Heft 1, 2014

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Nr. 1 | 2014

MENSCHEN FĂœR ANDERE Das Magazin der Jesuitenmission

Leben nach dem Taifun


EDITORIAL

Liebe Freundinnen und Freunde unserer Missionare und Partner weltweit! „Leben nach dem Taifun“ ist der Titel dieses Heftes. Naturkatastrophen erschüttern immer wieder unseren Alltag. Sei es ein Sturm, ein Erdbeben oder der Tod eines geliebten Menschen. Unerwartet und heftig wie ein Taifun bricht der Tod in unser Leben ein. Unser Osterheft beschäftigt sich mit dem Geheimnis von Tod und Auferstehung auf sehr konkrete Weise. Nicht der Glaubenslehre, sondern der wirklichen Erfahrung des Todes, der Lebensbedrohung stellen wir uns. Und echte Erfahrungen des neuen Lebens, des Neustartes, nachdem bereits alles verloren war. Pro Jahr gibt es auf den Philippinen im Schnitt 20 Taifune. Die meisten sind harmlos. Der Taifun Haiyan hat mit besonderer Wucht getroffen. Die Schritte ins Leben nach dem Taifun müssen wohl überlegt sein. Der Wiederaufbau muss so gestaltet sein, dass er dem nächsten Taifun trotzen kann. Neues Leben heißt hier für die Dorfbewohner auch Wege aus der Armut zu finden. Die Begegnung mit Reisbauern in Myanmar bleibt mir in Erinnerung. Sie stehen nach der Sturmflut auf und nehmen ihr Schicksal in die Hand. „Von der Katastrophenhilfe zur Selbstständigkeit“. Wir bleiben nicht im Schock über die Naturkatastrophe stecken. Wir begnügen uns nicht mit Katastrophenhilfe. Aus diesem Tod kann neues Leben erstehen. Seit einem Jahr erwachen neue Kräfte in fünf Bauerndörfern in Myanmar. Bei meiner Projektreise nach Ägypten habe ich Räume des gemeinsamen Lernens inmitten einer gespaltenen Gesellschaft kennengelernt. In Sozialeinrichtungen und Kulturzentren lernen Christen und Muslime gemeinsam, die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen des Landes in den Mittelpunkt zu stellen. Ich danke Ihnen für all Ihre Hilfe!

Hans Tschiggerl SJ MENSCHEN FÜR ANDERE

Impressum

MENSCHEN FÜR ANDERE Das Magazin der Jesuitenmission, 2014 - Heft 1 Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Mag. Johann Tschiggerl SJ, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232-56, office@jesuitenmission.at, www.jesuitenmission.at Redaktion: Hans Tschiggerl, Katrin Morales, Magdalena Weber. Druck und Gestaltung: LDD Communication GmbH, ldd.at Ziel der Publikation: Information der Spender über die aktuellen Entwicklungen in den Hilfsprojekten. Bildnachweis: Jesuitenmission, Herbert Kneissl

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Österreichische Post AG / Sponsoring Post, 13Z039521S. ZVR Zahl 530615772, SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE


Schönheit trotz Zerstörung Die philippinische Insel Culion wurde vergangenen November vom Taifun Haiyan getroffen. Seit mehr als einem Jahrhundert begleiten Jesuiten das wechselvolle Schicksal der Inselbewohner.

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ie alte Dame im Rollstuhl hält die Hand von Pater Javy fest und freut sich riesig über seinen Besuch. Es lässt sich nicht leugnen: Die erste Begegnung mit Miss Esther, wie sie von allen genannt wird, löst ein innerliches Zurückzucken aus. Hände und Gesicht sind entstellt. Narben und Deformationen, die ihre Lepra-Erkrankung zurückgelassen haben. Es braucht ein wenig Zeit, um die Schönheit in ihren Gesichtszügen zu entdecken, die Freude und auch den Schmerz. Die 88-Jährige kam als junges Mädchen nach Culion und ihr Leben spiegelt die wechselvolle Geschichte der kleinen philippinischen Insel wider.

Insel der lebenden Toten Im Jahr 1902, als die USA die Kontrolle über die Philippinen übernahm, gab es auf den Philippinen etwa 30.000 Lepra-

kranke. Um die als hochansteckend und unheilbar geltende Infektion einzudämmen, wurde auf der nur von einigen Fischerfamilien bewohnten Insel Culion eine zentrale Quarantänezone eingerichtet. In den nächsten Jahrzehnten sollte Culion zur größten Leprakolonie der Welt anwachsen mit knapp 7.000 Erkrankten. Niemand von ihnen kam freiwillig. Per Gesetz waren Ärzte und Behörden verpflichtet, Erkrankte zu isolieren und in eine Leprakolonie zu schicken – notfalls mit Polizeigewalt. Eine Rückkehr von der Leprainsel war verboten. Culion galt als Insel der lebenden Toten. Eine Zeit lang gab es sogar eine eigene Währung, um zu verhindern, dass mit dem zirkulierenden Geld auch Krankheitserreger die Insel verlassen. Erst 1964 wurde das Gesetz zur Isolierung von Leprakranken aufgehoben und 1998 erhielt Culion den Status einer 3


PHILIPPINEN prainsel kennengelernt. „80 Prozent der Inselbevölkerung stammt von Leprapatienten oder Krankenhauspersonal ab“, sagt Dr. Cunanan. Als anerkannter Experte für öffentliches Gesundheitswesen und Lepra hat er viel für die ehemals so verrufene Insel getan. Seit mehr als 15 Jahren hat es keinen einzigen neuen Fall von Lepra gegeben. „Heute haben wir vor allem mit Atemwegserkrankungen und Tuberkulose zu kämpfen, also Krankheiten, die eng mit Armut, Mangelernährung und ungesunden Lebensbedingungen, wie dem Kochen auf offenem Feuer, zusammenhängen“, erklärt er.

Seelsorger und Nothelfer

Miss Esther (oben) kam als Mädchen auf die 1906 gegründete Leprastation (unten).

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normalen Ortsgemeinde. Vorher hatte die Insel unter der Verwaltung des Gesundheitsministeriums gestanden.

