http://www.crescendo.de/html/de/02archiv/2010/crescendo-2010-02/CLASS_aktuell_1-2010

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2010/1

C LASS AKTUELL

CLASS a k t u e l l Association of Classical Independents in Germany

UFA-Star-Komponist Norbert Glanzberg André Morsch und Eildert Beeftink „Kleine Opern“ – brillant vertont und gepriesen

Max Brod Trio präsentiert nicht nur Schuberts „Notturno“

Tilman Krämer frühe Klavierwerke von Johannes Brahms

Oboissimo Yeon-Hee Kwak

BeethovenQuartett BLICK IN SCHUMANNS WERKSTATT


C1_10_s02_HighEnd

01.03.2010

21:32 Uhr

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2010 Der beste Ton – Das beste Bild HIGH END 2010: Der Beste Ton – Das Beste Bild M,O,C, München – Lilienthalallee 40 80939 München-Freimann Termin: 06. – 09. Mai 2010 täglich von 10 bis 18 Uhr Fachbesucher: Donnerstag, 6. Mai 2010 Eintritt: Tageskarte 10 Euro www.HighEndSociety.de

Der größte und wichtigste Branchentreffpunkt Vom 06. bis 09. Mai ist die bayerische Landeshauptstadt wieder Treffpunkt für die Fans feinster Unterhaltungselektronik aus aller Welt. Hier zeigen die weltweit führenden Anbieter für hochwertige Unterhaltungselektronik wieder ihre Juwelen. Die HIGH END® wird von der HIGH END SOCIETY (Interessenverband für hochwertige Unterhaltungselektronik) bereits im 29. Jahr veranstaltet. Seit 2004 findet die älteste und größte Messe für Produkte der hochwertigen Unterhaltungselektronik im Munich-Operation-Center (M,O,C,) in München statt. Die hochmoderne Architektur und Infrastruktur des Veranstaltungszentrums M,O,C, im Norden Münchens bietet ein angenehmes Ambiente, kurze Laufwege und beste Präsentationsmöglichkeiten für die größtenteils sehr exklusiven Produkte der Szene.

Die HIGH END® ist europaweit tonangebend Die HIGH END® genießt bei Ausstellern und Besuchern seit Jahren ein hohes Ansehen. Die Messe ist unter den Branchenfachmessen zur internationalen Institution geworden und mit den Jahren langsam und stetig gewachsen. Die HIGH END® als Europas wichtigste Messe für hochwertige Unterhaltungselektronik ist die ideale Plattform für den internationalen Fachhandel, die Industrie, die Medien und die Messebesucher. An keinem anderen Ort in Europa wird die gesamte Bandbreite der Audio und Heimkino-Produkte mit ihren faszinierenden Markenwelten so eindrucksvoll und emotional präsentiert. Im letzten Jahr verzeichnete die HIGH END® erneut einen Ausstellerrekord. Hier war im Gegensatz zu anderen Messen nichts von der Konjunkturkrise zu spüren, im Gegenteil die Zahl der ausstellenden Unternehmen stieg wiederum um rund 7 % gegenüber dem Vorjahr. Es präsentierten sich insgesamt 248 Aussteller auf einer Fläche von 18.373 qm.

High-Tech für die Sinne Von traditionell bis zukunftsweisend – das Produktspektrum der HIGH END® bietet für jeden etwas. Traditionelle Röhrenverstärker und kultige Plattenspieler können ebenso wie Musik von der Festplatte und netzwerktaugliche Komponenten vom Publikum gesehen und bestaunt werden. Die Messe bietet genügend Anschauungsmaterial und lebt von ihren Kontrasten. Hier taucht der Besucher in analoge Feinmechanik-Kunst und modernste akustische und visuelle Klangwelten ein. Die HIGH END® ist ein Mekka für audiophile Inspiration, Aktualität, Innovation und Exklusivität. Hier haben die Fachbesucher wie auch die Endkunden die Möglichkeit, die neuesten Premium- und High-End-Produkte in einem hochwertigen Umfeld direkt und hautnah zu erleben. Die HIGH END® bringt Technik und Gefühl zusammen und bietet dem Messebesucher ein herrliches Erlebnis für die Sinne.

Attraktive Aktivitäten rund um die Messe Die HIGH END® wird auch im Jahr 2010 wieder mit einem umfangreichen, bunten und unterhaltsamen Messeprogramm aufwarten. Live-Konzerte, Workshops, einmalige Präsentationen, beeindruckende Vorführungen, hochinteressante Vorträge und eine herausragende Neuheitenschau sorgen wieder für einen abwechslungsreichen und eindrucksvollen Messebesuch. Zu Beginn der HIGH END® findet ein spezieller Fachbesuchertag statt. Die Messe ist am 06. Mai 2010 nur für Fachbesucher mit Vorab-Registrierung geöffnet. Die HIGH END® wird von der HIGH END SOCIETY, dem Interessenverband für hochwertige Unterhaltungselektronik ausgerichtet, einem Industrieverband, in dem die wichtigsten Unternehmen der UE-Branche vereint sind.


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01.03.2010

21:26 Uhr

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CLASS a k t u e l l WERGO Seitdem ich die Ehre habe, von dieser Stelle aus die große, weite Welt zu grüßen, bekomme ich aus dieser im Gegenzug viel Post zugesandt. Vor allem erreichen die Redaktion immer wieder Musiknoten-Ausgaben, adressiert zu meinen Händen „zwecks Besprechung in CLASS aktuell“.

Hans Werner Henze

An dieser Tatsache ist mehreres bemerkenswert. Erstens werden in CLASS aktuell – wie schon ein kurzer Blick ins Heft zeigt – gar keine Musiknoten besprochen. Zweitens bin ich ja gar nicht Teil der Redaktion, sondern nur der Typ von Seite 3. Drittens kann ich zwar zur Not davon stammeln, wie sehr mich Musik zuweilen ergreift, aber nie habe ich Anlass zu der Vermutung gegeben, ich könnte Noten lesen oder gar eine Notenedition kompetent würdigen. Aus all dem schließe ich: Wer auch immer mir Musiknoten schickt, hat das Heft überhaupt nicht richtig gelesen. Es gibt für das Ganze eigentlich nur eine Erklärung: den Computer. In vordigitalen Zeiten – vielleicht erinnern Sie sich – konnte man irgendetwas Neues in die Welt setzen – ein Automodell oder eine Musikaufnahme, es kommt jetzt nicht so darauf an – und die Menschen bildeten sich ihre Meinung darüber. Heute muss man, wenn man etwas Neues hat, erst mal zwei Dutzend Datenbanken füttern. Denn damit die Menschen das Neue finden, muss erst der Computer es finden. Und der braucht Infodaten, Vorgaben, Kriterien, Zuordnungen. Die jährliche Wachstumsrate der Menschheit liegt bei etwa 1 Prozent, die des digitalen Datenmülls bei 100 Prozent. Beauftragt nun jemand einen Computer, mögliche Adressaten für neue klassische Notenausgaben zu ermitteln, so muss er ihm nur ein paar Suchkriterien vorgeben. Zum Beispiel tippt er ein: „Klassik“. Da aber „klassisch“ oder „Classics“ nicht unter den Tisch fallen sollen, beschränkt er sich am besten auf „Class“ und „Klass“. So hat der Computer „CLASS aktuell“ gefunden und meinen Namen auf Seite 3. Natürlich fand er ebenso die Magazine „Motor Klassik“, „Klassische Photographie“ und „Das Klassenzimmer“. Die haben die Notenausgaben also auch bekommen. Apropos „Motor Klassik“: Auch die Bemusterungsadressen für neue Automodelle werden vom Computer ausgesucht. Handelt es sich um klassische Automarken, funktioniert das ebenfalls am besten mit der Vorgabe „Class“ oder „Klass“. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann die Redaktion ein nagelneues knallrotes Drophead-Converter-240-PS-Cabrio erreicht, adressiert zu meinen Händen „zwecks Besprechung in CLASS aktuell“. Aber ob die Redaktion dieses Päckchen dann ebenfalls an mich weiterschickt? Das bezweifelt stark Ihr Hans-Jürgen Schaal

CLASS aktuell 1/2010 Inhalt

4 Tobende Ausbrüche und zarte Regungen Tilman Krämer spielt frühe Klavierwerke von Johannes Brahms ein

8 „Kleine Opern“ – brillant vertont und gepriesen André Morsch und Eildert Beeftink präsentieren Lieder von Hermann Reutter

5 Blick in Schumanns Werkstatt Das BeethovenQuartett zum Schumann-Jahr 2010

9 Oboissimo Yeon-Hee Kwak mit Guiro und Sandpapier…

7 Wiederentdeckung eines UFA-Star-Komponisten Roman Trekel und das Sinfonieorchester Mulhouse mit klangstarken Raritäten von Norbert Glanzberg

Hommages ensemble recherche

WER 67272 (CD)

Errare digitalis est

6 Ein Auf- und Niederwallen schön menschlicher Empfindung Das Max Brod Trio präsentiert Schuberts „Notturno“ D 897 und sein B-Dur-Klaviertrio D 898

NEU BEI WERGO

Diese CD mit dem ensemble recherche gibt bislang unveröffentlichten kammermusikalischen Werken Hans Werner Henzes Raum, Gelegenheitskompositionen und Widmungsstücken für Freunde und gute Bekannte aus einem etwa zwanzig Jahre umspannenden Zeitraum. Widmungsträger dieser Kompositionen für Geburts- und Gedenktage oder Jubiläen sind u.a. Yehudi Menuhin, Leon Fleisher, Paul Dessau sowie Henzes langjährige Gönnerin und Freundin Margaret, Prinzessin von Hessen und bei Rhein. – Die CD präsentiert fast ausschließlich Ersteinspielungen.

