweiz Zeughausstrasse 19 3860 Meiringen 033 972 40 00 ausbildungszentrum@seilbahnen.org www.seilbahnen.org

- Artsupport GmbH, 8153 Rümlang - Eichenberger AG, 5734 Reinach

Folgende Organisationen haben das Projekt «Traditionelles Handwerk mit Zukunft» mit einem Sponsoringbeitrag ab CHF 500 unterstützt (Stand 15.03.14): - Standortmarketing und Regionalentwicklung Region Haslital Brienz, Gemeinden: Brienz, Brienzwiler, Guttannen, Hasliberg, Hofstetten, Innertkirchen, Meiringen, Schattenhalb, Schwanden, Oberried - Mügeli Metalltechnik AG, 2575 Täuffelen

Im Projektteam «Traditionelles Handwerk mit Zukunft» haben mitgewirkt: - Walter Leist (Präsident IGMIB) – Projektleitung - Pepito Zwahlen (Vertreter IGK und IGKH) – Koordination Ausstellung SwissSkills - Eliane Spycher (Geschäftsleiterin IGMIB) – Projektoffice - Monika Brandenberg Schmid (Vertreterin VSBS) – Finanzen - Christine Davatz (Vizedirektorin sgv) – Projektlancierung/ Unterstützung - Hans-Heini Winterberger (Projektverantwortlicher EHB IFFP IUFFP) – Begleitung/Moderation von Anlässen - Daniela Christen (Kompetenzzentrum traditionelles Handwerk Ballenberg) – Dokumentation/Anlässe im Ballenberg

Handwerk 1/2014

Möchten Sie gerne mehr über diese Berufe erfahren? Weitere Informationen finden Sie unter www.berufsberatung.ch oder direkt bei folgenden Institutionen:

Steinbildhauer/in EFZ Verband Schweizer Bildhauerund Steinmetzmeister VSBS Birkenweg 38 3123 Belp 031 819 08 20 vsbs@vsbs.ch www.vsbs.ch

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INTERESSIERT?


SWISSSKILLS BERN 2014 Vom 17. bis 21. September 2014 finden in Bern die ersten, zentral durchgeführten Schweizer Berufsmeisterschaften statt: SwissSkills Bern 2014! 80 Berufe messen sich an Schweizermeisterschaften und 60 weitere Berufe präsentieren sich in anderer Form, darunter auch die sogenannten Kleinstberufe. Kleinst­ berufe sind vielseitige, innovative und attraktive Handwerksberufe mit weniger als 80 Lernenden über alle Lehrjahre. Sie vermitteln und bewahren ein grosses Fachwissen, das für den Werkplatz Schweiz Handwerk 1/2014

und für die kulturelle Vielfalt unverzichtbar ist. Die engagierten Berufsverbände, der Schweizerische Gewerbeverband sgv, das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB IFFP IUFFP, das Freilichtmuseum Ballenberg und das Kurs-

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zentrum Ballenberg wollen gemeinsam diese Berufe stärken und ihre vielfältigen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten ­bekannter machen. Wollen Sie mehr über diese Berufe erfahren? Besuchen Sie uns an der SwissSkills Bern 2014 in der Halle 1.1 auf dem BERNEXPO-Gelände. Wir freuen uns auf Sie. Öffnungszeiten Donnerstag, 18. September 14, 9 – 18 Uhr Freitag, 19. September 14, 9 – 18 Uhr

DAS PROJEKT «TRADITIONELLES HANDWERK MIT ZUKUNFT» WIRD UNTERSTÜTZT VON

Samstag, 20. September 14, 9 – 18 Uhr Sonntag, 21. September 14, 9 – 17 Uhr


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