Armutskrankheiten Dr. Arturo Cunanan ist ein Kind der Insel. Die Großeltern des heute 55-jährigen Arztes haben sich als Patienten auf der Le-

Die ehemaligen Leprapatienten leben heute alle bei ihren Familien oder in einer Art Alten- und Pflegeheim des Krankenhauses. Seit Gründung der Leprakolonie haben Jesuiten die Seelsorge für Culion und die umliegenden kleinen Inseln übernommen und haben eine Kirche und eine Schule mit einem angeschlossenen kleinen College aufgebaut. Aus drei Jesuiten besteht die Kommunität auf der Insel. Pater Javy hat zwei Jahre lang als Pfarrer auf Culion gearbeitet. Auf der Straße wird er von allen sofort erkannt und freudig begrüßt. Der Grund seines Kommens: Als Direktor der jesuitischen Sozial- und Hilfsorganisation SLB in Manila ist er für die Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Culion verantwortlich. Denn auch hier hat der Taifun Haiyan/ Yolanda am 8. November 2013 eine Schneise der Zerstörung hinterlassen.

Stumme Zeugen der Zerstörung „Wir hatten für Mitte November die Einweihung des neuen Krankenhaustraktes geplant“, seufzt Dr. Cunanan. „Aber der Taifun hat den Neubau so zerstört, dass wir den Trakt wieder abreißen müssen.“


PHILIPPINEN

Auf die Frage, ob nicht wenigstens öffentliche Gebäude gegen solche Schäden versichert gewesen seien, kann Dr. Cunanan nur müde lächeln. Auch das Loyola College ist schwer beschädigt. Der Taifun hat die solide Stahlkonstruktion des Bibliotheksdaches freigelegt und verbogen. Solche stummen Zeugen der gewaltigen Zerstörungskraft sind auch nach den Aufräumarbeiten auf der Insel noch zu sehen: Hausruinen, umgeknickte Palmen, an den Strand gespülte Holzreste der zerstörten Pfahlhütten und Fischerboote.

Die Sturmnacht

Das kleine Fischerdorf Binudac auf der Hauptinsel Culion wurde schwer vom Taifun getroffen, da die Häuser direkt am Strand weder dem Wind noch den Wellen viel Widerstand bieten konnten. „Der Taifun kam am Abend“, erzählt Betty Abapo. „Der Wind wurde immer heftiger und es wurde sehr kalt. Wir beteten und sangen Kirchenlieder. Als sich der Sturm ein wenig beruhigte, rannten wir alle zur Schule, die für das Dorf als Evakuierungszentrum dient. Aber später wurde der Sturm so stark, dass sogar Teile des Schuldaches davonflogen. Wir bekamen alle noch mehr Angst. Erst um vier Uhr morgens hörte der Sturm auf. Als wir zurück ins Dorf gingen, sahen wir, dass der Taifun die Häuser zerstört hatte. Auch Bäume waren umge-

knickt und wir hatten viele Boote verloren. Wegen der Kälte während des Sturms wurden viele von uns krank und bekamen Fieber. Hunger leiden mussten wir nicht. Wir hatten noch Maniok und Süßkartoffeln, die wir angebaut haben, und die Kokosnüsse, die von den Palmen gefallen waren. Und dann kamen auch schon die Jesuiten der Pfarrei mit ersten Hilfsgütern. Viele in Binudac haben alles verloren, aber wir helfen uns gegenseitig.“

Logistischer Kraftakt So wie in Binudac wurden Tausende Fischerfamilien auf Culion und den kleinen Nachbarinseln ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die Pfarrei und die lokale Verwaltung begannen bereits am nächsten Tag mit Hilfe der jesuitischen Organisation SLB die Versorgung der Taifunopfer mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Kleidung, Planen und Solarlampen sicherzustellen. Auch der Strom, den es schon zu Normalzeiten nur 12 Stunden pro Tag auf der Hauptinsel gibt, war komplett ausgefallen. In ihrer Statistik listet die Inselverwaltung 5.689 betroffene Familien auf, die erste materielle Hilfe erhalten haben. Die internationale Aufmerksamkeit richtete sich nach dem Taifun auf die größeren Inseln Leyte und Samar. Die Provinz Palawan, zu der die Insel Culion zählt, machte keine Schlagzeilen. Dafür sind die kleinen

Ben Abapo zeigt den Fischfang des Dorfes. Zerstörte Boote und Häuser haben vielen Familien die Lebensgrundlage geraubt.

Culion gehört zur Provinz Palawan im Westen der Philippinen, die zwischen dem Südchinesischen Meer und der Sulusee liegt.

Manila

Mindoro

Culion

Puerto Princesa Palawan

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PHILIPPINEN sten Taifun trotzen kann und den Dorfbewohnern einen Weg aus der Armut bietet. Sind Fischerboote aus Holz oder Fiberglas besser? Sollen die zerstörten Dörfer an anderen, weniger gefährdeten Orten wieder aufgebaut werden? Wie lässt sich sicherstellen, dass es für alle Dörfer Evakuierungszentren gibt, die wirklich sicher sind? Könnten sich die Fischer in einer zentralen Kooperative zusammenschließen, die die Lagerung, Kühlung und den Verkauf selbst organisiert, um nicht länger von Mittelsmännern abhängig zu sein und schlechte Preise in Kauf nehmen zu müssen? Wie lassen sich die Alphabetisierungskurse für die indigenen Gemeinschaften ausbauen? Welche Einkommensquellen neben der Fischerei sind denkbar? Was für Zukunftsaussichten hat das Tourismus-Projekt in Culion, zu dem auch Kurse am College, ein jesuitisches Inselhotel und das kleine Reiseunternehmen Kawil Tours zählen?

Atemberaubende Schönheit

Blick auf die Kirche von Culion (oben). Frauen der indigenen Gemeinschaft der Tagbanuas, die auf Nachbarinseln leben (unten).

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Inseln, auf denen Fischer und zum Teil noch indigene Gemeinschaften mit eigener Sprache und Kultur leben, zu dünn besiedelt.