10 CLASS - Blickpunkte Neuveröffentlichungen vorgestellt von CLASS Auflage: 135.000 Titelfoto: © Kohsei Yoshida; Grafik: Ottilie Gaigl CLASS Association of Classical Independents in Germany e.V. Bachstraße 35, 32756 Detmold, Telefon 05231-938922 www.class-germany.de · class@class-germany.de Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de

AUSGABE 2010/1

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www.martingeier.com

Vertriebe Deutschland: Note 1, 06221/720351 · info@note-1.de Österreich: Lotus Records, 06272/73175 · office@lotusrecords.at Schweiz: Tudor, 044/4052646 · info@tudor.ch

WERGO Weihergarten 5 · 55116 Mainz · Germany service@wergo.de · www.wergo.de


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01.03.2010

21:55 Uhr

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www.CovielloClassics.de

Tobende Ausbrüche und zarte Regungen

Frankreichs Cellopionier

Tilman Krämer spielt frühe Klavierwerke von Brahms ein

COV 21001

V Michel Corrette 1 707 - 1 7 9 5 Les Délices de la Solitude Op. 20 6 Sonaten für Violoncello und b.c Bassorum vox Das Violoncello erlebte im 18. Jahrhundert besonders in Frankreich einen rasanten Aufstieg: Um 1700 noch weitgehend unbekannt, war es nur wenige Jahrzehnte später ein äußerst beliebtes Soloinstrument. Einer der ersten, die das erkannten, war Michel Corrette. Schon 1739 erschien seine Sonatensammlung Les Délices de la Solitude, in der er sämtliche Klangfacetten des Instruments auslotet. Das von der Fachpresse hoch gelobte Spezialensemble Bassorum Vox bringt sie zum Strahlen.

ehement, unwirsch, unbändig kraftvoll und verwegen – als Clara und Robert Schumann im Oktober 1853 das KlavierScherzo des jungen Johannes Brahms hörten, reagierten sie wie elektrisiert: Das war ein neuer, kernig-unsentimentaler Ton, fast schon die postromantische Zeit vorwegnehmend. Robert Schumann verbreitete eine enthusiastische Würdigung des gerade 20jährigen Komponisten in der Neuen Zeitschrift für Musik und pries ihn als das kommende Genie. Brahms betrat mit einem Paukenschlag die Weltbühne; die frühen Klavierwerke begründeten seinen Ruhm. Für den jungen Pianisten Tilman Krämer, der die Fachwelt in letzter Zeit mit seinen durchdachten Interpretationen aufhorchen ließ, gehören sie zum Anspruchsvollsten, was die Klavierliteratur zu bieten hat: „Die Werke besitzen neben einem unverkennbaren jugendlichen Überschwang (Brahms sprach selbst von „Tobereien“ in seinen Frühwerken) eine faszinierende kompositorische Reife und Meisterschaft. Mir war es ein An-

Johannes Brahms: Klaviersonaten Nr. 1 C-Dur op. 1 & 2 fis-Moll op. 2 Scherzo es-Moll op. 4 Tilman Krämer, Piano COV 50913 / Coviello Classics Koproduziert mit dem BR

liegen, den orchestralen Satz der Musik („verschleierte Symphonien“) transparent zum Klingen zu bringen. Für mich besteht der Reiz in der großen Bandbreite des musikalischen Ausdrucks: wilde, feurige, tobende Ausbrüche und rasende Motorik treffen unmittelbar auf zarte, verborgene Regungen oder graziöse Momente.“ Thomas Jakobi

i m E x k l u s i v - Ve r t r i e b b e i Aktuelle Konzerte: Tilman Krämer

Note 1 Musikvertrieb GmbH · Carl-Benz-Str. 1 69115 Heidelberg · Fon: (06221) 72 03 51 Fax: (06221) 72 03 81 · info@note-1.de www.note-1.de

22. 04. 2010

Hinterzarten, Birklehof

13. 06. 2010

Stauffen, Stubenhaus

20. 06. 2010

Lübeck, Kolloseum

mehr Informationen unter www.tilmann-kraemer.de

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AUSGABE 2010/1


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01.03.2010

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CLASS a k t u e l l Aktuelle Konzerte: BeethovenQuartett L. van Beethoven – Streichquartett op. 135 R. Schumann – Streichquartett Nr. 1 und Nr. 2 op. 41 19. 04. 2010 Prag 21. 04. 2010 Zürich 24. 04. 2010 Schloss Heiligenberg 09. 05. 2010 Bonn 13. 05. 2010 Basel 01. 08. 2010 Rheingau Musik Festival 01. 08. 2010 Mosel Musikfestival 19. 09. 2010 Tokyo 17. 10. 2010 Freiburg L. van Beethoven – Tripelkonzert C-Dur op. 56 10. 11. 2010 Ingolstadt 13. 11. 2010 Wolfsburg 14. 11. 2010 Lüdenscheid 15. 11. 2010 Witten 16. 11. 2010 Bad Homburg Nähere Information und Kartenvorbestellung: www.beethovenquartett.de Tel.: + 41 78 685 98 88 | reservation@bomn.eu

Blick in Schumanns Werkstatt Das BeethovenQuartett zum Schumann-Jahr 2010

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ier Takte sind es nur, die Streichquartettfreunde in der neuen Einspielung des BeethovenQuartetts unbekannt vorkommen werden. Vier Takte aber, die im wahrsten Sinne Unerhörtes bewirken. Mit jenen Takten verband Schumann im Juni 1842 in seiner ursprünglich beabsichtigen Fassung die beiden heute als op. 41 Nr. 1 und 2 bekannten Streichquartette zu einem einzigen ungeheuerlichen Werk mit geradezu Beethovenschen Dimensionen. Es ist dem Entdecker-Gespür und Wagemut des BeethovenQuartetts zu verdanken, dass es mit seiner dritten Einspielung gewissermaßen einen Einblick in Schumanns Werkstatt gestattet. Schumann, der phasenweise an einer Gattung arbeitete – zunächst Klavierwerke, 1840 das große Liederjahr, und 1842 fast ausschließlich Kammermusik – äußerte bereits 1838, an einem Streichquartett arbeiten zu wollen. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis er dies in die Tat umsetzte und in denen er unter den großen Vorgängern der Streichquartettkunst vor allem Beethovens späte Quartette studierte. Innerhalb weniger Wochen entstand dann im Juni 1842 ein gewaltiges achtsätziges Streichquartett. Erst als Schumann im Anschluss noch ein weiteres Streichquartett schrieb, heute op. 41 Nr. 3, verabschiedete er sich von seiner ursprünglichen

Idee, teilte das achtsätzige Werk in zwei eigenständige Quartette und schuf somit eine klassische Dreiheit, die er seiner Frau Clara am 13. September 1842 zum Geburtstag schenkte und die auch prompt begeistert reagierte: „Das ist alles neu, dabei klar, fein durchgearbeitet und immer quartettmäßig“.

Robert Schumann Streichquartett op. 41, 1 & 2 (Frühfassung) Ludwig van Beethoven Streichquartett op. 135 BeethovenQuartett audiomax 703 1623-6 (SACD + DVD-Video)

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Das BeethovenQuartett dokumentiert mit seiner Aufnahme zum Schumann-Jahr 2010 sozusagen ein „work in progress“, das sehr deutlich Schumanns Versuch zeigt, sich einerseits an Beethoven zu orientieren, und sich gleichzeitig von ihm zu lösen. Neben den zahlreichen Anspielungen an Beethovens späte Quartette ist das Zitat „Nimm sie hin denn, diese Lieder“ – als musikalisch verpackter Gruß an Clara – aus Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte“ im Schlusssatz besonders markant. Gewidmet hat Schumann die Quartette allerdings seinem Freund Felix Mendelssohn. Dessen liedhafter und klar strukturierter Melodik steht Schumanns Werk tatsächlich weitaus näher als den dichten und teils schroffen Spätwerken Beethovens. Die Wirkung dieser ursprünglich beabsichtigen Fassung der Quartette op. 41 ist enorm – man hört Zusammenhänge zwischen den Einzelquartetten und staunt über die symmetrische Anlage. Ein wohlbekannter Schumann wird somit durch vier Takte zum gänzlich neuen Erlebnis. Das BeethovenQuartett kombiniert diesen bislang ungehörten Schumann mit Beethovens letztem vollendeten Streichquartett op. 135, das sich nach den jede Norm sprengenden Vorgängern wieder auf die klassische Viersätzigkeit beschränkt. Das Ende von Beethovens Maßstäbe setzender Streichquartett-Produktion und Schumanns überschwänglicher Start in die Kammermusik ergänzen sich hervorragend. Neben der Super Audio CD (im 222-SACDMehrkanalformat) enthält die Ausgabe eine DVD-Video mit einer Konzertfassung von op. 135 und einem spannenden Gespräch zwischen Georg Albrecht Eckle und Peter Gülke. Hier werden in unnachahmlicher Art mehr Fragen zu Komponist, Werken und Entstehungszeit beantworten, als man sich jemals zu fragen traute. Was für eine unermessliche Fundgrube für jeden KlassikLiebhaber! Cordelia Berggötz


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Profil

01.03.2010

22:03 Uhr

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Edition Günter

Hänssler

»EIN NEUER GROSSER WURF« Max Brod Trio

Foto: © Gerd Uwe Hauth

SEMPEROPER EDITION

»Gott! Welch Dunkel hier …« Dresdner Opernszenen aus Inszenierungen der Staatsoper Dresden in Rundfunkaufnahmen des Mitteldeutschen Rundfunks nach 1945 3 CD & 1 DVD Vol. 1: PH10007 mit Ausschnitten aus DEFA Dokumentarfilm „Dresden – Aufbau im Osten“ und zahlreichen Augenzeugenberichten inkl. Begleitbuch (242 Seiten) Die Semperoper Edition wird präsentiert in Kooperation mit der Sächsischen Staatsoper Dresden dem Mitteldeutschen Rundfunk und dem Deutschen Rundfunkarchiv.

VOL. 2 SEMPEROPER EDITION ERSCHEINT IM APRIL 2010

Ein Auf- und Niederwallen schön menschlicher Empfindung Das Max Brod Trio präsentiert Schuberts „Notturno“ D 897 und sein B-Dur-Klaviertrio D 898

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as B-Dur Klaviertrio (D 898) von Franz Schubert gehört zu den bekanntesten, aber auch schwierigsten Werken dieser bei Schubert seltenen Gattung. Das junge deutschtschechische Max Brod Trio hat dieses kammermusikalische Schwergewicht für Audiomax aufgenommen. Ergänzt wird die äußerst reizvolle Einspielung durch das Adagio D 897 „Notturno“. Bis zu seinem 30. Lebensjahr komponierte Schubert mit Vorliebe Streichquartette. Gemischte kammermusikalische Besetzungen sind bei ihm rar. Sein erstes Klaviertrio entstand 1827, also ein Jahr vor seinem frühen Tod. Ob für die Entstehung von D 898 ein konkreter Anlass bestand

Ludwig van Beethoven . FIDELIO Joseph Keilberth, Christel Goltz, Bernd Aldenhoff, Elfride Trötschel - u. v. m. CD & DVD Vol. 2: PH10033

Profil

Edition Günter

Hänssler

Profil Medien GmbH . Edition Günter Hänssler Hauffstr. 41 . D-73765 Neuhausen a. d . F. Tel.: 0 71 58 / 9 87 85 21 . Fax: 0 71 58 / 70 91 80 Profil.Medien@arcor.de . www.haensslerprofil.de

Franz Schubert (1797-1828) Klaviertrio B-Dur D 898 Notturno D 897 Max Brod Trio Audiomax 703 1608-2

