StiftungsReport 2007

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Lebensfähigkeit dieser Think-Tanks und die Entwicklung neuer Ideen ermöglicht, ist hierzulande jedoch sehr selten. Es scheint nicht der Mentalität deutscher Stiftungen zu entsprechen, jenseits traditioneller Wissenschaftsförderung Geld in größerem Umfang für die „Entwicklung intellektuellen Rohmaterials“82 zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil: Das amerikanische Beispiel scheint sogar abzuschrecken. So wird die Bertelsmann-Stiftung, die mit erheblichen Mitteln operiert und sich selbst als Think-Tank bezeichnet, trotz ihrer Erfolge auch kritisch gesehen. Unter anderem, weil einer einzelnen, reichen Familie, die eine finanzstarke Konzeptfabrik mit der Macht eines Medienkonzerns bündeln könnte, politische Einflussnahme unterstellt wird. Eine nicht projektgebundene Förderung unabhängiger privater Institute, die politisch relevante Themen auch „vermarkten“ können oder die operative Tätigkeit einer Stiftung als Think-Tank bietet jedoch enorme Potenziale. Stiftungen könnten über die Förderung von Think-Tanks auch hierzulande die reklamierte Rolle als Innovationskräfte und Themenmotoren wesentlich effektiver spielen. Der Großteil der Think-Tank-Förderung in Deutschland ist als relativ staatsnah einzustufen. Vor allem, weil die politischen Denkfabriken zum Großteil von der Politik selbst mit staatlichen Geldern geschaffen und unterhalten werden. Hier sind neben Instituten an Universitäten auch die Parteienstiftungen zu nennen, die politische Bildung der Öffentlichkeit und Politikberatung zu ihren genuinen Aufgaben zählen. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) wird seit 1965 vom Deutschen Bundestag finanziert, um ihn und die Bundesregierung in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik auf der Grundlage eigener, praxisbezogener Forschung zu beraten. Auch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, das

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maßgebliche Impulse zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung setzen konnte, ist nicht an eine Universität gebunden. Es ist jedoch mit staatlichen Geldern ins Leben gerufen worden und erhält seine Grundfinanzierung aus Steuergeldern. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. in Hannover, das auf allen möglichen Gebieten mit Studien die Politik und die öffentliche Debatte beeinflusst, erhält neben erheblichen Stiftungsmitteln eine staatliche Grundfinanzierung. Das neu gegründete Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin basiert, obwohl von Akteuren der Zivilgesellschaft initiiert, auf staatlicher Finanzierung. Zahlreiche Nichtregierungs-Organisationen haben sich jahrelang für die Gründung des Instituts eingesetzt. Dabei haben sie von vornherein auf öffentliche Gelder gesetzt – die Möglichkeit, dieses Projekt der Zivilgesellschaft mit Mitteln gemeinnütziger Stiftungen ins Werk zu setzen, spielte eine untergeordnete Rolle. Dieser solide Etatismus in Sachen Think-Tanks macht auch vor dem deutschen Stiftungssektor nicht halt. Auch die privaten Stiftungen geben hierzulande ihr Geld, soweit es an Think-Tank-ähnliche Institutionen geht, überwiegend an staatliche Einrichtungen. Seit jeher fördern deutsche Stiftungen vor allem solche Institute, die an Universitäten angebunden sind und von Universitätsprofessorinnen oder -professoren geleitet werden. Schätzungsweise jede zehnte deutsche Stiftung ist auf diese Weise fördernd tätig, zumeist in Form der Förderung klassischer Wissenschaftsprojekte. Empfänger derartiger Stiftungsgelder sind beispielsweise das ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. an der Universität München, das unter anderem von der Fritz Thyssen Stiftung, der Herbert-Quandt-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung GmbH Fördermittel erhält. In diese Kategorie gehört auch das neu errichtete Heidelberger Centrum für


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