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JUNG VS. ALT BILDER&TEXTE: vvg

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Turgay Leider gibt es viel zu wenig Miteinander zwischen den Generationen. Es gibt Bereiche für die Jüngeren und für die Älteren, es sei denn, man be-„steht“ auf einem großen Altersunterschied. Die meisten Jüngeren schließen die Älteren aber komplett aus, nach dem Motto „die gehören nicht zu uns“. Man bleibt lieber altersmäßig unter sich. Durch diese Abgrenzung wird man schon blöde angegafft bzw. ignoriert, wenn man dieser Altersgruppe nicht zugehörig ist. Selbst in etwas gemischteren Kneipen, von denen es viel zu wenige gibt, stehen die verschiedenen Altersgruppen auch wieder in Cliquen zusammen. Soziale Beziehungen rein freundschaftlicher Art kenne ich kaum, lediglich bei Paaren mit unterschiedlichen Jahrgängen. Es gibt auch nur noch wenig soziales Engagement, wie in den 80-er und 90-er Jahren. Heute geht der Trend zum megastarken Egotrip; zu 90% ist man auf sexuelle Beziehungen aus, da bleibt der soziale Aspekt leider auf der Strecke – alleine schon durch die ganzen Gaychats. Im Kulturkreis meines Herkunftslandes Türkei haben wir gelernt, dass wir älteren Menschen gegenüber immer zu Respekt verpflichtet sind. Sobald ein großer Altersunterschied besteht, geht man respektvoll mit seinem Gegenüber um. Da geht mein Wunsch doch wieder zu mehr Gemeinsamkeiten: Einfach mal ohne Hintergedanken jemanden kennen lernen, egal welchen Alters. Sich treffen, quatschen und ein Bier zusammen trinken.

reden. Dabei hat er sexuell kein Interesse an unseren Jungs, weil er fest in einer Beziehung ist. Er hat Geld, gibt gerne mal einen aus und freut sich über die Jungs, die noch Danke sagen können; er selbst lernte in seiner Jugend auch Leute kennen, die einen ausgaben. Das ist doch auch in jeder Dorfkneipe so üblich, dass junge und alte Gäste miteinander trinken. Jedes Bier, das er ausgibt, hat nichts mit dem Gedanken: „Ich will dich gleich anmachen“ zu tun. Schade, dass einige Jugendliche immer noch so denken. Ältere sind in vieler Hinsicht einfach entspannter: Wenn ein 20-Jähriger Liebeskummer hat, kann er von einem 60-Jährigen viel besser aufgebaut werden als von einem Gleichaltrigen. Ich habe aber auch schon Negatives beobachtet und dagegen arbeiten wir ganz hart. Wenn ein junger und ein alter Gast aneinander geraten und der Jüngere sagt „was will der alte Sack hier“ fliegt der Junge raus. Bei uns werden Leute nicht bevorteilt, weil sie jung und hübsch sind. Jeder Mensch ist gleich und frei, das zu sein, was er sein möchte. Beispiel: Wir haben einen älteren Gast, der gerne mal in Spitzenwäsche und Bustier ganz ruhig in der Ecke sein Bier trinkt. Von mir aus kann da jeder denken, dass das ekelhaft ist. Wenn aber jemand zu dem Mann hingeht und ihm das direkt sagt, schmeiße ich den raus, der das sagt. Wir sind doch eine Community, eine Szene. Wir haben alle dafür gekämpft, gehen jedes Jahr zum CSD und schreien für gleiche Rechte, sind aber in unserer Subkultur damit beschäftigt, ständig andere zu diskriminieren. Das ist doch erbärmlich.

Daniel mit Freund Felix Unsere Mumu soll ein Treffpunkt für Generationen sein und dafür sorgen, dass diese auch harmonisieren. Wir haben viele ältere Gäste, die unglaublich gern hierher kommen, weil unsere Jungs zu schätzen wissen, dass sie etwas zu erzählen haben. Die bestaunen dann den Gast, der früher mal auf einem Cola-Kasten stand und dafür gekämpft hat, dass sie heute händchenhaltend durch die Stadt gehen können. Da gibt es einen 60-Jährigen, der gerne aus seiner Jugend in Berlin erzählt, dass er immer, wenn die Sitte kam, aus dem WC-Fenster der Kneipe geklettert ist. Der kommt gerne, weil ihm die Jugendlichen zuhören und über die damalige Zeit staunen. Er selbst ist glücklich, dass er seinen Altersgenossen nicht zuhören muss, wenn die den ganzen Abend über Prostatakrebs und Gicht

Philipp Denkt man an das Thema „Alt & Jung“ in Verbindung mit Homosexualität, kommen einem meist zweideutige Angebote oder ein verwerflich anmutender Generationskonflikt in den Sinn. Spannender finde ich aber, über ein wirkliches soziales wie gesellschaftliches Miteinander nachzudenken. Oft macht sich eine Kluft bemerkbar, die sich nicht nur in den Szenekneipen findet, wenn ein älterer Mann oder eine ältere Frau mit einem jeweiligen jüngeren Gegenüber auch nur spricht. Es kommen Kommentare, wie „was willst du denn mit dem Opa/der Oma!?“ oder umgekehrt. Doch was ist, wenn innerhalb dieser Unterhaltungen Gemeinsamkeiten und Schwerpunkte entdeckt werden, die eben nicht das Offensichtliche zum Ziel haben, sondern vielmehr zeigen, dass wir einander brauchen und von

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