Brixner 315 - April 2016

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Kunst & Kultur

„Barockmalerei vom Feinsten“

Seit 1741 zieren zwei Bilder des Barockmalers Franz Sebald Unterberger die Pfarrkirche St. Michael in Brixen. Beide Werke wurden im Zuge der derzeitigen Restaurierungsarbeiten gereinigt und erstrahlen nun wieder in ihrem ursprünglichen Glanz. Bis zum 1. Mai sind sie als „Kunstpaar des Monats“ in der Hofkirche der Hofburg zu bestaunen.

D

er Himmel über den Stadtmauern von Jerusalem trägt Trauer: Heute wird Jesus von Nazareth gekreuzigt. Doch der eigentliche Hauptdarsteller fehlt im Pulk, der langsam gen Kalvarienberg zieht. Im Gegenlicht gleißen Helme, das Zaumzeug der Pferde schimmert verhalten. Der scharfe Hund, angehetzt von einem Mohrenknaben, knurrt ins Leere, ein Hüne schlägt mit seinem Knüppel ebenfalls ins Nichts.

no, rechts eine viel hellere Palette. Für den Betrachter von heute lagen diese Unterschiede bis vor wenigen Wochen jedoch unter einem schwarzgrauen Schleier aus Ruß und Staub begraben.

Ein großartiger Start. Seit 4. Mai

2015 wird in der Pfarrkirche St. Michael saniert und restauriert, was das Zeug hält (siehe den ausführlichen Bericht im „Brixner“ Nr. 305 vom Juni 2015, ab S. 4). Und das Gotteshaus hat

Jahre älteren Bruder Michelangelo Unterberger. Diesen zog es später nach Wien, wo er bis 1758 als „Rector der k. k. Academie der Mahlerey, Bildhauerey und Baukunst“, der heutigen Akademie der bildenden Künste Wien, tätig war. Seinen jüngeren Bruder Franz Sebald zog es hingegen in den 30-er Jahren nach Brixen. „Als junger Maler fertigte er bei den Klarissen einen Klara-Zyklus, der stupende Malerei ist“, beschreibt Kronbichler. Daraufhin ließ er

„Wer diese Gelegenheit nicht nützt, ist einfach schon gestraft“_ Johann Kronbichler, Direktor des Diözesanmuseums der Hofburg Brixen Franz Sebald Unterberger bannte diese gigantische Szene gegen 1740 mit Ölfarben auf eine 4,5 Meter hohe Leinwand, wissend, dass sein Kunstwerk wohl nie im Zentrum der Betrachtung stehen werde. Seit 1741 nimmt das „Kreuzwegpanorama“ seinen Platz an einem der linken Seitenaltäre in der Brixner Pfarrkirche St. Michael ein und dient als Hintergrund für die um 1460 von unbekannter Hand geschnitzte „Kreuzziehergruppe“, den kreuztragenden Christus und Simon von Cyrene, der ihm beim Tragen hilft – ein spätgotisch-barockes Spiel zweier Kunstwerke. Einen rechten Seitenaltar ziert ebenso ein Bild von Franz Sebald Unterberger, ebenfalls entstanden um 1740. Auf den ersten Blick möchte man nicht meinen, dass beide Bilder aus dem Pinsel desselben Malers stammen: links ein Nottur30

es im wahrsten Sinne des Wortes in (beziehungsweise unter) sich, denn bei den Arbeiten kamen bedeutende Funde zu Tage, wie zum Beispiel ein ehemaliges Friedhofsareal aus dem frühen Mittelalter. Doch eigentlich musste nicht tief gegraben werden, um wahrhaft Einzigartiges zum Vorschein zu bringen: Bei den beiden von Franz Sebald Unterberger gemalten Bildern reichte schon eine gründliche Reinigung. „In Tirol gehört das zum Besten, was diese Zeit zu bieten hat“, ist Johann Kronbichler, Direktor des Diözesanmuseums der Hofburg Brixen und selbstbezeichnender Freund der Barockmalerei, von den beiden Bildern fasziniert, „das ist Barockmalerei vom Feinsten!“ Franz Sebald Unterberger wurde 1706 in Cavalese geboren; seine künstlerische Ausbildung erfolgte im familiären Umfeld und hauptsächlich durch den um elf

sich in Brixen nieder, legte mit den Worten des Freundes der Barockmalerei einen großartigen Start hin und malte etliche geistliche Bilder, denn immerhin war die Kirche damals der Auftraggeber Nummer eins. Im Gegensatz zu seinem bekannten Bruder Michelangelo, dem Akademiker und Barockklassiker, ist Franz Sebalds Malerei viel spontaner und vielleicht auch impulsiver – gerade wenn man bedenkt, dass dieser seine Bilder meist ohne vorbereitende Zeichnungen oder Ölskizzen umsetzte. Franz Sebald Unterberger starb 1776 in Cavalese. In seinem Schaffen ist keine nennenswerte stilistische Entwicklung erkennbar: „Seine späten Bilder, wie zum Beispiel das Stephanusbild in Villanders, haben dasselbe Feuer wie das ‚Kreuzwegpanorama‘“, erklärt Kronbichler mit funkelnden Augen. „Franz Sebald muss

man wohl fast das größere Talent zusprechen als seinem Bruder Michelangelo.“

Expressives Element. „Charakte-

ristisch für Franz Sebald Unterberger ist das expressive Element in seinen Arbeiten“, gibt der Direktor des Diözesanmuseums zu verstehen. Gewanddraperien gestaltet er sehr frei, die Faltenverläufe folgen teilweise keiner erkennbaren Logik. In jedem seiner Bilder ist seine ganz eigene Handschrift zu erkennen: Auf manchen Gesichtern lächelt ein Mund mit etwas eingezogenen Mundwinkeln, in einem anderen Gesicht lässt er die Augen sehr hervorquellen, Engelsputti oder Gruppen von Engeln sitzen sehr frei und offen auf Wolken. „Einen Franz Sebald Unterberger erkennt man relativ schnell“, sagt Kronbichler, und das, obwohl das „Kreuzwegpanorama“ und die „Taufe Christi“ auf den ersten Blick von Grund auf verschieden sind. „Das Kreuzigungsbild ist ein echtes Feuerwerk von barocker Malerei“, sprudelt es aus Kronbichler vor lauter Begeisterung heraus. „Man betrachte die Lichteffekte, wie er solche Details wie die Helme, die im Licht gleißen, oder die Gewänder mit einer Spontaneität und einer Virtuosität in das Bild gesetzt hat.“ Über der dunklen Szenerie weht vor den tristen Stadtmauern Jerusalems triumphierend eine römische Standarte, die mit Leichtigkeit hingemalt ist. „Der Adler auf der Standarte, die Helme und Helmverzierungen sind in feinen Pinselstrichen detailgetreu ausgeführt. Das ist einfach berauschend, wie er den Pinsel

Fotos: Oskar Zingerle

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