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oder ob Schubert das Trio mit Blick auf die einschlägigen Kataloge verfasste, ist bis heute nicht geklärt. Es deutet aber viel darauf hin, dass es im direkten zeitlichen Umfeld mit dem „Notturno“ entstand, dessen Autograph und Entstehungsdatum überliefert sind. Robert Schumann schwärmte von den Werken seines Komponistenkollegen wie ein Werbetexter unserer Tage. Für ihn war das B-Dur-Trio ganz und gar „leidend, weiblich und lyrisch“. Schon der erste Satz sei so „anmutig, vertrauend, jungfräulich“, das Adagio gar „ein seliges Träumen, ein Auf- und Niederwallen schön menschlicher Empfindung“. Klassik-Fan, was willst du mehr? Das Max Brod Trio symbolisiert das Zusammenwachsen Europas. Einer EU-Initiative zugunsten interkultureller Konzerte im Jahr 2005 folgend, fanden sich Kerstin Straßburg (Klavier), Petr Mateják (Violine) und Maximilian von Pfeil (Cello), drei Musiker mit unterschiedlicher Herkunft und künstlerischen Erfahrungen, zusammen, um in Erinnerung an den in Prag geborenen, deutschsprachigen jüdischen Schriftsteller Max Brod einen Beitrag zur Verständigung zwischen den Kulturen zu schaffen. Ihre Konzerte und CD-Aufnahmen erfuhren bereits nach kurzer Zeit eine bemerkenswerte internationale Resonanz und Anerkennung. Mit Hilfe vieler Freunde und Förderer riefen die drei Musiker die „Max Brod Salons“ als Plattform für kulturelle Begegnungen und Interaktionen ins Leben, um an das Wirken ihres Namensgebers zu erinnern. Thomas Trappmann

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01.03.2010

22:15 Uhr

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CLASS a k t u e l l

Wiederentdeckung eines UFA-Star-Komponisten Roman Trekel und das Sinfonieorchester Mulhouse mit klangstarken Raritäten eines Grenzgängers

seine „klassische“ Herkunft zu besinnen. Die „Suite Jiddisch“ zeichnet Szenen aus dem Leben in den Dörfern Osteuropas nach. Eine verschwundene Welt, die Glanzberg selbst nur aus Erzählungen kannte. Da erklingen Wiegenlieder, ein Walzer, ein jüdisches Hochzeitslied ... – und da wird mit Anklängen an die Musik von Schostakowitsch an die Pogrome der Kosaken (!) erinnert. Die „Holocaust Lieder“ basieren auf Gedichten von KZ-Häftlingen, von Juden und Widerstandskämpfern. Es sind ganz besondere Studien – mal aufrüttelnd und leidenschaftlich, mal intim und erschütternd schlicht –, die in großer emotionaler Hingabe und mit viel Einfühlungsvermögen von Roman Trekel dargeboten werden. Das Sinfonieorchester der Stadt Mulhouse überwindet als Kulturbotschafter des Elsass immer wieder Grenzen, um den guten Ruf der Heimat zu vermehren. Vor Ort als Konzert-, Opern- und

Roman Trekel

Norbert Glanzberg Suite Yiddisch / Holocaust-Lieder Roman Trekel, Bariton Orchestre Symphonique de Mulhouse Daniel Klajner, Ltg. MDG 901 1588-6 (Hybrid-SACD)

Theaterorchester aktiv, hat sich der Klangkörper seit 2005 unter seinem Chefdirigenten Daniel Klajner stets neue Ziele gesetzt. Man darf zu diesem ebenso wichtigen wie ambitionierten und vor allem gut hörbaren Projekt nur gratulieren. Da auch die klangtechnische Seite dieser SACD hervorragend gelungen ist, bleibt nur die nachhaltige Empfehlung, vielleicht einmal selbst die Grenze zum Elsass zu überqueren, um dieses sympathische Orchester live zu erleben. Lisa Eranos

Daniel Klajner

Orchestre Symphonique de Mulhouse

Aktuelle Konzerte 2010: Orchestre Symphonique de Mulhouse: 19. / 20. März in La Filature (Mulhouse) Faure Pelléas et Mélisande Schumann Klavierkonzert (Leonardo Gelber) Schönberg Pelléas et Mélisande 25. / 27. / 29. April und 02. / 04. / 06. Mai Opéra national du Rhin (Strasbourg) 16. / 19. Mai in La Filature (Mulhouse) Verdi Macbeth

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Foto Orchester: Ville de Mulhouse; Foto Trekel: Monika Rittershaus

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iele Jahre seines Lebens hat sich der deutsch-französische Komponist Norbert Glanzberg der Filmmusik, den Chansons und dem Show-Business gewidmet. Erst im letzten Viertel seines Lebens besann er sich auf seine jüdischen Wurzeln: Er schrieb „Holocaust Lieder“ und die „Suite Yiddisch“ – ursprünglich für zwei Klaviere. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2001 haben Frédéric Chaslin und Daniel Klajner die Werke orchestriert. Das Sinfonieorchester der elsässischen Stadt Mulhouse unter der Leitung von Daniel Klajner und der Bariton Roman Trekel präsentieren eine hoch ambitionierte und ebenso einfühlsame wie sämtliche Klangregister ziehende Super-AudioCD mit diesen eindrucksvollen Partituren eines Komponisten, der sich scheinbar mühelos in allen Genres der Musik auskennt. In Polen geboren, in Würzburg aufgewachsen war Glanzberg als junger Komponist schon Shooting-Star der UFA in Berlin, er vertonte den ersten Film von Billy Wilder und arbeitete mit Max Ophüls zusammen. Dann die Emigration nach Frankreich, schließlich das Kriegsende und ein Komponistenleben im Dunstkreis von Edith Piaf, Yves Montand, Toni Rossi und Maurice Chevalier. Nach dem Tod dieser Freunde fand Glanzberg keinen Anschluss mehr an die moderne Pop-Kultur, und er begann, sich auf

Norbert Glanzberg


01.03.2010

22:28 Uhr

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Photo privat

Foto: Archiv Audiomax

Foto: Joris Jan Bos

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André Morsch

Hermann Reutter

„Kleine Opern“ – brillant vertont und gepriesen André Morsch und Eildert Beeftink präsentieren Lieder von Hermann Reutter

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uf dem Weg zum Opernstar kommt kein Sänger am Kunstlied vorbei. Der Bariton André Morsch machte aus dieser Einsicht eine brillante Kür. Gemeinsam mit dem niederländischen Pianisten Eildert Beeftink setzte er sich intensiv mit den Liedern des deutschen Komponisten Hermann Reutter

auseinander und beide präsentierten diese beim Wettbewerb der Hugo-Wolf-Akademie. Gleich zwei Preise waren Lohn der Mühe: der erste Preis des Wettbewerbs und der Hermann-Reutter-Sonderpreis. Jetzt sind die Interpretationen dieser „kleinen Opern“ auch auf CD zu hören. In den frühen Jahren seiner Karriere war Hermann Reutter als Konzertpianist und Liedbegleiter bekannt. Durch enge Kontakte zu Paul Hindemith lernte er das Komponistenhandwerk. In der Mitte seines Lebens begleitete Reutter, nun auch Hochschullehrer, so bekannte Sänger wie Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich FischerDieskau. Mit 66 griff er seine Vorliebe wieder auf: Nach seiner Emeritierung widmete sich der

Hermann Reutter (1900-1985) Lieder André Morsch, Bariton Eildert Beeftink, Klavier Audiomax 703 1609-2

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AUSGABE 2010/1

Eildert Beeftink

aus einer Stuttgarter Musikerfamilie stammende Komponist wieder voll und ganz dem Kunstlied. An der Münchner Musikhochschule leitete er noch im hohen Alter eine Meisterklasse für Liedinterpretation. Einige seiner Schüler schwärmen noch heute von der Inspiration, die Hermann Reutter ihnen damals vermittelte. Es sind zumeist philosophische, melancholische Texte, denen Hermann Reutter in seinen Liedern eine musikalische Gestalt gibt. Dabei liest sich die Liste der Autoren wie ein „Who is Who“ der Dichtkunst: Friedrich Hölderlin, Theodor Storm, James Joyce... Sehr kunstvoll passt der Komponist den Stil seiner Lieder den Gedichten an: Mal erklingt der objektive, polyphone Stil eines Hindemith, dann wirkt seine Musik minimalistisch und expressionistisch, schließlich glaubt man den Einfluss englischer Liedkomponisten zu entdecken, um den Vorlagen von James Joyce gerecht zu werden. André Morsch und Eildert Beeftink meistern diese künstlerischen Herausforderungen mit Bravour. Es ist u.a. der Hugo-Wolf-Akademie zu verdanken, dass seine Werke durch aktuelle Interpretationen, wie die hier vorliegende Aufnahme, nicht in Vergessenheit geraten. Dass für die Produktion ein klangvoller Steinway-Konzertflügel aus dem Geburtsjahr des Komponisten zur Verfügung stand, gibt der hervorragend ausbalancierten Aufnahme aus dem Konzertsaal der Abtei Marienmünster noch einen weiteren Pluspunkt. Thomas Trappmann


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01.03.2010

22:42 Uhr

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CLASS a k t u e l l

YEON-HEE KWAK hat eine steile internationale Karriere gemacht, seit sie 1993 zu weitergehenden Studien nach Deutschland kam. Die Koreanerin ist Preisträgerin zahlreicher renommierter Wettbewerbe. 2009 verließ sie das Rundfunkorchester des BR in München, um sich ganz ihrer internationalen Karriere als Solistin und Pädagogin zu widmen.

www.yeonheekwak.com

Bohuslav Martinu˚ : Konzert für Oboe und kleines Orchester Heinz Holliger: Sonate für Oboe solo Antal Dorati: Divertimento für Oboe und Orchester Yeon-Hee Kwak, Oboe Münchner Rundfunkorchester Johannes Goritzki, Dirigent

Oboissimo Zeitvertreib mit Guiro und Sandpapier…

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eit ihrer atemberaubenden Debüt-CD in 2001 (Pasculli) gilt sie als „Paganini der Oboe“, den „Echo Klassik“ hat sie gleich zweimal erhalten. Nun erweist Yeon-Hee Kwak drei hochkarätigen Oboen-Komponisten des 20. Jahrhunderts ihre Reverenz. Mit dem hervorragend disponierten Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Johannes Goritzki spielt sie in feinster 222 Mehrkanaltechnik die Oboen-Konzerte von Bohuslav Martinu˚ und Antal Dorati sowie als „Zugabe“ die Sonate für Oboe solo von Heinz Holliger ein. Die Sonate komponierte Holliger 1956/57 für sich selbst, um sie gut 40 Jahre später auch höchstpersönlich zu revidieren. Yeon-Hee Kwak genießt das ausgereifte Stück ganz offenkundig: Sie lässt ihr Instrument mitunter exotisch klingen, dann wieder humorvoll und lyrisch-expressiv, schließlich ganz und gar ausgelassen. Martinu˚s Oboen-Konzert von 1955 ist so vertrackt virtuos geschrieben, dass in der Uraufführung

