Narrative Strategien im Werke John Irvings

Page 53

53

daß Irving sich Garps als Sprachrohr bedient. Im folgenden wird daher zwischen traditionellen Autoren (Irving und Garp) und dem postmodernen Erzähler (Whitcomb) differenziert. In der Tat stechen biographische Übereinstimmungen zwischen T. S. Garp und John Irving ins Auge. Beide werden als mehr oder weniger "faculty brat" auf einem amerikanischen Universitätsgelände groß, beide ringen, gehen nach Wien, werden Schriftsteller. 197 Diese "Eckdaten" allein machen jedoch nicht das Wesentliche des Romans aus, tragen auch nicht ausschlaggebend zum "narrative momentum" bei. Sie definieren viel eher eine Ausgangssituation, von der aus die fiktiven Kohärenzen des Romans angelegt werden können und die mit dem Endpunkt von Garps Tod abschließt. Gerade der geringe Wahrheitsgehalt dieser "autobiographical accidents", wie Garp sie gemäß Irving nennt, 198 reduziert sie zu bloßen Ansatzpunkten, auf die sich die Imagination stützt, um um so außergewöhnlicher aufzublühen. 199 Bezüglich der Kunstauffassung und der Ansprüche an die Fiktion fallen Parallelen zwischen Irving und Garp als ungleich bedeutsamer ins Gewicht. Nicht allein die Tatsache, daß die in The World According to Garp gelieferten Romansynopsen eindeutig auf Irvings Wiener Trilogie verweisen und Irving sich so selbst parodiert, steht im Vordergrund "Yes, it's true there's a lot of self-parody there, spoofs of my earlier works, games I'm having fun with" 200 -, sondern es stimmen vor allem die Meinungen über Funktion und Wirksamkeit von Kunst beider Autoren miteinander überein. Beide betrachten Kunst bzw. "writing" nicht nur aufgrund der Alliteration in engem Zusammenhang mit "wrestling", weil sie in beiden Beschäftigungen kein Privileg der Begabten sehen, sondern halten sie, weil für beide Betätigungen Disziplin und Besessenheit gleichermaßen erforderlich sind, für lernbar: 197

Irving, Girlfriend, S. 27. Garp, S. 425. 199 "Der Vergleich mit der Romanhandlung verdeutlicht eine Anzahl von Garp-Irving-Analogien, doch kann von einem autobiographischen Buch nicht im entferntesten die Rede sein. Der Autor hat eingeräumt, daß er Gebrauch von faktologischen Einzelheiten mache, deren Wahrheit aber irrelevant sei.", Wicht, S. 656. 200 Irving im Interview mit McCaffrey, S. 7. 198


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.