Wiederaufbau und nachhaltige Entwicklung Die Phase der ersten Nothilfe und provisorischer Reparaturen ist längst abgeschlossen. Jetzt geht es um langfristigen Wiederaufbau und vor allem um nachhaltige Entwicklung. Der Wiederaufbau muss so geplant werden, dass er dem näch-

Pater Javy, der vor seinem Ordenseintritt im strategischen Management gearbeitet hat, ist optimistisch: „Es gibt gute Ideen und viel Potenzial, um Culion voranzubringen. Wir werden bei jedem Schritt die Dorfbewohner und die lokale Verwaltung einbeziehen. Denn nur dann gibt es einen Prozess der Gemeindeentwicklung, der auf Dauer angelegt ist.“ Culion und die kleinen Nachbarinseln sind von atemberaubender Schönheit. Palmen, Sandstrände, Meer, Mangrovenwälder, Korallenriffe. All dem konnte der Taifun nichts anhaben. Aber damit es auch für die Bewohner aus der Leprakolonie ein Paradies der Zukunft und Hoffnung wird, braucht es einen langen Atem und viel Durchhaltevermögen. Judith Behnen


MYANMAR

Von der Katastrophenhilfe zur Selbstständigkeit Die Hilfsarbeit der Jesuiten mit den Bauern in Myanmar begann bereits im Jahr 2009. Naturgewalten zerstörten die Lebensgrundlage unzähliger Bau­ ern im fruchtbaren Ayeayerwady Delta. Ein Tropensturm mit einer Wind­ geschwindigkeit von mehr als 300 Stundenkilometern und 10 Meter ho­ hen Sturmfluten tötete rund 150.000 Menschen und machte 2,4 Millionen zu Flüchtlingen.

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ie Welt zeigte Mitgefühl und reagierte auf die Not in Myanmar. Die Jesuiten, inkognito im Land, reagierten mit der „Myanmar Rehabilitation Initiative“ (MRI). Notfallmaßnahmen, Notunterkünfte, Wiederaufbau von Dörfern und das Programm „Zurück in die Schule“ erhielten volle Aufmerksamkeit. Wir begannen das Leben der Bauern zu verstehen. Sie leben in einer qual-

vollen Ironie: Sie, die die Welt ernähren, leben in Hunger. Die Armut dieser Bauern wird durch falsche Agrarpreispolitik verursacht: In den meisten Entwicklungsländern ist mit dem Verkauf von einem Liter Coca Cola mehr zu verdienen als mit der Produktion von einem Kilo Reis. Finanzielle Not zwingt die Bauern in die Hände von Kredithaien. Landwirte zahlen bis zu 20 % Zinsen monatlich an Kredithaie. Diese Schuldenfalle ist Generationen übergreifend. Bauern verlieren ihre Produktionsflächen an die Kreditgeber. So zieht der Kreislauf der Armut monoton seine Schleifen: Kredit aufnehmen – pflanzen – ernten – Schulden zurückzahlen und wieder Geld aufnehmen. Wenn dann auch noch die Natur die Ernte zerstört, verlieren die Bauern das Land und werden Landarbeiter, ihre Söhne und Töchter werden Gastarbeiter, sehr oft „Sklaven“ in modernen Betrieben. 7


MYANMAR tiven, Selbsthilfegruppen und durch die Finanzierung von Kleinprojekten mit Mikrokrediten.

Fr. Amal SJ und Cyril SJ mit einer Bauerngenossenschaft (oben). Gemeinsam in eine bessere Zukunft (unten).

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Der Plan Anfang 2013 wird vom MRI ein Programm entwickelt mit dem Ziel, verschuldete Bauern mit liquiden Mitteln auszustatten. Kreditvereine werden gegründet, die von den Bauerngemeinschaften nach fünf Jahren selbst verwaltet werden sollen. MRI arbeitet in Richtung Gemeinschaftsbildung durch Mobilisierung der Dorfbewohner, Entwicklungsprogramme für Frauen, Stärkung der Bildungsinfrastruktur (Errichtung von Schulen, Lehrerausbildung), Bildung von Bauern-Koopera-

Die Arbeit Im Mai 2013 starteten wir das Projekt. 120 Bauernfamilien wurden unter Vertrag genommen. Die meisten Dörfer sind vom Wirbelsturm zerstört. Der Wiederaufbau ist ein mühsamer und schmerzvoller Prozess. Es sind traurige Erinnerungen an die große Zahl der Toten und Verschwundenen in den Dörfern. In einem Dorf starben 488 Menschen. Ein anderes Dorf hat alle Kinder verloren. Cyril Nay Myo Htet SJ, ein junger Jesuit in Ausbildung, steigt in das Programm ein. Nun wird eine systematische Aufbauarbeit möglich: regelmäßige Besuche, Gemeindeversammlungen und Schulunterstützungen. Der Name „MRI“ wird den Dorfbewohnern langsam bekannt. Der Sozialwissenschaftler Dr. Walter Fernandes SJ leitet und begleitet die Untersuchung „Auswirkungen der Katastrophe auf die Entwicklung im Delta“. Vier Mitarbeiter - unter ihnen zwei Jesuiten - nehmen an diesem wissenschaftlichen Begleitprojekt teil. Die Arbeit in den Dörfern ist auf eine Entwicklung der armen Gemeinden ausgerichtet: Kredite, Mobilisierung der Gemeinschaft. Mit Hilfe des begleitenden Forschungsprojektes wollen wir die Politik auf die Lage der Bauern in Myanmar aufmerksam machen. Der Besuch in den Dörfern Eine Delegation von Biomin besucht das Projekt. Die Anreise von Yangon nach Labutta dauert zehn Stunden. Wir haben Glück, dass wir die Erlaubnis des Staates zur Einreise in dieses Gebiet Burmas bekommen. Nach einer wilden Bootsfahrt auf dem reißenden Pyanmalot Fluss erreicht das Team Kyaung Su. Die Dorfbewohner versammeln sich an der Mole und


MYANMAR begrüßen die Besucher mit Liedern. Es sind die ersten Ausländer in diesem Dorf und sie werden herzlich empfangen. Gemeinsam besuchen wir die Felder. Bei einer Versammlung der Dorfgemeinschaft mit den Gästen drücken die Projektteilnehmer ihre Dankbarkeit aus. Anfragen werden gestellt. Besonders über die Rückzahlung der Kredite an die Gemeinschaft wird diskutiert. Schließlich folgt ein üppiges Mahl. Das Biomin Team ist zutiefst berührt von der Liebe und dem Empfang durch die Bauernfamilien.

Die Eröffnung der ersten Scheune Im Dorf Kaniyantabin unterstützt MRI und Biomin den Bau einer Reis-Scheune. Das Fehlen von Lagermöglichkeiten zwingt die Landwirte zum Verkauf der Reisernte mit verheerenden Ergebnissen. Die Scheune wurde von der Gemeinschaft errichtet. Das Gebäude wird feierlich eröffnet. Die Dorfbewohner haben ein großes Fest vorbereitet und ein buddhistischer Mönch segnet die Scheune.