MDG 903 1586-6 (Hybrid-SACD)

ohne erhebliche Striche in den Kadenzen gar nicht präsentiert werden konnte. Mittlerweile ist es ein hervorragendes Standardwerk für ambitionierte Solisten. Es ist faszinierend, wie scheinbar mühelos Kwak die gefürchteten Triller-Ketten und die extremen Lagen-Wechsel von der Hand gehen. Zwei Streichorchester, neun Blasinstrumente, dazu Harfe, Celesta, Pauken, Vibraphon, Xylophon, Glockenspiel, 4 Kesseltrommeln, 4 chinesische Tempelblocks, 4 Holzblocks, 4 Gongs, 2 TamTams, Cymbal, Militärtrommel, Guiro und Sandpapier... Eigentlich sollte Antal Dorati für ein Auftragswerk im Jahr 1976 „nur“ ein Konzert für Blasinstrument und Orchester komponieren, doch war seine Liebe zur Oboe so groß, dass er diesem Instrument eine grandiose Partitur widmete. Das Ergebnis ist ein „Zeitvertreib“ im besten Sinne des 18. Jahrhunderts, das den Zuhörern ein amüsantes Klangspektakel und der Solistin die Möglichkeit zu allerlei OboenSchabernack bietet. Thomas Trappmann AUSGABE 2010/1

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Aktuelle Einspielungen: Oboe solo Werke von J. S. und C. Ph. E. Bach, Piazzolla & Silvestrini MDG 603 1423-2

Antonino Pasculli Ricordo di Napoli Yeon-Hee Kwak, Oboe Chia Chou, Klavier MDG 603 0942-2

Antál Dorati Kammermusik Yeon-Hee Kwak, Oboe Chia Chou, Klavier Leipziger Streichquartett MDG 603 1126-2

Charles Ives Kammermusik Yeon-Hee Kwak, Oboe Steffen Schleiermacher, Klavier Leipziger Streichquartett MDG 307 1143-2


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02.03.2010

1:00 Uhr

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Im Blickpunkt Tasteninstrumente

Grieg, Busoni, Balakirev, Villa-Lobos, Mompou Hommage à Chopin Jonathan Plowright CDA 67803 / Hyperion

Frédéric Chopin (1810-1849) zählt zu den bedeutendsten und innovativsten Komponisten der Musikgeschichte. Mehr als jeder andere trug er zur Entwicklung von Technik und Stil des modernen Klavierspiels bei. Sein Einfluss auf spätere Generationen von Klavierkomponisten ist nicht hoch genug einzuschätzen. Er führte eine ganze Palette von neuen Farben, kühnen Harmonien und Ausdrucksmöglichkeiten ein, mit denen er jede Facette von Neuentwicklungen bei der Klavierkonstruktion ausnützte. Im Pantheon der großen Komponisten besetzt Chopin eine einmalige Stellung und das in mehrerlei Hinsicht: Er schrieb keine Sinfonien, Opern, Ballette oder Kirchenmusik. Sein Anspruch auf Unsterblichkeit beruht nicht auf umfänglichen Großwerken, sondern auf Miniaturen. Und jede seiner Kompositionen ist – ungeachtet ihrer Form – mit dem Klavier verbunden. Das Jahr 2010 nimmt die Musikwelt zum Anlass, um in vielfältiger Weise an die 200. Wiederkehr von Chopins Geburt zu erinnern. Eine besonders schöne „Hommage à Chopin“ ist die vorliegende Aufnahme, die musikalische Huldigungen des Klaviergenies durch Komponisten des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts präsentiert: Das sind berühmte Kollegen wie Tschaikowsky, Grieg, Busoni, Balakirev, Godowsky oder Honegger, aber auch weniger bekannte wie Franz Bendel (18331874), Eduard Napravnik (1839-1916) oder Theodor Leschetizky (1830-1915). Gesammelt hat die Variationen und „Hommages“ über Themen und Melodien von Chopin der international renommierte Pianist Jonathan Plowright.

Kammermusik

Portrait einer Königin Die neue Goll-Orgel der Marktkirche Hannover Orgelwerke von J. S. Bach, LouisClaude Daquin, César Franck, Max Reger und Olivier Messiaen Marktkirchenorganist Ulfert Smidt ROP6037 Rondeau Production / Note 1

ECD0910 / claXL

2007 erhielt die Marktkirche die Italienische Orgel, erbaut 1780 durch Fabrizio Cimino, die auf einem fahrbaren Podest im Kirchenschiff steht. 2008 kam die neue Chor-Ensemble-Orgel der Orgelbauwerkstatt Hermann Eule hinzu, die sich auf der Sängerempore im Turm befindet. Von 2007 bis 2009 wurde die große Orgel unter Verwendung des OesterlenProspekts und knapp 50 % des Pfeifenmaterials der bisherigen Orgel von der Orgelbaufirma Goll aus Luzern technisch und klanglich neugebaut.

Neue große Orgel für die Marktkirche Hannover Nun legt Marktkirchenorganist Ulfert Smidt mit dieser CD die erste Einspielung an dem Instrument vor. Der Titel „Portrait einer Königin“ bringt das inhaltliche Konzept der CD auf den Punkt: Mit Kompositionen von Johann Sebastian Bach bis Olivier Messiaen demonstriert Smidt auf höchstem Niveau die Fülle der verschiedenen Klangkombinationen und Klangmöglichkeiten der neuen Goll-Orgel. Besonders bei Max Regers Choralfantasie „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ werden differenzierteste Schattierungen vom absoluten Pianissimo bis zum beeindruckenden Tutti ausgeschöpft. Die enorme Klangvielfalt und das hohe künstlerische Niveau spiegeln sich ebenso in den Kompositionen der französischen Orgelliteratur von Louis-Claude Daquins „Noël Suisse“ sowie César Francks „L’Organiste“ wider. Ein beeindruckendes Portrait dieses neuen Instrumentes wie es besser nicht hätte gelingen können.

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Carl Ditters von Dittersdorf (1739-1799) Klavierkonzerte Nr. 1 & 2 Joseph Haydn Klaviersonate Nr. 38 F-Dur Christiane Klonz, Klavier; Thüringer Symphoniker SaalfeldRudolstadt, Oliver Weder, Ltg.

Carl Ditters von Dittersdorf gehörte zu den vergessenen oder bestenfalls als Kleinmeister belächelten Komponisten der Generation Joseph Haydns. Zu Lebzeiten war er freilich ein Pionier der neuen Musik, der sich auf allen musikalischen Gebieten hervortat: von Oper und Oratorium über Sinfonien und Instrumentalkonzert bis hin zur Kammermusik. Er wurde geadelt und war, gleich Mozart und Gluck, päpstlicher Ritter vom Goldenen Sporn – an Respekt seiner Zeitgenossen fehlte es also nicht. Mittlerweile ist sein Werk auf CD so präsent, dass ein unabhängiges Urteil über diesen schaffensfreudigen und innovativen Meister des 18. Jahrhunderts möglich ist. Eine Einspielung von Dittersdorfs beiden Klavierkonzerten fehlte indessen bisher, lediglich das Konzert A-Dur ist in der Besetzung für Harfe seit langem bekannt und beliebt. Diesem Übelstand abzuhelfen tritt Christiane Klonz mit der vorliegenden CD an. Die Pianistin, Preisträgerin des RobertSchumann-Wettbewerbes, Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung und seit 2006 „Steinway-Künstlerin“, verleiht den beiden Konzerten Geist und Charme und wird dabei bestens unterstützt von Oliver Weders Thüringer Symphonikern. Als Komponist brauchte sich Dittersdorf vor Joseph Haydn nicht zu verstecken, wie die Zugabe einer Klaviersonate des berühmten Kollegen am Schluss der CD eindrucksvoll unter Beweis stellt.

AUSGABE 2010/1

Sylvio Lazzari, Volkmar Andreae Sämtliche Werke für Violine und Klavier Ilona Then-Bergh, Violine Michael Schäfer, Klavier GEN 10167 / Genuin

Nicht nur als Solist hat sich Michael Schäfer mit der Ausgrabung ungehörter Klavierwerke einen Namen gemacht, sondern auch in der Duobesetzung mit Ilona Then-Bergh (Violine). Nach der ersten Gesamteinspielung der Kammermusik für Violine von Ottorino Respighi beim Leipziger Label Genuin zieht es die NeuEntdecker nun in die Zeit des Fin de Siècle, eine Zeit der brodelnden Stilvielfalt.

Un!erhört: Sylvio Lazzari, der die meiste Zeit seines Lebens in Paris verbrachte, wurde von César Franck und Richard Wagner inspiriert, im zweiten Satz seiner Violinsonate lässt ein verfremdetes Tristanmotiv aufhorchen, eine Hommage an den verehrten Bayreuther Meister. Ilona ThenBergh versteht es, den emphatischen Themen in Lazzaris Sonate einen höchst sensiblen Ton zu verleihen und dabei nie im Pathos zu versinken. Angesichts des fulminanten Scherzos von Lazzari fragt man sich, warum seine Stücke nicht schon längst Einzug in das gängige Violinenrepertoire gehalten haben: Koboldhaft wirbelt es vorüber, der treibende Rhythmus des Klaviers kokettiert mit den virtuosen Einwürfen der Violine, vorgelegt in einer eindruckvollen Ersteinspielung von Michael Schäfer und Ilona ThenBergh. Ergänzt durch die ebenso zu Unrecht vergessenen Werke Volkmar Andreaes bereichert diese CD das Violinenrepertoire um sieben hörenswerte Neuentdeckungen!


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02.03.2010

1:00 Uhr

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CLASS a k t u e l l Kammermusik

Gustav Mahler (Hermann Behn) Sinfonie Nr. 2 c-Moll „Auferstehungssinfonie“ Christiane Behn, Mathias Weber, Klavier Daniela Bechly, Sopran Iris Vermillion, Alt Harvestehuder Kammerchor Claus Bantzer M 56915 / Musicaphon Ersteinspielung

W. A. Mozart Mozart-Bearbeitungen „Grande Sestetto Concertante“ nach KV 364 (KV 320d) (1779), Quartetto nach KV 581 (1789) Mannheimer Streichquartett Sebastian Bürger, Viola Mátyás Németh, Kontrabass Thomas Duis, Klavier MDG 336 1599-2

Zu Mahlers engerem Freundeskreis in Hamburg gehörte Hermann Behn (18591927). Der promovierte Jurist hatte auch Komposition bei Anton Bruckner in Wien und bei Joseph Rheinberger in München studiert. Sein kompositorisches Schaffen umfasst nicht weniger als neun Liederhefte und eine Klaviersonate. In ihm fand Mahler einen wichtigen Förderer, denn Behn schätzte die Musik Mahlers und unterstützte ihre Verbreitung – gerade auch mit finanziellen Mitteln – nach Kräften. So übernahm er, gemeinsam mit dem Hamburger Industriellen Wilhelm Berkhan, auch die beträchtlichen Kosten für die Uraufführung der Zweiten Sinfonie am 13. Dezember 1895 in Berlin. Mahler wiederum war von Behns Kompositionen, insbesondere von seinen Liedern, sehr angetan. Nachdem Mahler seine Zweite Sinfonie vollendet hatte, übergab er das Manuskript seinem Freund Behn, denn er wollte es in sicheren Händen wissen. Ohne Mahler darüber zu informieren, bearbeitete Behn das Werk für zwei Klaviere.

