[030] MAGAZIN BERLIN Ausgabe 19/2010

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Theater—Start der neuen spielzeit

Vorwärts immer! Wie ein quälender Marsch durch die Wüste brachte uns die Sommerpause der Theater an den Rand der kulturellen Verkümmerung. Was in den Häusern zum Saisonstart abgeht, erfahrt ihr hier

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Starten wir den Bühnennach August Strindberg am reigen mit dem allseits 25. September. beliebten Gorki: Am 12. Verschlafen, aber monuSeptember geht hier die mental klotzt der Papa der neue Spielzeit mit einem Volksbühne: Frank CasTheaterfest namens »Blütorf stellt unsere Sitzpolster hende Landschaften« los. Im am 16. September mit »Nach Studio, auf der Bühne und Moskau! Nach Moskau!« (Bersogar dem Parkplatz stranlin-Premiere) auf eine harte den die Ensemblemitglieder Probe. Sind dafür eigentlich im Niemandsland zwischen schon die neuen, extraweiBRD und DDR und stellen chen Polstersitze mit Masfest, dass die Utopien von sagef unk tion eingebaut vor 20 Jahren Quark waren. worden? Egal—nach diesem Peter Licht ist auch mal wieHöhepunkt von Castorfs der am Start und steuert Russlandfeldzug darf Anne mit »Die Geschichte meiner Tismer wieder »Hitlerine« Einschätzung am Anfang des spielen, das gefühlte 17 dritten Jahrtausends« einen Stunden kürzer und abgeexplosionsgefährlichen Text fahrener ist. über einen Mann auf einem Das Hebbel macht unterSofa bei. dessen weiter Ferien. Das Deutsche Theater D ie T he ate rk ap e l l e— reißt sich bereits am 4. um mal etwas KleinkalibSeptember aus dem Dornriges aufzufahren—hebt röschenschlaf und setzt den Friedrichshain aus seiaufs gleiche Pferd, wie das ner hippen TrendversenGorki: Mit »Die Sorgen und kung, indem ab dem 2. Sepdie Macht« nach Peter Hacks tember Ödön von Horváths (Uraufführung 1960) fei»Glaub Liebe Hof f nung« ert ein Stück Premiere, das gezeigt wird. Wenn heute aufgrund seiner utopischen Angestellte nach vielen JahVorstellungen ein Idealren wegen verschwundebild sozialistischen Lebens nen Centbeträgen, die das gestaltet und die Idee einer Vertrauensverhältnis zermora l i schen Ökonom ie störten, ihre Arbeit verlieentwirft. Das war damals ren oder weil sie Brötchen Sprengstoff und ein Grund, DDR, Utopien von Gestern und der Status Quo sind zentrale Themen im aßen, die weggeworfen werdas Stück abzusetzen. Heute Gorki und DT, hier in »Die Sorgen und die Macht« den sollten, und darauftaugt es zur Hinterfragung hin das Gleiche geschieht, des Status Quo und unseren umgekehrt aber MilliarVorstellungen vom lebenswerten Leben. denverluste kein »Vertrauen zerstören« und nur die kleiDer frühe Wurm entkommt dem Vogel, die Schaubühne nen Dinge eine Debatte über den Sozialstaat und sein Fortsteht bereits voll im Saft und setzt auf Erfolg mit Klassi- bestehen initiieren, dann wirkt dieses achtzig Jahre alte kern und Kapitalismuskritik: Neben Schiller und Brecht Stück auf einmal wieder sehr aktuell. Passend danach am läuft auch Falk Richters »Trust«, das auf tänzerische Art 9. und 12. September »Kasse 4—Aus dem Leben einer Kaszwischenmenschliche Beziehungen im Zeitalter anhalten- siererin«. der Krisen und Turbokapitalismus hinterfragt. Die ersten Premieren der neuen Spielzeit sind »Der Menschenfeind« Alle wichtigen Premieren und Theaternews findet ihr in jeder von Molière am 19. September und »Fräulein Julie« frei Ausgabe von [030] in Berlin Live und den Kulturtipps!

Foto Arno Declair

Berlin Live

¶ [Jens Fischer]


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