Wir möchten die Zusammenarbeit weiter stärken. Der Besuch hat gezeigt, dass sich das Projekt gut entwickelt und sich die Arbeit lohnt. Es werden weitere Möglichkeiten angedacht: die Infrastruktur in den Dörfern stärken, Landestege, Brücken, Schulen erneuern, die Ausbildung von Frauen unterstützen. Wir planen, noch mehr Bauern in das Projekt aufzunehmen. Fr. Amalraj Chinnappan SJ

Die erste ReisScheune wird eröffnet.

Herbert Kneissl im Reisfeld.

Myanmar – arme Menschen in einem reichen Land Herbert Kneissl ist der Marketing Direktor der Firma BIOMIN, die das Labutta­Landwirtschaftsprojekt der Jesuiten in Burma unter­ stützt. Hier ein Gespräch mit ihm nach dem Projektbesuch.

Was waren Ihre ersten Eindrücke? Es waren sehr ergreifende Momente: die Versammlung der armen Reisbauern, die für uns gekochten Speisen und die Danksagungen im Gemeinschaftshaus im Dorf Kyaung Su. Die Freude über unseren Besuch, die freundlichen Gesichter, die Willkommenslieder und der bescheidene Stolz mit dem uns die erntereifen Reisfelder gezeigt wurden, bleiben mir in lebendiger Erinnerung.

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MYANMAR Wie kommt BIOMIN in ein Dorf, das noch nie von einem Ausländer besucht wurde? Wir sind ein niederösterreichisches Biotechnologieunternehmen, das natürliche Futteradditive für die Nutztierhaltung produziert, die weltweit erfolgreich vermarktet werden. Neben Innovation, Partnerschaft und Wertschätzung haben wir auch den Unternehmenswert Nachhaltigkeit definiert. Dazu gehört neben Verantwortung für Umwelt und Wirtschaftlichkeit auch der Bereich soziale Verantwortung. Mit dem Hauptziel, den Ärmsten unserer Gesellschaft zu helfen und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, werden seit 2009 Hilfsprojekte der Jesuitenmission – MENSCHEN FÜR ANDERE mit landwirtschaftlichem Bezug in Entwicklungsländern unterstützt.

Was ist für Sie als Manager am Projekt in Labutta interessant?

Labutta

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Es ist ein Projekt für eine unabhängige Zukunft in Menschenwürde. Das kleine Team der Jesuiten in Myanmar unter der Leitung von Pater Amal SJ hat ein nachhaltiges Programm entwickelt, um den

Reisbauern eine gesicherte und unabhängige Zukunft zu ermöglichen. Seit dem Frühjahr 2013 werden für 120 Bauernfamilien in mehreren Dörfern, die sich in Genossenschaften zusammenfinden müssen, Kredite mit 2 % Verzinsung zur Verfügung gestellt, kleine Lagerhäuser gebaut und die Infrastruktur - wie die Ausstattung der Schulen - finanziert. Die Kredite müssen 3 Jahre lang zurückbezahlt werden, bevor das Geld in die kleinen Genossenschaften als eigenes Kapital übertragen wird. Aber jetzt schon werden durch Maßnahmen, wie Einlagerung der Ernte in die Lagerhäuser und späteren Verkauf, wenn die Preise wieder steigen, zusätzlich Mittel erwirtschaftet, um finanziell rasch unabhängig zu werden.

Welche Chancen geben Sie dem Projekt? Es sind schwierige Bedingungen, aber die Aussichten sind vielversprechend. Die Situation in den Dörfern ist 5 Jahre nach dem Zyklon immer noch nicht einfach. Die Bambushütten sind instabil, Schweine und Hühner leben unter den Hütten. Strom gibt es nur manchmal im Gemeinschaftshaus durch einen Generator. Trinkwasser ist Regenwasser, das in Tonkrügen gesammelt wird. Sanitäre Anlagen gibt es nicht, die Stege sind baufällig. Die Schulen - gebaut aus Holz - wurden zum Teil wieder aufgebaut, aber die Spuren der Katastrophe sind nach wie vor sichtbar. Wir konnten insgesamt 5 Dörfer besuchen. Überall herrscht Aufbruchsstimmung. Darin liegt eine große Kraft. Herbert Kneissl


RECHENSCHAFTSBERICHT

Danke für Ihre Hilfe! Durch Ihre großzügige Hilfsbereitschaft konnten wir im vergangenen Jahr wieder viele Projekte und Projektpart­ ner fördern. Dafür wollen wir Ihnen im Namen aller, denen unser Einsatz ein Leben in Würde ermöglicht, von Herzen DANKE sagen. Im Jahr 2013 beliefen sich die Einnahmen der Jesuitenmission MENSCHEN FÜR ANDERE auf 2.776.048,26 Euro. Mehr als 90% davon kommt unseren sozialen Projekten zugute. Von den Projektüberweisungen 2013 gehen 25,17 % an Projekte in Asien, 11,08 % nach Afrika, 6,49 % nach Mittel- und Lateinamerika und 57,16 % an Sozialprojekte in Osteuropa und Europa. 6,41 % der Einnahmen wurden für Projektbegleitung und administrative Aufgaben verwendet. Das Jahr 2013 war geprägt von einem weiteren Ausbau der Zusammenarbeit. Die Jesuitenmissionen Europas vereinbarten engere Kooperationen bei Katastropheneinsätzen, Freiwilligeneinsätzen (Jesuit Volunteers) und bei der Förderung von strategischen Partnern wie die Aids-Hilfe (AJAN) und die Flüchtlingshilfe der Jesuiten (JRS). Durch die Bündelung der Kräfte können wir nachhaltiger helfen. Ruth Zenkert und P. Georg Sporschill SJ haben das Projekt Elijah für Roma Kinder in Transsilvanien/Rumänien gestartet. Wir können als Projektpartner und in der Spendenbetreuung behilflich sein. Mit Biomin und der Erber AG konnten wir einige landwirtschaftliche Projekte unterstützen. Es ist beeindruckend, wie die österreichische Firma ihren weltweiten Erfolg für nachhaltige Entwicklungshilfeprojekte fruchtbar werden lässt. Mit der Hilfe von Dr. Richard Fischer bauen wir eine technische Schule in Guatemala: „El Limon“. Die Idee ist durch die Förderung den Grundstein zu legen. Die weitere Entwicklung muss die engagierte und ausgebildete Jugend selbst in die Hand nehmen. Für jede Unterstützung und Ihre Treue, die unseren globalen Einsatz ermöglicht, bedanken wir uns auf diesem Wege herz­ lich. Ihre Hilfe kommt an! Hans Tschiggerl SJ 11