Der reduzierte Mahler Als Mahler von einer Reise zurückkam und von Behn mit dieser Bearbeitung überrascht wurde, war er begeistert. Er nannte sie „vorzüglich“ und spielte die ersten drei Sätze zusammen mit Behn vierhändig in dessen Haus. Das Manuskript wurde erst jetzt wieder von Behns Urgroßnichte, der Pianistin Christiane Behn, ausfindig gemacht, und erlebte am 17.11.2008 im Kleinen Saal der Laeiszhalle seine Hamburger Erstaufführung. Diese CD ist ein Mitschnitt dieser Aufführung.

Mozarts berühmtes Klarinettenquintett, aber ohne Klarinette, seine berühmte „Sinfonia Concertante“, aber ohne Solisten, stattdessen präsentiert das „Mannheimer Streichquartett“ zwei zeitgenössische Bearbeitungen dieser Werke für Klavier und Streicher, die – hätte man das Original nicht im Ohr – als absolut authentisch gelten könnten.

Anders, aber genial Die Quelle für die Bearbeitung der „Sinfonia Concertante“ KV 364 als „Grande Sestetto Concertante“ aus dem Jahr 1807 für zwei Violinen, Bratschen, Violoncello concertante und Kontrabass liegt im Dunkeln – die Handschrift enthält keinen Hinweis auf den Bearbeiter. Die SoloParts dieses Stücks liegen nicht bei einzelnen Instrumenten, sondern werden raffiniert auf alle Spieler verteilt. Es ist erstaunlich, wie trotzdem der geniale Wurf Mozarts in dieser „reduzierten“ Version unmittelbar spürbar ist. Dass das Klavier als Hausinstrument verbreiteter war als die noch relativ „junge“ Klarinette, scheint zum Arrangement des berühmten KV 581 zum Klavierquartett geführt zu haben. Thomas Duis ist hier der kongeniale pianistische Partner. Und für jeden von uns, die wir heute in dutzenden herausragenden Originaleinspielungen wählen können, ist es eine spannende Hörerfahrung, die manche klangliche Überraschung bereithält. Fazit: Diese CD ist etwas Besonderes. Zur Komplettierung jeder Mozart-Sammlung unbedingt empfehlenswert. Oder auch nur so. Zum Vergnügen.

Trios Brasileiros Heitor Villa-Lobos: Klaviertrios Nrn. 1-3 Oscar Lorenzo Fernañdez: Trio Brasileiro Damocles Trio CLA50-2916 / Claves

Werke von Knechtel, Röllig, Fürster, Graun, Vivaldi, Telemann, Molter „À la Chasse“ Michael Tunnell, Corno da caccia Jack Ashworth, Orgel und Ensemble (Corni da caccia, Violine) CRC 2987 / Centaur

Nach einer ersten CD mit Werken des spanischen Komponisten Joaquin Turina präsentieren die New Yorker Musiker des Damocles Trio bei Claves ein Doppelalbum, das wiederum von südlichen Klängen geprägt ist. Diesmal stehen Klaviertrios von zwei Komponisten aus Rio de Janeiro auf dem Programm: Heitor Villa-Lobos und Oscar Lorenzo Fernañdez. Die drei Trios von Villa-Lobos sind Jugendwerke, geschrieben, bevor er den grossen Sprung nach Paris machte. Es mag merkwürdig erscheinen, doch gerade in diesen Stücken ist er am wenigsten „brasilianisch“, als hätte er erst im Exil wirklich zu seinen Wurzeln gefunden. „In Rio de Janeiro“, schreibt Etienne Barilier im Begleittext, „und in seinen drei Trios für Klavier, Violine und Cello war er vor allem romantisch, impressionistisch und französisch.“ – Oscar Lorenzo Fernañdez wurde 1897, zehn Jahre nach Villa-Lobos, geboren.

Brücke zwischen Kontinenten Genau wie er besang er seine Heimat, indem er volkstümliche Themen in seine Werke einflocht. Viel trug er bei zur Entwicklung der musikalischen Institutionen Brasiliens. Und ebenfalls wie Villa-Lobos wurde er von der europäischen Romantik und dann vom französischen Impressionismus beeinflusst, bevor er zu Beginn der zwanziger Jahre schließlich ein wirklich „brasilianischer“ Komponist wurde. Sein Trio brasileiro stammt aus dem Jahr 1924. Der Titel spricht für sich; es ist weniger komplex und raffiniert als die Trios von Villa-Lobos, setzt auf volkstümlichere Themen und benutzt sie auf naivere Weise.

AUSGABE 2010/1

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Am Ende des 17. Jahrhunderts taucht erstmals Sololiteratur für das Horn auf, ausgelöst durch Fürst Franz Anton Sporck von Böhmen, der als Hornbegeisterter die Tradition böhmischer Hornmusik begründete. Auslöser war sein Besuch am Hof Ludwig XIV in Paris, wo er das Zeremoniell höfischen Hornblasens kennenlernte, insbesondere den Gebrauch des neuen „cor de chasse“. Er veranlasste, dass zwei seiner Musiker, Wenzel Sweda und Peter Röllig, entsprechend ausgebildet wurden. Wobei erwartet wurde, dass die Musiker sowohl mit der Trompete wie mit dem Horn umzugehen verstanden; berühmte Beispiele sind Johann Georg Knechtel in Prag und in Leipzig Gottfried Reiche, der „Haustrompeter“ Johann Sebastian Bachs. Im 18. Jahrhundert begannen die Komponisten zwischen dem „Konzerthorn“ und dem Jagdhorn zu unterscheiden; Musik für das „corno da caccia“ ist seitdem also expliziert für das Jagdhorn gedacht.

Auf zur Jagd! Die Firma Thein in Bremen hat ein modernes „corno da caccia“ entwickelt, das die Anforderungen der Musik aus dem 17. und 18. Jahrhundert mehr in die Reichweite heutiger Hornisten bringt. Michael Tunnell und Bruce Heim (letzterer Trompeter und Hornist nach altem Brauch) haben dieses Instrument für ihre Aufnahme genutzt. Diese Einspielung bedient sich der umfangreichsten Quelle an Hornliteratur aus jener Zeit, die in der Universitätsbibliothek in Lund (Schweden) aufbewahrt wird.


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02.03.2010

1:00 Uhr

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Im Blickpunkt Kammermusik

Max Reger (1873-1916) Sonaten für Violine und Klavier: Sonate C-Dur Nr. 4 op. 72 Sonate c-Moll Nr. 9 op. 139 Johannes Prelle, Violine Thomas Günther, Klavier M 56914 / Musicaphon

Die Auswahl der Sonaten für diese CD ist keineswegs zufällig, denn bei beiden handelt es sich um Marksteine in Regers Schaffen. Die Sonate Nr. 4, entstanden 1903, brachte Reger dank der Aufführungen durch den belgischen Geiger Henri Marteau (immer mit Reger am Klavier) den Durchbruch. Fortan galt er neben Richard Strauss als äußerster Exponent der musikalischen Moderne, wahlweise gefeiert oder gefürchtet, immer aber unter Anerkennung seines unzweifelhaften handwerklichen Könnens.

Der wilde Reger Das Wort vom „wilden Reger“ ist auf das Schaffen dieser Jahre gemünzt. Ganz anders der letzte Beitrag Regers zu dieser Gattung. Die Sonate Nr. 9, ein gutes Jahr vor seinem Tod entstanden, lag ihm besonders am Herzen. Er sprach selbst von einem „ganz neuen Stil“, und in der Tat hebt sich das Werk in seiner Tendenz zur motivischen Ökonomie, verbunden mit intensiver Arbeit am Detail, gegen manche früheren Kompositionen sehr ab. Das harmonisch, motivisch, klanglich Exzessive, das ihm den Ruf des „wilden Reger“ eingetragen hatte, ist hier aufgehoben. Johannes Prelle, ausgebildet bei Max Rostal, wirkte ab 1964 in verschiedenen deutschen Orchestern. Von 1980 bis 1996 war er Primarius des Leonardo Quartetts, das sich besonders der Musik des 20. Jahrhunderts widmete. Von 1986 bis 2002 leitete er eine Hochschulklasse für Violine und Kammermusik an der Abteilung Wuppertal der Kölner Musikhochschule.

Geistliche Musik

Ludwig van Beethoven Cellosonaten Vol. 2 Angela Hewitt Daniel Müller-Schott CDA 67755 / Hyperion

Seit wenigen Jahren verbindet den brillanten Cellisten Daniel Müller-Schott eine künstlerische Partnerschaft mit der feinsinnigen Pianistin Angela Hewitt, der Grand-Dame des Bach-Spiels, die sich gleichermaßen im französischen Barock wie in der Klassik oder der Romantik zu Hause fühlt. Mit Spannung erwartet, legen Daniel Müller-Schott und Angela Hewitt nun die zweite Folge mit Werken für Cello und Klavier von Ludwig van Beethoven vor.

Fein ausbalanciertes Zusammenspiel Die beiden Musiker spielen Beethovens Sonaten für Cello und Klavier op. 102 Nr. 1 & 2 und ergänzen diese beiden ausdrucksstarken Werke durch Variationen über Themen von Händel und Mozart. Beethoven bearbeitete vom Barock-Meister „Seht, er kommt mit Preis gekrönt“ aus dem Oratorium „Judas Maccabäus“ sowie die Arien „Ein Mädchen oder Weibchen“ und „Bei Männern welche Liebe fühlen“ aus Mozarts Zauberflöte. In diesen Variationswerken wird deutlich, wie sensibel, dabei aber stets individuell Beethoven bei der Umsetzung von „fremdem“ Material umging. Er übernimmt die beliebten Themen anderer Komponisten und kleidet sie in sein persönliches Klanggewand und seinen Stil. In ihrem Zusammenspiel gelingt es Angela Hewitt und Daniel MüllerSchott einmal mehr durch sensible Phrasierung, ein hohes Maß an Flexibilität, akkurate Artikulation, aber auch durch den nötigen Schmelz zu überzeugen.

