Deutsche Oper Magazin

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> Musikalische Leitung Donald Runnicles Inszenierung Philipp Stölzl Co-Regie Mara Kurotschka Bühne Philipp Stölzl, Conrad Moritz Reinhardt Kostüme Kathi Maurer Chöre William Spaulding Kinderchor Christian Lindhorst Dramaturgie Dorothea Hartmann Amfortas Markus Brück Titurel Albert Pesendorfer Gurnemanz Robert Holl / Liang Li [ März; April ] Parsifal Klaus Florian Vogt /  Clemens Bieber [ Januar ] / Stephen Gould [ März; April ] Klingsor Bastiaan Everink Kundry Evelyn Herlitzius / Violeta Urmana [ März; April ] Chor, Kinderchor und Orchester der Deutschen Oper Berlin Mit Unterstützung der Stiftung ­Deutsche Klassenlotterie Berlin und des ­Förderkreises der Deutschen Oper B ­ erlin e. V.

Szenische Verwandlungen – den darstellerischen Möglichkeiten der Filmkunst vorausempfunden – bilden das dramaturgische Skelett der Oper. Eine Waldlichtung verwandelt sich in den Saal der Gralsburg; Klingsors Turm versinkt hinter dem üppig blühenden Zaubergarten, der verdorrt, als Parsifal mit dem heiligen Speer das Kreuzzeichen schlägt; Wald und Wiese werden am Karfreitag verklärt. Die Szenen- und Lichtwechsel zwischen inneren und äußeren Räumen, zwischen Wald, Paradiesgarten und Burg, spiegeln auch die Verwandlungen der Gralsbotin Kundry, die in narkoleptische Ohnmacht fällt – „Schlafen – schlafen – ich muß“ –, die im Gefängnis Klingsors erwacht, im Zaubergarten als junges Mädchen wiedergeboren wird, und zum Schluss als Büßerin die Taufe empfängt, nachdem sie, wie die Sünderin im Lukasevangelium, die Füße Parsifals gesalbt hat. Zwischen den Veränderungen

vergehen Jahre. Soviel bezeugt die Bemerkung des Gralsritters Gurnemanz, der zu dem vaterlosen Knaben sagt (als wollte er ihn adoptieren): „Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit.“ Zum Raum wird hier die Zeit. Erfahrung gerinnt zur Anschauung, Bewegung erstarrt zum Bild. Der Satz des Gralsritters erinnert an die komplexen Arrangements lebender Bilder, tableaux vivants. Solche Bilder waren im späten 18. Jahrhundert überaus populär. Unterstützt von Malern wie Jacques-Louis David soll die Comtesse de Genlis, Erzieherin der Kinder des Herzogs von Orleans, bekannte Gemälde mit lebenden, kostümierten Personen nachgestellt haben; zur selben Zeit posierte Lady Emma Hamilton, Mätresse des Admirals Nelson, nicht nur als Modell für Maler, sondern auch als Verkörperung antiker Skulpturen, in einer Umkehrung der Pygmalion-Erzählung aus Ovids Metamorphosen. Manchmal wurden tableaux vivants eingesetzt, um das Ende einer Theateraufführung oder einer artistischen Performance auszudrücken; Gruppenposen wurden eingeübt, etwa um Dank für den Beifall des Publikums zu erstatten. Hundert Jahre nach Lady Hamilton durften schließlich auf manchen Bühnen nackte Frauen erscheinen, sofern sie wie Statuen stillstanden und sich nicht bewegten. Naheliegend ist die Assoziation mit den Techniken der Fotografie. Fotografen verlangen die Pose; und sie erzeugen sie auch. Eine Vorläuferin Kundrys – und das erste Fotomodell, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine beachtliche Prominenz erlangte – war Virginia Oldoini, Contessa di Castiglione, eine toskanische Aristokratin am Pariser Hof. Die Mätresse Napoleons III. zeigte sich gern in phantasievollen Kostümen und Kleidern, beispielsweise als ›Königin der Herzen‹. Ab 1856 begann sie eine obsessive Zusammenarbeit mit dem Fotografen PierreLouis Pierson, der in den folgenden Jahrzehnten mehr als siebenhundert Fotos der Gräfin produzierte; auf manchen Fotos zeigte sie – ungewöhnlich für die damalige Zeit – ihre nackten Beine oder Füße. Der Dichter, Dandy und Kunstsammler Comte de Montesquiou-Fezensac war so fasziniert von der

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Parsifal – Tableaus


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