Unsere Projek EUROPA Rumänien Elijah Romaprojekt Bulgarien Concordia Kosovo Loyola Gymnasium Bauern für Bauern Jesuit Development Office Canisianum Studienstipendien

Summe der Projektüberweisungen: 1.272.000,00 Euro

MITTEL UND LATEINAMERIKA Peru Marcapata Gemeinschaftsküche Haiti Schulprojekt Paraguay Sonidos de la Tierra Guatemala Fe y Alegria Gesunde Schule Guatemala Fe y Alegria Berufsschule El Limon

Summe der Projektüberweisungen: 146.602,77 Euro

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ktpartner 2013

ASIEN

Südsudan Schule in Wau Burundi Landwirtschaftsschule Kibimba Burundi Jezu Mwiza- AJAN African Jesuit Aids Network AJAN JRS Grands Lacs Goma Krise JRS Malawi Flüchtlingsarbeit JRS Ostafrika Urban Refugees Simbabwe St Ruperts Hospital Simbabwe Life Lines Simbabwe Brunnenbau Simbabwe Makumbi Wadzanai Center Niger Maradi Kenia St. Joseph the Worker

Kirgisien Meerim Nuru Licht der Barmherzigkeit Kambodscha Banteay Prieb Landwirtschaftsprojekt China Leprosy Service China Luis Gutheinz SJ Forschungsprojekt China Jinde Charities China Diözese Jin Xian Indien Andrah Pradesh Dalit Projekt Indien Darjeeling Jesu Ashram Indien Darjeeling Gandhi Ashram Indien Assam Adivasi Projekt Indien Dumka Provinz Dalit Schulprojekt Indien Kalkutta Saju Kulturprogramm Osttimor Kasait Schule und Lehrerausbildung Vietnam Hurtado Center Clean Water Projekt Philippinen Katastrophenhilfe JRS Landwirtschaftsprojekt für Migranten aus Myanmar JRS Syrienhilfe Myanmar Labutta Landwirtschafsprojekt Studienstipendien China Vietnam Osttimor Philippinen

Summe der Projektüberweisungen: 246.657,00 Euro

Summe der Projektüberweisungen: 926.707,26 Euro

AFRIKA

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RECHENSCHAFTSBERICHT

Gebündelte Hilfe: Xavier Network In der Katastrophen­ und Nothilfe stimmen sich Jesuitenmissionen und Hilfswerke des Ordens unter­ einander ab und reagieren im Verbund.

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s gibt sie in Spanien und Portugal, in Italien und Österreich, in Deutschland und der Schweiz, in England und Irland, in Kanada und Australien: Jesuitenmissionen oder jesuitische NGOs, die Mitglied im Xavier Network sind. Über dieses interne Netzwerk, das nach dem ersten Jesuitenmissionar Franz Xaver benannt ist, tauschen wir uns aus und koordinieren gemeinsame Projekte. Auch die Katastrophenhilfe zählt seit einigen Jahren dazu. Um zu vermeiden, dass unsere Partner vor Ort mit jeder Organisation einzeln kommunizieren müssen, wählen wir für die Nothilfe nach bestimmten Kriterien eine Mitgliedsorganisation aus, die den Kontakt hält, sich um den Projektverlauf

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und Finanztransfer kümmert und die anderen Mitglieder über alle wichtigen Schritte informiert.

Katastrophenhilfe Auf den Philippinen, in Haiti, Syrien, Ägypten, Pakistan oder Sri Lanka: Wo immer Katastrophen über Menschen hereinbrechen, dort sind Jesuiten anwesend und betroffen. Unsere Mitbrüder leben und arbeiten vor Ort. Soforthilfe und langfristiger Wiederaufbau sind durch unser weltweites Netzwerk gut zu organisieren. Das Xavier Network bündelt nun die Bemühungen in Europa, damit die Hilfe von uns allen rasch und ohne großen Reibungsverlust ankommt.

Langfristige Partnerschaft Im Dezember war die Jesuitenmission Nürnberg mit einem kleinen Team auf den Philippinen, um mit dem jesuitischen Hilfsund Sozialwerk SLB die nächsten Projektschritte zu planen. Es ist beeindruckend, was SLB in den ersten Wochen an Nothilfe geleistet hat: In 53 Transporten auf die Inseln Culion, Busuanga, Leyte und Samar wurden knapp 18.000 Familienrationen mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln sowie Trinkwasser, Planen, Solarlampen und Medikamente verteilt. Die langfristige Wiederaufbauarbeit wird SLB hauptsächlich in Culion leisten. Als Xavier Network werden wir dabei finanziell und beratend zur Seite stehen. Hans Tschiggerl SJ


Hoffen und vertrauen Ann Kathrin Ott, Freiwillige der Jesu­ itenmission in Makumbi, Simbabwe, schreibt uns: „In einer fremden Kultur zu leben, die sich so sehr von meiner ei­ genen unterscheidet, stellt eine weitaus größere Herausforderung dar, als ich dachte.“ Lesen Sie ihren Bericht.

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wei Tage in der Woche arbeite ich in der Vorschule in Makumbi, die restliche Zeit in anderen Einrichtungen, wie zum Beispiel dem „Wadzanai“, dem Frauenzentrum. Im „Wadzanai“, das von Polly Chonyera geleitet wird, stehen viele Aufgaben an. Das „Girl Child Project“ dient der Aufklärungsarbeit in Schulen und versucht das Problem des sexuellen Missbrauchs zu bekämpfen. Wir trocknen mit den Mädchen Mangos oder mahlen Erdnüsse zu Peanutbutter

und verkaufen sie dann auf dem Markt, um etwas Geld zu verdienen. Ich arbeite auch im „Herbal Center“ mit, das von Sr. Yulita geleitet wird. Dort ist gerade Erntezeit. Die Kräuter müssen für die Herstellung von Tee getrocknet werden. Für HIV-positive Menschen werden auch schmerzlindernde Salben und andere pflanzliche Medikamente hergestellt, die den Ausbruch der Krankheit verzögern.