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Luigi Gatti Sestetto für Englischhorn, Fagott, Violine, Viola, Cello und Kontrabass Serenata für Oboe, Fagott, 2 Hörner & Streichquintett Calamus Ensemble MDG 603 1589-2

Das Calamus-Ensemble hat uns schon oft überrascht mit exzellenten Aufnahmen von eher unbekannten Komponisten. Jetzt präsentieren die Musiker ein Sextett und eine Serenata in Oktett-Bläser- und Streicherbesetzung aus der Feder des vom Gardasee stammenden Komponisten Luigi Gatti.

Ein gewisser Mozart Luigi Gatti wurde am 7. Oktober 1740 in Lazise als Sohn eines Organisten geboren. Schon als Kind begann seine Ausbildung im Seminar des nahegelegenen Mantua zum Sänger, Komponisten und Dirigenten. Hier wurde er auch zum Priester geweiht und sammelte vielfältige Erfahrungen als Musiker, um dann unter anderem an der Mailänder Scala Karriere zu machen. Mit Anfang 40 zog es ihn auf die Nordseite der Alpen. Er fand bis zu seinem Tod im Jahr 1817 eine Anstellung als Hofkapellmeister des Fürsterzbischofs von Salzburg, in dessen Hofkapelle auch ein gewisser Leopold Mozart die Geige spielte. Mit dem „Sestetto“ in Es-Dur hat Gatti in Salzburg 1790 eine kleine konzertante Sinfonie geschaffen, in der sich – ganz im Stile Haydns – Violine, Cello, Englischhorn und Fagott mit ihren Soli ständig die Bälle zuspielen. Auch die „Serenata a piu stromenti di Concerto“ erweist sich als hervorragend gesetzte, völlig unbekannte Musik der Klassik, die vor allem in den virtuosen Passagen den Solisten ausgiebig Gelegenheit zum Brillieren bietet. Eine wunderbare Entdeckung, die einfach nur Spaß macht.

AUSGABE 2010/1

Werke von Johann Sebastian Bach, Hans Uwe Hielscher, Enrico Pasini, Hans Peter Graf, Remo Giazotto, Gaetano Donizetti, Antonio Vivaldi „Amazing Grace“ Karl-Heinz Halder, Trompete Jörg-Hannes Hahn, Orgel C 58041 / Cantate

Karl-Heinz Halder, geboren im badischen Leutershausen, studierte Trompete an der Hochschule für Musik in Berlin bei Prof. Fritz Wesenigk, dem ehemaligen Solotrompeter der Berliner Philharmoniker, und setzte seine Studien bei Prof. Pierre Thibaud in Paris fort. Sein erstes Engagement erhielt er beim Radio-Sinfonieorchester Berlin (heute Deutsches Sinfonieorchester Berlin). Danach wechselte er als Solotrompeter in das Orchester des Mannheimer Nationaltheaters. Unter Sergiu Celibidache wurde Karl-Heinz Halder 1976 als Solotrompeter des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR verpflichtet und behielt diese Position bis 2001 inne. Schon während des Studiums beschäftigte sich Halder mit historischer Aufführungspraxis und seit 1985 wirkt er als Erster Trompeter der renommierten Cappella Coloniensis, wo er mit Spezialisten für Barockmusik wie Joshua Rifkin, Reinhard Goebel und Sigiswald Kuijken zusammenarbeitet. Darüber hinaus rief er verschiedene Ensembles ins Leben mit dem Ziel, der sehr unterschiedlich und zum Teil auch ungewöhnlich besetzten Kammer- und Ensemblemusik des 17. und 18. Jahrhunderts Gehör zu verschaffen.

Encores zeitgenössisch Halder wurde selbst zum gefragten Gastprofessor u.a. an der Toho Music School in Tokio. Für Nachwuchskünstler gibt er regelmäßig Kurse, z.B. in der Landesakademie Ochsenhausen und in Weikersheim. Karl-Heinz Halder geht einer regen Konzerttätigkeit im In- und Ausland nach. Konzertreisen führten ihn durch Europa, die USA, Japan, Australien, Südafrika und nach Hongkong.


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02.03.2010

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CLASS a k t u e l l Geistliche Musik

CDS 623 / Dynamic Erste Gesamtaufnahme

BIS-SACD-1841

Cavalli erhielt seine Ausbildung bei Claudio Monteverdi. Der Komponist wurde über die Grenzen Italiens hinaus berühmt, doch war seine Karriere keine blitzartige. Erst allmählich erreichte er Bekanntheit und damit einhergehend Wohlstand, in dem er die Stufen einer der damals angesehensten musikalischen Einrichtungen erklomm, die Musikkapelle der St. Markus-Basilika in Venedig. Was seine Zeitgenossen so schätzten: Ihm gelang scheinbar mühelos der Entwurf großformatiger instrumentaler und vokaler Fresken voller Emotion und Expressivität. Keiner seiner Zeitgenossen bewies einen derart raffinierten Sinn für dekorative Musik, für Ornamentales.

Venezianische Chorpracht Nach Monteverdis Tod 1643 stieg er zur unangefochtenen musikalischen Autorität im Musikleben Venedigs auf. Die erste Gesamtaufnahme seiner meist achtstimmigen Magnificat-Vertonungen wird ergänzt mit zwei Motetten in venezianischer Doppelchörigkeit und zwei instrumentalen Canzonen.

ENDLICH! Von vielen Suzuki-Fans seit Jahren sehnsüchtig erwartet: Die Aufnahme der Motetten. Es sind sämtlich Gelegenheitswerke, die untereinander in keinem engeren Zusammenhang stehen, sondern für besondere Anlässe, vor allem Trauerfeiern, komponiert wurden. Für Suzuki sind es in jedem Einzelfall Werke, deren Aussagekraft menschliche Worte bei weitem übersteigt, und von einer kreativen Kraft, „die uns in dieser Welt überleben lässt.“ Immer schon stritten sich die Gelehrten darüber, ob diese Werke a cappella oder mit Instrumentalbegleitung aufzuführen sein. Suzuki hat sich für letzteres entschieden, in Anlehnung an die Praxis des „colla parte“-Musizierens, wie dies aus den im „stile antico“ komponierten Kantaten bekannt ist. Das bedeutet, dass die Singstimme instrumental verdoppelt wird. Bei Doppelchörigkeit werden gern auch verschiedene Klangfarben zur Unterscheidung der beiden Chöre eingesetzt, z.B. Begleitung des einen Chores durch Streicher, die des anderen durch Bläser.

Ein traumhaftes Ensemble Und so reicht die Begleitung vom Orgelpositiv über Streicher bis zu verschiedenen Kombinationen von Streichern und Bläsern. Aber natürlich stehen die wunderbaren Sängerinnen und Sänger des Bach Collegium Japan im Mittelpunkt dieser Einspielung. Ein Chor, von dem der Rezensent in Diapason nach Hören der h-Moll-Messe sagte, es sei „ein Ensemble, von dem man einfach träumen muss.“

Giovanni Battista Bassani (1647-1716) La Tromba della Divina Misericordia (1676) Ensemble Vocale Magnificat Ensemble StilModerno Concerto CD 2044 Ersteinspielung

Dies war das dritte Oratorium aus der Feder Bassanis, erstaufgeführt am 8.11.1676 in Ferrara. Es ist das einzige, von dem noch eine originale Partitur existiert, und somit Bassanis älteste „überlebende“ Komposition (sein op. 1 erschien erst ein Jahr später). Das Oratorium war von der Accademia della Morte in Ferrara in Auftrag gegeben worden (wo Bassani, aus Padua gebürtig, seit 1667 lebte). Es handelt sich um ein „oratorio morale“, stilistisch eher eine Oper mit biblisch inspiriertem Libretto. Inhaltlich geht es im Wortsinn um Leben und Tod. In zwei Teilen vergleicht das Oratorium die Geschichte einer Seele, die zum Himmel aufsteigen darf, mit dem Schicksal einer anderen, die keine Erlösung erfährt. Und dies, weil der Verstorbene selbst nicht genug betete und nicht genug für ihn gebetet worden ist und so nur auf die göttliche Gnade hoffen kann.

CDA 67709

Johann Sebastian Bach (1685-1750) Die Motetten Yukari Nonoshita, Aki Matsui, Sopran Damien Guillon, Altus Satoshi Mizukoshi, Tenor Dominik Wörner, Bass Bach Collegium Japan Masaaki Suzuki

EUGEN D'ALBERT

Klaviertranskriptionen von Bach Vol. 8 Piers Lane In der 8. Folge der Edition sämtlicher Bach-Transkriptionen spielt Piers Lane die Bearbeitungen von Eugen d’Albert (1864–1932): Passacaglia in c-moll BWV 582, Sechs Präludien und Fugen BWV 532, 534, 536, 537, 538, 540, 541.

Von Tod und Leben Das Libretto schrieb Fürst Rosselli, der in der Kunstszene Modenas eine bedeutende Rolle spielte. Der Chor hat eine bedeutende Rolle in Bassanis Komposition; er wird keineswegs nur begleitend oder kommentierend eingesetzt, wie dies in vielen oratorischen Werken dieser Zeit sonst üblich war. In der Musik wird Bassanis Neigung zur Oper schon durchaus deutlich, doch sollte er erst sechs Jahre nach diesem Oratorium seine erste richtige Oper schreiben. Eine interessante Entdeckung, ist Bassani doch heute eigentlich nur noch durch und über seine Triosonaten bekannt.

CDA 67811

Francesco Cavalli (1602-1676) 5 Magnificat Laetatus sum Canzona Dixit Dominus Ensemble La Pifarescha Coro Claudio Monteverdi Bruno Gini

TOBIAS HUME

Passion & Division Susanne Heinrich Die Gambistin Susanne Heinrich gilt als Expertin der Barockmusik und entdeckte eine schillernde Persönlichkeit, den englischen Komponisten Tobias Hume (ca. 1579-1645).

Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München infode@codaex.com | blog.codaex.de

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02.03.2010

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Im Blickpunkt Gitarre

Werke von Francesco Corbetta (1615-1681) Robert de Visée (1650-1732) „Une larme“ Rosario Conte, Barockgitarre CD 16278 / Carpe Diem

Conte, 1966 im italienischen Taranto geboren, studierte in Bari. Von 2002 bis 2004 war der Student bei Hopkinson Smith an der Schola Cantorum Basiliensis und lebt seitdem in Basel. Er wirkt bei verschiedenen Orchestern und Ensembles mit, die auf das Spiel historischer Instrumente spezialisiert sind, und spielt regelmäßig bei zahlreichen Festivals Alter Musik. Über diese Aufnahme sagt er: „Dies ist eine Hommage an den großen italienischen Gitarristen Francesco Corbetta und an Robert de Visée, der oft als sein Schüler angesehen wird. Mit Hilfe der transparenten und delikaten Klänge der Barockgitarre werden die Gefühle über die Vergänglichkeit aller Schönheit ergründet – der Triumph der Zeit über dieselbe.“ Die Musik Corbettas vereint Zartheit des Stils, große Kenntnis des Instruments und Tiefe der musikalischen Sprache, eine zeitlose Sprache, wie man sie bei großen Komponisten findet.

