Jewish Museum Berlin: JMB Journal Nr. 9

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“Sir, we want you to end this quarrel that divides the world,”16 they furnish him with a rusty pair of scissors and insist that he cut the throat of his guides. When an Arab becomes aware of the situation, he scares the animals away on the spot and throws them a dead camel to eat. Kafka wrote this short story in the same year as the so-called Balfour Declaration was published, which spoke out in favor of creating a Jewish polity within the British Mandate of Palestine. “Jackals and Arabs” does not just foretell the violence destined to accompany the history of the creation of the Jewish State; it denounces the Zionist enterprise as a death squad. The story imagines what would occur if travelers were to heed the appeals of the jackals and declare themselves to be the Messiah, taking history into their own hands. It refers, hypothetically, to the circumstances then prevailing and moreover recalls to mind the Messiah's various entrances through the gates of history: the traces left by the Christian Crusades, like the historical circumstances surrounding the emergence of Shabbtai Zvi and his attempt to alter Jewish history, are rife with violence. As a reflection on the violence of Messianic history, Kafka's story anticipates a particular answer to the question: “Why has the Messiah not yet come to Israel?” “Because it is too dangerous there.” 17 Mirjam Wenzel is a literary scholar and Head of the Media Department at the Jewish Museum Berlin. Her publications include the book “Gericht und Gedächtnis. Der deutschsprachige Holocaust-Diskurs der sechziger Jahre” (Justice and Memory. The German Holocaust Discourse in the 1960s), Wallstein: Göttingen 2009.

Während einer Pause wird ein durch die Wüste reisender IchErzähler von Schakalen umringt, die in ihm den Messias erkennen, auf den sie schon seit Generationen gewartet haben. Mit den Worten „Herr, du sollst den Streit beenden, der die Welt entzweit“, übergeben sie ihm eine rostige Schere und drängen ihn dazu, mit dieser die Kehle seiner Reiseführer durchzuschneiden. Als ein Araber des Schauspiels gewahr wird, verscheucht er die Tiere kurzerhand und wirft ihnen ein verendetes Kamel zum Fraß vor. Kafkas Erzählung entstand in demselben Jahr wie die so genannte Balfour-Deklaration, die sich für die Errichtung eines jüdischen Gemeinwesens im britischen Mandatsgebiet Palästina aussprach. „Schakale und Araber“ skizziert nicht nur die Gewalt, welche die Entstehungsgeschichte des jüdischen Staats begleiten sollte, sondern denunziert das zionistische Unterfangen auch als ein Mordkommando. Die Erzählung projektiert, was geschehen würde, wenn Reisende den Anrufungen Folge leisteten und sich zum Messias erklärten, indem sie selbst Hand an die Geschichte legten. Sie bezieht sich in der Form des Irrealis auf die damalige Gegenwart und ruft zudem die verschiedenen Eintritte des Messias durch die Pforten der Geschichte in Erinnerung: Sowohl die Spuren, welche die christlichen Missionszüge hinterließen, als auch die historischen Umstände, unter denen Schabbtai Zwi aufbrach, um die jüdische Geschichte zu verändern, sind von Gewalt gezeichnet. Als Reflexion über die messianische Gewaltgeschichte antizipiert Kafkas Erzählung eine bestimmte Antwort auf die Frage: „Warum ist der Messias immer noch nicht nach Israel gekommen?“ „Weil es ihm zu gefährlich ist.“17 Mirjam Wenzel ist Literaturwissenschaftlerin und Leiterin der Medienabteilung des Jüdischen Museums Berlin. Zu ihren Veröffentlichungen zählt unter anderem das Buch „Gericht und Gedächtnis. Der deutschsprachige Holocaust-Diskurs der sechziger Jahre“ (Göttingen 2009).

17 Cf. Wüst. „...wenn wir nur alle gesund sind…!“: 331

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17 Vgl. Wüst: „...wenn wir nur alle gesund sind…!“, S. 331


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