Der Strom ist weg! Wir kochen im Children's Home den Sadza draußen auf dem Feuer.

Teure Krankenhäuser ohne Fachpersonal An zwei Nachmittagen in der Woche bin ich in einem Krankenhaus. Ich versuche mit den Patienten ins Gespräch zu kommen. Leider sind nur noch wenige dazu in der Lage, denn die meisten Leute kommen aufgrund der hohen Kosten - 5$ pro Tag - erst ins Krankenhaus, wenn es schon fast zu spät ist. Ein bis zwei Mal pro Woche kommt ein Arzt in das Krankenhaus. Sonst gibt es nur die Krankenpflegerinnen, die das nötige Fachwissen nicht 15


Cynthia, die im letzten Jahr in der Vorschule war, hat die vergangenen vier Jahre bei ihrer Tante in Makumbi gewohnt. Ihr Vater ist schon lange gestorben und über ihre Mutter hört man nur Gerüchte. Cynthia hat sich vor ein paar Jahren am Kopf verletzt und leidet seitdem unter Lernschwäche. Sie ist HIV-positiv. Nun ist sie zu ihrer Mutter nach Headcliff gezogen, einem der ärmsten Quartercamps in der Umgebung, wo sie weder in die Schule noch zu einem Arzt gehen kann.

Der Graduation-day von den Pre-School-Kindern in Headcliff (oben). Im "Ruverashe Trust" bringt George den Jugendlichen das Schusterhandwerk bei (unten).

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haben. Zurzeit bringe ich einem schwer traumatisierten Mädchen, einer Waisen, regelmäßig etwas zu essen. Dafür muss man im Krankenhaus extra bezahlen. So sind viele Patienten während ihres Aufenthalts darauf angewiesen, dass ihre Familien sie versorgen.

Gewonnene Freundschaften Vor einigen Monaten habe ich mich mit Mai Tsikirai angefreundet, bei der ich immer meine Tomaten kaufe. Sie wohnt seit vier Jahren mit ihrer Familie in einem Rohbau ohne Dach. Die Krise von 2008 hat ihnen die letzten Ersparnisse gekostet. Die Regenzeit ist jedes Jahr Segen und Fluch zugleich. Der Regen sichert ihr Überleben, weil er den Mais und die Kartoffeln bewässert, aber er bereitet ihnen auch viele schlaflose Nächte, da er das Haus ständig unter Wasser setzt. Einer ihrer Söhne hat nun Arbeit gefunden und kümmert sich um das Dach, dafür wird dieses Jahr die Kartoffelernte sehr schlecht ausfallen.

Möge das Unmögliche möglich werden! Hier in Simbabwe habe ich Menschen kennengelernt, die ständig in die Knie gezwungen werden. Sie müssen sich alles hart erkämpfen. Doch einige dieser Menschen besitzen etwas, das unwahrscheinlich wertvoll ist: Hoffnung und Vertrauen. George ist einer dieser Menschen. Er lehrt Jugendlichen im „Ruvarashe Trust“ das Schusterhandwerk. Sein größter Wunsch ist es, nach Europa zu reisen. Leider scheint dies unmöglich zu sein: er ist ohne Geld und offizielle Berufsausbildung, körperlich behindert, und kommt aus Simbabwe, einem der ärmsten Länder der Welt. Trotzdem ist er fest davon überzeugt, dass er es eines Tages schaffen wird. Zur Unterstützung meines Projektes in Makumbi:

Verwendungszweck: Ann-Kathrin Ott, Simbabwe PSK: 7086326 BLZ: 60000 BIC: OPSKATWW IBAN: AT52 6000 0000 0708 6326 MENSCHEN FÜR ANDERE - Jesuitenaktion


ÄGYPTEN

»Mursi oder Sisi?«

Begegnungen in Ägypten In unserer Herbstaussendung 2013 hat Pater Magdi Seif SJ über die Krisensitua­ tion in Ägypten berichtet. Seitdem hat sich wieder einiges verändert, wie die drei Missionsprokuratoren Toni Kurmann (Schweiz), Hans Tschiggerl (Österreich) und Klaus Väthröder (Deutschland) bei ihrem Besuch feststellen konnten.

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ursi oder Sisi?“ fragt uns das kleine Mädchen aus der Nachhilfegruppe, die wir gerade in einem armen Stadtviertel Kairos besucht haben. Wir warten an der Straße auf unser Auto, das im chaotischen Verkehr Kairos steckengeblieben ist. Die Umstehenden werden hellhörig. Kurz sind wir perplex angesichts dieser politischen Gretchenfrage und reden uns dann heraus, dass wir als Ausländer doch gar nicht so gut Bescheid wüssten über die politische Situation in Ägypten.

Hoffnung, Chaos und Putsch Drei Jahre nach der Revolution befindet sich Ägypten weiterhin in einer tiefen Krise, deren Ende nicht absehbar ist. Im Januar 2011 demonstrierten die Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kairo für das Ende der Diktatur von Hosni Mubarak und für eine demokratische Gesellschaft. Nach dem Wahlsieg von Mohammed Mursi, dem Kandidaten der Muslimbruderschaft, versank das Land mehr und mehr im Chaos, bis Militärchef Abdel Fattah al-Sisi im Juli 2013 gegen Präsident Mursi putschte und ihn ins Gefäng17


ÄGYPTEN nis warf. Die Ambivalenz zwischen dem Bekenntnis zu rechtsstaatlichen Strukturen einerseits und der Erleichterung andererseits, von einer Militärdiktatur vor dem Einfluss der Muslimbruderschaft geschützt zu werden, ist überall zu spüren – auch unter den Jesuiten und ihren Mitarbeitern. Unter der Herrschaft der Muslimbruderschaft hatte sich Ägypten immer mehr in Richtung eines fundamentalistischen is-

Pater Magdi Seif blättert in einem der alten Folianten aus der Schulbibliothek in Kairo.

lamistischen Staates entwickelt, was insbesondere die Christen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung Ägyptens je nach Schätzung zwischen 6 und 12 Prozent ausmacht, in Angst und Schrecken versetzte. In ihren sozialen und kulturellen Werken setzen sich die ägyptischen Jesuiten schon seit langem für ein friedliches Miteinander von Moslems und Christen ein.