Zeitlose Größe Der aus Pavia gebürtige Corbetta war ab 1644 in Paris Lehrer des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV und arbeitete mit Jean-Baptiste Lully am französischen Hof zusammen. In Paris trat er in Kontakt mit dem Sohn des englischen Königs, Charles II, der aufgrund des seit 1640 andauernden Bürgerkriegs im Exil weilte. Als Charles II 1660 nach England zurückkehrte, folgte ihm Corbetta, der fortan zwischen London und Paris pendelte. Nach dem Tod Corbettas übernahm Robert de Visée seine Stelle am französischen Hof. Ob er wirklich bei Corbetta studierte, ist nicht sicher; zumindest wird er den Älteren, der als einer der größten lebenden Gitarristen galt, als Referenz angesehen haben.

Orchester und Konzert

Raritäten. Kammermusikalisch Richard Strauss: Serenade für Bläser Es-Dur, op. 7 Franz Strauss: Hornkonzerte Nrn. 1 und 2 César Franck (Mathias Weber): Klavierquintett f-Moll Marie Luise Neunecker, Horn Mathias Weber, Klavier Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Roman Brogli-Sacher M 56916 / Musicaphon (SACD hybrid)

Der erste Teil des Programms von „Lübeck Philharmonic live, Vol. 6“ baut logisch aufeinander auf: Richard Strauss‘ Vater Franz war einer der besten Hornisten seiner Zeit, und das Horn, überhaupt Musik für Bläser, blieb zeitlebens ein besonderes Steckenpferd des Sohnes. Mit der „Serenade“ gelang es Strauss junior, die Wertschätzung des Dirigenten Hans von Bülow zu erlangen, der das Stück ins Tourneeprogramm seiner berühmten Meininger Hofkapelle aufnahm. Eine enge Verwandtschaft verbindet das erste Konzert c-Moll op. 8 von Franz Strauss mit dem Hornkonzert op. 11 des Sohnes, der sich hörbar an der romantisch gefärbten väterlichen Komposition orientierte. Der virtuose Hornist brachte sein c-MollKonzert im Frühjahr 1865 selbst bei einer Akademie im Münchner Odeon-Konzerthaus zur Uraufführung. Geboren im gleichen Jahr wie Franz Strauss, kam César Franck als Sohn deutsch-belgischer Eltern in Lüttich zur Welt. Ab 1846 wirkte er als Organist an verschiedenen Pariser Kirchen, von 1858 bis zu seinem Tod 1890 als Titularorganist der Kirche St. Clothilde. Dem Klavier wendet sich Franck mit den Klavierquintett f-Moll in den Jahren 1878/79 zum ersten Mal nach langer Zeit zu. In seiner ursprünglichen Gestalt am 17. Januar 1880 in der Société Nationale de Musique uraufgeführt, erlebte das Werk am 8. Juni 2008 seine Uraufführung in der zur „Symphonie für Orchester und Klavier“ entwickelten Form, bei der Bearbeiter Mathias Weber selbst den Klavierpart interpretierte.

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Wolfgang Amadeus Mozart, Sinfonien Nr. 29, 31, 32, 35 & 36 Scottish Chamber Orchestra Sir Charles Mackerras CKD 350 / Linn

Mozarts Sinfonie Nr. 29 KV 201 macht den Anfang der Neuaufnahme des Scottish Chamber Orchestra und dem Dirigenten Sir Charles Mackerras. Ihr folgt die Sinfonie Nr. 31 mit einer einmaligen Besonderheit. Nachdem Mozart in Salzburg gekündigt hatte, reiste er im März 1778 nach Paris. Der dortige Leiter des Concert spirituel Joseph Legros beauftragte ihn sogleich mit einer Komposition. Es entstand die Sinfonie D-Dur KV 297, Mozarts Nr. 31. Am 18. Juni 1877 fand die Uraufführung statt, die mit Erfolg gekrönt war. Dennoch verlangte Legros von Mozart, den zweiten Satz zu erneuern, da er ihn für zu lang und zu kompliziert empfand. Zwei Monate später, am 15. August wurde die Sinfonie mit dem neuen Satz dem Pariser Publikum vorgestellt. Die Einspielung mit dem Scottish Chamber Orchestra enthält beide Versionen des zweiten Satzes aus der Pariser Sinfonie. Die Alternative folgt auf Wunsch des Dirigenten direkt dem Original und macht somit einen einmaligen Vergleich möglich. Die Haffner-Sinfonie Nr. 35 in D-Dur KV 385 schrieb Wolfgang Amadeus Mozart 1782 in Wien. Sie entstand anlässlich der Adelstitel-Verleihung von Sigmund Haffner in Salzburg. Frisch verheiratet landeten Mozart und seine Frau Constanze 1783 in Linz bei Johann Joseph Anton Graf Thun. Dieser bat Mozart um eine Sinfonie für eine Akademie in seinem Hause. Zwischen dem 30. Oktober und der Aufführung am 4. November verfasste Mozart diese Sinfonie in Windeseile. Diese Linzer-Sinfonie KV 425 in C-Dur bildet den Abschluss der Aufnahme.

AUSGABE 2010/1

Sergei Prokofiew (1891-1953) Klavierkonzert Nr. 2 g-Moll, op. 16 Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur, op. 26 Klaviersonate Nr. 2 d-Moll, op. 14 Freddy Kempf, Klavier Bergen Philharmonie Andrew Litton BIS-SACD-1820

Als Litton mit dem Bergener Orchester 2007 Prokofiews „Romeo und Julia“-Suiten aufnahm, war z.B. auf Klassik heute zu lesen: „Ein europäisches Top-Orchester und ein amerikanischer Dirigent mit großer Kenntnis des russischen Repertoires treffen sich hier, und das Ergebnis ist prickelnd, farbig und von großer Präsenz“.

Prickelnd und farbig Freddy Kempf nahm seinerseits schon ein Solorecital mit Werken Prokofiews für BIS auf, und darüber urteilte Gramophone: „Kempf ist erfrischend unbekümmert, spielt mit der Genauigkeit und dem Instinkt des geborenen Virtuosen.“ Nun also treffen diese Künstler aufeinander, um unter anderem Prokofiews beliebtestes Klavierkonzert, das 3., einzuspielen. Entstanden war es im Sommer 1921 während eines Urlaubs in der Bretagne; zu diesem Zeitpunkt hatte Prokofiew bereits vier Jahre einer internationalen Karriere als Komponist und Pianist außerhalb Russlands hinter sich, und er muss das Gefühl gehabt haben, dass es an der Zeit sei, seine Fähigkeiten an einem neuen Konzert zu demonstrieren. Am 16.12.1921 fand die Uraufführung in Chicago statt, wo gerade seine Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ einstudiert wurde. Seitdem hat dieses Konzert einen Siegeszug um die Welt angetreten, ein kompaktes, spontan wirkendes Werk, voll markantem Material, das in bester Prokofiewscher Manier präsentiert wird – so lebhaft wie melodisch.


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02.03.2010

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SOLARIS R E C O R D S

CLASS a k t u e l l Orchester und Konzert

Niels W. Gade (1817-1890) Die acht Symphonien Violinkonzert d-Moll, op. 56 Korsaferne, Choralkantate op. 50 Roland Pöntinen, Klavier Anton Kontra, Violine Stockholm Sinfonietta, Neeme Järvi (Symph.) Malmö Symphonieorchester, Paavo Järvi (Vl.k.) Aarhus Symphonieorchester, Frans Rasmussen (Kantate) BIS-CD-1835 (5 CDs)

Mitte des 19. Jahrhunderts galt Niels Gade als einer der bekanntesten und besten europäischen Komponisten. Er begann seine Karriere als Schützling und Bewunderer Mendelssohns. Den Durchbruch in Leipzig hatte die Uraufführung der Mendelssohn gewidmeten 1. Sinfonie durch den Widmungsträger 1843 gebracht. Die Reaktion war überwältigend, und schon im September desselben Jahres konnte der 26jährige Gade nach Leipzig reisen. 1847, nach Mendelssohns frühem Tod, wurde Gade sein Nachfolger als Musikdirektor des berühmten Leipziger Gewandhauses. Diesen Posten konnte er allerdings nur ein Jahr ausüben, weil er wegen des Kriegsausbruchs 1848 nach Dänemark zurückkehren musste. Gade hatte sich das natürlich anders vorgestellt; er hatte sogar den ihm angebotenen Kapellmeisterposten in Stockholm abgelehnt, um in Leipzig wirken zu können. Ab 1848 lebte er in Kopenhagen. Im Frühjahr 1853 dirigierte er die zweite Hälfte der Gewandhaus-Konzertsaison, unternahm danach aber nur noch kürzere Auslandsreisen. Gade war befreundet mit Robert und Clara Schumann, Liszt und Wagner. Vor allem als Komponist großformatiger Orchesterwerke – Symphonien – wurde er schnell über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Seine acht Beiträge zu diesem Genre entstanden zwischen 1841 und 1871, und obwohl Gade bis zu seinem Tod schöpferisch aktiv blieb, hat er keine Symphonien mehr geschrieben. Als Grund gab er an, es gäbe „nur eine 9. Symphonie“.

Béla Bartók Bartók New Series Vol. 5: Suite Nr. 1 für Orchester, op. 3 Zwei Bilder, op. 10 Tänze aus Siebenbürgen Ungarische Bauernlieder für Orchester Ungarische Nationalphilharmonie Zoltán Kocsis

Felix Mendelssohn Bartholdy Symphonie Nr. 3 a-Moll, op. 56 („Schottische“) Symphonie Nr. 5 d-Moll, op. 107 („Reformation“) Bergen Philharmonic Orchestra Andrew Litton

HSACD 32505 / Hungaroton (SACD hybrid)

Zur Feier des 200. Geburtstags von Felix Mendelsohn Bartholdy haben Litton und die Bergen Philharmonie eine Serie von drei SACDs eingespielt, die den Sinfonien des Meisters gewidmet sind. Die dritte und letzte Scheibe beginnt mit der „Schottischen“, einem Werk, das Mendelssohn 1829 in Schottland als Teil einer musikalischen Reisechronik begann, das ihn aber noch bis 1842 beschäftigen sollte. Fertig wurde die Symphonie letztlich erst 12 Jahre nach der „Reformationssymphonie“, die dennoch eine höhere Opus-Nummer trägt.

