Reisemagazin Bregenzerwald

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Der Riebel ist ein altes bäuerliches Gericht aus Mais und einigen Zutaten

muss, um Lebensmittel zu kaufen, und es noch schaffe, ein Mittagessen für drei Personen um weniger als einen Euro zuzubereiten.“

Ich rieche frisch gemähtes Gras, Kühe, Wiesenkräuter, frische, klare, kühle Bergluft, kurz gesagt, ich rieche die Alp – genauer, die Alpe Andlisbrongen über Schetteregg. Aus dem Schopf der zehn Jahre jungen Hütte winkt mir Imelda Geser einladend zu. Die Abendsonne taucht den Schopf in honiggelbes Licht. Die Bäuerin rebelt Holunderbeeren und erzählt aus ihrer Kindheit: „Eigentlich bin ich auf der Alp groß geworden. Seit vierzig ­Jahren verbringe ich jeden Sommer hier. ­Früher mit meinen Eltern und ­meinen Geschwistern, heute mit meinem Mann und manchmal mit meinen drei Kindern und meinem Enkelkind. Eigentlich bin ich auf der Alp beinahe zur Welt gekommen, meine Mutter ist nur ins Tal gegangen, um Kinder zur Welt zu bringen.“

Sie rührt die Milch-Grieß-Mischung ständig um. Daraus formt sie eine kleine Mulde in der Pfanne und legt nach und nach etwas Butter hinein. Immer wieder ein kleines Stück, bis die ganze Butter verarbeitet ist. „­Früher haben die Kühe ungefähr vierzehn Liter Milch pro Tag gegeben. Heute bringen sie es durchschnittlich auf zwanzig bis dreißig Liter täglich.“ Kommen Kälber zur Welt, werden sie betäubt und ihre Hörner verätzt. Doch nicht alles hat sich zum ­Negativen entwickelt. Mittlerweile sind Größe und Helligkeit eines Stalls genau vorgeschrieben. Auch die Größe der Boxen für Schweine ist genau festgelegt.

In der Küche fällt mir eine Flasche auf der Fensterbank auf. Imelda versucht, so viel wie möglich von der Alp zu verarbeiten. Sie sammelt Bergkräuter, etwa Johanniskraut und Arnika, um Tinkturen, Tees und Öle herzustellen. Sehr naturverbunden, genießt sie die Stille am Berg. Imelda kocht für die Männer am Abend einen Riebel, ein altes bäuerliches Gericht. An Zutaten stellt sie frische Kuhmilch, Alpbutter, Öl, Salz, Maisgrieß und Weizengrieß auf den Tisch. „Durch den Maisgrieß bekommt der Riebel eine schöne, gelbe Farbe. Diesen Trick habe ich mir bei meiner Schwiegermutter abgeschaut.“ Zu den Tieren, zu ihren Kühen und Ziegen, hat sie eine sehr innige Beziehung. „Ich kenne die Eigenschaften der einzelnen Tiere. Für die Arbeit mit den Kühen ist eine Beziehung sehr ­wichtig.“ In den Laufställen von heute, in denen sich die Tiere frei bewegen, ist es schwer, die Kühe genau kennen zu lernen. Sie werden schüchtern. Auch durch das maschinelle Melken geht der persönliche Kontakt verloren. Imelda wirft einen Blick in den Holzherd. Dann gießt sie ein wenig Öl in eine Pfanne, hinzu kommt die Milch. „Das Öl macht den Riebel einfach flaumig.“ In die Milch streut sie Grieß und etwas Salz. „Ich bin sehr stolz, dass ich nur einmal pro Woche ins Tal fahren

Imelda rührt den Riebel um. „Am besten schmeckt er nach etwa einer Stunde Kochzeit.“ Die Milch in der Pfanne ist aufgrund ihrer Bakterien sozusagen lebendig. Wettereinflüsse wie Föhn, Regen oder Sonnenschein verändern sie beträchtlich. „Ein Senn muss eigentlich Philosoph sein“, zitiert Imelda den berühmten Bregenzerwälder Autor und Bauern Franz Michael Felder aus dem 19. Jahrhundert. Heute gibt es große Unterschiede zu ­früher bei der Käseherstellung. Strenge ­Hygiene- und Qualitätskriterien bestimmen die Produktion. Käseherstellung erfordert sehr viel Geduld. Zeit zum Nachdenken und Zeit zum bewussten Handeln sind wichtig. Für einen gelungenen Käse braucht es viel Erfahrung und Routine. „Die Wertschätzung für Alpwirtschaft und Käse ist gewachsen“, sagt Imelda erfreut. „Der Käse ist ein natürliches Produkt, ohne Chemie.“ Wesentliche Veränderungen, erklärt Imelda, ergeben sich auch beim Salzen des Käses. Früher war der ­würzige Käse beliebt. „Heute will jeder nur noch milden Käse. Auf dem Markt bis nach Amerika hinein verkauft man milden Käse.“ Imelda probiert den ­Riebel. „Wir essen den Riebel gerne süß zum Kaffee.“ Imeldas Sommer auf der Alp ist fast vorbei. Die Bäuerin kehrt mit sehr gemischten Gefühlen ins Tal zurück: weg aus Ruhe, Stille, Einfachheit und Gelassenheit. Milena Broger

Koch-Tipp: Riebel

Nach dem Originalrezept der ­Bregenzerwälder Bäuerin Imelda Geser Zutaten für 8 Personen: 300 g Maisgrieß 200 g Weizengrieß 500 ml Milch 200 – 250 g Butter 1 EL Öl , 1 Prise Salz Das Öl in einer Pfanne erhitzen und die Milch hinzugießen. Maisgrieß und Weizen­ grieß vermischen und zur Milch geben, ­salzen und ständig umrühren. Wenn die Masse fest geworden ist, eine Mulde in der Pfanne formen, ein Stück Butter in die Mulde legen und kräftig ­weiterrühren. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis die ganze Butter aufgebraucht ist. Der Riebel ­schmeckt hervorragend mit Zucker und Mus oder Kompott.

Oder neu interpretiert als Riebelsoufflé mit Bergkäse und geschmorten Tomaten von Milena Broger Zutaten für 4 Portionen: 500 ml Milch 70 g Butter 100 g Riebelgrieß 5 Eidotter 5 Eiweiß 80 g würziger Bergkäse Salz, Pfeffer, Muskatnuss 12 geschälte Cherrytomaten Olivenöl, Knoblauch, Rosmarin, Salz, Pfeffer Souffléförmchen mit Butter ausstreichen und mit Mehl ausstauben. Grieß mit Milch und Butter kochen und kalt stellen. Die Eidotter und den Käse in die überkühlte Grießmasse rühren. Eiweiß mit einer Prise Salz schaumig schlagen und vorsichtig unter die Grieß-Käse-Masse heben. Die Masse in die Förmchen füllen und bei 180 °C ca. 20 Minuten backen. Kurz bevor das Soufflé ­fertig gebacken ist, die geschälten Cherry­ tomaten in ­Olivenöl anschwitzen und je nach Belieben mit Knoblauch, Rosmarin, Salz und Pfeffer würzen.

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