Französische Tradition in Kairo

In Kairo treffen wir Joseph Mizzi SJ, den Leiter des ehrwürdigen Gymnasiums „Collège de la Sainte Famille“, an dem schon der berühmte Wissenschaftler Pierre Teil18

hard de Chardin als junger Jesuit unterrichtet hat. Morgens werden die Schüler mit Schulbussen in ganz Kairo eingesammelt. „Wir halten die französische Tradition weiterhin hoch“, erklärt uns Pater Mizzi. „Unser Ruf ist immer noch sehr gut. Aber mit den modernen und bestens ausgestatten Schulen können wir nicht mithalten. Allerdings muss man dort auch ein Vielfaches von dem bezahlen, was wir an Schulgebühren nehmen.“ Beim Rundgang durch die mehr als hundertjährige Schule besuchen wir die imposante Bibliothek, das alte Theater und die große Kirche.

Leidenschaft für Kunst Gleich nebenan befindet sich das von Jesuiten gegründete Kulturzentrum „Renaissance“. Auf den vier Stockwerken ist an diesem Abend viel Betrieb und wir treffen junge Männer und Frauen, Moslems und Christen, die den arabischen Frühling aktiv mitgestaltet haben. Victor führt uns durch das Haus: „Wir wollen die Kunst zu den einfachen Leuten bringen. Bisher war das ein Privileg der Reichen und Gebildeten.“ Wir spüren die Energie und Leidenschaft dieser jungen Leute, sei es beim gemeinsamen Produzieren eines Animationsfilms oder beim Einüben rhythmischer Tänze im großen Saal. Brandstiftung in Minia Von Kairo fahren wir nach Minia. Dort unterhalten die Jesuiten mitten in der Stadt ein großes Sozialwerk. Es ist immer viel Betrieb auf dem etwa zwei Hektar großen Gelände mit seinen 150 Mitarbeitern: eine Schule für 800 Kinder, Kindergarten, Einrichtungen für Behinderte, Kulturzentrum, Theater, Bibliothek, Nachhilfekurse, Pfadfinder, Kirche und Jesuitenkommunität. Wir machen einen


ÄGYPTEN Rundgang und bleiben vor dem zerstörten Gebäude und den ausgebrannten Fahrzeugen stehen, die von Muslimbrüdern in Brand gesteckt wurden. „Es war am 14. August, einem Mittwoch. Sie kamen morgens und attackierten das Zentrum mit Molotowcocktails“, erzählt der Mitarbeiter Magdi Asham. „Am Nachmittag kamen sie wieder, diesmal über die Mauer. Es waren mehr als 200 Männer. Sie nahmen alles mit, was sie tragen konnten, randalierten und zündeten das Haus an. Das muss jetzt komplett abgerissen werden. Und die Polizei konnte nicht kommen, da sie auch belagert wurde.“ Sein Blick fällt auf ein verbranntes Spezialmotorrad für Behinderte. „Das ist alles so sinnlos. Seit so vielen Jahren arbeiten wir gemeinsam, Muslime und Christen, für die Schwachen der Gesellschaft.“ Aber seine Stimme verliert schnell den pessimistischen Ton: „Es wird weitergehen. Viele muslimische Nachbarn haben ihr Bedauern und ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht. Und der Direktor unserer muslimischen Partnerorganisation El Warsha kam am nächsten Tag und hat uns Geld für den Wiederaufbau angeboten.“ Trotzdem bleibt die Verunsicherung. Die Mauern wurden höher gezogen und Menschen, die einander nicht kennen, begegnen einander mit Misstrauen.

Maßgeschneiderte Schuhe Am Nachmittag fahren wir in ein Dorf. Dort hat das Sozialwerk Behinderten geholfen, eine kleine Existenz aufzubauen. Wir besuchen den Schuhmacher Orabi. Gestützt auf seine beiden Krücken erwartet er uns schon vor dem Geschäft. Er strahlt über das ganze Gesicht, als wir seine kleine Werkstatt betreten. Aus einer Schublade zieht er ein fertiges Paar Schuhe hervor. „Dafür brauche ich einen Tag. Maßgeschneidert! Damit verdiene

ich 15 ägyptische Pfund.“ Umgerechnet ist das etwas mehr als 1,50 Euro. „Aber lieber repariere ich Schuhe“, meint Orabi verschmitzt. „Da kann ich noch mehr verdienen!“ Man spürt, wie stolz dieser junge Mann auf seine Leistung ist. Ohne Ausbildung und Werkstatt wäre Orabi von den Almosen anderer Menschen abhängig. Nun ist er Unternehmer, kann sein Leben selbst bestreiten und ist in die Gemeinschaft des Dorfes integriert.

Verbrannte Rollstühle in Minia (oben). Schuhmacher Orabi (unten).

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ÄGYPTEN

Fehlende Touristen

Soziale Arbeit in Armant (oben). P. Atif-Soubhi, der seine Exerzitienkurse erklärt (unten).

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400 Kilometer südlich von Minia liegen Armant und Luxor. In Luxor besuchen wir die archäologischen Ausgrabungen aus der Zeit der verschiedenen Pharaonendynastien, Zeugnisse einer untergegangenen Hochkultur. Auch hier sind die Folgen der politischen Krise zu spüren. Touristen? Fehlanzeige. Alle Nilschiffe liegen vor Anker, das weltberühmte LuxorMuseum hat nur einige Stunden geöffnet und unser Führer hat schon seit Monaten nichts mehr zu tun. Hier ist man nicht gut auf die Muslimbruderschaft zu sprechen, da viele Einwohner vom Tourismus leben. Ähnlich wie in Minia betreiben die Jesuiten in Armant ein Sozialwerk, zu dem auch ein Waisenhaus und ein Ärztezentrum gehören. Wir kommen mit einer jungen muslimischen Sozialarbeiterin ins Gespräch. „Das Arbeitsklima bei den Je-

suiten ist gut und ich kann viel lernen“, erklärt sie uns. „Und ich möchte etwas für die Armen tun. Am Anfang waren meine Eltern dagegen, dass ich bei einer christlichen Organisation arbeite. Aber zu Hause erzähle ich allen von meiner Arbeit und zeige ihnen Fotos. Nun werden sie immer neugieriger und finden es nicht mehr so schlecht.“

Exerzitien für Muslime und Christen Am Ende unserer Reise, in Alexandrien, treffen wir den jungen ägyptischen Jesuiten Atif-Soubhi, der vom Theologiestudium aus Paris zurückgekehrt ist und im Exerzitienhaus von Mariout mitarbeitet. Er hat gerade zum ersten Mal einen gemeinsamen Kurs für Moslems und Christen gehalten. „Es gab für die Gruppe sowohl gemeinsame Meditationsübungen wie auch muslimische Gebete und katho-


ÄGYPTEN

Das Land am Nil

lische Messen, zu denen aber immer alle eingeladen waren und auch tatsächlich teilgenommen haben.“ Ein kleines Experiment mit einer klaren Botschaft: die Alternative ist nicht nur „Mursi oder Sisi“, wo eine politische oder religiöse Richtung alle anderen beherrscht. Es gibt einen dritten Weg für Ägypten, von dem nicht nur die Jesuiten träumen: ein Miteinander des gegenseitigen Respekts und der wechselseitigen Anerkennung. Klaus Väthröder SJ

durchlebt schwere Zeiten. Auch im koptischen Kloster Anaphora, das an Taizé erinnert, gibt es Kurse für Muslime und Christen (oben).

