Technikjournalist 1/2012

Page 21

konnten Themen vielfältiger angegangen werden, mehr Experten kamen zu Wort. Das Format wurde magazini­ ger, die Sichtweise breiter. Allein das Suchen und Sichten von altem Filmmate­ rial im Internetdachboden archive.org kostete aber viel Zeit, dazu kamen die Collagenanimation und der ent­ sprechend kompliziertere Schnitt. Daher klopfte er mit dem Konzept für Phase II beim ZDF an. Ende 2008 rich­ tete der „Elektrische Reporter“ auf ZDFinfo seinen Zweitwohnsitz ein – denn in der Online-Heimat bleibt er als Blog und Videopodcast verfügbar: Die „angeschlos­ senen Funkhäuser“ des Blogs (wie YouTube, Vimeo oder iTunes) verbreiten die Erlebnisse des „Elektrischen Re­ porters“ weiterhin im Internet. Bis März 2010 wurden 24 Episoden ausgestrahlt. „Die Ausstrahlungskanäle Online und TV“, so das ZDF, „be­ fruchten sich dabei gegenseitig.“ Sixtus findet es jedoch nach wie vor schwierig – aber nicht unmöglich –, beide Welten glücklich zu machen: „Im Web ist quasi der In­ formation-pro-Minute-Wert viel höher als im Fernse­ hen.“ Daher müsse man für das Web viel schneller schneiden, was im TV schnell zu hektisch wirken könne. Der „Elektrische Reporter“ sollte dabei auf keinen Fall den Schwarzbrot-Charakter einer Sozialstudie anneh­ men, weshalb Sixtus einem schrägen Wortwitz oder einer jungfräulichen Metapher selten abgeneigt ist. Durch seinen Stil schafft er es, nicht altbacken oder auf­ gesetzt jugendlich zu wirken. Zu Twitter moderierte er,

es sei „für die einen das Schärfste seit Erfindung der Peperonipraline, für die anderen der endgültige Sieg der Geschwätzigkeit in einer eh schon geschwätzigen Welt“. Zum Thema Urheberrecht fiel ihm ein, dass jeder, der als Nutzer oder Kreativer im Netz zugange sei, Gefahr laufe, auf eine rechtliche Tretmine zu spazieren. „Wir haben nie aktiv versucht, unterhaltsam zu sein, das pas­ siert bei uns wahrscheinlich intuitiv“, überlegt Sixtus. Im September 2010 will Sixtus dann „weg von der Sendung-mit-der-Maus-Erklärigkeit“. Mit dem mono­ thematischen Modell kam er an die immer detaillierteren Strukturen und kleineren Themen, die überall im Netz auftauchten, nicht mehr heran. Daher sollten die Ge­ schichten künftig kürzer, dafür aber präziser angegan­ gen werden können – und so auch mehr Vielfalt in die Sendung kommen. Die Phase III startete als Experiment, das in der deut­ schen TV-Geschichte erstmalig so umgesetzt wurde: Sixtus produzierte kurze Pilotclips, die er durch seine Moderation zum neuen „Elektrischen Reporter“ ver­ strickt. Die Mini-Piloten wurden jedoch nicht nur von der Redaktion beurteilt, auch die Netzwelt konnte sich alle Clips ansehen und mitdiskutieren. Da das Sendungs­ konzept direkt zusammen mit dem User/Zuschauer erarbeitet wurde, konnte eine Serie entstehen, bei der man nicht auf ein wohlwollendes Publikum hoffen musste. Man wusste bereits vorher recht sicher, dass man die richtigen Links gesetzt hatte. TJ

01#2012 | TJ | 21


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.