Hauptwerk dieser Folge ist die Suite für großes Orchester, entstanden zwischen März und Juni 1905 in einer durch den Erfolg der Kossuth-Sinfonie ausgelösten regen Schaffensperiode, auf die ein zwei Jahre dauerndes Verstummen folgen sollte, denn bis 1907 wurde von Bartók keine neue Komposition abgeschlossen.

Bedeutsames Jugendwerk Die kurze fruchtbare Periode zwischen Kossuth und der 1. Suite war in Bartóks Leben die glücklichste Zeit, in der er ein geradezu weltmännisches Leben führte (mit ausgedehnten Studienreisen im Ausland). Auch die Suite entstand bei einer solchen Gelegenheit, denn er schrieb sie in Wien. Unleugbar ist sie das Werk eines noch jungen Mannes, der den für ihn charakteristischen, unverwechselbaren Ton noch nicht gefunden hat und mit bestechender Naivität all das aufgreift, auf das er in den verschiedensten Quellen stößt. Er kombiniert seinen entstehenden ungarischen Stil unter Verwendung von Volksgut mit der musikalischen Sprache von Wagner und Richard Strauss. Typisch Bartók ist aber schon die fünfsätzige Großform, in der man erste Anzeichen einer ausgesprochen Bartókschen Lösung, der sogenannten Brückenform, erkennen kann. Das Werk ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem unverwechselbaren Personalstil, und somit ist diese Einspielung von besonderer Bedeutung im Rahmen der „Bartók New Series“.

E W A

K U P I E C

BIS-SACD-1604

Langzeitprojekte Denn der stets überaus selbstkritische Mendelssohn war mit dem 1830 zur Feier der Reformation geschriebenen Werk nie richtig zufrieden und verweigerte daher zeitlebens eine Veröffentlichung (1838 schrieb er, er wolle dieses Jugendwerk „lieber verbrennen als irgend eines meiner Stücke“). Auch die Uraufführung zog sich hin: erst Ende 1832 erklang das Werk erstmals, da die Reformationsfeierlichkeiten des Jahres 1830 den politischen Unruhen zum Opfer fielen. Beide Werke werden ihren Beinamen gerecht – in der „Schottischen“ hören wir nachempfundene Volksmusik, und in der 5., die Mendelssohn im traditionellen „Kirchenstyl“ beginnt, erklingt natürlich in der majestätischen Schlussapotheose „Ein feste Burg ist unser Gott“. Ein Werk, das ganz von Beethovens Formdenken geprägt ist.

Frederic Chopin / Franz Schubert Z A L – op. 59 – 62 Sonate G-Dur op. 78 D 894

E WA K U P I E C SOL 0209001 2 CDs Dieser CD – einer der wichtigen Neuerscheinungen im Chopinjahr – hört man die lange, wahrscheinlich weit in die Kindheit zurückreichende Beschäftigung mit Chopin an. Oswald Beaujean (BR 4 Klassik)

Antonio Bibalo / Randall Meyers Conception - A Ring Around Silence 3 Poems For The Night And The Half-Light Labyrinth, Trittico / Sonata Tango

EWA KUPIEC / ØYSTEIN BIRKELAND SOL 20122005

Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München infode@codaex.com | blog.codaex.de

AUSGABE 2010/1

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C1_10_s10-16_Blickpunkte_2

02.03.2010

1:00 Uhr

Seite 16

Im Blickpunkt Oper

Yevstigney Fomin (1761-1800) Orfeo ed Euridice Alexey Ivashchenko (Orfeo) Maria Shorstova (Euridice) Pratum Integrum Orchestra The Horn Orchestra of Russia Pavel Serbin CM 0012008 / Caro Mitis (SACD hybrid)

Fomin hatte 1782 sein Studium an der Petersburger Akademie mit Auszeichnung abgeschlossen und wurde zur Vervollkommnung seiner Fertigkeiten an die berühmte Philharmonische Akademie in Bologna geschickt. Während seines vierjährigen Aufenthalts dort lernte er mit Sicherheit die Musik von Glucks berühmter Oper „Orfeo ed Euridice“ kennen. Seine Neuvertonung dieses „Ur-Opernstoffs“, der seit der Begründung des Genres Oper Anfang des 17. Jahrhunderts immer wieder Komponisten in seinen Bann zog, hatte mit triumphalem Erfolg am 5.2.1795 in Moskau Premiere (die ersten Aufführungen hatten 1792 in St. Petersburg stattgefunden). Der talentierte russische Dichter und bedeutende Dramatiker Jakow Knjaschnin hatte zehn Jahre zuvor eine Neubearbeitung des antiken Dramas vorgenommen, die Fomin vertonte.

Antikes neu entdeckt Seine Partitur macht deutlich, dass Fomins Figurensprache in ihrer gedanklichen Eigenständigkeit und der Komplexität ihrer künstlerischen Anlage den poetischen Text nicht einfach ergänzt, sondern ihn auch qualitativ auf eine neue Grundlage stellt, die dem emotionalen Atem des antiken Mythos hervorragend gerecht wird und bereits den Regeln einer im eigentlichen Sinne musikalischen Kunst gehorcht. Besonders spannend: Im Bestreben, dem Stil der antiken Kunst zu folgen, hat Fomin auf individualisierte Melodien verzichtet und sich vielfach auf archaische Kompositionstechniken besonnen. Eine spannende Entdeckung!

Vokalmusik

Rosseter, Johnson, Ferrabosco, Dowland „Not just Dowland“ – Lieder für Sopran und Laute Carolyn Sampson, Sopran Matthew Wadsworth, Laute WHLIVE 0034 / Wigmore Hall Live

Die Londoner Wigmore Hall ist einer der bedeutendsten Konzertsäle der Welt, der 1901 durch die Berliner Pianofortefabrik C. Bechstein erbaut wurde. Der Konkurrent Steinway & Sons in Amerika war mit seiner Idee, in der Nähe seiner Produktionsstätten im eigenen Saal Konzerte zu veranstalten so erfolgreich, dass Bechstein dieses Konzept in Europa ebenfalls etablieren wollte. In der Nachbarschaft seiner Geschäftsräume entstand in der Wigmore Street ein Konzertsaal für 400 Zuhörer, der sich durch seine hervorragende Akustik besonders für Kammermusik eignet. 1917 wurde der Saal nach dreijähriger Pause und Enteignung als Wigmore Hall wieder eröffnet. Konzerte in der Wigmore Hall bilden für Zuhörer aber auch für die Musiker absolute Höhepunkte der Saison. Mit den Aufnahmen bei WHLive kommen seit einigen Jahren auch viele andere Musikliebhaber in den Genuss der einzigartigen Konzerte. Im Dezember 2008 gastierten in London die Sopranistin Carolyn Sampson und der Lauteninst Matthew Wadsworth mit ihrem Programm „Nicht nur Dowland“. Dem „Vater“ des englischen RenaissanceLiedes stellten die beiden Musiker Werke seiner Zeitgenossen Robert Johnson, Monteverdi, Grandi, Piccinini, Caccini und Merula zur Seite. Abgerundet wurde das Konzert durch instrumentale Intermezzi von Johnson, Ferrabosco, Rosseter und Kapsberger. Die überlegte Programmauswahl zeigt die Meisterschaft Dowlands, aber auch, dass seine Zeitgenossen nicht weniger überzeugend komponierten.

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Jacques Brel Ne me quitte pas, Amsterdam, u.a. Sonia Theodoridou KTD 6001 / ETCETERA Now

Die griechische Sopranistin Sonia Theodoridou nahm ersten Gesangsunterricht in ihrem Heimatland. Auf Grund ihrer gesanglichen Leistung gewann sie bald ein Stipendium, das es ihr ermöglichte in Köln und London unter anderem bei Elisabeth Schwarzkopf zu studieren. Danach startete sie eine internationale Karriere, die sie an sämtliche große Opernhäuser der Welt brachte und an denen sie Triumphe feierte. Dann wurde Sonia Theodoridou durch eine schwere Erkrankung gezwungen, sich eine Zeit lang aus dem Musikgeschehen zurück zu ziehen. In dieser Auszeit nutzte sie die Chance, sich mit Musik zu befassen, die ihr lange schon am Herzen lag. Neben ihrer klassischen Affinität zog es Sonia Theodoridou zu Folk, Fado, Jazz und Chansons. Nun arbeitete sie an ihrem Comeback als Opernsängerin und hat sich daneben einen Traum erfüllt und Chansons von Jacques Brel aufgenommen.

Ein lang gehegter Traum Absolute Favoriten wie „Amsterdam“ oder „Ne me quitte pas“ stehen neben „Les bonbons“ oder „L’amour est mort“. Sonia Theodoridou hat nicht nur in der Heimat des Chansonniers geforscht, sie hat sich intensiv in die Musik hineingedacht. Ihr rundes dunkles Timbre hat soviel Kraft, dass sie ohne Anstrengung aber hingebungsvoll mit den Chansons verzaubert. Sonia Theodoridou wird auf ihrer Aufnahme begleitet von einem illustren Ensemble bekannter griechischer Musiker, die die Sängerin unterstützen und gemeinsam mit ihr die Chansons zu neuem Leben erwecken.

AUSGABE 2010/1

Georg Friedrich Händel (1685-1759) Neun deutsche Arien Triosonate F-Dur Gloria Emma Kirkby, Sopran London Baroque BIS-CD-1615

Unter Händels Vokalwerken nehmen die „Neun deutschen Arien“ einen besonderen Platz ein. Sie entstanden wahrscheinlich während seines letzten Aufenthalts in Deutschland, als er seine Mutter besuchte, und sind das letzte von ihm geschriebene Werk in seiner Muttersprache.

Letztmalig deutsch Er verfasste sie auf Dichtungen des Hamburger Poeten und Musikmäzen Barthold Heinrich Brockes, dessen Texte von allen großen Komponisten seiner Zeit geschätzt wurden – neben Händel haben auch Bach, Telemann, Mattheson, Fasch, Keiser, Stölzel und andere Dichtungen von Brockes vertont. Brockes interessierte sich sehr für die englische Dichtkunst seiner Zeit und scheint sehr von der neuen „romantischen“ Anschauungsweise angeregt gewesen zu sein: Die Natur selbst ist das Paradebeispiel für Gottes Großzügigkeit. Dies kommt auch in den heiteren Arien zum Ausdruck, die Händel als „Neun deutsche Arien“ vertonte. Emma Kirkby kombiniert sie mit dem erst 2001 entdeckten und von ihr selbst ersteingespielten „Gloria“ (BIS-CD-1235). Wissenschaftler sind sich nicht sicher, ob es vor Händels Ankunft in Hamburg 1703, während seines Aufenthaltes dort (17031707) oder bald nach seiner Ankunft in Rom im Januar 1707 komponiert wurde. Diesmal, in der kleineren Besetzung von London Baroque, bekommt das „Gloria“ einen wesentlich intimeren Charakter.


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