Danke für Ihre Unterstützung! Auf unsere Spendenbitte für die Arbeit der Jesuiten in Ägypten haben wir über 60.000,Euro erhalten. Wir danken allen Spenderinnen und Spendern! Das Geld fließt in zwei Projekte: in den Wiederaufbau, die Arbeit in Minia und in ein Ferienheim am Roten Meer für Kinder und Familien aus armen Stadtvierteln.

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IN KÜRZE Volksschule des Kollegium Kalksburg sammelt für Straßenkinder Kinder der vierten Klassen unterstützen unter Anleitung ihrer Lehrer und der Direktorin Doris Holfeld das Straßenkinderprojekt „Zurück zur Schule“ in Manila. Als Sternsinger zogen sie in jede Klasse. Mit Gedichten und Liedern erinnerten sie an die Suche der drei Weisen nach dem Gotteskind. Mit den gesammelten € 1.885,60 können 41 Straßenkinder versorgt werden. Neben der Ausbildung erhalten sie Schulkleidung, Lehrmittel, warme Mahlzeiten und medizinische Betreuung.

Sternsinger für das Straßenkinderprojekt „Zurück zur Schule“ in Manila.

Begegnungsreise nach Simbabwe und Teilnahme am „MAGIS“-Programm Vom 6.-24. August 2014 machen junge Erwachsene aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Studien- und Begegnungsreise der Jesuitenmission. Im ersten Teil der Reise stehen Projekte der Jesuiten im Bistum Chinhoyi im Mittelpunkt. Ab 15. August: Teilnahme mit ca. 300 weiteren Erwachsenen aus aller Welt, an der „MAGIS“-Begegnung. Im Rahmen des Programms geht es in verschiedene soziale, ökologische oder spirituelle Projekte in Simbabwe, Sambia und Südafrika. Mehr Infos: weber@jesuitenmission.at; www.jesuitenmission.at Exerzitienkurse mit Autobiografischem Schreiben 2014 Mag. Monika Tieber-Dorneger, Ökumenische Exerzitienleiterin. www.schreibflow.at, schreibflow@aon.at, +43 676 73 23 294 „... begleitet zu werden und zu heilen“ 14. bis 20. Juli 2014 Bildungshaus Stift Zwettl 3910 Zwettl 1 „... dass du, Mensch, Wort wirst“ 10. bis 16. August 2014 Exerzitienhaus Werdenfels bei Regensburg 93152 Nittendorf, Waldweg 15 „... dass du, Mensch, Wort wirst“ 7. bis 13. Dezember 2014 Haus der Stille, 8081 Heiligenkreuz am Waasen Oper „San Ignacio de Loyola“, 23. Mai 2014, Jesuitenkirche Wien I, 21:00 Uhr Im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“ wird zum 200-jährigen Jubiläum der Wiedererrichtung des Jesuitenordens die Oper San Ignacio zur Aufführung gebracht. Die Oper zeigt Ausschnitte aus dem Leben des Heiligen. Sie war um 1750 in den Missionen des Ordens in Südamerika verbreitet und wurde zu Festlichkeiten aufgeführt. Die Partitur wurde in Archiven von San Rafael, Moxos und Santa Ana, Chiquitos in Bolivien gefunden. Die Autoren blieben anonym. Sie lässt sich ganz im italienischen und internationalen Barockstil verorten. Unsere Aufführung ergänzt die Oper mit Instrumentalmusik von Arcangelo Corelli, der damals auch in den Missionen in der Neuen Welt als Modell-Komponist galt.

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UNSERE BITTE: Hilfe für Culion/Philippinen Liebe Leserin, lieber Leser! Diese Spendenbitte möchte ich mit einem großen Dankeschön beginnen. Als auf den Philippinen der Taifun wütete, war unsere Weihnachtsausgabe schon in der Druckerei. Deshalb konnten wir nur noch einen kleinen Extra-Zettel beilegen. Dank Ihrer Hilfe konnten wir 54.000,- Euro zur ersten Nothilfe auf den Philippinen beitragen! Ich möchte Ihre Spendenbereitschaft nicht überstrapazieren, aber für den Wiederaufbau in Culion brauchen wir Ihre weitere Hilfe. Ein Fischerboot kostet 325 Euro. Ein Haus schlägt mit 2.500 Euro zu Buche. 1.598 Häuser und 458 Boote sind komplett zerstört worden. Sollten einige Dörfer aus Sicherheitsgründen umgesiedelt werden müssen, werden die Kosten weiter steigen. Seit über 100 Jahren begleiten Jesuiten die Bewohner von Culion. Wir möchten unseren Projektpartnern und Freunden auf den Philippinen nach diesem Schicksalsschlag langfristig zur Seite stehen. Danke für Ihre Hilfe und Ihre Treue!

Jesuitenmission Spendenkonto PSK 7086 326 BLZ: 60000 BIC: OPSKATWW IBAN: AT52 6000 0000 0708 6326 MENSCHEN FÜR ANDERE Stichwort: Philippinen Ihr Spende ist gemäß § 4a Z.3 und 4 EstG absetzbar! ZVR-Zahl 530615772 / SO 1345

Hans Tschiggerl SJ Missionsprokurator 23


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Danke für Ihre Unterstützung!

JESUITENMISSION Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien Tel.: +43 1 512 5232 56 office@jesuitenmission.at www.jesuitenmission.at IBAN: AT52 6000 0000 0708 6326 BID: OPSKATWW MENSCHEN FÜR ANDERE


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